von Xaveria
Als Dezember kam, ungewöhnlich kalt und verschneit, hatten sie gerade den Rest von dem Aufpäppeltrank hergestellt. Snape hatte darauf bestanden, dass Hermine ihn testete, da sie etwas…bleich… seit dem Wetterumschwung geworden war und er zog sie gnadenlos auf, als der Dampf aus ihren Ohren schoss, bis sie von ihm verlangte, dass er es selbst testete. Er hatte es getan und sich ihrem Gelächter ergeben, weil er gehofft hatte, dass ein Spiel vielleicht das schaffte, was der Trank nicht erreichen konnte.
Aber als ihr Lachen versiegt war, hatte sie ihre Hände laut ineinander geschlagen und gesagt: „Also schön. Was kommt als Nächstes?“
Er hatte nicht gewusst, dass es möglich war, sich nach jemandem, der genau vor einem stand, zu sehnen, jemand, der zu dir gehörte, jemand, der nirgendwo hinging. Er wünschte, er könnte ihr sagen, dass sie weniger als einen Monat entfernt waren, dass er das hier wieder hinkriegen würde. Dass er keinen Plan hatte.
Und so hatte er sein letztes Geld aus seinem Verlies kommen lassen und es ganz genau abgezählt und jetzt war sie mit dem Rest, was nach der Rückzahlung an Minerva und dem Haushaltsgeld für einen weiteren Monat auf ihren Weg nach Hogsmeade, um Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Und eine kurze Reise nach Australien.
Sie hatte sich dagegen gesperrt, als er ihr das Geld gab, und hatte darauf bestanden, dass es nicht nötig sei, dass sie in einer Woche Weihnachten im Fuchsbau sein würde und er hatte ihr gesagt, dass er den Gedanken von seiner Frau ohne Geschenke nicht mochte, hatte sie angestarrt, bis sie eingelenkt hatte.
Er stieg die Stufen zu dem Zimmer, welches sie sich teilten, hinauf und zog seinen schweren Reiseumhang aus dem Schrank. Minerva hatte ihm alles aus Hogwarts geschickt und obwohl er jetzt alle Roben, die er haben wollte, da hatte, wollte er sie nicht tragen und hatte die letzten Monate nur Hemden getragen. Aber jetzt waren diese Roben nötig.
Sich seine Weste zuzuknöpfen fühlte sich seltsam und fremd, beinahe eingeschränkt an und er fragte sich, wie er jemals mit so viel Kleidung, so viel Gewicht brauen konnte. Er legte den Mantel an und wappnete sich für das, was vor ihm stand.
Snape kehrte nach Hogwarts zurück.
Er öffnete die Tür und stand für einen Moment in der eisigen Dezemberluft. Er wusste, dass er sich beeilen musste – dass viel erledigt werden musste, bevor sie wieder heimkehrte, aber etwas hielt ihn auf den Stufen fest und er erkannte, dass er seit fast vier Monaten keinen Wind mehr auf seinem Gesicht gespürt hatte. Und plötzlich traf es ihm, dass sein Leben eine seltsame Mischung aus den Dingen, die hinter ihm lagen und dem Drumherum seines neuen Lebens mit ihr zusammen, war.
Er atmete einmal tief durch und apparierte.
***
Minerva konnte weder ihre Überraschung noch ihre Freude verstecken, als er vor den Toren auftauchte. Sie presste ihre Lippen zusammen und betrachtete ihn kritisch. Sie gackerte und wirbelte um ihn herum und verlangte zu wissen, ob er gegessen hatte. Sie tadelte ihn sich die Zeit über versteckt zu haben und fragte ängstlich nach Hermine, als sie ihm durch die Tore und hinauf in das Büro scheuchte, von dem er gehofft hatte, es nie wieder zu sehen.
Als sie nach dem Türknopf griff, hielt er an.
„Ich will nicht-“
“Oh. Oh, du meine Güte, ja. Einen Augenblick.“
Er konnte das Murmeln ihrer Stimme durch die schwere Tür hören, welche plötzlich vor ihm aufgerissen wurde. Er trat ein und war erleichtert es so verändert vorzufinden, dass das Porträt leer war, als sich die Tür öffnete.
Minerva setzte sich an ihren Schreibtisch, nachdem sie ihn in den Ohrensessel gesetzt und ihn etwas zu trinken angeboten hatte.
„Was stimmt nicht? Ist es Hermine?“, fragte sie.
„Hermine? Nein, natürlich nicht. Hermine geht’s gut.”
„Vergeben Sie mir, Severus, aber ich hätte niemals erwartet, dass Sie noch einmal einen Fuß in dieses Schloss setzen würden.“
„Das ist mir einerlei“, sagte er steif. „Aber ich bin mir sicher, Sie wissen, dass mein Strafmaß bald erfüllt ist. Ich werde wieder Arbeit brauchen.“
„Und Sie wollen wieder zurück?“, fragte Minerva geschockt. „Ich – selbstverständlich, natürlich wäre Hogwarts mehr als erfreut-“
„Seien Sie nicht dumm“, sagte Snape. „Ich würde lieber von einem Mantikor zerfleischt werden.“
Minerva sah etwas beleidigt aus. „Also, ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich so schlimm ist.“
„Die letzten vier Monate habe ich nur wenig getan, um mich an die Freuden des Unterrichtens und den Zauber dieses Schlosses zu erinnern“, sagte er. „Nein, was ich mir von Ihnen wünsche, ist ein Empfehlungsschreiben.“
Die Feder war bereits in ihrer Hand, bevor er den Satz beendet hatte.
***
Hermine stieß die Tür mit ihrer Hüfte auf, da ihre Arme mit Paketen beladen war. Fast die Hälfte trugen Severus‘ Namen, im Grunde hatte sie es mehr berührt, als sie sagen konnte. Der Fuchsbau war warm und eng und beinahe überwältigend gewesen verglichen zu der spärlichen Einrichtung von Spinner’s End und doch hatte sie sich während der wenigen Stunden nach ihrem Zuhause gesehnt. Sie hatte sich nach Severus gesehnt und nach der einfachen Ruhe, die sie in der Gegenwart des jeweils anderen fanden. Sie liebte die Weasleys, sie liebte Harry und doch hatte sie den Eindruck, dass der gesamte Abend von einer zwanghaften Fröhlichkeit belegt war. Niemand fühlte die herzensgute Freude, die sie alle vorgaben. Sie waren alle erschöpfte Menschen, die versuchten nach einer Katastrophe wieder ihr Leben aufzubauen und die Täuschung, den Kampf um eine fröhliche Unterhaltung hatte sie ausgelaugt. In Erinnerungen schwelgen stand nicht auf dem Plan, heute Abend waren sie ganz und gar in der Gegenwart geblieben und jeder hatte großzügig getrunken, um dem Abend einen verzweifelten, schrillen Wert zu verschaffen.
Sie wäre schon eher aufgebrochen, aber Kingsley war nach dem Abendessen auf sie zugekommen und hatte darum gebeten, alleine mit ihr zu reden.
„Ich bin zu Hause“, rief sie und glitt in das Wohnzimmer, wo sie wie erstarrt bei dem Anblick von ihrem Mann auf der Couch sitzend neben einen Weihnachtsbaum von gigantischem Ausmaße, stehen blieb. Snape täuschte Gelassenheit vor, aber unter seiner Fassade, sah sie seine nackte Hoffnung und Angst.
Ihr erster Gedanke war, wie viele Zauber er gebraucht haben musste, um dieses Ding in das Haus zu bekommen. Der Zweite war der plötzliche, sichere Nervenkitzel, dass er draußen gewesen war; er war irgendwohin gegangen, um dieses Ungetüm aufzutun. Und der Dritte war weniger ein Gedanke, sondern das Erkennen des Sternes ihrer Eltern auf der Spitze, seine dumpfe, matte Seite sah absolut nach Muggel aus und war schöner als alles, was sie bisher gesehen hatte.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie stand dort sprachlos, ohne irgendwas anderes zu tun, als den Baum anzusehen, den er ihr gebracht hatte, ein so offenbares Geschenk und das winzige Stück aus ihrer Vergangenheit oben drauf.
„Ich wollte nicht-“, begann er zögernd. „Ich weiß nicht, ob es richtig ist. Ich kenne nur die von Hogwarts.“
Sie konnte nicht sprechen. Sie richtete ihren Blick auf den Mann, der jetzt vor ihr stand, seine Hände geöffnet.
„Da ist so viel in der Kiste und ich war nicht… ich war mir nicht sicher, wo alles hingehört.“
„Die Kiste“, sagte sie dumm. Die Kiste.
„Entschuldige, wenn ich deine… dass ich deine Sachen durchwühlt habe.“
Sie schüttelte ihren Kopf, um seine Entschuldigung abzuschlagen.
„Du hast dich so oft in dem Zimmer eingeschlossen. Ich habe mich angefangen zu fragen, was dich dort hielt.“
Sie nickte.
Er trat vor und nahm die Pakete aus ihren Armen. „Sag etwas.“
„Licht“, sagte sie.
„Ja. Habe ich mir fast gedacht”, sagte er und sie dachte kurz, dass er plapperte. „Aber ich war mir nicht sicher, was du lieber magst und ich wollte es nicht verzaubern, bis du… Hermine, wenn du es hasst, dann schmeiße ich es sofort raus.“
Sie hob ihren Zauberstab und zauberte die Lichter, an die sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte herbei, die großen, schweren Leuchten, die lang und langsam glitzerten. „Natürlich hasse ich es nicht“, flüsterte sie, als sie sich auf die Couch setzte. „Wo hast du den her?“
Severus löschte den Wandleuchter und tauchte sie in das weiche, warme Licht des Baumes. Die Schatten an der Decke flackerten und veränderten sich. Er legte die Pakete auf den Boden davor ab.
„Verbotener Wald. Hagrid hat ihn ausgesucht. Minerva meinte, er sei zu groß, aber er sieht aus wie die Hogwarts-Bäume-“
„Du warst in Hogwarts? Wann?“
„Während du einkaufen warst. Montag, nicht wahr? Kurz bevor wir die Stärkungslösung fertiggestellt hatten. "
„Aber warum hast du mir nichts gesagt? Ich wäre mitgekommen.“
„Frau, hast du noch nie etwas von einer Überraschung gehört? Und außerdem… hatte ich dort noch etwas zu erledigen.“
„Setz dich, Severus. Von was in Gottes Namen redest du da?“
Er setzte sich vorsichtig, als ob er fürchtete, dass sie ihn vielleicht schlug oder davonlief.
„Ich bin mit dem Wundreinigungstrank fertig.“
„Ohne mich? Aber ich dachte, du wolltest mir zeigen wie man--“ Sie verstummte plötzlich. Wundreinigungstrank war der letzte Zaubertrank. „Warte, du bist mit dem Wundreinigungstrank fertig?“
„Scharfsinnig wie immer“, lächelte er. „Und jetzt, wo ich meine Buße der Gesellschaft gegenüber geleistet habe… da dachte ich, dass es am besten ist, wenn ich mir Arbeit suche.“
Sie wartete ruhig. Sie würde dahin gehen, wo er hinging. Wenn er ihr sagte, dass sie wieder an diesen Ort leben würden, dann würde sie gehen, aber sie konnte es sich nicht vorstellen.
„Severus?“, sagte sie schließlich.
„Slug & Jiggers. Die Bezahlung ist mager, aber sie waren bereit mich einzustellen und dafür bin ich… dankbar.“
Sie atmete aus und war sich nicht bewusst gewesen, dass sie die Luft angehalten hatte. „Für einen Moment dachte ich schon, du meintest--“
„Nein.“
Sie nickte und ihr Blutfluss beschleunigte sich bei den Gedanken, dass sie vielleicht hier in Spinner’s End bleiben würden. Über das Flohnetzwerk – oh, jetzt hatte sie das Druckmittel, welches sie brauchte! – über das Flohnetzwerk konnte er sich austauschen, ohne die Öffentlichkeit ertragen zu müssen. Sie berührte leicht seine Hand und war zufrieden, als er sie augenblicklich in seine faltete.
„Sie wollen, dass ich in zwei Wochen anfange“, sagte er. „Ich habe sie darum gebeten genug Zeit zu haben, damit wir vorher noch einen Abstecher nach Australien machen können.“
Etwas in ihr zitterte und stoppte dann. Es war nicht, dass sie nicht registrierte, dass sie gehen würden. Sie hatte es seit dem Moment gewusst, wo er in Kingsleys Büro nach seiner Verhandlung danach gefragt hatte. Aber sie hatte sich nicht erlaubt, darüber nachzudenken. Sie wollte nicht zu sehr hoffen oder ihr Glück an etwas festmachen, was immer noch gewaltig schieflaufen konnte. Und so hatte sie die letzten Monate damit verbracht sich eine Welt aufzubauen, in der sie dennoch leben konnte, aber jetzt sah sie, was er mit der Spitze des Baumes sagen wollte, diesen Abend, die Art, wie er es getan hatte.
„Ich weiß nicht, ob ich sie finden werde, Hermine. Und selbst wenn ich es tue, weiß ich nicht, ob ich es wieder rückgängig machen kann. Aber ich will es versuchen. Ich will versuchen, dir wenigstens das zu geben.“
Idiot, dachte sie halb wütend, halb liebevoll. Sie drückte seine Hand und sah ihn direkt an.
„Sprich niemals wieder so mit mir“, sagte sie ruhig und er sah aus, als ob sie ihn geschlagen hatte. „Als ob ich irgendeine Schuld bin, die eingelöst werden muss. Das werde ich nicht zulassen. Ich bin nicht Dumbledore, nicht Shacklebolt… nicht… niemand außer mir.“
Sein Blick war dunkel und beschützt. Sie wussten beide, was sie nicht gesagt hatte.
„Ich liebe meine Familie und ich will sie unbedingt zurück. Aber Severus – hör mir zu. Wenn wir sie nicht finden können… Nein“, sagte sie und nahm sein Kinn in ihre Hand und drehte seinen Kopf zurück. „Sieh mich an. Wenn wir sie nicht finden können, dann ändert das hier rein gar nichts. Ich werde weiterhin deine Frau sein. Ich werde dich weiterhin lieben.“
Er schüttelte leicht mit dem Kopf und sie zog ihre Hand zurück.
„Ich will, dass du glücklich bist“, sagte er und sie staunte darüber, dass er zugleich so angespannt und zerbrochen klingen konnte.
„Dann sag mir, dass wenn wir zurückkommen, du mir beibringen wirst vernünftig Gänseblümchenwurzeln zu zerlegen. Sag mir, dass wir uns mit dem Flohnetzwerk verbinden können und dass wenn ich mich dafür entscheide für Kingsley zu arbeiten, dass du mich damit, bis ich hundert bin, schikanierst, es aber nicht wirklich hassen wirst. Aber wage es nicht zu denken, dass du dir mein Glück verdienen musst.“
Er schloss seine Augen und der Ausdruck, der sein Gesicht zeichnete, war unleserlich. Es war so, als ob etwas, von dem sie nicht gewusst hatte, dass es da war, endlich abgefallen war.
***
Er konnte die Welt, so flüchtig und seltsam, die sie in der Luft errichtete genauso vor sich sehen, wie den Baum in der Ecke des Zimmers und er fragte sich ob er es wagen konnte danach zu greifen. Für ihn war es so, als ob sie am Anfang beginnen mussten, dass er es in sich wieder finden musste, es noch einmal zu versuchen und er fühlte sich von der Angst überrollt, was es ihn vielleicht bei der Chance, wenn sie es versuchten und scheiterten, kosten könnte.
Er betrachtete ihr ernstes Gesicht und stellte sie sich draußen vor dem Zelt an einen anderen verschneiten Dezemberabend vor, so ungebrochen. Er sah, wie seine Hand sie zaghaft berührte und das Brennen ihrer Haut auf seiner war erschreckend in seiner Macht. Für einen Moment ließ ihn sein Herz in Stich und er zog beinahe seine Finger zurück und dann bedeckte ihre Hand in stiller Akzeptanz seiner Einladung, die seine. Angst und Verlangen vermischten sich in seinem Blutkreislauf, als er nach ihr griff und die Tatsache, dass sie ebenfalls zitterte, als er sie in seine Arme zog, beruhigte ihn.
Die Schatten an den Wänden veränderten und verwandelten sich, weiches rot und grün und gold. Snape spürte Hermines bebenden Atem gegen seine Brust. Er strich mit seiner Hand über ihr Haar und neigte ihren Kopf zurück, um ihn anzusehen. Er schloss seine Augen, als er den letzten Widerstand in sich ausatmete, und senkte seinen Kopf hinunter zu ihren. Für sie, für das hier, würde er es versuchen.
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