von rodriquez
Dienstag - Nachmittag
Das bewusste Lagerhaus sollte sich in der Grafschaft Surrey, südlich von London befinden.
Es bot sich daher an, einen Abstecher nach Little Whinging zu tätigen, bei dem mir Dudley ohne mit der Wimper zu zucken seinen Ford Focus zur Verfügung stellte.
Natürlich war er sofort bereit uns zu begleiten, doch als ich ihn auf die Gefahren der Mission hinwies, übergab er mir den Wagen ohne weitere Fragen zu stellen.
Bevor ich allerdings losfahren konnte, vergingen weitere knapp zehn Minuten, in denen ich auf die Rückkehr von Ginny warten musste, die unterdessen versuchte unsere Tochter sicher im Fuchsbau unterzubringen.
Big D starrte mich auffällig nervös an, zuckte mit seinen Körpermassen vor und zurück, wippte mit den Beinen, als wollte er mir noch etwas mit auf den Weg geben.
„Pass auf dich auf, Harry.“
Ich nickte ihm beruhigend zu.
„Ich hab früher viel Scheise mit dir gebaut, aber mittlerweile liegt mir wirklich was an dir.“
„Ich weiß“, nickte ich und streckte ihm meine Hand entgegen. „Ich bin vorsichtig. Mach dir keine Sorgen.“
„Du hättest mich nicht retten brauchen.“
„Big D, das ist fünfzehn Jahre her“, staunte ich.
„Trotzdem habe ich mich nie bei dir bedankt.“
„Du hast Dinge getan, die mehr Wert sind, als jede mündliche Entschuldigung“, erwiderte ich. „Du hast dich zu einem Freund entwickelt.“
„Danke Harry“.
Zehn Minuten waren in meinen Augen Rekordverdächtig. Unsere Tochter durfte uns auf keinen Fall begleiten, die Gefahr, dass ihr etwas zustoßen könnte, war einfach zu groß, doch ihre Unterbringung bei einer wissbegierigen, energischen Molly Weasley bereitete mir nicht minder Kopfschmerzen. Leider fanden wir keine andere Möglichkeit. Petunia und Vernon waren Fremde für Tracy. Zwar hatte ich nach den Geschehnissen von damals und ihrer Rückkehr aus dem Exil den Kontakt gelegentlich aufrecht erhalten. Dennoch blieb unser Verhältnis bis heute reserviert. Lediglich Dudley war die Veränderung anzumerken. Er bemühte sich, doch auch er wäre mit einem kleinen Wirbelwind überfordert gewesen.
Die Fahrt sollte nach Dudleys Berechnungen knapp vierzig Minuten dauern.
Ginny nickte mir bei ihrer Ankunft einigermaßen erleichtert zu: Tracy ist in Sicherheit, und es hat besser funktioniert als erwartet.
Mit einem Trick war es Ginny gelungen, den unbequemen Fragen ihrer Mum zu entgehen:
„Reiner Zufall“, lächelte sie, „dass ich Dad im Werkzeugschuppen gesehen habe…“
Reiner Zufall, oder Berechnung, dachte ich mit der Erinnerung an die schmutzigen, kaum einsehbaren Fensterscheiben.
„Harry?“
Big D war nochmals näher gekommen, und hielt die Fahrertür zurück, bevor ich sie schließen konnte. Fragend sah ich ihn an, ein Bein im Fahrzeug, das Andere noch auf dem unbefestigten Untergrund. „Der genaue Standort des Lagerhauses ist dir nicht bekannt?“
„Ich kenne die Ausfahrt“, antwortete Ginny. „Den restlichen Weg kann ich Harry vor Ort zeigen.“
„Warum fragst du?“, wollte ich von Big D wissen.
„Nur so eine Idee“, schüttelte er seinen Kopf. „Damit ich beruhigter zuhause bleiben kann.“
„Schieß los“, forderte ich ihn auf.
„Habt ihr Handys dabei?“
Ich schenkte ihm ein nach dem Hintergrund fragendes Nicken.
„Kennst du jemand bei den Bullen?“, fragte Big D. „Ich meine, bei den Bullen aus unserer Welt?“
„Die Polizistin, die mit dir in Hermines Wohnung war“, warf Ginny dazwischen.
Ich nickte beiden zu.
„Man kann Handys orten. Punktgenau ist feststellbar, wo du dich gerade aufhältst Es muss dazu nur eingeschaltet sein.“
„Wäre eine Möglichkeit“, murmelte ich nachdenklich, wollte mir aber keinesfalls erklären lassen, was das bedeutet, oder wie das funktioniert.
Ich hatte den Ford Focus schon gestartet, als ich, mit einem besorgten Blick zu Ginny auf dem Beifahrersitz, nochmals Lydias Nummer wählte.
Das Telefon klingelte durch, fast hätte ich wieder aufgelegt, als sie sich doch meldete.
„-Harry?“
Ihre Stimme atemlos.
„-Bitte, Lydia. Hör mir gut zu. Ich weiß, ich hab dich in Schwierigkeiten gebracht, aber…“
„- Ist schon okay, Harry. Man hat mich nicht suspendiert. Ich habe nur Anweisung, mich rauszuhalten.“
„-Ich hätte da was, mit dem du dich rehabilitieren könntest“.
Ihr Atem wurde ruhiger.
„-Schieß los“, forderte sie mich auf.
„-Ich habe meine Tochter und meine Ex-Frau gefunden, und ich habe ein paar Dinge erfahren. Sagt dir der Name Bellamy etwas?“
Einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen. Lydia dachte angestrengt nach.
„-Bellamy?“, wiederholte sie schließlich.
„-Craig. Craig Bellamy“, nannte ich Stevens richtigen Namen.
„-was sollte mir dieser Namen sagen?“
„-Es soll die wahre Identität von Ginnys Lebensgefährten sein.“
„-erzähl weiter…“
„-Ginny, meine Ex, weiß es auch erst seit Samstagmorgen. Offenbar hat er sie jahrelang betrogen, und sich unter falschem Namen bei ihr eingenistet. Diesen Samstag tauchten drei Typen bei ihr auf, und klärten sie über Steven auf. Sein richtiger Name ist Craig Bellamy, und er soll wohl seinen eigenen Vater hintergangen haben.“
„-Es waren nicht zufällig die gleichen Typen?“
„-Genau die…“, bestätigte ich.
„-Was ist geschehen?“, im Hintergrund konnte ich hören, wie Lydia Unterlagen durchblätterte.
„-Die suchen nach einem Stick, mehr weiß ich auch nicht, auch nicht was sich darauf befinden soll.“
„-Ein USB - Stick also?“
„-Ich schätze, ja“, antwortete ich, und drehte nachdenklich den Stick durch meine Finger.
„-Du hast nicht zufällig gerade diesen Stick in deinen Fingern?“
„-Wie kommst du darauf?“
„-Intuition…“
„-Auf Jedenfall können diese drei Typen nicht mehr nach dem Stick suchen.“
„- Korrekt“, bestätigte Lydia. „Weil einer tot im Grab hinter deinem Haus liegt. Einer in Polizeigewahrsam ist, und du dem Dritten in Godrics Hollow den Gar ausgemacht hast. Das wird aber nicht minder gefährlich sein! Du hast keine Ahnung, was dich in dem Lagerhaus erwartet, Du weißt auch nicht, wieviele Kerle da noch rumturnen.“
„- Das ist mir klar. Jedenfalls hat letzterer mit diesem Steven oder Craig einen Ausflug nach Godrics Hollow unternommen, weil der Lebensgefährte meiner Ex, um seinen Arsch zu retten, mich als falsches Opfer ins Spiel brachte.“
„-Sagt deine Ex!“
„- Und sie klang durchaus glaubhaft“, womit ich Lydias Zweifel an der Glaubwürdigkeit Ginnys ausräumen wollte. „Was dort geschehen ist, weiß ich nicht. Ich kann dir nur soviel sagen, dass Steven meine Ex hintergangen hat, und sich eine Gespielin ins Haus geholt hatte, mit der er es vor der Augen meiner… „,. Ginny starrte mich zweifelnd an. Offenbar störte sie sich an dem Wort Ex. „…getrieben hat. Sie haben die Unbekannte betäubt und mitgenommen. Ich vermute, dass sie es war, der man in Hermines Wohnung die Kehle aufgeschlitzt hat. Und ich gehe davon aus, dass sie unser Opfer im Brent Reservoir war.“
„-Leider nicht mehr, als eine Vermutung. Man konnte keine Zusammenhänge zwischen der Toten und deinem Fall feststellen, leider wohl auch, weil dein Fall nichts offizielles….“, Lydia Cole war von blättern in Unterlagen auf tippen umgestiegen. Die Festplatte ihres Computers verrichtete im Hintergrund seine Arbeit.
„-Meine E… Ginny“, korrigierte ich, nach einem neuerlichen Seitenblick, „…erwähnte ein Lagerhaus in Surrey. Dahin bin ich unterwegs. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Hermine dort finden werde.“
„-Bitte unternimm nichts. Ich schicke ein SEK-Team dahin. Gib mir den etwaigen Standort.“
Ich gab ihr Ginnys Wegbeschreibung durch, und ergänzte es mit Dudleys Idee:
„-Mein Cousin meinte, du könntest etwas mit meinem Handy tun, damit du weißt, wo ich bin?“
„-Ortung? Ein sehr guter Vorschlag. Lass dein Handy auf Jedenfall eingeschaltet, und ruf mich an, wenn ihr dort ankommen seid“.
Ein weiteres Mal warnte mich Lydia eindringlich vor Alleingängen.
„-Versprich mir nichts unbedachtes zu unternehmen. Vor allem geh da nicht Alleine rein!“
Das Versprechen konnte ich ihr natürlich nicht geben.
Sollte meine Spur wirklich ein Volltreffer sein, konnte ich für nichts garantieren.
„-Hast du mich verstanden?“ forderte Lydia. „Du wirst da auf keinen Fall reingehen. Wenn es stimmt, was du sagst, dann haben wir ein großes Problem. Größer, als du dir ausmalen kannst. Viel größer. Und es wäre nicht verwunderlich, wenn sich die Staatssicherheit einmischen würde. Sei bitte vorsichtig.“
Ihre Stimme klang klarer, als noch kurz zuvor. Offenbar war sie bei ihren Recherchen nebenher fündig geworden.
„-Ich bin immer vorsichtig“, antwortete ich, „Weil ich Ärger magisch anziehe.“
„-Du kannst dich nicht immer auf das Glück des Tüchtigen verlassen!“
„-Du bist nebenher fündig geworden? Kannst du mir genauere Hinweise geben?“
„-Sir John Bellamy. Ein ehemaliger Nato-Major-General. Unehrenhaft entlassen nach einem eigenmächtigen Waffendeal mit den Syrern. Hatte seine Finger auch in der Rüstungsindustrie, hat wohl in die eigene Tasche gewirtschaftet, seither fehlt jede Spur. Hat sich wohl ins Ausland abgesetzt.“
„-Craig?“
Lydia atmete schwer.
„-Lediglich in der Akte von Sir John Bellamy gibt es einen Hinweis auf einen Sohn. Alter könnte zutreffen. Aber kein Bild, gar nichts. Nur ein Hinweis: Top Secret. Ich komme da nicht dran.“
„-Dann wollte Craig wohl die Geschäfte vom Alten weiterführen, und hat sich dabei übernommen…“
„-Finger weg, Harry. Ich kann es nicht oft genug wiederholen. Das ist ein gewaltiges Wespennest. Wer weiß, wer da alles seine Finger im Spiel haben könnte. Arabische Länder, die IRA. Scheiße…“ Lydias Stimme versagte. Ich traute gar nicht nachzufragen. Ihre Festplatte hatte wieder begonnen zu rattern.
„-vor knapp einer Woche ist eine komplette LKW Ladung verschwunden…“
„-Was hatte er geladen?“
„-Waffen aus Nato-Beständen. Die Bezeichnungen werden dir nicht viel sagen. Da habe ich schon Probleme. Nur soviel: Hochmoderne Hi-Tech-Waffen...“
„Was ist auf dem Stick und wie kam er in deinen Besitz?“, fragte ich Ginny, nachdem das Gespräch mit Lydia beendet war. Ihr Blick war nach wie vor fragend auf mich gerichtet.
Ich legte den Gang ein und fuhr los.
„Warum nennst du mich so auffällig oft, deine Ex?“
„Weil's stimmt?“, antwortete ich, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Ich hatte keine Lust mich auf weitere Diskussionen über unsere unsägliche Vergangenheit einzulassen. Mich interessierte nur noch, was Ginny bisher verschwieg.
Offenbar gab sie sich mit meiner Antwort nicht zufrieden. Unaufhörlich starrte sie mich an.
„Ginny, - wir - wir sind Vergangenheit. Nichts wird daran etwas ändern.“
„Dein Herz gehört Hermine…“
„…und Tracy“, korrigierte ich.
„Du brauchst keine Angst zu haben, Harry. Mir ist völlig klar, dass es, nachdem was ich getan habe, nichts zu kitten gibt, und ich werde dir und Hermine sicher auch keine Steine in den Weg legen. Aber, - können wir nicht einfach Freunde bleiben?“
„Ich habe dich nie, als einen Feind angesehen…“
„Aber du hast mich verflucht…“
„Auch das nicht“, unterbrach ich ihren Redefluss. „Ich habe gelernt damit zu leben. Es hat gewiss einige Zeit gedauert. Aber es tut nicht mehr weh…“
„Hat es das getan - weh?“
„Glaubst du etwa es war einfach für mich?“ An den Fingern meiner Hand zählte ich meine Wunden auf: „Ein anderer Mann tritt meine Stelle.“
„Ich werde einfach ausgetauscht. Er nimmt meinen Platz in deinem Leben ein“.
„Meine, Tochter, die plötzlich nicht mehr meine Tochter sein soll“.
„Sie bekommt von heute auf Morgen einen neuen Vater serviert.“
Bei jedem Fingerzeig schloss Ginny ihre Augen. Ihr Atem schwer und in kurzen Stößen.
„Ich hatte gerade erfahren, dass ich meiner Arbeit zuhause nachgehen kann. Mit dieser freudigen Nachricht kam ich an diesem gottverdammten Tag nach hause. Ich freute mich auf deine Reaktion, wenn ich sie dir unterbreiten würde, und du…?“
Über Ginnys Gesicht tropften die ersten Tränen.
„…du machst in unserem Bett den Rittmeister auf diesem Penner. Weiß du, wie oft mich dieser Anblick verfolgt hat? Meine Frau, splitternackt, eng umschlungen in sitzender Position. Die Beine umeinander geschlungen…“
„Hör auf!“, schrie Ginny.
„Dein Stöhnen. Deine Hände in seinen Rücken gekrallt. Seine Lippen saugen wie ein Wahnsinniger an deinen Nippeln…“
„Bitte, hör auf, Harry“, schrie Ginny angewidert. „Ich kann es nicht rückgängig machen. Aber bitte glaube mir, ich wollte nicht, dass du das sieht…“
„Denkst du es wäre einfacher gewesen, wenn du es mir nur irgendwann, zufällig, gestanden hättest? Glaubst du wirklich, das hätte irgendetwas an meinen Phantasien geändert?“
Die nächsten zehn Minuten lenkte ich Dudleys Focus schweigsam über die M3. Ginny hatte sich in ihr schlechtes Gewissen verkrochen. Und das war kein Wunschgedanke. Die Tränen, die unaufhörlich über ihre Wangen tropften.
„Seit etwa zwei Wochen verhielt sich Steven auffällig nervös“. Ginnys beendete ihre Lethargie mit einem tiefen Seufzen. „Er wirkte regelmäßig abwesend, zitterte, hatte Schweiß auf der Stirn, feuchte Hände. Letzten Dienstag bog er dann auf der Rückfahrt von einer Shoppingtour in London, von der Autobahn ab. Es war das erste Mal, dass er mich zu diesem Lagerhaus mitnahm. Vor Ort forderte er mich eindringlich auf, im Wagen zu bleiben.“
Einen kurzen Moment unterbrach sie ihre Schilderung. „Komisch“, schüttelte sie plötzlich den Kopf. „In London war die Welt war noch in Ordnung. Wir waren zum Abschluss sogar noch fein dinieren.“ Erneut schüttelte Ginny ihren Kopf, offenbar auf der Suche nach einer möglichen Ursache. „Während der ganzen Fahrt blieb er stumm, sprach kein Wort, steuerte das Fahrzeug, wie ein Wahnsinniger über den Highway“.
„Gab es einen Grund dafür?“, hakte ich nach, obwohl mir klar war, dass Ginny keine Lösung parat hatte. Sie schüttelte ihren Kopf. „Es kam urplötzlich. Seine Gedanken waren plötzlich ganz weit weg.“
„Ist dir unterwegs irgendetwas aufgefallen?“
„Nein. Nichts.“
„Ein Verfolger vielleicht? Oder etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte?“
„Alles völlig ungewöhnlich“, erwiderte Ginny. „Es war sogar recht wenig Verkehr, im Vergleich zu Heute. Zunächst fuhr er noch vernünftig, eher langsam. Sogar ein großer Sattelzug fuhr uns davon. Urplötzlich drückte er das Gaspedal durch.“
Hatte Lydia nicht eine LKW-Ladung erwähnt?
Könnte es sein…
„Diesen LKW“, versuchte ich zu hinterfragen. „Hast du denn nochmals wiedergesehen?“
„Ist das wichtig?“, hakte Ginny nach. „Ich kann mich nicht erinnern, weil es für mich unbedeutend war. Wie kommst du darauf?“
„Die Polizistin, mit der ich vorhin telefoniert habe, hat etwas von einer verschwundenen LKW-Ladung erwähnt. Könnte es sein, dass Steven…“
„Tut mir leid, Harry. Ich kann mich nicht erinnern…“
Per Handbewegung forderte ich sie auf ihre Schilderungen fortzusetzen.
„Ich habe ihn noch nie so erlebt. Sein Befehl im Wagen zu bleiben war eindringlich, unumstößlich. Seine Nervosität stimmte mich unruhig. Natürlich versuchte ich meine Neugier zu befriedigen. Ich widersetzte mich seiner Anordnung, stieg aus, schritt langsam um das Gebäude. Doch nichts. Es drang absolut nichts nach Außen. Lediglich ein seltsames Surren, erweckte meine Aufmerksamkeit. Ich konnte aber nicht erkennen, was diesen hohen Ton verursachte. Zurück im Fahrzeug entdeckte ich auf dem Rücksitz seinen Aktenkoffer. Gewöhnlich lässt er Den nicht aus den Augen. Warum hätte ich ihn auch danach fragen sollen? Bisher gab es doch gar keinen Grund? Doch jetzt lachte er mich vorm Rücksitz aus an. Und die Versuchung war groß, ihn zu öffnen.“
„Du hast ihn geöffnet und den Stick darin gefunden“, glaubte ich zu verstehen.
Ginny nickte.
„Die Luft war rein, wie mir ein aufmerksamer Blick, Richtung Lagerhaus verriet. Er sprang problemlos auf.“
„Trotz Zahlenschloss, vermute ich…“
„Wozu habe ich denn magische Fähigkeiten?“, zuckte Ginny unschuldig mit dem Oberkörper.
„Im ersten Moment bin ich erschrocken. Ein riesiger, leerer Aktenkoffer. Es war nichts außer diesem Stick darin. Steven kam angerannt, bevor ich den Koffer ganz schließen konnte. Das Plastikding befand sich noch in meiner Hand. Aber er hat nichts bemerkt, jedenfalls nicht gleich. Den Koffer konnte ich heimlich mit einem gemurmelten Zauber schließen.“
„Was ist auf dem Stick?“
Ginny schüttelte ihren Kopf.
„Ich habe wirklich keine Ahnung. Ich habe noch nie einen Computer bedient, bitte glaube mir Harry. Steven forderte mich zuhause auf auszusteigen, und ist einfach weitergefahren. Er hat mir nicht gesagt wohin.“
„Willst du mir damit sagen, dass du den Stick nur versteckt, und nie mehr angefasst hast?“
„Auf der Suche nach einem Versteck, fiel mir Trevor in die Hände. Tracy hat in wieder einmal im Wohnzimmer herumliegen lassen. Ich habe eine kleine Öffnung, entlang der Naht gezaubert, und da blieb er bis vorhin.“
„Woher kam eigentlich dein plötzliches Misstrauen?“
„Vor ein paar Monaten standen plötzlich zwei Regierungsbeamte vor der Tür…“
„Seit ein paar Monaten schon?“, schrie ich auf. „Warum bist du nicht sofort zu mir…“
Ein völlig unnötiger Aufschrei aus meiner Kehle. Ich wusste es sofort. Noch vor Beendigung des Satzes unterbrach ich mich selbst. Wie erwartet überging Ginny meinen Vorwurf.
„Die Kerle haben Sturm geklopft, sahen aus wie die Blues Brothers…“
„Blues Brothers?“
„Hast du nie den Film gesehen?“
Natürlich habe ich das nicht. Diese Antwort bekam Ginny durch meine Blicke übermittelt.
„Egal“, winkte sie resigniert ab. „Schwarze Anzüge, dazu passende Hüte, Lackschuhe. Identisches Aussehen. Dicke tiefschwarze Sonnenbrillen, so dass man ihre Augen nicht sehen kann. Ich hatte die Tür nur einen kleinen Spalt geöffnet, da schoben sie schon einen Fuß zwischen Tür und Rahmen und begannen mich einzuschüchtern. Versuchten mir Angst zu machen, indem sie mir ihre Regfierungsausweise unter die Nase hielten. Vorgestellt haben sie sich aber nicht, war wohl auch nicht nötig, wahrscheinlich wäre ihr Name sowieso Smith und Smith gewesen.“
„Was wollten sie?“
„Sie hielten mir ein Bild unter die Nase und fragten, ob mir der Mann darauf bekannt vorkommt und ob er hier wohnen würde.“
„Und?“
„Ich nahm das Bild entgegen und studierte es. Es war Steven, nur hatte er darauf eine andere Haarfarbe, einen anderen, sauberen, gepflegten, teuren Haarschnitt. Sein ganzes, äußeres Erscheinungsbild war, wie aus einem anderen Leben. Ich gab ihnen das Bild zurück und schüttelte glaubhaft meinen Kopf.“
„Das stellte sie vermutlich aber nicht zufrieden“, vermutete ich.
„Auf meine Nachfrage, um was eigentlich ginge, bekam ich keine Antwort. Stattdessen bestanden sie darauf, das Haus zu betreten. Ich weigerte mich, und sie haben mir gedroht, und gemeint, dass ich keine andere Wahl hätte.“
„Du hast sie reingelassen?“
„Was hätte ich tun sollen? Still und heimlich machte ich, während sie sich umsahen, die wenigen Bilder von Steven unsichtbar.“
„Sie haben nichts gefunden“, nickte ich.
„Ich vermute du hast dich umgesehen? Steven hat nur wenig eigene Dinge. Und selbst in meinem Schlafzimmerschrank…“
„…hängen noch Klamotten von mir, ich weiß. Ich werde sie demnächst, wenn das alles vorüber ist, endgültig abholen.“
„Die Beiden waren mir unheimlich, sie drohten mir mit Knast und, dass sie mir meine Tochter abnehmen, wenn sie herausfinden würden, dass ich sie angelogen hätte. Seit diesem Tag war ich vorsichtig. Nervös. Misstrauisch. Ich beäugte alles unter größtem Misstrauen, vor allem gegenüber Steven. Ich habe ihm nachgestellt. Und je länger ich darüber nachdachte, desto unheimlicher wurde er mir. Nichts, ich wusste nichts von ihm. Nichts, außer seinem Namen, und scheinbar war auch der unecht.“
„Du hast monatelange kaum geschlafen, und wahrscheinlich noch weniger gegessen. Ginny, du bist nur Haut und Knochen. DU siehst aus, wie…“
„Sag es ruhig, wie es ist. So fühle ich mich auch.“
„Versprich mir, dass du daran was ändern wirst. Das kann so nicht weitergehen.“
Ihre Antwort war ein schwaches Nicken. „Erst müssen wir Hermine finden. Ich würde mir nie verzeihen, wenn ihr etwas Schlimmes zugestoßen wäre, erst wenn ich diese Gewissheit habe, werde ich über meine Zukunft nachdenken“.
„Was weißt du wirklich über Steven? Was macht er? Wo arbeitet er?“
„Das hat mich nie wirklich interessiert. Ganz ehrlich, Harry. Ich habe ihn in St James Tavern am Piccadilly Circus kennengelernt. Er hat mir geschmeichelt, mich umgarnt, wir haben etwas getrunken und sind gleich am ersten Abend im Bett gelandet. Ein Hotelzimmer.“
„Wir kannten uns gerade einmal eine Woche, als du…“, beantwortete Ginny meine Frage, bevor ich sie stellen konnte. „Ich habe nie gefragt, was, wie oder warum. Er brachte mich in die gehobenen Kreise. Etwas, das ich nie hatte. Geld. Party. Spaß. Sex. Ich habe es genossen zur Highsociety zu gehören. Ich habe nie gefragt, woher das Geld kommt. Es war da.“
„Du lebst zwei Jahre mit diesem Idioten zusammen und weißt nichts, gar nichts von ihm?“
„Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Dessen bewusst wurde ich mir erst am Tag des Besuches der Blues Brothers. Er hat nie eine Familie erwähnt. Er hat mir nicht einmal Freunde vorgestellt. Bekannte stellte er mir als Geschäftspartner vor. Und wie du siehst kannte ich nicht einmal seinen Namen.“
„Wie kamen die auf Hermine?“
„Ich verstehe nicht?“
„Nun, ich kam am späten Sonntag erst nach Hause. Bin ins O'Malley's appariert. Danach noch ein kleines Pub um die Ecke, bevor wir…“
„…es getrieben haben“, vervollständigte Ginny.
„Wenn du das so bezeichnen möchtest: Ja, wir haben es getan, und es war richtig geil.“
„Warum hast du es nicht schon früher getan?“
„Weil mir nicht danach war.“
„Mit Hermine meine ich?“
„Wir haben uns aus den Augen verloren. Und ich war nicht gewillt sie mit Ron glücklich zu sehen.“
Ginny zuckte mitleidsvoll mit dem Gesicht, das fast gehässig wirkte.
„Pech für dich. So hast du ihre Trennung verpasst.“ Sie bemerkte schnell ihre unpassenden Worte, und korrigierte die Richtung. „Vielleicht hat man Hermine in Godrics Hollow beobachtet und ist ihr gefolgt. Sie reist fast nur noch auf Muggelart, zumindest im privaten Bereich.“
„Von ihrer Wohnung sind es fast zwei Stunden mit dem Auto, und die gleiche Strecke wieder zurück.“
„Sie wusste nur, dass du in Bulgarien unterwegs bist, aber nicht wann du zurückkehrst. Hätte sie sich vor die Tür setzen, und stundenlang auf dich warten sollen? Noch dazu mit dem Gefühlschaos im Gepäck? Eine Autofahrt hätte ihr Zeit zum Überlegen, und Unterkunft beim Warten geboten.“
„Gefühlschaos?“
„O, Harry“, stöhnte Ginny. „Raffst du wirklich nichts, oder tust du nur so?“
„Ich verstehe sogar sehr gut“, antwortete ich spitz. „Hermine hat mir ihre wahren Gefühle eindrucksvoll gezeigt. Was ich aber nicht verstehe ist die Frage, warum du sie mit reinziehen musstest?“
Ginnys plötzliche Heiterkeit wandelte sich in Erschrockenheit.
„War es nicht eher dein Gefühlchaos, das deine Sinne vernebelt hat?
Die Frau auf dem Beifahrersitz schluckte schwer, starrte schweigend geradeaus.
„Du wusstest die Gefahr ist auf dem Weg nach Godrics Hollow. Und was tust du?“
Ich blickte zu meinem Beifahrer und konnte keine Veränderung an ihrer Schockstarre feststellen. „Du wirfst stattdessen Hermine ins kalte Wasser. Ginny! - Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass dein schlechtes Gewissen stärker war, als die Angst mich zu warnen.“
„Sag das nicht. Ich hatte Todesangst…“
„Und dennoch bist du einen alternativen Weg gegangen…“
Einige Augenblicke schwiegen wir uns an. Ein Straßenschild informierte über die Nähe der Ausfahrt, die wir nehmen mussten.
In meinen Gedanken versuchte ich mir Hermines Situation auszumalen.
Wie wäre es gewesen, wenn Ron zu mir gekommen wäre, und mich um diesen … Gefallen … gebeten hätte?
„Hör zu, du musst Hermine von der Bildfläche verschwinden lassen. Sie ist in großer Gefahr. Steig von mir aus mit ihr in die Kiste.“
Mein Herz wäre stehen geblieben. Mein Magen hätte gekrampft. Ich hätte keinen klaren Gedanken mehr fassen können.
Doch eines hätte ich bestimmt getan…
„Du musst Hermine wirklich in ein riesiges Gefühlschaos gestürzt haben“, erwähnte ich beiläufig. „Eigentlich ist es unvorstellbar, dass sie - ausgerechnet Hermine - vergisst, nach deinen Beweggründen zu fragen. Ich hätte dich nicht gehen lassen, ohne…“
„Noch eine ganz schwache Ausrede für meine Entscheidung. Es tut mir aufrichtig leid, Harry. Du hast Recht. Hermine war die einzige greifbare Möglichkeit, die ich sehen konnte. Auch wenn ich im Nachhinein behaupten könnte, es war eine gute Entscheidung. Ich habe euch beiden einen Gefallen getan. Es täuscht nur über meine Feigheit hinweg. Darf ich dir trotzdem eine Frage stellen?“
„Versuchs doch einfach“
„Wenn ich zu dir gekommen wäre, hättest du dich rausgehalten oder versteckt?“
„Unwahrscheinlich“, blockte ich ab. „Die Ausfahrt kommt näher. Hilf mir bitte bei der Suche nach meiner Ausgangsfrage: Wie kamen die auf Hermine?“
„Sowohl Steven als auch ich wussten, dass du gerne ins O'Malley's gehst. Es kann natürlich auch Zufall gewesen sein.“
„An diese Art von Zufällen glaube ich nicht. Und die Zeiten im O'Malley's sind lange vorbei.“
„Aber nicht an diesem Abend. - Da ist die Ausfahrt…“
Noch etwa zehn Minuten ging es über Schotter und wäldlichen Straßen, dann konnten wir durch einige Bäume hindurch das Lagerhaus sehen. Ein altes, einfaches Wellblechgebäude.
„Die einzige Erklärung, die einleuchtend wäre, ist die, dass sie Hermine gefolgt sind. Vielleicht schon seit sie in Godrics Hollow war.“
Ich entschied das Auto außer Sichtweite zu parken, wählte erneut Lydias Nummer, erklärte ihr, wir hätten das Zielobjekt erreicht, und bat sie um Ortung meines Handys.
Das SEK ist schon startklar, ich muss ihnen nur noch die Koordinaten durchgeben, konsultierte sie, und ich glaubte eine leicht euphorisierte, freudig klingende Stimme zu hören. Hatte sie etwa mit ihrem Wissen Eindruck schinden können?
In geduckter Haltung näherten wir uns dem Gebäude.
„Nicht, Harry“, hielt mich Ginny zurück. „Wir sollten so kurz vorm Ziel nicht unnötig die Gefahr heraufbeschwören.“
„Ich brenne, Ginny!“
„Kann ich mir vorstellen“, zuckte sie mit einem gequälten Lächeln mit der Schulter. „Aber dennoch sollten wir auf das Einsatzkommando warten. Wir wissen nicht, wie viele es von diesen brutalen, mit Steroide vollgepumpten Mutanten es noch gibt. Wir können uns nicht immer auf Glück verlassen.“
Ihre Warnung klang einleuchtend. Hinter einer dichten Ligusterhecke gingen wir in Deckung, das Gebäude fest im Blick. Die innere Anspannung stand kurz vor der Explosion. In Gedanken zählte ich laut vor mich hin. „Drei Mutanten in Tenby, plus Steven, Craig, oder wie auch immer, plus Gespielin. Macht Fünf.“
Ginny nickte bestätigend.
„Einem von ihnen habe ich den Schädel gespalten. Der zwei Meter Koloss ist mit Steven Richtung Godrics Hollow abgedüst.“
„Wo ich ihn erledigt habe. Zwischenzeitlich muss er noch Steven kalt gemacht haben. Warum? Und was ist mit Stevens Bettgenossin geschehen?“
„Vermutlich hat der Koloss sie einfach geschultert und mitgenommen. Sie war ruhiggestellt…“
„Sie muss das Opfer in Hermines Wohnung gewesen sein. Dort waren es mindestens zwei Typen. Ein Maskierter und, wie ich vermute Mike, der Pförtner.“
„Hast du sie nicht gesehen?“
Als müsste ich mich, für meine Unwissenheit entschuldigen, zuckte mein Oberkörper. „Ich war gefesselt, hatte eine Augenbinde…“, murmelte ich unüberlegt.
„Gefesselt? Eine Augenbinde?“, wiederholte Ginny. „Habt ihr sie reingelassen, oder haben sie die Tür eingetreten?“
Mein Gesicht brannte plötzlich, wie Feuer.
Ein Anfall von Scham, obwohl es dazu eigentlich gar kein Grund gab:
Ginny ist meine Ex-Frau. Ich bin ihr keine Rechenschaft mehr schuldig.
„Iss nicht wahr?“ Ginnys Augen blitzen genüsslich, sogar ihr in Mitleidenschaft gezogenes Auge schaffte es gesund zu blitzen. „Krass! Fesselspiele…“
„Du brauchst dir erst gar nicht Hermine in Lack und Leder vorstellen“, fauchte ich empört.
„Hatte sie eine Peitsche dabei?“, grinste Ginny. „Bei mir war die Missionarsstellung das höchste der Gefühle“. Ihr Gesicht verzog sich zu einer künstlich aufgesetzten Enttäuschung.
„Sie hatte keine Peitsche!“, ereiferte ich mich. „Die Augenbinde wurde mit heruntergerissen. Ich hatte nur Augen für das tote Mädchen, ein Messer in der Brust, überall Blut. Ich dachte wirklich, es wäre Hermine. Der Maskenmann hatte sich über mich gebeugt, fummelte mit dem Messer vor meinen Augen herum und wollte wissen wo es ist. Der Zweite hielt sich im Hintergrund. Ich wurde ausgeknockt und kam in einem dunklen, kalten Hinterhof, nahe des O'Malley's wieder zu mir.“
„Seltsam“, murmelte Ginny.
„Allerdings“, bestätigte ich voller Gedanken. „Irgendetwas habe ich übersehen“
„Es sind definitiv keine Zauberer. Wie haben sie es geschafft an dir dran zu bleiben? Woher konnten sie wissen, dass ihr zu Hermines Wohnung gegangen seid?“
„Sie müssen uns gefolgt sein.“
Eine andere Möglichkeit wäre unplausibel.
„Das ergibt aber keinen Sinn“, überlegte Ginny. „Das sie sich zufällig das O'Malley's herausgepickt haben ist unwahrscheinlich.“
Ginny hatte Recht.
Ich schwieg, dachte nach, und ließ gedanklich den Sonntagabend nochmals Revue passieren.
Den Weg bis in ihre Wohnung rief ich mir in Erinnerung. Suchte nach etwas, dass ich übersehen hatte.
„Das O'Malley's war völlig überfüllt, mir ist niemand aufgefallen. Wie auch bei so vielen fremden Gesichtern. Wir sind mit dem Taxi in ihre Wohnung gefahren…“.
Selbstgespräche, denen Ginny aufmerksam folgte.
„Steven kannte die Adresse. Vielleicht hat er sie aus Angst getötet zu werden, verraten? Sie haben dich in Godrics Hollow nicht angetroffen. Schlecht für Steven. Vielleicht war er in Hermines Wohnung noch dabei?“
„Glaub ich nicht.“
Fragend sah mich Ginny an.
„Du hast selbst gesagt, dass Steven von dem Koloss mitgeschleift wurde. In Hermines Wohnung war der Andere. Rauchige, kehlige Stimme. Eindeutig, der, den wir in Tenby gegenüberstanden.“
„Dann müssen die aber endlos Kilometer abgerissen haben. Narbengesicht von Tenby nach London und wieder Retour. Und alles nur wegen diesem Stick.“, murmelte Ginny. „Warum hat es zwischen uns nicht funktioniert, Harry?“
Ein plötzlicher Gedankensprung. Typisch, Ginny.
Was musste ihr alles durch den Kopf gehen?
Für mich zeugte es von Unsicherheit, der Angst, man könnte ihr ihre vielen Fehler nicht verzeihen.
Von Verzeihen war ich weit entfernt.
Vielleicht würde sich meine Einstellung ändern, wenn Hermine endlich wieder heil in meinen Armen liegen würde.
Ich behielt das Lagerhaus im Auge und suchte nach einer Antwort auf Ginnys Frage. Meine Ungeduld steigerte sich ins Unermessliche. „Wenn das SEK nicht gleich auftaucht…“
Ginny schüttelte ihren Kopf, und hielt mich mit einem Griff um mein Handgelenk zurück. Ihre Hand fühlte sich kalt und ausdruckslos an. Das war nicht immer so.
Das Kribbeln im Bauch hielt zwei Jahre. Immer, wenn ich sie sah. Immer wenn sie mich berührte. Die zwei Jahre nach Voldemorts Tod waren bis zum letzten Sonntagabend, die Schönsten in meinem Leben.
„Wir hatten wahrlich keinen guten Start in eine Beziehung. Ich war verliebt und verrückt nach dir, doch dann mussten wir uns schon wieder trennen“, versuchte ich zu erklären. „Nach Voldemorts Tod bekamen wir die zweite Chance. Einen Neuanfang.“
„Zwei Jahre war es berauschend, wunderschön“, bestätigte Ginny. „Doch dann ging es mit Streitereien los. Nächtelange Diskussionen.“
„Nicht immer fair und leider oft ohne Ergebnis. Auch im Bett wurde es nur noch zu einer Routinesache.“
„Du hast mehr Aufmerksamkeit deiner Arbeit gewidmet, als mir. Ich wollte Spaß. Du hattest andere Dinge im Kopf. Da wurde mir klar, dass ich nicht nur mit dir verschmelzen will. Dagegen habe ich mich gewehrt. Ich bin Allein losgezogen, wenn du wieder einmal keine Lust, keine Zeit oder sonst was hattest. Tracy war ein letzter Versuch, doch es wurde nur noch schlimmer. Steven hat mir das gegeben, was ich bei dir vermisste: Party, Spaß, Anerkennung. Keine Bindung. Freiheiten. Ungezwungener Sex.“
„Wie konnte ich glauben, dass Tracy nicht meine Tochter ist. Warum hast du das überhaupt getan?“
„Ein Schlussstrich. Mir war klar, dass eine Trennung nicht freundschaftlich vonstatten gehen würde.“
„Du wolltest mich kränken?“
„Ich wollte, dass du gehst. - Dass du es wirklich geglaubt hast?“, traurig schüttelte Ginny ihren Kopf. „Es tut mir leid, Harry. Das wollte ich nicht, auch wegen Tracy. Ich habe nie geglaubt, dass du dich wirklich vollständig zurückziehst. Später hatte ich nicht mehr den Mut dir die Wahrheit zu sagen. Es war unbewusst, aber perfekt aufgeräumt. Steril. Desinfiziert. Alles Spuren verwischt. Es war ein Wunsch, aber kein Glaube, dass es so einfach wäre.“
„Steril. Desinfiziert. Alles Spuren verwischt“, wiederholte ich. „Das erinnert mich an etwas.“
„An was?“
„Hermines Wohnung wurde aufgeräumt. Der Geruch war penetrant. Und noch etwas…“
Meine Gedanken wurden unterbrochen durch das Herannahen einiger schwerer Fahrzeuge.
„Sie kommen“, bestätigte Ginny.
„Meine Wohnung.“
„Was ist mit deiner Wohnung?“
„Am Sonntagabend, als ich gerade aus Bulgarien zurück kam, der gleiche, penetrante Geruch nach Reinigungsmittel, ich konnte mich aber nicht erinnern vor meiner Abreise geputzt zu haben. Und so habe ich mir aber keine weiteren Gedanken darüber gemacht.“
„Und was bedeutet das?“ Ginny war aufgestanden. Ich tat es ihr gleich.
Die Fahrzeuge, zwei schwere Geländewagen, Hummer H1, rückten näher.
„Der Kerl muss in meinem Haus gewesen sein…“
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