von mia.winchester
Ted!“, sagte Andromeda mit überraschender Freude in der Stimme. „Was machst du hier?“
„Ich zaubere.“, sagte Ted Tonks kleinlaut. Er freute sich ebenso, Andromeda hier zu sehen, dennoch huschten seine Augen ängstlich hin und her, als habe sie ihn bei etwas Verbotenem erwischt.
„So spät, alleine im Wald?“, fragte Andromeda besorgt.
„Du denkst wohl, deine Schwester könnte kommen und mich diesmal kalt machen?“ Verletzender Spott lag in Teds Stimme.
„Ich hab das nicht böse gemeint.“, flüsterte Andromeda voller Reue.
„Und ich habe es witzig gemeint.“, sagte Ted und knuffte sie in die Schulter. „Pass auf. Gleicht springt sie hinter einem Baum hervor und verwandelt mich in eine Weihnachtsgans.“
Ted lachte und wenn Andromeda nicht so schrecklich beschämt wäre, hätte sie vielleicht mitgelacht. Aber stattdessen starrte sie mit bebender Unterlippe auf ihre nackten Füße. Sie fror.
„Ted, das ist nicht richtig.“, sagte sie leise.
„Ja, tut mir Leid. Ich sollte nicht so über sie reden, immerhin ist sie deine Schwester. Ich meine das nicht-“
„Davon spreche ich nicht.“, hauchte Andromeda. „Rede über sie wie du willst.“ Es war erschreckend, dass es ihr tatsächlich egal war, wie Ted über Bellatrix sprach. Schließlich hatte er alles Recht dazu, böse über sie zu reden. „Ich meine damit, dass du die Sache nicht so locker nehmen sollst. Ich hatte angenommen, du würdest zu Dumbledore gehen.“
„Das würde ich nie tun und das weißt du.“, sagte Ted und hob mit den Fingern Andromedas Kinn an, um ihr in die Augen zu sehen. Eine überraschend vertraute Geste, die ihr zusätzlich zu der Eiseskälte einen Schauer über den Rücken jagte.
„Ich bin keine Petzte.“, fügte Ted hinzu. „Und außerdem weiß ich, wie weh dir das tun würde, wenn deine Schwester der Schule verwiesen wird. Auch, wenn sie es wirklich verdient hätte. Ich komme mir noch immer vor, als hätte ein Troll mich-“
Andromeda unterbrach ihn: „Danke, Ted. Wirklich. Ich habe mir solche Sorgen gemacht und gleichzeitig war ich so wütend auf Bella. Es tut mir so Leid, was sie getan hat.“
„Dafür kannst du doch nichts. Du warst da für mich, du hast mir geholfen. Wenn hier einer Danke sagen muss, dann bin ich das. Und zwar immer und immer wieder.“
Andromeda nickte. „Ich kenne sie so gar nicht. Ich meine, sie war immer sehr impulsiv und, nun ja, anders als die meisten Mädchen in ihrem Alter, aber dass sie zu etwas fähig ist, hätte ich nie geahnt. Ich schäme mich ja beinahe für sie. Also nicht nur beinahe. Ich schäme mich.“
„Tu das nicht. Man kann sich seine Verwandten nicht aussuchen. Ich habe zum Beispiel einen Onkel, der als Elvis verkleidet auf Hochzeiten auftritt. Er singt mit verstellter Stimme und schwingt die Hüften, als würde es um sein Leben gehen. Dabei ist er fast fünfzig Jahre alt und pensionierter Bänker. Weißt du, wie ich mich für ihn schäme?“
„Wer bei Merlins Bart ist Elvis?“ Andromeda lächelte endlich.
„Ah, natürlich.“ Ted zeigte auf sich und murmelte: „Muggelstämig. Nicht so wichtig.“
Dann schwiegen die beiden eine Weile.
„Ich hab gesehen, wie du leidest.“, gab Ted zu. „Ich hab dich in letzter Zeit ein bisschen beobachtet. Tut mir Leid.“
Andromeda spürte, wie sie rot wurde. Gott sei Dank konnte Ted das in der Dunkelheit nicht sehen. „Gruselig.“, sagte sie. „Hör auf damit.“
„Ich hab mir einfach Sorgen um dich gemacht.“
„Sorgen um mich? Du bist derjenige, der beinahe-... Na du weißt schon.“
Wieder schwiegen sie, dann erinnerte sich Andromeda daran, warum sie eigentlich hier war. Scharf sog sie die Winterluft ein und sagte dann, mit viel zu hoher Stimme: „Der Hippogreif!“
„Ja?“, sagte Ted, ganz offensichtlich aus einem wichtigen Gedanken gerissen.
„Das ist dein Patronus, nicht wahr?“
„Ich bekenne mich schuldig.“ Ted lächelte. „Gut, oder? Ich meine, ich musste wirklich lange üben und wie du siehst bin ich immer noch dabei, ihn in nächtlichen Zauberstunden zu perfektionieren, aber er ist schon ganz schön respekteinflößend, hm?“
„In der Tat! Ted, hast du gemacht, dass er mich im Wald zu Dumbledore führt?“
Schnell wie nie zuvor rauschte Andromedas Blut durch ihren Körper. Was hatte Ted damit bezwecken wollen? Sie konnte nicht glauben, dass er in der Lage war, einen so mächtigen Patronus zu beschwören.
„Ja. Du hättest doch den Weg daraus nie wieder alleine gefunden. Ich war selbst am Waldesrand, als ich dich reinrennen sah. Und ich wusste sofort, dass es dir wegen Bellatrix schlecht ging. Wie gesagt, ich hab dich die Tage im Auge behalten.“
„Und dann?“, fragte Andromeda hitzig.
„Wie und dann? Du weißt, was geschah. Er fand dich und führte dich zu Dumbledore, den er zuvor in den Wald gelockt hatte, eben, damit ihr euch dort trefft.“
„Aber wieso sollte ich Dumbledore treffen?“, fragte Andromeda nach. Noch immer war ihre Stimme von der Aufregung viel zu hoch.
„So richtig weiß ich das auch nicht. Ich dachte einfach, es tut dir gut. Dumbledore ist ein guter Mann und als damals meine Tante Effy gestorben ist, hat er mit mir ein wirklich gutes Gespräch geführt. Hat mir enorm geholfen. Du hast doch mit ihm in seinem Büro geredet, oder?“
Andromeda nickte. Fasziniert und überrascht von Teds unglaublicher Fürsorglichkeit schaute sie ihm zärtlich in die Augen.
„Hast du ihm von dem Vorfall mit mir und Bella erzählt?“, hakte Ted nach, der seinen Blick ebenfalls nicht von Andromeda wenden konnte.
„Nein. Natürlich nicht. Aber du hast Recht. Es tat gut, einfach mal so mit ihm zu reden. Außerdem hat er mir ein Buch geschenkt, in dem sehr viel über Patroni steht. Hat mein Interesse geweckt und mich abgelenkt.“
„Ist das nicht einfach der beste Zauber aller Zeiten?“, sagte Ted laut. „Pass auf!“
Dann wich er einige Schritte zurück, hob seinen Zauberstab, schloss die Augen und filterte, das konnte Andromeda ganz deutlich sehen, all seine guten Gedanken, bis er schließlich rief:
„Expecto patronum!“
Und da war er wieder, der Hippogreif. Er trabte um Andromeda und Ted herum, hinterließ einen hellen Lichtschweif und tauchte den Schneehügel, auf dem sie standen, in sein wunderschönes Silberlicht.
„Wow.“, hauchte Andromeda. „Er ist wunderschön. Ich wünschte, ich könnte auch einen Patronus heraufbeschwören.“
„Hast du es schon einmal probiert? Vielleicht hilft dir ja das Buch, das Professor Dumbledore dir gegeben hat.“
„Nein.“, sagte Andromeda. „Ich traue mich nicht.“
„Wieso denn das?“, fragte Ted.
„Ich weiß nicht. Das ist ein so mächtiger und guter Zauber, das ich mich fürchte, ihn einfach nicht erlernen zu können.“ Andromedas Stimme begann, zu zittern. „Ich habe noch nie jemanden in meiner Familie einen Patronus-Zauber ausüben sehen. Ich wusste nicht einmal, dass diese Dinger existieren. Und ich habe außerdem immer furchtbare Angst, zu versagen.“
„Ich auch. Ich hasse es, zu verlieren, und sei es nur beim Zauberschach.“ Ted steckte seinen Arm aus und griff Andromedas Hand. Einfach so. Es war eine wunderbare Geste, die Andromeda mit ungewohnter Zuneigung erfüllte. Dann fuhr Ted fort: „Aber die Sache ist, manchmal muss man verlieren. Manchmal muss man Opfer bringen, um weiterzukommen. Und was die Sache mit deiner Familie anbelangt, so kann es sicher nicht schaden, einen Anfang zu machen.“
„Was meinst du?“, fragte Andromeda.
„Ich meine, jeder macht irgendetwas irgendwann zum ersten Mal. Sei die Erste in deiner Familie, die einen Patronus beschwört. Verändere was. Mach einfach. Du wirst erkennen, dass du was Besonderes bist, wenn du es wagst, dich zu beweisen. Man muss einfach den Mut haben, anders zu sein.“
Andromeda schaute Ted an, drückte seine Hand und dankte ihm mit einem kaum merklichen Nicken.
„Sieh mich an.“, sagte er. „Muggelstämmig. Weißt du, was ich mir anhören muss? Du hast mit eigenen Augen gesehen, was die Radikalen mit Leuten wie mir machen. Aber soll ich jetzt so tun, als wäre ich wie die Meisten hier? Nein. Denn das bin ich nicht. Ich habe irgendwann gelernt, einfach das zu tun, was mein Herz mir sagt und mein Herz sagt mir nicht, dass ich verstecken soll, wer ich wirklich bin.“
Ted ließ Andromedas Hand los und kletterte, lachend wie ein kleiner Junge, auf einen schneebedeckten Felsen, sodass er Andromeda um einiges überragte. Lachend blickte sie zu ihm auf.
„Ich bin Ted Tonks!“, verkündete er mit stolzer Stimme. „Meine Eltern sind Muggel und ich liebe die Beatles, obwohl hier noch niemand was von ihnen gehört hat. Ich gucke für mein Leben gern Muggelfernsehen und verabscheue Schokofrösche! Aber verdammt noch mal, ich bin trotzdem ein Zauberer und nicht mal ein Schlechter, denn ich schaffe es, einen gestaltlichen Patronus heraufzubeschwören, und der sieht verdammt gut aus!“
Andromeda konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so laut gelacht hatte. Der nächtliche Wald war erfüllt von ihrem Johlen und dem Applaus, den sie Ted für seine Rede schenkte.
„Und du bist super!“, fügte sie unter Lachtränen hinzu. „Einfach super!“
Ted stieg vom Felsen hinab und urplötzlich war wieder alles leise. Er sah Andromeda eindringlich an, aber sie konnte seinen Augen diesmal nicht standhalten.
Sie drehte sich um und sagte, dass sie müde sei und zurück ins Schloss wolle. Ted begleitete sie.
Als sie am großen Tor angekommen waren, ohne auf dem ganzen Weg ein weiteres Wort gewechselt zu haben, fragte Andromeda:
„Wieso dachtest du, ich würde es vorziehen, mir bei Dumbledore mein Herz auszuschütten, anstatt einfach selbst mit mir zu reden?“
Ted holte tief Luft, sagte aber nichts.
„Ich verstehe das nicht. Das ist ein bisschen unlogisch, oder? Wärst du einfach mal zu mir gekommen, statt mich nur zu beobachten, dann hättest du mir die Verwirrung mit dem Hippogreif ersparen können. Und du hättest dich auch im Wald zeigen können, statt den vorzuschicken.“
Ted sagte wieder nichts.
„Okay, vielleicht hätte ich nicht mal mit dir darüber reden wollen. Ich hab Dumbledore ja auch nichts gesagt. Aber trotzdem. Wieso?“
„Ich...“, begann Ted zögerlich. „Ich schätze, ich war einfach zu schüchtern.“
„Du und schüchtern?“ Andromeda lachte. „Erinnere dich bitte an deine Rede im Wald.“
„Ja, aber das ist was Anderes. Es ist sowieso anders jetzt, glaube ich.“
„Was meinst du?“
Andromeda wusste, dass die Antwort sie in irgendeiner Form treffen würde. Ihr Herz raste schon, ehe Ted sagte:
„Das mit dir und mir. Das ist anders ab heute Nacht.“
Es fiel ihm unheimlich schwer, das zu sagen. Es war so fast aus der Luft gegriffen, aber auch Andromeda konnte nicht verneinen, dass dort etwas im Wald gewesen war, in der Eisluft, zwischen ihrer und Teds Lunge hin und her schwebend.
Sie sagte nichts.
„Mein Gott, jetzt sag schon was!“ Ted lachte unsicher.
Andromeda lächelte ihn an. „Gute Nacht.“, sagte sie und drehte sich um, damit Ted nicht sehen konnte, wie strahlend ihr Lächeln jetzt war. Ihr tat beinahe das Gesicht weh davon.
„Gute Nacht.“, sagte Ted irritiert.
Bevor Andromeda im Schloss verschwand und einen vollkommen neben sich stehenden Ted zurückließ, drehte sie sich doch noch einmal um und sagte: „Morgen nach dem Unterricht im Verbotenen Wald. Ich will einen Patronus beschwören, der deinen in den Schatten stellt!“
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