von Xaveria
Die Nacht war kalt. Hoch oben auf seinem Besen kreiste Severus über Surrey, gefolgt von den anderen verhüllten und mit Kapuzen versehenen Todessern. Auch wenn er sie nicht sehen konnte, wusste er, dass all ihre Blicke auf ein einziges Haus unter ihnen gerichtet waren. Das unscheinbare Gebäude glich jedem umstehenden Haus. Es hatte dieselbe Dachlinie, denselben rechteckigen Vorgarten. Der einzige Unterschied waren die Petunien, die am Bürgersteig gepflanzt worden waren. Es wäre in diesen einen Moment mit nur einem Blick unmöglich zu wissen, dass sich im Inneren vierzehn Hexen und Zauberer befanden, um einen verzweifelten Plan zu verfolgen. Seinem verzweifelten Plan.
Immer wieder hatte er diese Woche die Stelle umkreist. Er redete sich ein, dass es nicht deshalb war, weil er Hermine nicht vertraute, sondern weil sie vielleicht ihm nicht traute. Es bestand noch immer die Möglichkeit, dass sie ihm das falsche Datum gegeben hatte. Aber heute Abend hatten sie gesehen, wie Hestia Jones und Dädalus Diggle die Muggels weggebracht hatten. Sie hatten, natürlich getarnt, aus den Wolken die Ankunft der Ordensmitglieder beobachtet. Snape wusste, dass sie ihr Wort gehalten hatte. Für einen kurzen Moment flog er etwas tiefer. Es gab keinerlei Anzeichen, was sich im Inneren abspielte.
Snape war nervös. Er wusste, dass dieser Plan der richtige war. Er konnte an keine andere Möglichkeit denken Potter sicher zu überführen, aber genau darin lag auch für alle für sie ein enormes Risiko. Er wusste genauso wenig wie jeder andere der Todesser, welcher der Harry der echte war – unmöglich ihn zu identifizieren und zu beschützen. Und genauso unmöglich Hermine zu beschützen. Er hegte keinerlei Zweifel daran, dass seine Gryffindor sich freiwillig gemeldet hatte, um Harry zu verkörpern. Es war vermutlich das Beste, dachte er. Wenn er wusste, welchen Harry sie verkörperte, dann würde er der Todesser sein wollen, der sie verfolgte und sein Risiko heute Abend entlarvt zu werden, war schon groß genug, selbst ohne den Impuls seine Frau zu beschützen.
Er fegte an der Rückseite des Hauses vorbei, als die Hintertür aufflog und sieben Harry Potters und ihre Begleiter in die Nacht stürzten. Er fokussierte sich auf ihre Transportmittel, obwohl es ziemlich schwierig war, sich vernünftig zu konzentrieren, wenn so viele Todesser auf einmal anfingen, zu schreien und herumzufegen. Er spürte, wie ihr Fahrtwind ihn durch die Luft stieß.
„Sieben von ihnen!“
„Welcher von ihnen ist der Echte?“
„Der bei Moody! Wir haben gehört, dass er bei Moody sein würde!“
„Das ist ein Trick! Snape! Welchen von ihnen sollen wir folgen?â€
Wenn er raten müsste, würde er sagen, dass Potter auf einem der Besen war, mit Hermine auf einen Thestral oder auf dem fliegenden Motorrad. Er wusste, dass sie das Fliegen auf einem Besen verabscheute. Andererseits konnte genau dies eine falsche Fährte sein…
Es gab keine Zeit zum Nachdenken. Plötzlich flogen sie los hinauf in die Luft. Die Todesser schossen auf sie zu, ließen ihren Tarnzauber verschwinden. Zuerst war alles im Chaos – Snape konnte nichts außer schwarzen Mänteln und grünen Lichtern ausmachen … und da waren die Schreie. So viele Schreie.
„Genug jetzt!“, bellte Snape. „Zieht euch zurück, sucht euch ein Paar aus und verfolgt sie! Wenn ihr euch sicher seid, den richtigen Potter zu haben, ruft den Dunklen Lord. Aber NICHT VORHER! Tötet die Begleiter, wenn ihr es schafft, aber lasst Potter für unseren Herren!â€
Als sich die Todesser zurückzogen, wählte Snape den Potter bei Lupin, aus keinem besseren Grund, weil er einfach am nächsten war und verfolgte ihn. Er konnte Dolohov neben sich aus seinem Augenwinkel heraus sehen. Lupin riss seinen Besen in dem Moment, in dem Dolohov beschleunigte, scharf nach unten, wodurch sich Lupin beinahe direkt unter dem Todesser befand. Snape ließ sich erneut zurückfallen. Er wollte eine klare Sicht auf alle Mitspieler, bevor anfing zu feuern.
***
Hermine klammerte sich an Kingsleys Rücken, als sich vom Boden abstießen und der Thestral mit alarmierender Geschwindigkeit und Kraft hinauf zu den Wolken schoss. Bevor der Flug sich überhaupt beruhigen konnte, war die Luft gefüllt mit Todessern, die sich nach und nach enttarnten. Sie duckte sich automatisch und begann, mit Kingsley als Schild, mehrere Schockzauber in die schwarze, gesichtslose Masse zu feuern. Hermine wusste nicht, was ein Schockzauber mit jemanden auf einen Besen anrichtete, aber umgeben von einem Hagelschauer aus Flüchen, kümmerte es sie recht wenig.
Die grünen Blitze waren schon fast zu grell. Sie sah, wie einer, nur um wenige Zentimeter ihren linken Fußknöchel verfehlte. Sie hörte verwirrte Schreie von den Ordensmitgliedern und sie konnte entfernt Harry hören, wie er Hagrid anflehte wieder umzukehren. Die Kapuze von einem der Todesser flog zurück und enthüllte einen großen, blonden Mann, den sie auch in Hogwarts, in der Nacht, in der Dumbledore starb, gesehen hatte. Plötzlich ein Gesicht zu sehen, wo vorher nichts als Schwärze gewesen war, verdeutlichte ihr, dass sich Menschen unter diesen Roben befanden. Snape könnte irgendwo dort draußen sein. Sie hörte auf zu feuern, blickte sich hektisch um. Kingsley zog die Zügel scharf nach links und der Thestral, welcher stark keuchte, drehte plötzlich ab. Hermine lehnte sich in die Bewegung, ihre Fäuste – Harrys Fäuste – weiß angelaufen von ihrem verzweifelten Versuch sich an Kingsleys Robe festhalten.
Sie hörte eine Stimme – allen Anschein nach Snapes, aber in all der Verwirrung und dem Rauschen des Windes, war es ihr unmöglich es genau zu wissen – die den Todessern befahl, sich aufzuteilen. „Sucht euch ein Paar aus und verfolgt sie!“, befahl die Stimme. Hermine drehte sich so weit, wie sie es wagte, um und sah wie Hagrid und Harry nach Westen verschwanden. Noch während sie beobachtete, schoss das Motorrad nach vorne und eine feste Ziegelmauer schien sich aus dem erschöpften Auspuff zu bilden. Einige Todesser ließen sich mit einem Male fallen, um die Mauer zu vermeiden. Sie konnte noch immer leicht zu ihrer rechten Remus mit George sehen, aber Bill und Fleur waren verschwunden und sie hatte seit dem Beginn des Kampfes Moody und Mundugus aus den Augen verloren. Die beiden waren unverzüglich umzingelt gewesen. Vielleicht, weil Moody ursprünglich dafür eingeteilt gewesen war Harry von den Dursleys wegzubringen; vielleicht glaubten die Todesser immer noch, dass man nur Moody Harrys Sicherheit anvertraute. Jedenfalls vermutete sie, dass sie wieder zurückgekehrt oder in Richtung Osten verschwunden waren, weit außerhalb ihres Blickfeldes.
Fünf Todesser hatten sich sie und Kingsley ausgesucht. Sie wollte keinen von ihnen verfluchen, bis sie nicht genau wusste, wer sie waren, aber ihr blieb nicht mehr viel Zeit und dann würde sie keine andere Wahl mehr haben, da drei von ihnen rote und grüne Schüsse unaufhörlich auf Kingsley abfeuerten. Niemand schoss auf sie. Zuerst dachte sie, dass Snape sie vielleicht zurückhielt, bis sie erkannte, dass sie nur verschont wurde, weil die Möglichkeit bestand, dass sie der echte Potter war und der Dunkle Lord selbst Potter erledigen wollte. Dies sandte einen Schauer des puren Entsetzens durch sie hindurch. Sie hoffte, dass Hagrid und Harry bereits weit, weit weg waren.
Der Wind schien sie geradezu zu beißen, als sie immer schneller wurden und sie war dankbar dafür, da es ihr half, ihre Gedanken zu sortieren. Die Todesser legten ebenfalls an Tempo zu, als sie ihnen nachjagten. Einer schaffte es neben sie und zielte auf Kingsley.
„Stupor!“, schrie sie und der Schockzauber traf den Todesser mitten in die Brust. Er fiel von seinem Besen und einer seiner Verfolger ließ von seiner Jagd ab, um nach ihm zu tauchen.
Die verbleibenden drei Todesser fielen für einen Moment zurück, vermutlich um sich neu zu gruppieren. Sie blickte von der einen zu der anderen Seite und in der Ferne konnte sie Lupin und George ausmachen, wie sie weiterhin in Richtung Osten mit einigen Todessern flohen. Eine Kapuze flog zurück und sie erkannte Snape, sein schwarzes Haar peitschte im Wind, seine lange, krumme Nase beugte sich fast bis zu seinem Besen hinunter und sah für jedermann wie ein riesiger Raubvogel aus. Er hob seinen Zauberstab ...
Ihre Aufmerksamkeit wurde augenblicklich auf die Todesser um sie herum gezogen, welche sich anscheinend nicht neu gruppiert hatten, sondern auf ihre Unaufmerksamkeit gehofft hatten. Sie waren umzingelt.
Kingsley schrie sie an. „Wenn ich getroffen werde, dann musst du auf dem Thestral bleiben! Versuch mich nicht zu retten! Geh zu einem der Unterschlüpfe!“
Sie zog ihren Zauberstab und in einem sausenden Bogen, feuerte sie stumm eilig so viele Schockzauber, wie sie konnte. Die Todesser hüpften und wichen ihnen mühelos aus. Kingsley tat alles, was er konnte, um den verängstigten Thestral unter Kontrolle zu halten, der jetzt verzweifelt versuchte wieder auf den Boden zu fliegen. Ihre Knie drückten schmerzhaft in die sich hebenden Seiten. Glücklicherweise wurde es durch die abgehakten, unkontrollierten Bewegungen der Bestie schwieriger sie zu treffen. „Sectumsempra!“, kreischte sie verzweifelt und hörte den antwortenden Schrei des Todessers. Sie kniff ihre Augen zusammen. Hatte sie gerade eben jemanden getötet?
Sie verloren rapide an Höhe. Hermines Herz schlug ein rasendes Tattoo gegen ihre Rippe. Die beiden verbleibenden Todesser flankierten jetzt etwas, etwas, was wie eine gigantische Fledermaus aussah, eine Fledermaus mit einem Schlangengesicht, die in einem rasanten Tempo auf sie zugeflogen kam und in einer ausgemergelten Hand hielt es einen Zauberstab direkt auf sie gerichtet.
„Kingsley!“, schrie sie. Voldemort. Das war Voldemort. Ihr Verstand schrie und plapperte. Wie machte er das? Es war einfach nicht möglich. Er flog.
„Halt dich fest, Hermine! Wir sind fast da!â€
Plötzlich zog sich Voldemort zurück.
„Das Schlammblut“, hörte sie ihn zischen. „Macht mit ihr, was ihr wollt.“ Und er flog zurück in den sternenübersäten Himmel. Die zwei Todesser setzen ihre Jagd fort. Sie fielen – fielen so unglaublich schnell – aber die Todesser holten auf. Ihre Kapuzen wurden zurückgeschleudert; sie konnte jetzt ihre von Hunger verzerrten Gesichter erkennen...
Sie war wie erstarrt, sah dabei zu, wie sie aufholten, wusste, dass die Todesser jetzt hinter ihr her waren, dass sie sich jetzt nicht mehr um Kingsley bemühen würden. Ihr Zauberstab zitterte in ihrer Hand. Plötzlich drehte sich Kingsley um und sein über die Schulter geworfener Schockzauber, verfehlte nur knapp einen der Todesser. Hermine blickte hinunter und sah, dass sie sich dem Boden viel zu schnell näherten.
„Kingsley!“, kreischte sie erneut, gerade als das Thestral unelegant wie ein Haufen in einen fremden Garten landete.
Hermine schrie, überzeugt, dass die Todesser gleich bei ihnen sein würden. Sie stolperte auf ihre Füße, wich zum Haus zurück, neben dem sie gelandet waren, und zog ihren Zauberstab. Als Kingsley aufstand, verhexte sie ihn beinahe.
„Schon gut, Hermine. Wir haben es geschafft.“
„Wo sind wir?“
„In meinem Garten. Schon gut. Senk deinen Zauberstab. Sie können uns nicht hierher folgen.â€
„Sie glauben ... Glauben Sie, dass der Zauber halten wird?“
„Das sollte er. Andernfalls würden sie schon längst hier sein. Schnell, der Portschlüssel!“ Er hielt einen verbogenen und verrosteten Kleiderbügel hoch, den er gerade aus dem Gebüsch gezogen hatte.
„Aber der Thestral!“
„Wir werden Hagrid danach schicken. Komm schon! Wir müssen jetzt los!“
Gerade als ihre Finger den Draht berührten, begann es zu leuchten und sie hatte das Gefühl, dass jemand anderes ihren Bauch kontrollieren würde, und versuchte ihn ihr durch ihren Hals herauszuziehen. Es war fast genauso schnell, wie es begonnen hatte, auch wieder vorbei und sie stolperte auf den Vorgarten der Weasleys. Harry kam auf sie zu gerannt und sie fiel in seine Arme.
„Dir geht’s gut“, flüsterte sie.
Kingsley richtete seinen Zauberstab erst auf Lupin und dann auf Harry, fordernd, dass sie sich identifizierten. „Jemand hat uns verraten! Sie wussten es, sie wussten von heute Abend.“
Hermines Gesicht brannte in der Dunkelheit.
„Sieht ganz so aus“, erwiderte Lupin, „aber offenbar war ihnen nicht klar, dass es sieben Harrys geben würde.“
„Schwacher Trost“, fauchte Kingsley, doch für Hermine war es durchaus ein großer Trost. „Wer ist sonst noch zurück?“
„Nur Harry, Hagrid, George und ich“, antwortete Lupin.
Hermines Ring begann zu brennen, doch sie konnte ihn nicht vor Harry und den anderen abziehen. Die Wärme breitete sich in ihrer ganzen Hand aus, beißend und scharf, aber es beruhigte sie nichtsdestotrotz. Snape hatte den Kampf überlebt.
Sie zauberte einen stummen Impervius-Zauber auf ihre Hand.
„Bist du verletzt?“, fragte Harry.
„Nein, nein. Nur eine leichte Schürfwunde, als wir gelandet sind. Du?“
„Mir geht’s gut. Aber George hat ein Ohr verloren.“
„Ein was--?“, fragte Hermine mit schriller Stimme.
„Snapes Handschrift“, sagte Lupin.
Hermine blieb nicht, um Harrys aufgebrachte Antwort mit anzuhören. „Entschuldigt mich“, murmelte sie und eilte durch das Haus. Flüchtig grüßte sie Mrs. Weasley, als sie ins Badezimmer flüchtete. Sobald die Tür hinter ihr verschlossen war, riss sie den Ring von ihrem Finger.
Unfall, stand dort geschrieben. Warst du es?
George, schrieb sie zurück. Abgeschnittenes Ohr. Alles okay.
Gott sei Dank, war die einzige Antwort, die sie bekam.
Sie presste den Ring gegen ihre Brust und schloss ihre Augen. Sie wusste nicht, wie lange sie dort gestanden hatte und den Göttern, die gerade da waren, ihre Gebete des Dankes und des Flehens darbot. Danke, dass ich lebe. Danke, dass er sicher ist. Bitte schick Ron und die anderen in einem Stück nach Hause. Bitte beeil dich. Bitte schicke uns ein Zeichen. Danke für Harry. Danke.
Dann klopfte Ginny an die Tür. „Hermine! Geht’s dir gut? Dad und Fred sind angekommen!â€
Danke, dachte sie ein letztes Mal und öffnete die Tür. Hermine blickte in das Wohnzimmer, wo sich die Weasleys um George, der auf der Couch lag, versammelt hatten. Die Szene vor ihr war zu persönlich als sie zu stören, also ging sie hinaus auf den Hof, wo sie mit Harry und den anderen wartete.
Hermine schaute hinauf in die weiterhin funkelnden Sterne, gleichgültig ihrer aller Ängste und ihres Leides. Gab es dort draußen etwas? Jemand, der über sie alle wachte? Etwas, das noch mächtiger als sie war, etwas mit eigener Magie? Als sie um Hilfe gefleht hatte, wer wurde gesandt? Ein Kribbeln rannte ihren Rücken hinunter, schien ihre Haut gleichzeitig zu wärmen und zu abzukühlen. Für nur einen Moment spürte sie, dass sich dort draußen etwas befand, etwas Dunkles und Warmes und Gütiges. Sie hatte sich vorgenommen zu beten, aber ihre Gefühle waren verwirrt und vernebelt und es sah ganz so aus, dass sie zu Snape betete. Bitte, lass alles gut sein.
Als Ron auftauchte, schien sich etwas Enges und Schmerzhaftes in ihrer Brust zu lösen. Sie würde später nicht wissen, wie sie es erklären sollte, aber in diesen einen Moment, hatte sie das Gefühl, dass man ihr geantwortet hatte. Sie zog Ron in eine stürmische Umarmung und zog mit einer blinden Hand Harry mit dazu.
„Wir haben überlebt“, flüsterte sie. „Wir haben überlebt.“ Ron erwiderte fest die Umarmung, aber Harry kämpfte sich frei.
„Aber wo sind die anderen?“, zischte er und er wandte sich wieder dem Nachthimmel zu. „Wo sind Bill und Fleur? Mad-Eye und Mundungus?“
Als ob man ihm antworten würde, tauchte ein Thestral in ihr Sichtfeld auf und landete, galoppierte einmal um das Haus, bevor es schließlich stoppte. Bill und Fleur glitten auf den Boden.
Mrs. Weasley rannte zu den letzten ihrer Kinder. „Bill!“, schrie sie und ergriff ihn.
Hermine ging auf Fleur zu und umarmte sie. Sie hatte den einen Abend nicht vergessen.
„Geht’s dir gut?“, fragte sie.
Fleur antwortete nicht, sondern blickte hinüber zu Bill, welcher schließlich sagte: „Mad-Eye ist tot“, sagte er tonlos. „Voldemort ging direkt auf sie los. Dung geriet in Panik. Mad-Eye hat versucht ihn aufzuhalten, aber er ist disappariert. Voldemorts Fluch traf Mad-Eye mitten ins Gesicht, er fiel rücklings vom Besen und – wir konnten nichts machen, nichts, wir hatten selber ein halbes Dutzend von denen an den Fersen ...“ Er wandte seinen Blick ab.
Wie betäubt stand Hermine einfach nur da und die Gefühle von Sicherheit und Gerechtigkeit und Schutz verschwanden wie Rauch im Wind. Sie fühlte sich von der Gegenwart, die sie im Himmel gespürt hatte, verlassen. Mad-Eye tot? Sie wusste, dass die anderen aufschrieen, Pläne schmiedeten, um seinen Körper zu bergen, damit begannen ihren Freund und Beschützer, einen Mann, der unverwüstlich schien, ihren Tribut zu zollen. Aber sie konnte sich nicht auf sie konzentrieren. Alles, was sie in diesem einem Moment wusste, war, dass sie vollkommen alleine war. Es gab jetzt niemanden mehr, der ihr helfen konnte, niemand, der ihr Geheimnis teilte, niemand, der wusste, wie er ihr Trost schenken konnte. Der Wind wehte das Laub kreiselnd und wirbelnd auf. Sie starrte sehend und nicht sehend auf sie. Sie war ganz alleine.
„Hermine, geht’s dir gut?“, fragte Ron. Er wandte sich an Harry. „Ich glaube, wir bringen sie besser rein.“
Sie spürte ihre Hände auf ihren Armen, aber es bedeute nichts mehr. Sie hatten Glück gehabt; das war auch schon alles gewesen. Sie waren drei Jugendliche, die vorgaben mutig zu sein, aber langsam würden all ihre Beschützer um sie herum getötet werden und sie würden als die hilflosen Kinder bloßgestellt werden, die sie in Wirklichkeit waren.
Die Wärme des Hauses stach ihre Haut, aber gehorsam setzte sie sich an den Küchentisch und nahm das Glas mit Feuerwhiskey an, welches ihr zugeschoben wurde.
„Mad-Eye“, sagte Bill.
„Mad-Eye“, wiederholte sie stumpf und trank. Mad-Eye. Der Krieg hatte begonnen.
***
Sie trafen im Malfoy Manor ein, trugen ihre Toten und den Leichnam von Mad-Eye Moody. Die Todesser hatten wieder ihre Kapuzen übergezogen, als ob sie sich vor Voldemort verstecken wollten, als ob dadurch ihre Bestrafung milder ausfallen würde, wenn sie ihn als eine gesichtslose Einheit gegenübertraten. Es war schwer zu sagen, aber Runcorn schien Moodys Körper zu tragen und legte ihn vor dem Dunklen Lord ab. Snape zuckte beinahe zusammen, als der alte Zauberer, wie eine Fleischmasse auf den Steinboden landete.
„Korrigiert mich, falls ich mich irren sollte“, begann Voldemort, seine zischende Stimme totenstill und dennoch echote sie im stillen Festsaal, „aber ich glaube, ich habe dreißig von euch, dreißig meiner zuverlässigsten Anhänger, losgeschickt, um vierzehn Zauberer auszuschalten.“
Niemand wagte zu antworten. Ein manisches Leuchten glitzerte in den starren Blick des Dunklen Lords. Snape dachte, dass er ihn nur selten dermaßen wütend gesehen hatte.
„Einen. Ihr bringt mir einen.“
Goyle, schon immer eine erbärmliche Entschuldigung eines Zauberers, wagte es zu sprechen. „Mein Herr, wir wussten es nicht – Snape hat uns nicht gesagt, dass dort sieben von ihm sein würden. Wir hatten keine ...“
„Crucio!“, bellte Voldemort. Goyle fiel zitternd zu Boden. „Snape hat euch den Zeitpunkt gegeben – den richtigen Zeitpunkt. Was sonst noch hättet ihr gebraucht? Ich habe euch mit Magie ausgestattet, die sich diese Narren nicht einmal vorstellen können und doch habt ihr versagt!“
„Mein Herr“, keuchte Goyle.
„Schweig! Ich beginne langsam zu glauben, dass es hier keinen gibt, der wünscht, dass ich wieder meine Macht erlange.“
Bellatrix Lestrange trat vor und ließ ihre Kapuze nach hinten fallen. „Ich wünsche, Euch an der Macht zu sehen, mein Herr. Ich wünsche Euch, über alles verehrt zu sehen, unsere Welt mit der Kraft von tausend Zauberern zu regieren.“
„Das sagst du, Bella. Das sagst du. Wo sind dann die Körper des restlichen Ordens? Du konntest mir noch nicht einmal diesen Tölpel Hagrid bringen?“
Bellatrixs Augen füllten sich mit Tränen. „Es tut mir leid, mein Herr. Ich habe Euch enttäuscht.“
„Deine Nichte und ihr Mann, dieser Werwolf – solltest du sie nicht aus deinem Familienstammbaum streichen? Das zu stutzen, was zu einer Krankheit geworden ist? War es nicht das, was wir besprochen hatten?“
„Mein Herr.“ Bellatrix sank flehend auf ihre Knie.
„Willst du mich etwa glauben lassen, dass sie mächtiger ist, als du es bist, Bellatrix?“
Bella senkte ihren Kopf auf den Boden, bis ihre Nase fast dagegen drückte.
„Oder kannst du es nicht ertragen, dich von ihr zu trennen? Würdest du mich lieber verlassen und dich diesen Verrückten und Kindern anschließen?“
„Nein, mein Herr!“ Ihre Stimme war voller Qual.
„Kinder!“, bellte er. „Fünf von ihnen waren kaum volljährig! Und doch wollt ihr mich in dem Glauben lassen, dass sie euch überlegen waren!â€
Die Aufmerksamkeit des Dunklen Lords wurde von der jetzt schluchzenden Bellatrix zu dem Idioten Travers gelenkt. „Mein Lord, wir fürchteten uns davor, die Kinder umzubringen. Eure Anweisung war deutlich, dass Potter für Euch verschont bleiben sollte. Sie haben alles ausgesehen wie Potter!“
„Habe ich dich richtig verstanden, Travers? Hast du mir gerade gesagt, dass du ANGST davor hattest, Kinder umzubringen? Denn ich verspreche dir, ich werde dir etwas geben, vor dem du dich fürchten wirst. Und Lord Voldemort hält seine Versprechen.“
„Ich ... mein Herr …“, stotterte Travers.
„Komm her“, sagte Voldemort kalt.
Travers zitterte, als er die Schar der Todesser verließ und vor dem Dunklen Lord auf die Knie fiel.
„Entferne deinen Mantel.“
Travers löste die Klammer seines Umhanges und streifte ihn ohne jegliche Eleganz ab. Snape schoss mit einem Male der Gedanke durch den Kopf, dass er sehr klein wirkte, obwohl Travers im Grunde ein sehr breiter Mann war. Voldemort zuckte mit seinem Zauberstab und Travers Hemd flog auf, entblößte die Brust des Mannes. Der Dunkle Lord presste seinen Zauberstab gegen sein Fleisch und Travers schnappte nach Luft. Das Geräusch schien ohrenbetäubend, da jeder Anwesende die Luft anzuhalten schien.
Der Dunkle Lord fuhr mit seinem Zauberstab über Travers Haut, als ob er irgendein Stück perverses lebendes Pergament sei. Sich zurückziehend, wirbelte er Travers mit seinem Zauberstab herum, bis er der Menge zugewandt war, und ließ ihn durch die Luft gleiten, damit ihn auch alle gut sehen konnten. Das Word ‚FEIGLING‘ war in seine Brust geritzt worden. Snape sah ihn ununterbrochen an.
„Ich muss mich anderen Dingen zuwenden“, sagte Voldemort kühl. „Severus, sieh, was du für unseren Freund hier tun kannst. Wenn er sterben sollte, lass ihn bei den anderen. Ihr seid alle entlassen.“
Snape hatte erwartet, dass ein großer Anteil vom Manor flüchten würde und war überrascht, wie viele noch verweilten, da sie offenbar fühlten, dass es noch einen Weg gab, die Gunst des Dunklen Lords wieder zu erlangen. Snape versiegelte schnell Travers Wunden mit seinem Zauberstab, aber er führte nichts bei sich, was den Schmerz lindern könnte, da er alles Hermine gegeben hatte.
„Halte sie sauber und schätze dich glücklich“, zischte er in das Ohr des verletzten Zauberers und marschierte in Richtung Tür.
„Snape! Warte!“, schrie Bellatrix. Sie kniete weiterhin auf dem Boden, wo der Dunkle Lord sie zurückgelassen hatte. Was wollte sie? Eine Lektion?
„Hast du unseren Herren nicht gehört?“, fragte er kühl. „Du bist entlassen.“ Und damit verschwand er hinaus in die Nacht.
***
Für Snape gab es diese Nacht keinen Schlaf. Er saß in dem überfüllten und moderigen Wohnzimmer von Spinners End und wirbelte denselben Feuerwhisky in einem verstaubten Glas herum. Er starrte hinunter in die Bernsteinfarbende Flüssigkeit, als ob es ihm irgendwie helfen würde, dort den Sinn von dem zu erkennen, was er heute gesehen und zu der Person, die er geworden war. Dort, in Malfoys Manor, hatte er rein gar nichts gespürt. Als er sich einmal versichert hatte, dass Hermine das Gefecht überlebt hatte, hatte er sich vollkommen leer gefühlt. Als er bei den anderen Todessern gestanden hatte, hatte er keine Angst gehabt, dass der Dunkle Lord ihn auswählen oder bestrafen würde. Wäre er gerufen worden, wäre er ruhig vorgetreten. Schmerz hätte ihn nicht berührt. Er hätte den Tod willkommen geheißen. Als der Dunkle Lord Travers vor ihnen herumgedreht hatte, wurde er bei der Ansicht von der blutigen, verunstalteten Brust des Mannes nicht von Entsetzen erfüllt. Er hatte es einfach in sich aufgenommen.
Er erhielt in den frühen Morgenstunden eine Nachricht von Voldemort, dass er sich wünschte, dass er sich bereithalten sollte, nach Hogwarts zurückzukehren. Es spielte kaum eine Rolle. Er hatte das meiste, von dem, was er besaß, in Hogwarts zurückgelassen, aber der Einfachheit halber, um etwas Körperliches zu tun, sammelte er ein paar Roben, einige Phiolen von Ausgangsstoffen und Bücher zusammen und stopfte sie in seinen verzauberten Rucksack. Er zögerte bei dem Bücherregal und zog einen schweren, titellosen Band heraus. Er tippte mit seinem Zauberstab an drei verschiedenen Stellen drauf, es sprang auf und offenbarte sich als nur spärlich gefüllte Schachtel. Er hatte es in seinem ersten Jahr in Hogwarts gemacht, inspiriert von den Verstecken der Muggelkinder, die er in seiner Nachbarschaft gesehen hatte. Er hatte nie viel dort drinnen aufbewahrt; es gab nicht viel von seiner Kindheit vor Hogwarts an das er sich erinnern wollte. Seit Jahren hielt es nichts anderes als die wenigen Briefe seiner Mutter und den ersten Aufsatz in Zaubertränke, in dem er ein O erhalten hatte.
Als er älter wurde, hatte er das Buch weiter verziert und die Schutzzauber wurden gleichermaßen komplexer. Der Inhalt wuchs mit seinen ZAG Ergebnissen, einen Stein, den Lily am See gefunden und bewundert hatte und einen silbernen Schlangenanstecker, den Lucius Malfoy ihn auf einen seinen Besuchen in Hogwarts geschenkt hatte. Er erinnerte sich wie Malfoy jedes Mal wie ein siegreicher Held in den Slytherin Gemeinschaftsraum gestürmt kam und er zuckte bei den Gedanken zusammen, wie hörig er den blonden, arroganten Jungen verehrt hatte. Zum Schluss hatte er die UTZ’e und seine Mantelklammer mit der von Lord Voldemort ersetzt, als er sich den Todessern angeschlossen hatte. Seit er die Todesser verlassen hatte, hatte er nichts mehr hinzugefügt. Nichts bis zum letzten Sommer.
Jetzt lag, über allen, das Bild von Hermine, welches er aus dem Gepäck ihrer Eltern entfernt hatte. Darauf stand sie in Slughorns Büro und starrte den Jungen (wie war noch sein Name? McCormack? McLaggen? Irgendwas in diese Richtung) neben sich an. Als er das Foto beobachtete, richtete sie sich auf, strich ihr hellgrünes Kleid glatt und lächelte strahlend in die Kamera. Snapes Lippen zuckten in etwas, was für ein Lächeln durchgehen könnte. Es fühlte sich fremd auf seinem Gesicht an. Aber da war etwas äußerst Amüsantes in der Art, wie sie ihre Augen verdrehte, schwer seufzte und hinaufschaute, als ob sie vom Himmel Hilfe erwartete, die sie aus der Gesellschaft dieses Idioten zu befreien. Dann, genauso schnell, würde der Blick wieder verschwinden und sie würde breit grinsen, ihren Kopf hochhalten, während ihr Haar um ihren eleganten Hals wippte. Es war die perfekte Zusammenfassung des Mädchens, die er gekannt hatte. Als sie zusammensackte, beinahe genervt mit ihrem Fuß wippte und voller Abscheu zu ihrem Begleiter schielte, entwich ein lustiges, würgendes Bellen Snape. Sie richtete sich auf, strich eine Locke aus ihrer Stirn und lächelte siegreich.
Er lachte. Er lachte, bis er Seitenstiche bekam, bis er kaum noch stehen konnte. Er lachte bis Tränen seine Wangen hinunterliefen und er nach Luft schnappte. Er lachte, bis er nicht mehr lachen konnte; er schluchzte und fiel neben dem Bücherregal auf den Boden, umklammerte ihr Bild, achtlos den Tränen gegenüber, die auf ihr Bild fielen, als sie ihre Lippen kräuselte und verärgert mit dem Kopf schüttelte. Er würgte beinahe vor Schmerz.
Dieses Mädchen, das Mädchen im Bild – sie war nicht das Mädchen, welches er im Hause ihrer Eltern gesehen hatte. Das Mädchen in dem Bild war verschwunden, ersetzt durch eine dünne, entschlossene Kriegerin, die keinerlei Nutzen für hübsche Kleider oder ärgerliche Verabredungen, noch irgendwelche Partys hatte. Er hatte sie genommen und sie messerscharf geschliffen. Er hatte ihr beigebracht zu lügen, zu funktionieren, zu schützen, zuzuschlagen. Er hatte ihr beigebracht mit fast nichts zu leben, das zu verstecken, um das sie sich sorgte, alles auf einen Punkt zu konzentrieren. Er hatte ihr beigebracht achtsam, hinterlistig zu sein, zu gehorchen. Er hatte ihr beigebracht schnell zuzuschlagen, hart zu treffen, zuerst den Treffer zu landen. Er hatte sie zu sich selbst gemacht.
Als er dort, verbraucht und gebrochen auf dem Boden lag, dachte er ernsthaft darüber nach seinem Zauberstab auf sich selbst zu richten. Was er ihr nicht an diesem einen Tag im Hause ihrer Eltern sagen konnte, war, dass er nicht nur nicht erwartete den Krieg zu überleben, sondern dass er den Krieg nicht überleben wollte. Er konnte ihr nicht sagen, dass sie ihr Leben für einen Mann hergegeben hatte, der nicht mehr wünschte, gerettet zu werden. Was für ein Leben konnte er ihr schon bieten, sollte das undenkbare geschehen und sollten sie beide überleben? Er konnte es einfach nicht ertragen, noch einmal von vorne anzufangen; er hatte bereits zu viele Neubeginne durchgemacht. Er hatte einfach nichts mehr übrig, was er ihr bieten konnte. Er konnte sie nur befreien, in dem er starb.
Er hielt das Bild in der einen Hand und seinen Zauberstab in der anderen, erstarrt vor Zwietracht. Sie starrte ihn wild an und für einen Moment stellte er sich vor, dass der Blick nur für ihn bestimmt war. Dann brach ihr Gesicht in ein freudiges und liebevolles Lächeln aus und er legte das Bild zurück in die Schachtel und verschloss es wieder einmal. Er steckte sie in seine Tasche und legte seinen Zauberstab ab.
Es gab noch Dinge, die erledigt werden mussten.
Doch nicht heute Nacht.
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