von Roya
Huhu,
Hier bin ich wieder.
Es tut mir sehr Leid, dass ich die Fanfiktion pausieren musste, aber es gab verdammt viel zu tun, Unizeugs und so.
Das kommende Semester wird etwas entspannter, da ich nur 8 Stunden die Woche habe und eine Bachelorthesis, die mich nicht den kompletten Tag in Beschlag nehmen wird.
Ich hoffe, ihr wisst noch, worum es geht, ansonsten kurze Erinnerung:
Fred wird entführt von Mia, die für Terence arbeitet.
Sie müsste Fred eigentlich ausliefern, bringt es aber nicht übers Herz. Im Laufe der verstreichenden Tage verstehen sich die beiden immer besser, auch wenn Mia nur für wenige Augenblicke ihre Fassade bröckeln lässt.
Im letzten Kapitel wurde sie von Terence und seinen Mitarbeitern gefoltert.
Ich hoffe, ihr habt mich nicht vollkommen vergessen ;)
Viel Spaß mit dem folgenden Kapitel.
LG Roya
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Kapitel 11: Das Tagebuch
Als Mia wieder zu Bewusstsein kam, lag sie im Halbdunkeln. Sie spürte nichts als Schmerz. Ihre Muskeln brannten und fühlten sich so an, als hätte sie jede einzelne Faser gerissen. Ihr Atem ging sehr flach und nur langsam kam ihr Kreislauf in Schwung. Nach und nach nahm sie auch wieder etwas von ihrer Umgebung wahr.
Ein rotes Lämpchen blinkte neben ihr im Sekundentakt auf. Das leise Rauschen eines Computers drang an ihre Ohren und sie erkannte den ihr wohlbekannten Klang einer kleinen Standuhr. Sie lag in ihrem Büro, aber draußen war es bereits dunkel. Lediglich eine Laterne weit unten von der Straße warf ein wenig Licht an die Decke.
Als Mia versuchte, sich aufzurichten, drang ein fürchterlicher Schmerz durch ihren Unterleib. Ein Stöhnen entwich ihren Lippen und hilflos lag sie da. Unter ihr der raue Teppich. Nach zwei weiteren Versuchen schaffte sie es, sich vollends aufzusetzen, doch sie hielt sich krampfhaft am Bein ihres Schreibtisches fest.
Trotz der unglaublichen Schmerzen schaffte sie es letztendlich, sich hinzustellen. Wankend wartete sie eine Weile, bis sich ihr Herzschlag wieder einigermaßen beruhigt hatte, dann schleppte sie sich zur Tür. Sie musste hier raus! Noch verdrängte sie den Gedanken an das Geschehene, richtete ihre Aufmerksamkeit nur auf den nächsten Schritt, den sie tätigen musste, um weg zu kommen.
Bevor Mia die Tür öffnete, tastete sie in ihrer Tasche nach ihrem Zauberstab. Der war wenigstens noch da. Auf dem Flur war niemand, nur das Nachtlicht brannte. Jeder Schritt war eine Qual und wie sie es bis nach unten ins Foyer geschafft hatte, konnte sie später nicht mehr rekonstruieren. Schwindel erfasste sie und wurde stetig stärker, aber mit letzter Kraft schleppte sie sich nach draußen.
Nach einer kurzen Atempause konzentrierte sie sich aufs Apparieren. Wenn etwas schief ging, würde es ihr noch schlechter gehen. Mit der höchsten Konzentration, die die junge Frau aufbringen konnte, drehte sie sich um sich selber und erschien kurz darauf direkt vor ihrer Haustüre. Bevor ihre Beine einknicken konnten, krallte sie sich an den Türrahmen und holte ihren Stab heraus.
Die Treppen brachten sie beinahe zum Aufgeben, doch nach einer beachtlichen Zeit stand sie endlich vor ihrer Haustüre. Ihr Atem ging ruckweise, das Herz raste ohne Unterlass gegen ihre Brust. Schwindel packte sie erneut. Nur noch ein paar Schritte. Das Schloss klickte durch den Zauber und schwang nach innen auf. Warmes Licht schlug Mia entgegen und sie stolperte über die Türschwelle.
„Sie kommen aber spät heute. Wir haben schon halb Eins. Ich ...“
Die Stimme des jungen Mannes verstummte und schnelle Schritte kamen auf Mia zu. Als er sie erreichte, gab ihr Körper nach und Mia sackte in sich zusammen. Bevor sie in die Dunkelheit entfloh, spürte sie zwei starke Hände, die sie auffingen. Dann wurde alles schwarz.
***
Mit wild hämmerndem Herzen schaute Fred auf die reglose junge Frau hinab, die vollkommen schlaff in seinen Armen lag. Er konnte immer noch nicht fassen, was seine Augen ihm übermittelten. Mia war aschfahl im Gesicht, doch das konnte man vor lauter blauen und schwarzen Flecken kaum noch ausmachen. Getrocknetes Blut bedeckte ihre Schläfe und er spürte eine klamme Nässe an ihrem Rücken.
Sein Blick fiel auf ihre Hand und der Zauberstab sprang ihm regelrecht ins Auge. Sofort schnappte Fred sich den Stab und sah auf ihn hinab. Endlich hatte er wieder einen Zauberstab in der Hand. Es fühlte sich sehr gut an, er fühlte sich nicht mehr schutzlos. Sein Blick fiel auf die offene Tür und er wusste sofort, was er zu tun hatte.
Fred hob den Zauberstab und murmelte:
„Adfaco.“
Die Tür fiel leise ins Schloss und er blickte wieder auf Mia hinab. So behutsam wie möglich ließ Fred von ihrer Taille ab und fasste in die Kniekehlen. Mit der anderen Hand legte er sich ihren linken Arm um den Hals und stand vorsichtig auf. Mia war leicht wie eine Feder und langsam ging er in ihr Schlafzimmer. Darauf bedacht, nirgends mit ihrem reglosen Körper anzuecken.
Vorsichtig legte er die junge Frau auf das Bett und betrachtete sie kurz im Mondlicht, das ihren wahren Zustand verbarg. Dann gab er sich einen Ruck, drehte sich um und schloss die Vorhänge. Als er das Licht einschaltete und Mia nun deutlich vor sich sah, zog sich sein Herz zusammen. Die Prellungen und Hämatome in ihrem Gesicht waren nicht das Hauptproblem.
Ihre weiße Bluse war dunkelrot verfärbt und es leuchtete schmerzhaft in seinen Augen. Fred überwand die letzten Schritte zwischen sich und dem Bett und setzte sich vorsichtig neben die junge Frau. Mit zittrigen Händen umfasste er den Saum der Bluse und wickelte das nasse Kleidungsstück nach oben. Auch auf ihrer Haut glänzte das noch feuchte Blut, aber Fred erkannte schnell, dass er die Ursache des Blutverlustes nicht auf ihrem Bauch zu finden war.
Vorsichtig drehte er Mia auf ihren Bauch und seine Augen weiteten sich. Sein Herz raste ohne Unterlass und Angst schnürte dem jungen Mann die Kehle zu. Blutrot leuchtete eine gut zehn Zentimeter breite Wunde in Mias Rücken, eine Glasscherbe steckte bis zum Ansatz im Fleisch. Kurz schwindelte es dem junge Mann, als ihm bewusst wurde, was er da vor sich da.
Er hob den Zauberstab. Nervös leckte er sich einmal über die Lippen, dann begann er, einige Zaubersprüche aufzusagen und dabei über die Wunde gleiten zu lassen. Zuerst passierte nichts, dann bewegte sich das Stück Glas. Mia stöhnte und Fred legte ihr beruhigend seine linke Hand auf die Schulter.
Die Scherbe löste sich aus dem Fleisch und je weiter sie ans Tageslicht kam, desto erschrockener wurde der junge Mann. Schließlich schwebte vor ihm in der Luft eine gut zehn Zentimeter lange Glasscherbe, von der Blut tropfte. Eilig legte Fred das Glas beiseite und widmete sich der nun offenen Wunde.
Blut lief immer schneller an ihrer Hüfte entlang und er begann, weitere komplizierte Zauber auszusprechen, damit etwaige innere Verletzungen so gut wie möglich geheilt wurden. Gut, dass er gemeinsam mit George einen Erste Hilfe Kurs belegt hatte, in dem solche Dinge besprochen wurden.
Langsam schloss sich die Wunde, aber so ganz wollte sie sich nicht schließen und Fred war mit seinem Latein am Ende. Mia schien es momentan nicht schlechter zu gehen, also sprang er auf und durchsuchte das Zimmer nach einem Verbandskasten. Er wühlte in den Schubladen, schaute unters Bett und in den Schrank. Dabei fiel ihm ein Buch in den Blick, doch er ignorierte es erst einmal und suchte weiter. Schließlich schüttelte er den Kopf und murmelte:
„Du bist ein Zauberer, verdammt.“
Er hob den geborgten Stab und sagte:
„Accio Verbandskasten.“
Das lag bestimmt an der Tatsache, dass er seit nunmehr vier Tagen keinen Zauberstab mehr besaß. Auch den Gedanken daran verdrängte er, als aus dem Wohnzimmer ein weiß-roter Kasten auf ihn zugeflogen kam. Schnell schnappte er ihn und eilte wieder zurück zum Bett.
Er umwickelte Mias Unterkörper mit weißem Verband, nachdem er das getrocknete und frische Blut aufgesaugt hatte. Das wäre geschafft. Fred drehte die junge Frau erneut auf den Rücken und betrachtete sie. Ihre Lippe war aufgeplatzt, überall waren blaue und grüne Flecken. Ihre Augen zuckten hinter den Lidern, ihr Atem ging jedoch wieder regelmäßig.
Langsam beruhigte sich auch Freds Herzschlag und er vergrub seinen Kopf zwischen seinen Händen. Wer hatte ihr das angetan? Ihr Boss? Wut durchfloss den jungen Mann und er hoffte, dem Kerl eines Tages gegenüber zu stehen, der es übers Herz brachte, Mia so zu misshandeln.
Es nützte alles nichts, er musste nach weiteren Verletzungen suchen. Er begann, die junge Frau bis auf die Unterwäsche auszuziehen. Blut schoss ihm in den Kopf und er spürte seine heißen Ohren. Dennoch betrachtete er Mia aus den Augenwinkeln heraus.
Sie war zu dünn. Ihre Hüftknochen waren deutlich zu sehen, genauso wie ihre Rippen. Kein Wunder, dass sie so leicht war. Mitleid durchflutete den jungen Mann, aber auch Zuneigung. Was musste Mia wohl alles aushalten? Es musste einen Grund geben, warum eine freundliche, nette Frau wie sie bei so einem Arsch von Chef blieb.
Unterdrückte er sie? Doch was war sein Druckmittel? Fred würde einiges dafür geben, der jungen Frau helfen zu können. Er beseitigte die restlichen Blutflecken und deckte Mia sanft zu. Weitere Verletzungen hatte er nicht finden können, außer ein paar Kratzer und Schürfwunden. Jetzt hieß es warten.
Seufzend stand er auf und sah sich um. Dann fiel sein Blick auf den Zauberstab in seiner Hand. Sollte er …? Sein Entschluss fiel ihm leicht, als er aus dem Zimmer ging und leise die Tür hinter sich schloss. Er ging in den Flur und öffnete die Haustüre. Da lag sie vor ihm. Die Freiheit.
Doch keine einzige Sekunde lang dachte er an Flucht. Er konnte – und wollte – Mia jetzt nicht alleine lassen. Aber eine Sache musste er machen. Fred hob den Stab und murmelte:
„Expecto Patronum.“
Ein Fuchs erschien vor ihm und schaute ihn erwartungsvoll an. Der junge Mann begann zu sprechen und beobachtete den Patronus genau. Das Tier nickte und legte seinen Kopf schief. Als Fred alles gesagt hatte, sprang der Fuchs davon und hinterließ lediglich einen hellen Fleck auf seiner Iris im sonst dunklen Flur. Fred schloss die Tür und überlegte kurz. Dann sprach er einige der Schutzzauber aus, die er kannte.
Wenn Mia immer noch in Gefahr sein sollte, von ihrem Boss oder anderen Mistkerlen misshandelt zu werden, würde er sie dagegen schützen.
Zurück im Schlafzimmer betrachtete er die junge Frau eine lange Zeit. Mia atmete nun tief und schien zu schlafen, ihr Brustkorb hob und senkte sich behutsam. Freds Blick fiel auf das Durcheinander, was er vor ein paar Minuten in dem kleinen, aber schön möblierten Zimmer angerichtet hatte. Um Mia nicht zu wecken, ließ er den Zauberstab auf der Kommode neben der Tür liegen und räumte die Sachen per Hand weg.
Wenn er ehrlich sein sollte, waren Aufräumzauber auch nicht gerade seine Spezialität. Als er fertig war, fiel sein Blick auf das Buch, welches er bereits einmal ins Auge gefasst hatte. Erst jetzt stellte er fest, dass er es mit Absicht nicht wieder weggeräumt hatte. Der Anlass für sein Zögern war das eine Wort, was in dem Leder eingraviert war: Tagebuch.
Fred biss sich auf die Lippe. Sollte er ihr Vertrauen so missbrauchen? Andererseits würde sie niemals etwas von sich aus erzählen, so viel war ihm bereits klar. Unschlüssig stand er da, das Buch wog schwer in seiner Hand. Dann siegte die Vernunft und er legte das Buch zurück in den Schrank.
***
Schmerzen durchzuckten sie, als Mia stöhnend ihren Arm heben wollte. Vorsichtig öffnete sie die Augen und fragte sich, wo sie war. Ihr Kopf dröhnte und ihr Magen rumorte. Hatte sie zu viel getrunken? Ihr Blick klärte sich langsam und sie erkannte das Bett, in dem sie lag. Also war sie zu Hause. Mühsam richtete Mia sich auf und sah sich um. Sie fühlte sich wie erschlagen und sie begann zu zittern.
Vorsichtig streckte sie die Beine über den Bettrand und setzte ihre nackten Füße auf den kühlen Boden. Sofort fröstelte es ihr, als die Bettdecke sie nicht mehr schützte. Neben dem Bett lag ein wirrer Haufen Stoff, den sie als ihre Lieblingsbluse identifizierte. Dann stockte sie. Ihre Augen weiteten sich, als ihr Blick auf dem großen Blutfleck hängen blieb, der die Bluse zierte.
Mit einem Mal holte die Erinnerung sie ein. Fetzen von Bildern schossen durch ihren Kopf. Spencer und Wilson, die ihre Zauberstäbe immer und immer wieder auf sie hinab senkten. Der Schmerz, der ihr den Atem und den letzten Willen geraubt hatte. Und über allem die hässliche Fratze von Terence, der sie mit einem Funkeln in den Augen anstarrte.
Ein trockener Schluchzer entwich Mias Lippen und sie hielt sich die Hand vor den Mund. Ihre Augen huschten umher, als sie sich langsam aufrichtete und auf wackligen Beinen zum Stehen kam. Ihr Herz raste schneller gegen ihre Brust, schwarze Punkte flimmerten vor ihren Augen, die weitern suchend hin und her fuhren. Wo war er?
Ein Geräusch ließ sie zusammen zucken und ihr Blick huschte zur offenen Tür. Fred stand im Türrahmen, sie konnte in seinen Augen einen seltsamen Glanz erkennen. Doch sie ignorierte seinen sorgenvollen und liebevollen Blick völlig, in ihrem Gehirn manifestierte sich nur noch ein Gedanke: „Wo ist mein Zauberstab?“
Ihre Stimme klang zittrig und heiser, sie machte einen unsicheren Schritt auf Fred zu, der ins Zimmer kam. Panik erfüllte Mia, unergründliche Angst erfasste sie und sie zog sich zurück. Ihre Beine gaben unter ihr nach, Tränen verschleierten ihre Sicht, sich landete schmerzhaft auf dem Boden und zog sich bis in die Zimmerecke zurück.
„Wo?“
Fred kam weiterhin auf sie zu, blieb dann aber stehen und sagte mit sanfter Stimme: „Keine Sorge, er ist hier. Sie sind in Sicherheit, ich ...“
„Gib mir meinen Zauberstab!“ Mia erkannte ihre eigene Stimme nicht wieder, doch es war ihr egal. Sie musste ihren Zauberstab haben, jetzt, sofort! Eine alles umfassende Angst durchzog ihren gesamten Körper. Endlich rührte sich der junge Mann, nahm ihren Stab von der Kommode und reichte ihn ihr. Mia grapschte danach und zog sich dann noch weiter an die Wand zurück, den Zauberstab auf Fred gerichtet.
„Beruhig dich, Mia! Ich bin hier, es kann nichts geschehen!“
Und sie glaubte seinen Worten. Langsam ließ sie den Stab sinken, versuchte gar nicht erst, die weiteren Tränen von ihren Wangen zu verdrängen. Ihr gesamter Körper schlotterte vor einer inneren Kälte und vor Angst. Sie bekam es kaum mit, wie Fred ihr die Decke über den Körper legte und sie zu sich in den Arm zog. Schluchzend lehnte sie sich an die ihr dargebotene Schulter, die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, ließen ihn schmerzhaft pochen.
Schließlich versiegten die Tränen, hinterließen einen kalten Streifen auf ihrer erhitzten Haut. Ihr Atem ging stoßweise, die innere Kälte wurde langsam aber sicher von etwas Warmen verdrängt. Als Mia letztendlich aufsah und ihr Blick dem von Fred begegnete, verlor sie sich in den blauen Augen, die so besorgt zu ihr hinab schauten.
Warum musste alles so kompliziert sein? Warum musste ihre Leben so einen Scherbenhaufen darstellen? Niemandem würde sie dieses Schicksal wünschen, aber warum gerade sie? Als seine Stimme leise ertönte, schwangen Besorgnis und Kummer mit.
„Was ist geschehen, Mia? Wer hat dir das angetan? Warum erzählst du es mir nicht?“
Sie schluckte, ihr Hals war trocken und rau. Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange und sie wusste, sie würde ihm alles erzählen. Was Terence ihr antat, ihrer Mutter und Kathi. Warum sie so hartherzig war und alles tat, was man von ihr verlangte. Doch es ging nicht. Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch kein Wort drang über ihre aufgeplatzten Lippen.
„Du kannst mir vertrauen.“
Sie starrte ihn an und nickte schließlich. „Ich weiß.“
Ihre Stimme klang noch heiser als zuvor und ihr Hals schmerzte, als er leise sagte: „Dann sag es mir.“
„Es geht nicht. Ich … ich kann nicht.“
Dann verstummte sie. Sie konnte, durfte nichts sagen. Denn sie hatte einen Unbrechbaren Schwur geleistet. Nicht einmal das konnte sie ihm erzählen. Und sie sah in seinen Augen, wie sehr es ihn schmerzte. Etwas in ihr zerriss und wieder bahnten sich Tränen über ihre Wangen. Als sie schließlich einschlummerte, spürte sie kaum, wie Fred sie aufs Bett trug und sanft zudeckte.
***
Fred starrte eine ganze Weile die junge Frau vor ihm im Bett an. Ihr Ausbruch hatte ihn zutiefst mitgenommen und sein Herzschlag hatte sich seit einer Stunde nicht mehr normalisiert. Mia muss etwas schreckliches zugestoßen sein, wenn er nur wüsste was. Er hatte in ihrem Blick erkennen können, dass sie es ihm erzählen wollte. Das Verlangen danach hatte alles in ihrem Kopf eingenommen, warum konnte sie es nicht?
Und mit einem schlechten Gefühl entschied sich der Zwilling dazu, etwas Verbotenes zu machen. Er schritt langsam auf die Kommode zu und griff mit unsicheren Handbewegungen nach dem Tagebuch. Es war ein Tabu. So tief in jemandes Privatsphäre einzudringen, ohne sie um Erlaubnis gefragt zu haben. Doch er musste es einfach wissen, wie sonst konnte er ihr helfen? Fred besah sich den braunen Umschlag des Buches, sein Herz schlug wieder schneller gegen die Brust.
„Fred …?“
Er zuckte fürchterlich zusammen und versteckte das Buch hinter seinem Rücken, als er sich zum Bett umdrehte. Mia sah ihn mit halb offenen Augen an, ihr Blick war flehend.
„Bitte geh nicht weg.“
Scheinbar hatte sie nicht gesehen, was er gerade tat und er atmete innerlich erleichtert auf. Schnell nickte er und schritt auf das Bett zu. „Keine Sorge, ich bleibe hier.“
Ihre Lider flackerten, dann schloss sie die Augen und nach kurzer Zeit atmete sie tief. Fred blieb noch eine Weile stehen, dann ging er auf die andere Seite des Zimmers und machte es sich auf der freien Seite des Doppelbettes bequem. Mit einem letzten Blick auf Mia, die endlich einen ruhigen Schlaf gefunden zu haben schien, öffnete er das Buch und vertiefte sich in die Gedanken der jungen Frau.
6. August 1997
Mama ist vollkommen verliebt in Terence!
Ich kanns ihr nachempfinden, immerhin trägt er sie auf Händen. Er ist super lieb zu ihr, aber auch zu Kathi und mir. Ich meine, hallo? Er hat Kathi tatsächlich einen Computer geschenkt, und das soll wohl was heißen.
Terence wohnt jetzt seit einem Monat bei uns und hilft Mama bei all ihren Arbeiten. Find ich klasse, denn so kann ich mich mehr darauf konzentrieren, einen Ausbildungplatz zu bekommen.
Hoffentlich finde ich etwas als Einzelhandelskauffrau. Und dann, wenn ich groß bin *lach*, dann habe ich ein eigenes Geschäft und verkaufe alles, was ich möchte.
Kathi liegt mir immer in den Ohren, warum ich denn nicht einen der, Moment, ich zitiere: „vollkommen abgefahrenen“ Jobs in der Zaubererwelt annehme, wo ich doch schon eine Hexe bin.
Sie selbst ist glaub ich etwas neidisch.
Ich habe ja nie gesagt, dass ich später kein Unternehmen mit magischen Gegenständen haben werde. Mal gucken, morgen schicke ich die Bewerbungen ein. Wünsch mir Glück!
13. August 1997
Mist, schon wieder eine Absage. Die Leute wollen natürlich alle ein richtiges Zeugnis sehen, aber so etwas habe ich ja gar nicht. Die Muggel können mit einem Erwartungen übertroffen in Zaubertränke einfach nichts anfangen, fürchte ich :)
Vielleicht muss ich mich doch mal in der Zaubererwelt umschauen, die haben bestimmt auch solche Ausbildungsberufe.
Terence und Mama wollen im Winter nach Fuerteventura fliegen, ohne uns. Aber dafür bekommen Kathi und ich von Terence einen Ausflug nach Disneyworld geschenkt. Ob ich dafür schon zu alt bin? Dafür ist man niemals zu alt :)
Fred überschlug die nächsten Seiten, in denen es sich um die Urlaubsplanung, die Bewerbungen und andere Fakten aus Mias früherem Leben handelte. Ihm fiel mit einem aufwallendem Schmerz in der Brust auf, wie unbeschwert und schön Mias Leben vor fünf Jahren gewesen sein muss. Wann hatte sich das alles geändert?
Er fand die ersten Anzeichen etwa ein halbes Jahr später und versank wieder in den Aufzeichnungen.
4. Februar 1998
Terence hat Mama gefragt, ob sie mit ihm nach England ziehen möchte. Bisher hat Mama zwar noch nichts gesagt, aber ich fürchte, sie wird das Angebot annehmen. Immerhin müsste sie dann keinem ihren vielen Putzjobs weiterhin nachgehen, weil Terence ein gesamtes Unternehmen besitzt und Geld genug hat. Aber was wird dann aus Kathi? Sie hat die Schule noch nicht abgeschlossen, sie ist erst in der Elften. Ich hoffe, Mama überlegt es sich gut und Kathi muss nicht in England ihren Schulabschluss nachmachen.
Keine Nachricht bisher von den Bewerbungen …
17. März 1998
Ich habe eine Ausbildungsstelle!!!
Endlich!
Das ist total klasse!
Auch wenn es erst einmal nur bei so einem kleinen Unternehmen ist, egal.
Bin total happy!
29. März 1998
Das ist so unfair! Mama will tatsächlich mit Terence nach England, dabei hat sie uns letztens erst versprochen zu warten, bis Kathi ihr Abi hat.
Und was wird aus meiner Ausbildung?
Entweder ich bleibe hier und habe eine feste Arbeitsstelle oder ich gehe mit und muss mir wieder was neues suchen … ist das ätzend!
16. September 1998
Endlich komme ich mal wieder dazu, hier was zu schreiben …
Wir sind tatsächlich in England. Kathi hat sich in ihrer neuen Schule gut eingelebt und ist auch nicht mehr ganz so böse auf Mama wegen dem Umzug.
Mama selbst geht es gut, immerhin muss sie nicht mehr arbeiten. Terence hat einfach eine riesige Villa hier, total krass. Mit Bediensteten und so. Fast schon beängstigend, wie oft ich mich anfangs verlaufen habe.
Wir bekommen Terence nicht oft zu Gesicht, nur beim Abendessen, da besteht er drauf. Und dann fragt er mich immer aus, wie es mit der Suche nach einer Ausbildung läuft. Jedes Mal bietet er mir an, in seiner Firma zu arbeiten, aber irgendetwas hält mich davon ab, keine Ahnung.
Ich schreibe und schreibe immer weiter Bewerbungen, aber ich muss mich erst einmal ins Englische einarbeiten. Noch so ein Nachteil, wenn man auf einer Zauberschule war: Ich habe keine Fremdsprache gelernt. Kathi hilft mir, wo sie nur kann, ich hab sie so lieb!
15. Oktober 1998
Terence ist seltsam. Manchmal ist er total gut gelaunt und manchmal total schlecht. Dann lässt er seine Wut an Mama raus. Sie tut mir total Leid, ich habe sie letztens weinen gehört.
Warum ist er auf einmal so komisch? In Deutschland war er noch so anders. Kathi und ich bekommen auch keine Geschenke mehr … nicht, dass mich das so stört, aber es fällt doch auf.
2. Dezember 1998
Ich glaub es hackt!
Als ich heute nach Hause kam, hatte Mama ein blaues Auge!
Ich weiß genau, dass es Terence war, auch wenn Mama sagt, sie sei irgendwo gegen gestoßen.
Ich glaube auch, dass Terence mir langsam auf die Schliche kommt. Bald wird er herausgefunden habe, dass ich eine Hexe bin, und was dann?
Warum ist er so seltsam?
6. Januar 1999
Weihnachten war der Horror. Ich wollte Papa besuchen, aber Terence hat es nicht zu gelassen. Er wollte die Feiertage unbedingt mit uns verbringen, hat sich sogar freigenommen. Und dann, an Heiligabend, haben uns Mama und er verkündet, dass sie bald heiraten werden.
Mama hat gar nicht glücklich dabei ausgesehen … hoffentlich weiß sie, was sie tut.
18. Februar 1999
Heute war die Hochzeit, warum auch immer die das jetzt so eilig hatten. Ich habe Papa einen Brief geschrieben, aber er antwortet nicht. Seltsam, sonst hat er immer geantwortet.
Ich bin total genervt von dem Leben hier, überall wird man verfolgt von den Dienern und nirgendwo kann man alleine sein. Freunde habe ich auch noch nicht wirklich gefunden, weil Terence nicht möchte, dass ich abends alleine draußen rumlaufe. Hallo, ich bin 19!
Mama hat Schmerzen am Rücken, angeblich ist sie die Treppe hinunter gefallen.
28. Februar 1999
Mist, jetzt weiß er es!
Heute hat Terence heraus gefunden, dass ich eine Hexe bin.
Nachdem ich herausgefunden habe, dass er Mama die Treppe hinunter gestoßen hat. Sie weint häufig und als ich sie darauf angesprochen habe, meinte sie, sie möchte wieder nach Deutschland. Ich war so glücklich darüber!
Aber dann ist Terence ins Zimmer gekommen, anscheinend hatte er das mitbekommen. Er wollte wutentbrannt auf Mama zugehen, da habe ich meinen Zauberstab gezogen und Protego angewandt.
Seltsam. Er war gar nicht überrascht, sondern eher … erfreut? Keine Ahnung, was das schon wieder sollte.
4. März 1999
Terence bedroht mich. Ernsthaft, er BEDROHT mich.
Will mir tatsächlich damit drohen, dass etwas Schlimmes passiert, wenn ich nicht für ihn arbeite. Sag Mal, spinnt der eigentlich?
Wird Zeit, dass wir abhauen, Mama hat bereits eine neue Wohnung von Papa suchen lassen.
Bald sind wir hier weg!
8. März 1999
Seltsam, Kathi ist heute nach der Schule nicht nach Hause gekommen. Wo mag sie nur stecken? Ist sie mit einer Freundin nach Hause gegangen? Aber dann hätte sie bestimmt Bescheid gesagt.
Vielleicht ist die SMS einfach nicht angekommen, wer weiß das schon.
9. März 1999
Kathi ist immer noch verschwunden!
Mama und ich machen uns richtig Sorgen, was ist passiert?
Als Mama bei der Polizei anrufen wollten, hat Terence sie aufgehalten. Seine Leute suchen bereits nach ihr.
Was auch immer das heißen sollte.
Terence nervt mich immer noch damit, dass ich in seine Firma einsteigen soll. Was soll der Quark?
10. März 1999
Verdammt! Mama ist auch weg! Als ich heute morgen aufgestanden bin, war sie auch verschwunden. Langsam glaub ich ich werde verrückt!
Und bei Terence auf der Arbeit geht niemand ans Telefon.
Am besten ich gehe hin und frage ihn, ob er weiß, wo Mama ist.
11. März 1999
Mistkerl! Schwein! Arsch!
Ich kann es kaum in Worte fassen.
Terence hat Mama und Kathi gekidnappt.
Stelle sich das mal einer vor!
Die eigene Frau und Stieftochter kidnappen!
Und das beste: Er will von mir, dass ich für ihn arbeite, damit es ihnen weiterhin gut geht.
Spinnt der eigentlich?
Ich glaube, ich geh morgen zur Polizei.
12. März 1999
Ich kann nicht zur Polizei gehen. Ich kann nirgendwo hingehen.
Ich kann es einfach immer noch nicht glauben.
Terence hält Mama und Kathi gefangen, damit ich für ihn arbeite. Und zwar die Drecksarbeit!
Und ich muss es tun!
Diese Dreckskerle von Wilson und Spencer, die Mitarbeiter von Terence, die öfters bei uns zu Hause gewesen waren, sind auch Zauberer.
Und sie haben mich dazu gezwungen, einen Unbrechbaren Zauber zu leisten!
Ich kann mit niemandem reden.
Und nun werd ich dazu gezwungen, für Terence zu arbeiten. Wer weiß, was er sonst mit Mama und Kathi macht. Ich muss sie finden und da raus holen!
Fred sah auf das nun friedlich schlafende Gesicht von Mia hinab und strich ihr vorsichtig eine der braunen Strähnen aus dem Gesicht. In seinem Inneren rumorte es vor Mitgefühl und Trauer. So ein Mistkerl! Dieser Terence. Das er seine eigene Stieftochter für solche Arbeiten zwingt, indem er ihre Schwester und Mutter gefangen hält.
Wenn er sich vorstellte, dass jemand George kidnappte, um ihn zu etwas zu zwingen, dann zog sich ihm alles zusammen. Ja, er würde alles tun, damit es seinem Bruder gut ginge.
Sein Blick fiel wieder auf die krakelig dahin geschriebenen Sätze, die an manchen Stellen feucht geworden waren, wo Mias Tränen auf die Seiten gefallen waren. Direkt unter diesem Eintrag fand er einen, der ihn wütend werden ließ.
14. März 1999
Ich habe versucht, Mama und Kathi zu befreien.
Wilson hat den Cruciatus Fluch auf mich angewandt. Mir tut einfach alles weh.
Wieso macht er das???
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