von Xaveria
Die Tür zum Raum der Wünsche stand offen und die Drei sahen sich für einen Moment lang an. Das war der letzte Horkrux vor Nagini. Wenn sie das hier einmal erledigt hatten, dann hatten sie keine andere Wahl mehr als ihm gegenüberzutreten. Ron brach zuerst den Blick und betrat den Raum, und gerade als Harry die Türschwelle überschritt, hallte Voldemorts Stimme um sie, als ob er sich selbst im Raum der Wünsche befände, als ob sie ihn durch das Öffnen der Tür freigelassen hätten.
„Ich weiß, dass ihr euch bereit macht zum Kampf. Eure Bemühungen sind zwecklos. Ihr könnt mich nicht besiegen. Ich will euch nicht töten. Ich habe Hochachtung vor den Lehrern von Hogwarts. Ich will kein magisches Blut vergießen."
Hermine schloss ihre Augen. Jetzt war es so weit. Er war hier.
„Gebt mir Harry Potter, und keinem soll ein Leid geschehen. Gebt mir Harry Potter und ich werde die Schule unversehrt lassen. Gebt mir Harry Potter und ihr sollt belohnt werden. – Ihr habt Zeit bis Mitternacht."
Harry schaute auf seine Uhr. „Fünfzehn Minuten", sagte er. „Wir haben fünfzehn Minuten."
Er betrat den Raum und Hermine folgte ihm. Es war fast genauso, wie in ihrer Erinnerung, außer der Tatsache, dass ein Weg durch das Durcheinander öfters benutzt worden war. Stühle standen gestapelt und eine dicke, klebrige Substanz, vermischt mit schwarzem Puder bedeckte den Boden. Hermine folgte Harry den gesäuberten Weg entlang, bis sie das zerfetzte Kabinett sah, dessen Türen offen standen. Das war nicht der Weg. Sie drehte sich um und nahm den Weg durch die Trümmer, bis sie die beschmierte Bank entdeckte. Da. Dort war sie hinübergeklettert, wo sie wie angewurzelt gestanden hatte, während Snape Draco abgelenkt hatte. Wieder kletterte sie auf die Bank und hatte das Gefühl, dass sich die Zeit, wie ein Mantel über sie legte. Es war vor einem Jahr gewesen, ein Jahr, seit sie es zuletzt gesehen hatte. Wer war dieses Mädchen, diese Schülerin, die nach ihrem Liebhaber gesucht hatte? Was war mit ihr geschehen? Sie hatte plötzlich den unsinnigen Gedanken, dass sich ihr altes Ich vielleicht selbst noch irgendwo im Raum, unter einen Haufen von ramponierten Roben versteckte.
Die Büste stand vor ihr und ruhig ging sie darauf zu und zog das Diadem von dem Kopf. Sie drehte es in ihrer Hand. Witzigkeit im Übermaß ist des Menschen größter Schatz. Sie hatten es gefunden. Das war es. Witzigkeit im Übermaß. Hermine dachte wieder an ihr altes Selbst, wie sie vor den Sockel dieser Statue gesessen und ein Zaubertränkebuch studiert hatte. War es möglich, dass die Legende von diesem Stück wirklich stimmte? Dass die Person, die es trug mehr Weisheit hatte? Kurz bevor sie das Ding auf ihr Haar setzte, erkannte sie, dass sie sich mit einem Stück von Voldemorts Seele krönte und sie schlug es von sich. Sie dachte an Dumbledores Hand. Was hatte sie beinahe getan? War dieses Ding irgendwie verzaubert? Sie musste es schnell loswerden.
„Ich habe es!", schrie sie, als sie sich an einen schweren Holztisch, der mit Büchern und Flaschen bedeckt war, vorbei. „Ich hab's gefunden!"
Ron war in der Mitte des Raumes, als sie ihn erreichte, aber Harry war noch nicht wieder zurück. „Wo ist er?", fragte sie. Den Horkrux hielt sie fest in ihrer Hand umklammert.
„Weiß nicht. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit wir hier drin sind. Harry?"
Hermines Verstand füllte sich plötzlich mit Bildern von Harry, wie er in das Kabinett kletterte und sie hier zurückließ. "Harry!"
Sie eilte den offenen Weg zum Kabinett hinunter. Harry hatte ihr den Rücken zugewandt und er hielt das Schwert von Gryffindor in Schulterhöhe. „Harry!", sagte sie, aber er drehte sich nicht zu ihr um.
„Ungh!" Da war ein zersplitterndes, zermalmendes Geräusch, als das Schwert auf das Holz des Kabinetts traf. Harry hob es erneut. „Ungh!" Er grunzte vor Anstrengung, zerrte die Klinge aus dem Holz und schlug erneut zu. Die Kabinettstür hing für einen Moment nur noch an einem Scharnier und fiel dann zerschmetternd zu Boden.
Hermine näherte sich ihm vorsichtig. „Harry, bitte. Bitte. Wir haben den Horkrux. Wir haben nicht mehr viel Zeit."
„Verfluchte Mistkerle!", schrie Harry, als er wieder mit dem Schwert auf das Kabinett haute. „Todesser in Hogwarts! Dumbledore..."
„Ich weiß. Ich weiß, bitte, Harry, aber es passiert schon wieder und wir müssen es jetzt beenden. Gib mir das Schwert."
Er reichte es ihr nicht, sondern hob es in beiden Händen über seinen Kopf und stach auf das Kabinett ein, als ob er beabsichtigte sein Herz zu treffen. „Gaaah!", schrie er und sank vor dem Kabinett keuchend auf seine Knie. Ruhe breitete sich aus. Ron trat unbehaglich von dem einen Fuß auf den anderen und wusste nicht, wo er hinsehen sollte. Hermine fragte sich, wen sich Harry vorgestellt hatte, als er das Schwert hineingestochen hatte. Voldemort? Draco? Oder jemand anderen?
„Wenn wir gewinnen", begann sie. „Wenn wir gewinnen, dann wird er noch immer tot sein."
„Ich weiß. Wir konnten es damals nicht ändern und wir können es auch jetzt nicht. Aber wir können das, worum er uns gebeten hat, erledigen. Das können wir noch immer tun."
Harry rührte sich nicht.
„Ich werde jetzt das Schwert nehmen, Harry", sagte Hermine sanft. Behutsam trat sie um ihn herum und nahm den Griff in ihre beiden Hände, während sie das Diadem unter ihren Arm klemmte. Sie wackelte die Klinge hin und her, bis sie sie aus der hölzernen Wunde trennen konnte.
„Komm, Kumpel. Hermine hat Recht. Lass uns dieses Ding loswerden."
Harrys Schultern begannen leicht zu zittern, aber er machte keine Anstalten aufzustehen.
„Schon okay. Dieses hier werde ich erledigen", sagte Hermine. Sie legte den silbernen Kreis auf den Steinboden und hob das Schwert. Es fühlte sich seltsam - theatralisch - in ihren Händen an. Wie hoch sollte sie es heben? Wie hart musste sie zustoßen? Sie hatte bis auf ihren Zauberstab noch nie eine Waffe in ihrer Hand gehalten. Aber als ihre Muskeln sich anspannten, um zuzuschlagen, durchbrach eine hohe, kalte, permanente Stimme ihre Bewegung. Es war nicht dieselbe, wie die als sie die Türen geöffnet hatten, es schien nicht von überall zu kommen, sondern von dem Diadem auf den Boden.
„Hermine Granger", zischte das Ding. „Ich kenne dich."
Ron traf ihren Blick und schüttelte wild mit dem Kopf. „Nein", sagte er. „Nein, Hermine! Das hat es auch mit mir gemacht! Es weiß gar nichts - erstich es einfach!"
„Oh, Miss Granger... es tut mir so leid es Ihnen zu sagen." Das Diadem verstummte und für einen Moment lachte es schon fast traurig. „Er ist bereits tot. Ich habe ihn selbst umgebracht... vor nicht ganz einer halben Stunde. Wenn Sie ihn jetzt finden, werden Sie vielleicht noch etwas Wärme in ihm, in seiner Haut spüren. Aber vielleicht auch nicht. Kurz bevor er starb, da sagte er mir... er sagte mir, ich sollte Ihnen sagen..."
„Hermine -- NEIN!", schrie Harry, als sie nach dem Diadem griff.
„Ich soll ihn ausrichten, dass er Sie nie geliebt hat... er sagte mir, ich sollte Ihnen sagen, dass er bis zum Ende mir gehörte... mein Spion, Miss Granger, nicht Ihrer."
Hermine schrie, als Harry ihr das Schwert aus den Händen riss.
„Er bettelte mich an, ihn am Leben zu lassen..."
„Töte es!" Ihre Stimme riss durch ihre Stimme, als ob sie irgendwo in ihrer Brust verankert war und alles in ihr aufriss, als es ihren Mund verließ. „Töte es!"
Harry stand blass und schockiert da, betrachtete sie mit einem aufgerissenen, ungläubigen Blick. „Hermine? Scheiße, nein, Hermine..." Er schüttelte mit dem Kopf, als ob er das, was über sein Gesicht, seine Gedanken war, verleugnen wollte. „Es war Snape? Die ganze Zeit über war es Snape?"
„Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, dass sein Tod schmerzlos war, Miss Granger, aber ich fürchte..."
„Harry, bitte! Du verstehst das nicht--“
„Er hat Dumbledore umgebracht!“, brüllte Harry.
„Harry, bitte, hör mir zu! Sie haben es geplant! Sie haben es ausgearbeitet – Dumbledore zwang ihn – er dachte, du würdest den Zauberstab von Snape nehmen – Harry, ich schwöre es – Dumbledore würde dir dasselbe erzählen!“
Harry starrte sie wütend und noch immer unverständlich an. „Das hat nichts…. Ich weiß nicht… SNAPE? Wie viel weiß er, Hermine? Wie viel hast du ihm erzählt?â€
„Ich… er… Harry, er wusste es bereits. Dumbledores Porträt… Er hat uns das Schwert gebracht – es war sein Patronus im Wald, seine Hirschkuh! Und im Malfoy Manor – da hast du selbst gesagt, dass uns jemand half – er hat Draco geschockt, er hat den Schildzauber auf dich gelegt!“
„Ich fürchte, ich musste ihn ziemlich schwer verletzen… Haben Sie ihn jemals schreien gehört, Miss Granger? Haben Sie ihn jemals um Gnade betteln gehört?“
Hermine schnappte sich das Schwert aus Harrys knochenlosen Fingern. Er machte keine Anstalten sie aufzuhalten. Sie verschwendete jetzt keine Gedanken daran, wie sie es zu tun hatte, sondern ließ sich neben den lachenden Horkrux auf ihre Knie fallen und stieß mit der Klinge in die stabilste Metallstelle, spürte den Druck darunter, spürte eine Art kranke Sanftheit, als sie das Herz dieses Dinges entzweite. Es gab ein leises, pfeifendes Stöhnen von sich, als es starb und Harry stolperte ein paar Schritte zurück, umklammerte seine Narbe und sah zu Tode verängstigt aus.
Sein Blick war glasig und seltsam hinter seiner Brille. Seine Hand lag noch immer auf seiner Narbe und er schien hin und hergerissen zwischen der flehenden Stimme vor seinen Füßen und der Stimme in seinen Kopf zu sein.
„Er hat uns Bellatrixs Schlüssel gebracht, Harry. Er hat mein Leben gerettet – unser aller Leben. Das bin ich, Hermine… Harry, du weißt, dass ich dich niemals verraten würde. Niemals. Du hast selbst gesagt, dass es da etwas gibt, was mich am Leben hält… Harry, bitte.“ Sie senkte ihren Blick. Warum passierte es? Warum ausgerechnet jetzt?
Sie hörte, wie jemand leise durch zusammengepresste Zähne pfiff und sie drehte sich zu Ron um. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und sein Ausdruck misstrauisch, achtsam. Er betrachtete sie, als ob sie irgendein interessantes Tier war, welches er zuvor noch nie gesehen hatte, welches vielleicht gefährlich war.
„Verflucht, Hermine. Snape?“
Sie wandte ihren Blick von ihm, von ihnen beiden ab. Snape, würden sie beide sagen, weigerten sich zu sehen, weigerten sich zu glauben, genauso wie sie es immer gewusst hatte. Also würde der Horkrux doch gewinnen, selbst in seinem Tode. Es hatte, vielleicht als sie das verdammte Ding auf ihren Kopf gesetzt hatte, die eine Sache gefunden, die sie entzweien, wofür die beiden sie verlassen würden.
Harrys Stimme, als denn ertönte, war ruhig und fragend. „Hermine…“
Sie hob ihren Kopf und traf seinen Blick.
„Harry, bitte. Ich liebe ihn.“
Harrys Blick blieb auf ihr ruhen und sie wünschte sich, dass sie die Zeit gehabt hätte, Legilimentik zu lernen, dass sie ihre Erinnerungen in seinen Kopf zwingen konnte, dass sie ihn sehen lassen konnte, wie sie Snape sah und ihm zeigen konnte, wie unerbittlich er auf Harrys Seite gekämpft hatte… wie er aus der Hölle zurückgekehrt war, um für Harry zu kämpfen.
„Vertrau mir“, flüsterte sie und etwas kreuzte Harrys Blick, aber sie wusste nicht, was es war.
„Hermine… Voldemort hat nach ihm geschickt. Er hat Lucius Malfoy geschickt, um Snape zu holen. Er sagte, es gibt da… einen Einsatz… den er von ihm erwartete.“ Es lag eine Warnung in Harrys Stimme, aber Hermine wusste nicht, ob es eine Warnung vor dem war, was kam oder vor Snapes Verrat.
„Wo?“, war alles, was sie zustande brachte.
„Die Heulende Hütte.“
Hermine sprang innerhalb von wenigen Sekunden auf ihre Füße, fegte über eine Ritterrüstung, die ihr in den Weg gefallen war und rannte zur Tür.
„Hermine, warte!"
Als sie die Tür aufzog, war es so, als ob es Hogwarts und nicht der Raum der Wünsche war, der sich magisch veränderte. Die Schlacht hatte begonnen, während sie ihre Dämonen im Raum der versteckten Dinge bekämpft hatten sah es so aus, als ob die Todesser bereits die Verzauberungen der Schule durchbrochen hatten. Als sie den Flur hinunterlief, musste sie fallenden Steinen ausweichen und Lichter von Zauberstabsspitzen ausschalten, die sie nicht sehen konnte. Sie hielt ihren eigenen Zauberstab vor sich und stürmte durch das Schloss, wich dabei einigen Kämpfern aus. Sie drängelte und stieß eine überraschte Professor Trelawney zur Seite, als sie geduckt an einen orangefarbenen Zauber vorbeilief, den sie nicht kannte. Sie hörte rennende Schritte hinter sich, als sie die ersten Treppenabsätze erreichte, aber sie würde nicht durch ihre Freunde oder Feinde aufgehalten werden.
„Glisseo!", schrie sie und warf sich auf die glatte Oberfläche, in die sich die Treppen verwandelt hatten, und glitt schnell auf die Ebene darunter. Ein breiter, vermummter Todesser stand am Treppenende und sie traf ihn mit einem Sprengfluch, als sie an ihn vorbei rutschte, und sah mit einem sonderbar gefühllosen Blick dabei zu, wie er zurückgeworfen wurde. Sie unterbrach ihren Schritt nicht, als sie unten ankam, sie sprang direkt auf und rannte den nächsten Korridor hinunter. Sie sah, wie Fred und Percy einen Mann bekämpften, der unter seiner Maske verdächtig nach dem Zaubereiminister aussah und als sie an ihn vorbeilief, hörte sie ihn „Das Schlammblut!", schreien, aber das war auch alles, als ihre Füße sie schneller und schneller zu dem nächsten Treppenabsatz trugen.
Unter ihr hörte sie eine Explosion und der Boden begann zu beben und unter ihr nachzugeben. Sie wirbelte herum und lief den Flur zurück. Es gab eine weitere Treppe im Ostflügel dieser Ebene, zwischen einem Badezimmer und dem Klassenraum für Muggelkunde. Hermine konzentrierte sich nur auf ihren Weg. Sie blickte nicht in die Gesichter, an denen sie vorbeilief, noch schaute sie auf die Körper derer, die gekrümmt in den Ecken lagen. Sie konnte sich nicht dazu überwinden hinzusehen, sie konnte es sich nicht leisten stehen zu bleiben. Snape war auf den Weg in die Heulende Hütte und sie würde rechtzeitig da sein...
Rechtzeitig, um was zu tun? Vollkommen egal. Es war nur eine weitere Sache, über die sie nicht nachdenken sollte. Sie hörte entfernt ihren Namen schreien, aber es kümmerte sie nicht, als sie weiter rannte. Ein Teil des Bodens war auch hier weggebrochen, aber sie würde sich nicht damit abfinden auf der sechsten Etage festzuhängen. Die Treppen, auf die sie zulief, versuchten sich frei zu schwingen, fort von der Zerstörung, aber sie hängte auf ein paar Steinbrocken fest. Sie schwang sich selbst über das Geländer und sprang auf die Stufen und sprengte dann die verletzenden Steine weg. Die Treppe zitterte und knarrte, als sie sich frei riss und schwang sie hinüber auf die andere Seite des Schlosses, verband sich mit einem anderen Treppenabsatz, der verzweifelt nach seinem Gegenstück zu suchen schien. Runter, runter immer weiter runter rannte sie, und als sie einmal die dritte Etage erreichte, befand sie sich mitten in einer Schlacht, so gewaltig, wie sie es noch nie gesehen hatte. Menschen strömten überall hin, einige vermummt, einige nicht und selbst die Statuen schienen zum Leben erwacht zu sein, um mit zu kämpfen. Ein bewaffneter Ritter schepperte den Korridor hinunter, schwang eine gewaltige Axt und sie wurde von einem Steinwasserspeier zur Seite gestoßen, der knurrend an ihr vorbeiraste und seine Zähne in das Knie eines maskierten Mannes stieß, welcher Flüche auf davonlaufende Schüler schoss. Sie zwang sich sie nicht anzusehen. Nur noch zwei weitere Etagen.
Aber das Erdgeschoss ließ die dritte Etage wie einen Duellierklub aussehen. Ihr war es nicht möglich einen Schnittzauber auszuweichen und riss durch ihren Ärmel und ihren Arm. Sie hörte gequälte Schreie und sah, wie Greyback über einer sich wehrenden Person stand, und sie schleuderte ihn zur Seite, aber die Person blieb liegen... ein Körper, der schwarze Roben und Turnschuhe trug... nein... nicht jetzt. Sie würde sich jetzt nicht darauf konzentrieren. Professor McGonagall rannte an ihr vorbei, ihre Haare flogen offen hinter ihr her, ihre Lippen zu einem stummen Schrei verzogen, als sie mehrere Schreibtische auf einmal durch die Große Halle führte. Ein unmaskierter Todesser - der Idiot Travers - tauchte plötzlich in der Lücke vor ihr auf und sie versteinerte ihn, bevor er auf Lavender Brown zielen konnte, welche mit allen was in ihr steckte zu einem Ort hinter Hermine lief, ihr Gesicht verzogen aus einer Mischung von Angst und Erleichterung. Sie versuchte nicht hinzusehen, sich nicht zu kümmern, aber da war Remus Lupin, seine Brust rausgestreckt und sein Haar zurückgeworfen und sah so viel stolzer und entschlossener aus, als er vorhin Lucius Malfoy bekämpft hatte.
Lucius Malfoy. Warum war er hier? Harry sagte, dass er Snape holen sollte. Plötzlich hatte Malfoy sie entdeckt und das gefällige Lächeln, welches er trug, als er noch mit Remus gekämpft hatte, verschwand. Er drehte sich mit einem Blick aus absoluter Wut zu ihr um und sie wusste, dass er schwer für ihre Flucht aus Malfoy Manor bestraft worden sein musste. Er sah nicht aus, wie ein Mann, der kämpfen wollte - er sah aus, wie ein Mann, der ihr jede Gliedmaße einzeln ausreißen und auf den Rest von ihr pinkeln wollte.
„Incarcerus!", schrie sie und ihr Zauber kollidierte mitten in der Luft mit seinen und Funken sprühten überall hin, trafen sie auf ihren Armen und in ihr Gesicht und brannten wie Säure.
Er wischte sich sein Gesicht ab und rannte dann auf sie zu und sie traf innerhalb weniger Sekunden eine Entscheidung.
„Sectumsempra!"
Er fiel vor ihr auf den Boden, umklammerte sein Gesicht, als Blut zwischen seinen Fingern lief und sein langes, blondes Haar beschmutzte. „Mein Gesicht! Mein Gesicht, du verfluchte Schlampe! Ich werde dich-"
„Lucius!", schrie Narzissa aus einiger Entfernung und Hermine drehte sich um und erstarrte sie, sah dabei zu, wie sie zu Boden fiel. Jemand trat auf sie drauf und fiel beinahe hin, als er vorbeilief.
Lupin schockte Malfoy. „Hermine!", schrie er, aber dafür hatte sie keine Zeit und sie rannte erneut los, diesmal auf die gewaltigen Holztüren am anderen Ende. So nahe. Gleich würde sie auf dem offenen Gelände sein.
„Hermine, runter!" Diese Stimme war unverkennbar. Das war Ron Weasley in voller Panik und sie fiel geradewegs auf ihren Bauch, ihr Gesicht gegen den Stein gepresst und ihre Augen fest geschlossen. Zum Teil hörte und fühlte sie die Tausende von Füßen, als die Spinnen über sie liefen. Das raue Haar ihrer Beinhaare kratzte ihr Gesicht und ihren Nacken und sie wollte schreien, wild um sich schlagen und sie einfach von sich schütteln, aber solange sie sich bewegten und sie nicht bemerkten, würde sie ruhig liegen bleiben. Endlich war die Welle der Spinnen versiegt und sie spürte, wie Rons breite Hände sie auf ihre Füße zogen.
„Sag mal, wieso läufst du wie eine Irre vor uns davon? Das war ich gewesen, den du da im dritten Flur in den Bauch geschlagen hast, falls es dir noch nicht -" plötzlich riss er sie zurück, als die bunten Glasfenster der Haupthalle implodierten. Glas schoss wie Hunderte von winzigen Pfeilen durch die Luft und sie und Ron bluteten hemmungslos. Sie konnte Feuer durch die klaffenden Löcher, wo einst die Fenster gewesen waren, sehen.
Hermine versuchte aus Rons Griff zu befreien, um erneut zu den Türen zu laufen.
"Grundgütiger Merlin, jetzt warte doch mal auf mich und Harry!", bellte er, aber sie spürte, wie ihre Roben rissen und sie schoss von ihm fort, ließ ihn mit einer Handvoll von Ärmeln zurück. Sie zog an der großen Holztür zum Haupteingang, aber sie ließen sich nicht öffnen. Wie auch immer die Todesser ins Schloss gekommen waren, es war nicht durch die Haustür gewesen. Hermine sprang durch die zerklüfteten Überreste eines der Fenster, welches einmal Salazar Slytherin abgebildet hielt.
Hermine rannte so schnell wie noch nie in ihren Leben. Ihre Brust hob sich und ihre Seiten brannten, aber sie ignorierte es, vorbei an den Zentauren, die Pfeile auf seltsam, kriechende Kreaturen, die sie zuvor noch nie gesehen hatte, schossen, vorbei an den Riesen mit ihren monströsen Stöcken, vorbei an schwarz gekleideten Gestalten, vorbei, vorbei... bis das Gelände in eine andere Art von Dunkelheit getaucht wurde, eine kalte und saugende Dunkelheit, die sie drohte, erstarren zu lassen. Dementoren. Sie versuchte dennoch weiter zu gehen, versuchte sich durch die hängenden schwarzen Mäntel zu kämpfen, die im Wind flüsterten, ihr schreckliche Geschichten von Tod und Wahnsinn, endlose, dunkle Geschichten von Schmerz und Blut, von schlitternden Dingen, die in ihren Kopf herumwirbelten, die ihren Atem stocken ließen, zuflüsterten.
„Expecto Patronum", sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Expecto Patronum."
Nichts kam - noch nicht einmal ein silbernes Bündel aus ihrer Zauberstabsspitze. Tränen sammelten sich in ihren Augen - ihr Mann war irgendwo dort draußen in der Dunkelheit, sterbend? Tot? Und sie konnte ihn nicht erreichen, sie konnte nicht mehr weiterlaufen. Sie würde hier auf den Boden liegen und sich einfach von ihnen mitnehmen lassen und er würde niemals wissen, dass sie es versuchte, dass sie versucht hatte, zu ihm zu gelangen...
Dann hüpfte direkt vor ihr ein leuchtender Hase durch die Luft, trieb die Dementoren zurück. Einen Moment später kam ein Jack Russell zu dem Hasen und letztendlich ein großer Hirsch, der sein Geweih dazu benutze die Dementoren zur Seite zu werfen.
„Hermine, würdest du wohl warten? Einfach in einen Haufen von Dementoren zu rennen ist nicht gerade-"
Sie drehte sich um und hob nur halbherzig ihren Zauberstab. Sie konnte die Verzweiflung, die Tränen in ihrer Stimme einfach nicht abschütteln. „Ich kann nicht warten - ich kann nicht. Ihr versteht das nicht!"
Harry trat vor. „Nein, ich verstehe es nicht", schrie er. „Ich verstehe nicht, warum du es mir nicht gesagt hast. Aber ich will genauso dringend zu Voldemort, wie du, Hermine. Wir müssen diese Schlange töten. Und was Snape betrifft..." Er hielt inne und sah so aus, als ob er an seinen eigenen Worten ersticken würde. „Du hast mir nie einen Grund - irgendeinen Grund - gegeben an dir zu zweifeln. Und ich werde jetzt nicht damit anfangen."
Hermine stand jetzt auf Augenhöhe mit Harry. Auch wenn er Worte des Friedens sprach, blieb die Spannung zwischen ihnen bestehen. Hermine zitterte beinahe vor Drang danach loszurennen, jemanden zu schlagen, um zu Snape zu gelangen.
„Luna", sagte Ron ruhig.
„Oh, ich weiß schon. Ihr müsst alleine gehen. Nur noch - Hermine-"
Hermine drehte sich zu ihrer Freundin um und sie hatte eine Eingebung. „Luna, du weißt es! Sag du es ihnen!"
„Ihnen muss es nicht gesagt werden, Hermine. Du musst sie einfach nur mitgehen lassen."
Ron schnappte sich Hermines Hand und für einen Augenblick, wollte sie sich losreißen, aber sie gab nach, als sie spürte, wie er sie vorzog, in Richtung der Peitschenden Weide. Sie begannen zu rennen und sie lehnte sich in den Wind, drückte mit all ihrer verbleibenden Kraft nach vorne. Harry war schnell hinter ihnen und sein Hirsch galoppierte wie ein Leuchtfeuer vor ihnen.
***
Snape hatte sich zurückgehalten, lungerte zwischen den Bäumen, beobachtete die Belagerung auf Hogwarts. Er hatte gesehen, wie die Todesser mit Leichtigkeit die Schutzzauber der Schule aufgehoben hatten, als ob sie einfach zur Tür gelaufen, geklopft und um Eintritt gebeten hätten. Sie waren durch die Fenster gekracht, haben dabei einen Großteil des Westflügels von dem Erdgeschoss gesprengt und waren durch die zerfetzten Steine eingedrungen. Er hatte gesehen, wie das Schloss innerlich brannte, wie eine riesige, lodernde Wunde gegen die Landschaft und die hektischen Bewegungen im Inneren.
Er hatte nicht gekämpft. Es war nicht sein Schicksal in der Schlacht zu sterben, seine wahre Loyalität denen gegenüber zu offenbaren, die kämpften. Seine Pflicht war es zu Voldemort zu gehen, wenn er gerufen wurde, um ihn glauben zu lassen, dass er sich das nahm, was Snape ihn nicht geben konnte.
Hinter ihm kamen die Zentauren aus tiefen, dunklen Orten. Hexen und Vampire, Todesfeen und Dementoren fluteten, schlichen, krochen auf das Gelände und die Trolle und Riesen, die aus den Bergen kamen und ihre mächtigen Stöcke schwangen. Hogwarts war so gut wie verloren. Wer kämpfte für die Seite des Lichtes da drinnen? Ein paar alte Professoren, der zusammengewürfelte Orden und eine Handvoll von Siebtklässlern.
Als er dort stand, kam es ihm in den Sinn, dass man ihn auch das zulasten legen konnte. Der Dunkle Lord griff nur an, um sie dazu zu zwingen ihm Potter auszuhändigen. Potter, ein Kind, ein gewöhnliches Kind, hierfür durch das Gerede einer verrückten alten Frau gekennzeichnet. Hätte er nicht den Dunklen Lord berichtet, hätte er nie den Inhalt der Prophezeiung offenbart, dann würde er jetzt nicht hier stehen und den Geruch von Tod einatmen, während er dabei zusah, wie sein Zuhause zerstört wurde.
Also würde er gehen, ja. Er würde gehen und sein Leben geben, nur ein geringer Ausgleich für die Zerstörung, die er verursacht hatte. Als er den Flammen von Hogwarts zusah, dachte er an Hermine, die, wie er vermutete, noch immer dort drinnen war, auch wenn er seit dem Zeitpunkt, wo sie ihm gesagt hatte, dass sie kamen, kein Wort mehr von ihr gehört hatte. Noch immer drinnen, genau wie er, darauf vorbereitet ihr Leben für Potters Sicherheit zu geben und nur wegen dem, was er getan hatte. Wenn es noch irgendwelche Hoffnungen gab, wenn er überhaupt das Recht hatte zu hoffen, dann hoffte er, dass sie schnell und schmerzlos sterben würde, dass er sie dann vielleicht auf der anderen Seite wieder finden könnte. Dass sie ihn dann vielleicht noch immer liebte.
Lucius kam zu ihm, sein blondes Haar erschreckend gegen die schwere, verrauchte Nacht. Sobald er ihn sah, wusste Snape, dass die Zeit gekommen war. Er berührte seine Roben ein letztes Mal, das Fläschchen war noch immer sicher versteckt. Er würde jetzt gehen und das tun, was getan werden musste. Er verließ den Schutz der Bäume.
„Lucius", sagte er.
„Snape. Der Dunkle Lord wünscht deine Anwesenheit."
„Snape, heißt es jetzt? Lustig, ich hatte nicht das Gefühl--"
„Er hat mich geschickt, dich zu holen. Er sagt, er will dich augenblicklich in der Heulenden Hütte sehen."
„Verstehe."
„Was hast du gemacht, Snape? Angst zu kämpfen? Versteckst dich hier--"
„Der Dunkle Lord hat Pläne für mich, die dich nicht betreffen, Lucius. Deine Aufgabe ist es offensichtlich, Laufbursche zu spielen."
Lucius hob seinen Zauberstab.
„Oh, wenn ich du wäre, würde ich das nicht tun. Bist du nicht gekommen, um mir zu sagen, dass unser Lord mich sehen will? Es wäre nicht förderlich, sollte ich... gehindert werden."
„Dann geh schon", knurrte Lucius. „Geh zu ihm, wenn du dich nicht fürchtest."
Snape nahm zwei große Schritte und stieß sich hinauf in die Luft. Er konnte nicht anders, als zurück zu Lucius Malfoy zu blicken, welches mit offenem Mund auf den Boden stand und Snape dabei zusah, wie er hinauf in den Himmel stieg. Der Rauch nahm ihm den Atem und er kämpfte damit noch höher zu steigen, um die klare Nachtluft über der Decke des Todes zu erreichen. Die Sterne erleuchteten seinen Weg über dem Quidditch-Feld, über die gezackten Tore Hogwarts, die jetzt dezimiert auf den Boden lagen. Er flog über Hogsmeade zur Heulenden Hütte, wo er sie einmal umkreiste und landete dann innerhalb der magischen Tore, von der es beschützt wurde. Er klopfte dreimal an die getäfelte Tür und sie verschwand.
Der Dunkle Lord stand auf den oberen Treppenabsatz. „Komm, Severus", sagte er.
Snape ging die Stufen hinauf, war sich jeden Atemzug, jeden Schritt, jeden Herzschlag bewusst, als er hinaufstieg.
„Komm und schau."
Snape folgte ihn zur Hinterwand der Hütte, welche jetzt in ein großes Fenster verwandelt worden war. Von hier aus hatte der Dunkle Lord die Schlacht beobachtet. Neben der Fensterwand ruhte Nagini in einer magischen Blase, wo sie sich in der sternenklaren Kugel wandte. Wo er sie an seiner Seite hält, unter magischem Schutz... dachte er. Dann ist es an der Zeit...
„Es ist schon beinahe schön, beinahe tragisch, nicht wahr? Ihr törichter Mut.“ Der Dunkle Lord schüttelte seinen Kopf, als ob er einem geliebten Kind zusehen würde. „Sie haben keine Chance und doch kämpfen sie weiter. Warum tun sie es? Warum denken sie, dass mehr Ehre im Tod als im Leben liegt? Wenn sie doch..." Er schweifte seine Hand und umfasste Hogsmeade... Schottland... die Welt, „alles haben könnten."
„Ihre Köpfe wurden mit Dumbledores Schwachsinn gefüllt, mein Herr."
„Ah, Dumbledore. Und doch gehörte er auch mir. Meins, wenn ich mich entschieden habe, um ihn zu bitten. Ich dachte, wenn sie selbst sahen, wie leicht er fiel, dass sie dann verstanden, dass sie dann zu mir kommen würden."
„Ihr braucht keine Dummköpfe, mein Herr."
„Nein, vielleicht nicht. Vielleicht nicht, Severus. Du bist kein Dummkopf gewesen."
„Mein Herr."
„Es stimmt. Von all meinen Gefolgsleuten hast du mich nie mit Dummheiten belästigt. Du hast Eleganz, Severus. Verstand. Talent."
„Euer Lob ist überwältigend, mein Herr. Ich verdiene nicht-"
Der Dunkle Lord schenkte ihn eines seiner gebrochenem Lächeln. „Tust du. Und deshalb bereue ich das, was passieren wird."
„Mein Herr? Was muss passieren?"
„Dieser Zauberstab, Severus. Dieser Zauberstab verweigert mich."
Plötzlich flammte Snapes Haut mit einer anderen Art von Bewusstsein auf. Hermine war in dem Gebäude. Hermine war hier. Er versuchte sich in den Raum umzusehen, ohne die Aufmerksamkeit des Dunklen Lords auf sich zu ziehen. War sie unter dem Umhang? Sicherlich würde sie sich nicht einmischen, nicht ihr Leben riskieren - sie wusste, dass es passieren musste, sie hatte Dumbledore doch gehört—
„Mein Herr, ich will Euch nicht widersprechen, aber der Zauberstab... Schaut Euch doch nur an, was Ihr schon alles geschafft habt. Ihr seid mit dem Zauberstab geflogen."
„Nein, Severus. In meinen Händen ist dieser Zauberstab nur gewöhnlich. Sogar widerspenstig. Ich kann aus ihm diese minderwertige Magie ziehen, aber es ist nicht die Magie, die brauchen werde, um Harry Potter umzubringen."
Er wollte es nicht in Hermines Anwesenheit tun. So sollte es nicht passieren. Er hatte Potter erwartet - Potter, der die Schlange tötet und die Erinnerungen nehmen würde --
„Ich denke, ich weiß, warum dies so ist, Severus."
„Mein Herr?"
"Weißt du es, Severus? Weißt du, warum es so ist?"
"Nein, mein Herr. Ich... mein Herr, Potter ist schwach - das Kind ist schwach das war er schon immer gewesen! Lasst mich ihn finden. Es wird keine Fehler geben. Ich werde ihn selbst zu Euch bringen und dann werden wir sehen, wessen Magie--"
Und jetzt würde sie ihn betteln sehen, woraufhin er der Ungerechtigkeit gegenüber nur schreien wollte. Die Erinnerungen sollten an Potter gehen - es war sein letztes Versprechen an Dumbledore gewesen, und wenn er es nicht schaffte, welchen Sinn hatte es dann schon an diesem abscheulichen Ort zu sterben?
„Nein, Severus, entehr dich nicht selbst. Du bist mutig und treu gewesen, du hast deine Pflichten ohne Beschwerden ausgeführt. Du bist schließlich ein kluger Mann und ich denke, du weißt, warum ich dich heute hergebeten habe."
„Mein Herr--"
„Ich habe Nagini ein schönes Gehege geschaffen, nicht?"
Snapes Gedanken rasten. Wo führte ihn der Dunkle Lord hin? Wusste er, dass Snape von den Horkruxen wusste? „Nagini... ja", wiederholte er sinnlos.
„Ich glaube, Potter will meine Schlange umbringen, Severus. Meine geliebte Begleiterin."
„Warum sollte Potter Nagini töten wollen, mein Herr?"
„Weil er kindlicher weise denkt, dass es ihm Macht über mich geben wird. Aber was er nicht weiß, ist, dass gleich selbst Nagini entbehrlich ist. Denn gleich werde ich die Macht von Tods Zauberstab, den Schicksalsstab, den Todesstab haben. Gleich werde ich die Herrschaft von dir nehmen, Severus, genauso wie du sie von Dumbledore genommen hast und es wird nichts und niemanden geben, der mich aufhalten kann. Es geht einfach nicht anders", sagte Voldemort. „Ich muss den Zauberstab bezwingen, Severus. Den Zauberstab bezwingen, und dann werde ich endlich Potter bezwingen."
*****
Harry hatte fest seine Arme um sie geschlungen und Rons Hände bedeckten ihren Mund. Sie kämpfte wild gegen sie, fuhr mit ihren Zähnen in Rons Daumen, stieß ihren Ellbogen in Harrys Rippen und trat ihn wütend gegen sein Knie, aber die Jungs hielten sie verbissen und schweigend fest. Kisten versperrte den Eingang zum Tunnel, aber der Großteil des Raumes war noch immer sichtbar und sie sahen erschrocken dabei zu wie Voldemort den Elderstab benutzte, um Nagini in ihrer leuchtenden Kugel neu zu positionierte. Sie schwebte über Snapes Kopf und Schultern hinab und dann schlang sich die Schlange schon fast liebevoll um ihn, als ob sie den Lieblingsdiener ihres Meisters kannte, rieb ihren weichen, dreieckigen Kopf gegen seine Wange.
Voldemort zischte etwas in Parsel und Harrys Arme verengten sich so stark um Hermine, bis sie dachte, dass ihre Rippen brechen würden und sie wusste, was er gesagt haben musste.
„Auf Wiedersehen, Severus", sagte Voldemort kalt und es ertönte ein Schreien aus der Blase, das den Rest ihres Lebens ihre Träume jagen würde, als Nagini ihre Fangzähne in Snapes Hals stieß. Hermines Knie gaben nach, es waren nur noch Harrys Arme, die sie aufrecht hielten. Sie beobachtete, nicht in der Lage ihren Blick abzuwenden, wie ihr Mann auf den Boden fiel, als sein Blut und eine seltsam silberfarbene Substanz in Rinnsalen durch den Staub und den Spinnenweben auf sie zu sickerten. Voldemort zuckte noch einmal mit seinem Zauberstab und schritt aus dem Raum, Naginis Käfig hüpfte hinter ihm her.
Harry und Ron hielten sie noch einen Moment länger gefangen. Als Voldemorts Schritte nicht mehr zu hören waren, ließen sie sie los und sie schlug die Kisten mit voller Körperkraft zur Seite und rannte an Snapes Seite. Sie sank auf ihre Knie, rollte ihn herum und drückte ihren Handballen gegen seinen Hals. Sie konnte sein Blut unter ihren unnützen Handflächen fließen spüren, sie konnte die spritzende Hitze spüren, als sein Herz das letzte Leben aus ihm auspochte.
„Severus, nein. Severus, nein", sagte sie, als ob die Worte ein Glücksbringer seinen, wodurch das ganze Blut verschwinden würde. "Severus, nein."
Seine Hand kratzte unnütz gegen seine Brust. Vielleicht fühlte er sich eingeengt, vielleicht, wenn er atmen kann... plapperte ihr Verstand und sie nahm den Kragen seiner Roben und zog ihn kräftig auf, wodurch sie die Knöpfe auf den Holzboden verteilte und hörte, wie sie tanzten und rollten und das Geräusch vermischte sich mit ihrem eigenen Sprechgesang: „Severus, nein. Severus, bitte, nicht."
„Flasche", keuchte er feucht. „Potter", und das Blut begann aus seinen Mundwinkeln zu fließen und jeden Augenblick wusste sie, würde ihr Mann den Punkt erreichen, an dem sie ihn nicht mehr retten könnte, dass alles, was sie noch tun könnte, war es in seine Augen zu blicken, während er starb.
„Flasche?"
Er hob wieder seine Hand, diesmal noch schwächer und sie begann die Innenseite seiner Roben abzutasten, fuhr mit ihren Händen über seine Brust, bis sie es fand, die Überreste einer kleinen Flasche, nicht viel größer als drei ihrer Finger.
„Potter", wiederholte er, diesmal bespickt mit einem gewürgten Gurgeln und sie wollte ihn schütteln. Hör auf damit, Severus, du machst mir Angst. Hör jetzt sofort auf, dachte sie. Steck das Blut dahin zurück, wo es hingehört und setz dich sofort auf oder ich werde nie wieder ein Wort mit dir wechseln.
Wild schaute sie sich nach Harry um, ihr Blick war flehend. „Bitte - bitte, was auch immer es ist, nimm es -- nimm es und geh. Er will, dass du es nimmst." Sie zog ihren Zauberstab und zauberte eine kleine Kristallflasche herbei, der, die zerbrochen in Snapes Roben lag nicht ganz unähnlich.
Harrys Finger fuhren über ihre, als er das Fläschchen nahm. Er zuckte nicht bei dem Blut an ihren Fingerspitzen zurück und dafür wollte sie ihm danken, aber sie konnte nichts anderes außer: „Nimm es und geh - geh, bitte und tu, was immer er von dir will.", sagen.
Ron stand in der Ecke, sein Rücken war gegen die Wand gedrückt und er sah blass und verängstigt aus. „Hermine, wir wollen dich nicht hier alleine lassen..."
„Geht", wiederholte sie.
Harry kniete sich hin und begann die silberne Substanz in die Flasche zu saugen. „Es sind Erinnerungen für das Denkarium", murmelte er vermutlich zu sich selbst, als er arbeitete.
„Erinnerungen", wiederholte sie stumm.
„Sieh... mich... an", flüsterte Snape und sie wirbelte herum, um ihren Mann in die Augen zu sehen. Sie spürte, wie er in ihren Kopf glitt und sie wollte ihm sagen: Nein, hör auf, spare deine Energie, Severus, rette dich selbst, aber sie war nicht in der Lage den Blick abzuwenden, den Kontakt zu seinen tiefschwarzen Augen, die sie so mächtig und nackt gehalten hatte, zu brechen.
Ich liebe dich, Hermine.
Dann schrie sie, da sie wusste, dass er niemals diese Worte sagen würde - niemals und sie nie gesagt hätte, wenn er dachte, dass es noch eine Chance geben würde und ihr Schrei schien die Verbindung zu brechen, schien durch ihre beider Köpfe zu hallen und in den kleinen Raum abzuprallen, in welchen sie jetzt alleine war. Harry und Ron hatten sie verlassen.
Ihre Hände flogen zu ihren eigenen Roben und sie riss sie in einer seltsamen Kopie, wie die seinen auf. Sie sah, wie er seine Augen aufriss, als sie die Flasche aus der Innentasche zog, aus der Tasche, wo es gegen ihre Brust geruht und jeden ihrer Herzschläge aufgesogen hatte.
„Nein", hauchte er, aber als sie in seine Augen blickte, um dort die Bedeutung abzuwägen, waren sie leer und flach. Der Snape in ihm, der Funken in ihm, das Leben in ihm... war verschwunden.
Es gab keine Worte, keine Gedanken in ihren Kopf, als sie den Korken mit ihren Fingernägeln löste. Sie dachte an nichts. Sie dachte an die Endlosigkeit des Himmels, an eine frisch gestrichene weiße Wand, die ruhige Oberfläche des Sees. Genau, wie er es ihr beigebracht hatte, verdrängte sie alles unter einer schweren Decke in ihren Kopf, als sie das Fläschchen an seine Lippen legte und den Trank in seinen Mund goss. Sie presste ihre Hand gegen die große, zerrissene Wunde an seinen Hals drückte, damit der Trank nicht irgendwie austreten konnte, da nichts weiter als Hoffnung sie noch am Leben hielt.
Sie starrte in sein blasses Gesicht, noch so viel blasser durch den Blutverlust als sie es je gesehen hatte. Sie prägte sich die Wölbung seiner Augenbrauen ein, die Neigung und die Kurve seiner Nase, die scharfen Kanten seiner Wangenknochen. Seine dünnen Lippen mit ihren seltsam tiefen Krümmungen, das feine, schwarze Haar, das jetzt verkrustet und verklebt an seinen blutigen Nacken klebte.
Sie hob ihren Zauberstab und zauberte ein Tuch und etwas Wasser herbei, wie genau vor all der Zeit in seinen Zimmer, wo sie sich um ihn gekümmert hatte und sie begann vorsichtig seine Haut damit abzutupfen, strich seine Haarsträhnen zur Seite und begann damit die Wunde darunter zu reinigen. Sie konnte nicht sagen, warum sie es tat, nur, dass sie etwas tun musste, denn andererseits würde sie einfach nur wartend dasitzen und darauf warten, dass er aufwachte.
Wach auf. Ein trockenes Schluchzen wackelte an ihrer Fassung, als die Dummheit, die sie begangen hatte über sie rollte. Sie wartete darauf, dass ein toter Mann wieder aufwachte. Plötzlich schien alles, was sie über Magie wusste, wie eine lange und ziemlich dumme Fantasie. Eine Hexe? Sie bezeichnete sich selbst als Hexe? Sie wirbelte mit ihrem Zauberstab in der Luft herum und wie aus dem Nichts erschienen Dinge? Konnte ein flüssiger Teelöffel einen Mann wieder zurück ins Leben zurückrufen? War sie wirklich hier oder war sie gerade mal fünf Jahre alt und schlief im Schaukelstuhl ihrer Eltern auf der Veranda und träumte Fieberträume in der Sonne? Tränen wollten nicht kommen, aber dafür wartete Schmerz unter der Oberfläche im Überfluss, erpicht darauf in Erscheinung zu treten und sie zitterte, als es sie übermannte.
„Severus", schrie sie. „Severus, verdammt noch mal!"
Aber es war nicht Severus Stimme, die ihr antwortete, sondern Voldemorts. Sie sprang auf ihre Füße, als das Geräusch um sie hallte, überzeugt, dass es irgendwo aus der Hütte selbst kam. Sie hob ihren Zauberstab, als sie herumwirbelte und nach der Quelle dieser hohen, kalten Stimme in ihren Kopf suchte.
„Ihr habt heldenhaft gekämpft. Lord Voldemort weiß Tapferkeit zu schätzen. Doch ihr habt schwere Verluste erlitten. Wenn ihr mir weiterhin Widerstand leistet, werdet ihr alle sterben, einer nach dem anderen. Ich will nicht, dass dies geschieht. Jeder Tropfen magisches Blut, der vergossen wird, ist ein Verlust und eine Verschwendung. Lord Voldemort ist gnädig. Ich befehle meinen Streitkräften, sich sofort zurückzuziehen. Ihr habt eine Stunde. Schafft eure Toten mit Würde fort. Versorgt eure Verletzten.“
Hermine ging zu der Fensterwand mit dem Blick auf das Schloss und schaute hinaus. In der Entfernung wüteten noch immer die Feuer und Haufen von klumpigen Gestalten, welches gefallene Körper waren, übersäten den Boden. Nichts rührte sich. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, die einzige lebende Person in der Welt zu sein.
„Harry Potter, ich spreche nun direkt zu dir. Du hast deine Freunde für dich sterben lassen, anstatt mir selbst entgegenzutreten. Ich werde eine Stunde lang im Verbotenen Wald warten. Wenn du nach Ablauf dieser Stunde nicht zu mir gekommen bist, dich nicht ergeben hast, dann beginnt die Schlacht von Neuem. Diesmal werde ich selbst in den Kampf ziehen, Harry Potter, und ich werde dich finden, und ich werde jeden Einzelnen, ob Mann, Frau oder Kind, bestrafen, der versucht hat, dich vor mir zu verstecken. Eine Stunde."
Sie drehte sich zu Snape um und ihr Herz sprang ihr bei seinem Anblick vor Angst und Freude in den Hals. Er setzte sich auf, sein Hals war weich und wieder ganz und er hielt die leere Flasche von Vita Secundus in seiner Hand. Sie hatte die Toten zum Leben erweckt.
***
Der erste Atemzug fühlte sich wie das tiefste Gähnen, welches er kannte, an. Luft rauschte in seine Lungen und dieses Gefühl war so widersprüchlich angenehm, dass er wirklich gähnte, nur um zu fühlen, wie sie sich aufblähten, um das Ziehen seines Hemdes auf seiner Brust zu fühlen und dann verstummten die Millionen von panischen Nerven in ihm. Die Luft schmeckte nach Staub, Moder, scharf und köstlich und er atmete, bis das Rauschen in seinen Ohren stoppte, und er begann ein entferntes Licht wahrzunehmen.
Er hatte gedacht seine Augen seien geschlossen, bis er blinzelte, bis seine Augenlider die trockene Oberfläche seiner Augen erfasste. Stechende Tränen sammelten sich unter seinen Lidern, linderten ihren Verlauf und er lag ruhig da, während sein Körper damit beschäftigt war, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
Voldemorts Stimme hallte um ihn herum, was seltsamerweise passte. Voldemort ist, war und wird immer, dachte er in einer verdrehten Kindheitsvorstellung, der Anfang und das Ende sein.
Der Dunkle Lord redete zu Harry Potter und das war gut. Das bedeutete, dass die Dinge nach Plan liefen. Potter lebte... Potter würde die Nachricht erhalten, er würde zu Voldemort gehen... innerhalb der nächsten Stunde, ja. Es würde in der nächsten Stunde vorbei sein.
Aber etwas lungerte am Rande. Ein schwarzes, beunruhigendes Ding. Etwas stimmte nicht, ein Teil seines Planes war fehlgeschlagen. Wo war er? Er wusste irgendwie, dass der Dunkle Lord nicht anwesend war und doch war jemand da. Etwas... Da waren verschwommene Erinnerungen - die Schlange, der Schmerz... ein schreckliches Stechen, ein erdrückendes Gefühl auf seiner Brust... der Kampf bei Sinnen zu bleiben, um Hermine zu sagen... Vorsichtig hob er eine Hand zu seinem Hals und er spürte nicht die blutenden, schlagenden Überreste seines Halses, sondern seine unverletzte, unberührte Haut.
Hermine.
Er drehte seinen Kopf, die Muskeln bewegten sich ganz leicht und er sah sie am Fenster stehen, doch er schwieg und fuhr stattdessen mit seinen Händen über den klebrigen Boden, tastete nach dem dünnen Fläschchen, welches ihm eine kranke, kalte Gewissheit gab, die bereits wie neues Blut durch seine Adern pumpte. Sie hatte Potters Trank für ihn verwendet.
Als sich seine Finger um das Fläschchen schlossen, erlaubte er es sich, sich aufzusetzen. Er starrte auf das leere Glas, nicht größer als sein kleiner Finger und doch, war das, was drinnen gewesen war, mächtig genug alles zu zerstören. Er lebte. Er lebte, während Potter in tödlicher Gefahr schwebte. Er lebte und aus welchem Grund? Er war nutzlos. Der Dunkle Lord glaubte ihn tot; er konnte nicht mehr spionieren. Und selbst, wenn Potter erfolgreich sein sollte, das Leben, welches er gekannt hatte, war zerstört, sein Zuhause im Schloss verloren. Der Orden würde ihn nach Askaban schmeißen oder schlimmer. Hier gab es nichts mehr für ihn. Warum hatte sie es getan?
„Severus--", flüsterte sie. Er konnte die zaghafte Freude, die zögernde Euphorie in ihrer Stimme hören.
„Was hast du getan?", sagte er ohne sie anzusehen.
„Severus, danke Gott. Ich dachte, es würde nicht funktionieren. Ich dachte, dass es alles nur meine Vorstellung war, dass-"
Wut brodelte in ihm. Das hätte seine Chance sein sollen. Das hier, die letzte Buße! Er hätte der Hölle für das, was er geopfert hatte entkommen sollen, er hätte wiederhergestellt sein sollen. Und dann, dann hätte er vielleicht ihre Liebe verdient, er hätte sie vielleicht auf der anderen Seite gefunden - es hatte eventuell eine Chance bestanden. Aber jetzt...
„Was hast du getan?"
Sie schloss hörbar ihren Mund und ihre Augen wurden groß und ihr Blick ängstlich, als er aufstand.
Jetzt würde sie entweder in der Schlacht leben oder sterben und so oder so ohne ihn weiter machen. Er hatte hier keinen Platz - er hatte nichts. Wenn er lebte, eine Verurteilung vielleicht, eine Bestrafung, eine Verhandlung oder Flucht. Ein Leben ohne Magie, und er konnte nicht... er konnte es nicht ertragen. Oder Tod - der Tod eines Feiglings - wenn er ihr nachrannte in die Dunkelheit oder sich hier und jetzt auf diesen dreckigen Boden sein Leben nahm und damit jegliche Erlösung zerstörte, die er sich bereits verdient hatte.
Warum starrte sie ihn noch immer mit diesem ehrfürchtigen Blick an? Konnte sie denn nicht sehen, zu was sie ihn auslieferte? Eine Fortsetzung seiner Hölle... diese endlosen Jahre, das Warten... Er sollte sein Leben geben, um Potters zu retten und sich seine Ruhe und das Ende des Schmerzes verdient haben.
Sie streckte ihre Hände aus, verspotteten ihn mit Leben und Liebe und Freiheit und Dingen, die er jetzt niemals mehr haben wird, niemals, wegen dem, was sie getan hatte. Er sehnte sich danach sie zu verletzen, sie zu schneiden, zu wüten und mit seiner Zunge zu schneiden, zu sehen, wie die Hoffnung in ihren Augen starb, wie sein Herz bei jedem weiteren sinnlosen Herzschlag starb. Aber er schien nicht die Kraft in sich zu finden und so gab er ihr einen langen Blick, der die Schwere ihres Verrates in sich trug.
„Ich habe dir vertraut", sagte er. „Dieser Trank war für Potter und ich habe dir vertraut." Und damit wandte er sich von ihr und einer Zukunft, die er sich nicht vorstellen konnte, ab.
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