von Kalliope
2021 – Vergiss-mein-nicht
Sommerferien!
Hugo stand im Garten seines Elternhauses und atmete tief durch. Endlose Wochen ohne Verpflichtungen lagen vor ihm, mit nur einem Ziel: Das Leben zu genießen. Gestern Abend war er aus Hogwarts zurück gekommen und heute zog es ihn sofort nach draußen, obwohl es noch vormittags war.
Er überquerte den gepflegten Rasen, bis er das Tor am Ende des Gartens erreicht hatte. Es führte auf eine große Wiese, die von alten Bäumen und einem kleinen Bach gesäumt wurde – dem Spielplatz seiner Kindheit. Er wusste, dass Elaine dort sein würde.
Da stand sie.
Seine beste und älteste Freundin, die er kannte, seit er denken konnte. Seine Mutter behauptete, dass sie schon im Sandkasten zusammen gespielt hatten, und auch wenn er sich daran nicht erinnern konnte, musste es einfach stimmen. Elaine war immer da gewesen, hatte schon immer im Haus neben ihnen gewohnt und ihre Freizeit mit Hugo verbracht.
Sie waren zusammen zur Schule gegangen, sogar in die selbe Klasse der Muggelgrundschule. Seine Mutter hatte darauf bestanden, dass ihre Kinder dorthin gingen, auch wenn sein Vater das für unnötig gehalten hatte.
„Ich war auch auf keiner Muggelschule und trotzdem ist was aus mir geworden“, hatte er gesagt als das Thema damals aufgekommen war.
Seine Mutter hatte nur die Arme in die Seiten gestemmt und ihren Mann herausfordernd angesehen. „Und wenn ich mich nicht um unsere Rechnungen kümmern würde, wären wir längst pleite, Ronald Weasley, weil du von Mathematik nicht mehr Ahnung hast als davon, wie man mit Frauen umgeht!“
Das brachte Ron zum Schmunzeln. „Na so schlecht kann es ja nicht sein, immerhin sind wir seit zehn Jahren verheiratet!“
Seine Mutter musste lächeln und so endete die Diskussion mit einer langen Umarmung und einem Kuss (ziemlich eklig, wie Hugo im Nachhinein fand). Aber schließlich hatte sich seine Mutter doch durchgesetzt, wie immer.
Doch im letzten Jahr war er nach Hogwarts gegangen, während Elaine auf die weiterführende Schule im selben Ort kam. Ihre Freundschaft hatte darunter gelitten, dass er ihr kaum etwas über seine Schule erzählen konnte, denn Elaine war ziemlich neugierig und verstand nicht, wieso Hugo nicht über seine neue Heimat reden wollte. Zunächst hatte er ihr sogar gesagt, dass er ihr nicht schreiben konnte, und das hatte sie sehr wütend gemacht. Doch zum Glück war ihm seine Mutter zu Hilfe gekommen. Sie hatte ihm angeboten, die Briefe an Elaine zu empfangen, sie in einen normalen Umschlag zu stecken und dann in den Briefkasten zu werfen. Sie hatte sogar Elaines Antworten an ihn weitergeleitet. Doch zu schreiben war eben nicht dasselbe.
Doch nun war er zurück!
„Hey, Elaine“, rief er und rannte auf das Mädchen zu. „Ich bin wieder da! Endlich Ferien!“
Er blieb leicht außer Atem vor ihr stehen. „Wie geht’s dir?“
Elaine blickte ihn prüfend an. „Du hast mich also nicht vergessen!“
„So ein Schwachsinn“, antwortete Hugo entrüstet. „Wieso sollte ich dich denn vergessen?“
„Naja, deine Schwester sieht ihre alten Freunde auch nicht mehr, seit sie auf diese Schule geht. Ich dachte, dass du es genauso machen wirst.“
„Ich bin aber nicht wie Rose“, sagte Hugo zum gefühlt tausendsten Mal in seinem Leben. Er war nicht wie seine Schwester, er war nicht so klug, er war nicht so belesen, er hatte keine fünf Ohnegleichen in der Prüfung geschafft. Er war nicht einmal nach Ravenclaw oder Gryffindor gekommen, sondern nach Hufflepuff. Er mochte sein Haus zwar, und seine Lieblingscousine Lily war ebenfalls dort, aber trotzdem. Manchmal hatte er das Gefühl, im Vergleich zu seiner großen Schwester immer schlechter wegzukommen.
Doch von all dem konnte er Elaine unmöglich erzählen, ohne das Geheimhaltungsabkommen zu brechen.
Elaine schien nicht zu merken, wo er mit seinen Gedanken unterwegs war. „Nein, ich weiß. Deine Schwester ist lausig im Fußballspielen. Als hätte sie keine Ahnung, dass dieser Sport überhaupt existiert!“ Sie schnaubte. „Und wenn sie ein Instrument in die Hand nimmt, würde es am liebsten lebendig werden und wegrennen. Nicht wie bei dir! Du spielst doch immer noch Geige, oder?“
Hugo nickte. Seine Mutter hatte ihn und seine Schwester dazu gedrängt, ein Instrument zu erlernen, und zur allgemeinen Überraschung hatte er sich als recht talentiert erwiesen, was Musik anging. Ganz im Gegensatz zu Rose, die zum ersten Mal in ihrem Leben auf etwas stieß, dass ihr nicht leicht fiel. Dementsprechend schnell hatte sie wieder aufgehört, doch Hugo war dabei geblieben.
„Wir könnten mal wieder zusammen spielen. Ich bin ein ganzes Stück besser geworden mit meiner Querflöte“, bemerkte Elaine und grinste ihn an.
Hugos Stimmung hellte sich um einiges auf, als er das hörte. Wie hatte er Elaine vermisst! Mit ihr war das ganze Leben gleich so viel lustiger, leichter und vor allem unkompliziert. In Hogwarts hatte er anfangs Schwierigkeiten gehabt, weil er nicht wusste, wie er mit der Aufmerksamkeit umgehen sollte, die ihm als Sohn zwei der größten Zauberer seiner Zeit entgegenschlug. Es hatte gedauert, bis er wahre Freunde zwischen all den Wichtigtuern fand, und er hatte die Einfachheit vermisst, die von Elaine ausging.
Das sagte er ihr auch – natürlich ohne irgendwelche schwarzen Magier oder Zauberei im Allgemeinen zu erwähnen.
Elaine merkte, wie sich ihre Wangen mit einer leichten Röte überzogen und versuchte, ihr Gesicht unauffällig von Hugo abzuwenden.
„Hmblrm“, murmelte sie.
„Hä?“, sagte Hugo, der kein Wort verstanden hatte.
„Ach, nichts.“
„Jetzt sag schon!“
Elaine wurde immer röter, doch jetzt war es keine Verlegenheit mehr. „Hugo Weasley! Lass mich in Ruhe! Du bist genau so blöd wie früher!“, brüllte sie.
Hugo blickte sie nur verwirrt an. Was hatte er denn getan? Er verstand gar nichts mehr.
Elaine hatte ihr Gesicht zu einer Grimasse verzogen, die einen Dementor hätte verschrecken können.
„Hau bloß ab!“, schrie sie und rannte gleich darauf selbst weg. Sie rannte, bis sie am Gartentor ihres Elternhauses angekommen war und blieb erst stehen, als sie wusste, dass Hugo sie nicht mehr sehen konnte. Dann endlich gab sie dem Grinsen nach, dass sich auf ihrem Gesicht ausbreiten hatte wollen, seit Hugo zu ihr gekommen war. Er hatte sie nicht vergessen! Das freute sie mehr, als sie zugeben wollte, und natürlich durfte Hugo das unter keinen Umständen wissen.
Sie grinste den ganzen restlichen Tag, sehr zur Verwunderung ihrer Eltern. Doch sie verriet keinem, wieso.
Am nächsten Tag trafen sie sich wieder auf der Wiese. Ein paar andere Kinder waren ebenfalls gekommen und zusammen spielten sie Fußball, Verstecken und Fangen, bis es dunkel wurde. Den gestrigen Vorfall erwähnten sie den ganzen Sommer nicht wieder.
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