
Der Morgen tastete sich in die Ecken von London. Schickte warme Luftstöße in die Stadt, welche die Frühaufsteher wach kitzelte und ihnen ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Ein unbestimmter Lärm erhob sich, wie jeden Morgen, wenn die Läden der Stadt ihre Rolladen hochfahren, jeder Bäcker seine Brötchen hinter der Fensterscheibe auffährt und unzählige Starbucks-Cafè's damit beginnen, ihren Kaffee in Pappbecher füllen. Der Lärm, ein ewiger Bestandteil dieser Stadt, kriecht unter Türritzen und zwischen Fensterläden hindurch, bereit die Bewohner im Inneren zu wecken, sobald ihre Wecker klingeln und sie ins Leben reißen.
London war bereit, machte sich startklar, damit dieser Tag beginnen konnte, wie jeder andere auch.
In einer der Londoner Wohnungen erwachte ein Hund, er hatte ein Geräusch gehört, Schritte auf der Treppe. Für eine Sekunde blieb er so wachsam sitzen, starrte mit gespitzten Ohren auf die Eingangstür. Die Schritte gingen vorüber und hinterließen die gewohnte Stille.
Der Hund kletterte aus seinem Körbchen, sein innerer Wecker schrillte und teilte ihm mit, dass es an der Zeit war, seine Blase zu entleeren.
Er tappte noch etwas verschlafen, jedoch mit wachen Verstand, in das Schlafzimmer seiner Herrin.
Braune Haare guckten unter der Decke hervor. Der Hund schnupperte. Es roch nach Ihr, doch über diesem vertrauten Geruch lag noch ein anderer - es war der Geruch eines Mannes. Thomas. Er hatte also wieder hier geschlafen, wie so oft in letzter Zeit. Was fand seine Herrin nur an diesem Idioten?
Egal, er musste raus. Er nahm kurz Maß, dann sprang er auf das Bett. Es quietsche leicht.
Der kleine Hund kämpfte sich durch ein Gewühl von Decken, Kopfkissen und Kleiderresten, bis er das Gesicht seiner Herrin fand.
Cèleste.
Cèleste wachte auf, aus dem süßen Reich der Träume. Träume sind Schäume. Ihr Hund, Banjo, schnüffelte ihr am Ohr.
„Banjo, pfui.“ Die brünette Studentin krabbelte aus dem Doppelbett und schlich ins Bad. Ihr Freund, Thomas, schlief noch und musste erst in drei Stunden an der Uni sein. Der Glückliche. Banjo folgte ihr auf Fuß. Seine kleinen Pfoten klickerten auf dem Laminat.
Sie ließ ihn mit ins Bad kommen, damit er Thomas nicht weckte.
Durch das Badezimmerfenster schien bereits die Sonne. Sie tauchte den Raum in goldenes Licht und ließ einsame Wassertropfen an der Dusche glitzern.
Cèleste lächelte. Sie liebte den Sommer mehr als alle anderen Jahreszeiten, der Sommer war Zeit der Erdbeeren und Pfirsiche, Zeit der Wärme und Helligkeit, Zeit der Lebenslust und Freude.
Sie warf einen Blick in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing.
Es war ein sehr schöner Spiegel, oval und am äußersten Rand mit unzähligen goldenen und hellbraunen Steinen besetzt.
Ihr Spiegelbild sah Cèleste munter an. Ihre karamellfarbenden Haare fielen ihr über die Schulter und endeten auf ihrem Rücken. Sie sahen zerzaust aus, auf der einen Seite zeigten sie eine Beule und hatten einen fettigen Schimmer.
Ärgerlich drückte sie mit der Hand auf der Beule herum, doch diese blieb standhaft.
Hoffend, dass Sie sich unter einer warmen Dusche auslösen würden, schälte sich Cèleste aus ihrem Negligee.
Die Erinnerungen an letzte Nacht kamen in ihr hoch und ließen sie Grinsen. Die Nacht war gut gewesen, sehr gut. Mit dem Grinsen stieg sie in die Dusche und sah an sich herunter. Das Grinsen verschwand, als hätte jemand Unsichtbares es weggewischt.
Cèleste seufzte genervt. Sie war pummelig, nicht dick, aber die Bikinifigur war es auch nicht.
Nach Weihnachten hatte sie strikt Diät gehalten, ihre strenge Vorschrift nur Obst und Gemüse zu essen, hatte sie dennoch manchmal gebrochen.
Zu groß wurde die Versuchung, wenn der Bäcker zwei Straßen weiter seine unvergleichlichen Bagel's im Angebot hatte oder das Cafè des Campus Schokoladentorte verkaufte.
Cèleste hielt die Luft an. Selbst mit eingezogenem Bauch wirkte sie immer noch rundlich. Pfeifend ließ sie frische Luft in ihre Lungen und drehte die Dusche auf.
Nachdem sie ihre Haare zur Vorsicht gleich zweimal mit ihrem Lieblingsshampoo, eines mit Kiwiextrakten, eingeseift hatte, stieg sie aus der Dusche und wickelte sich in ein Handtuch. Banjo leckte ihr Wassertropfen ab, die an ihren Beinen herunterrannen, als wollte er ihr behilflich sein.
„Ganz ruhig, mein Süßer,“ lachte Cèleste leise, „du kommst noch früh genug raus.“
Wo zum Teufel war ihr Zauberstab? Fluchend hob sie ihre Kleider hoch, bis sie ihn im Wäschekorb fand. Wie war er denn da hinein gekommen? Egal.
Sie fuhr mit der Spitze ihres Stabes durch ihre Haare und murmelte dabei einen Zauber, der sie schneller trocknen ließ. Normalerweise benutzte sie dazu einen Muggelföhn, aber Thomas schlief noch und sie wollte ihn nicht wecken.
Als ihre Haare fertig waren, und sogar die Beule verschwunden war, machte Cèleste sich fertig. Zähne, Gesicht, Schminke. Fertig.
Kritisch beäugte sie ihr Spiegelbild. Der fettige Glanz ihrer Haare war zum Glück verschwunden, doch selbst Dusche und Make-Up konnten die Narbe, die sich über die rechte Wange zog, nicht ganz verbergen.
Die Narbe. Fünfzehn war sie gewesen, als sie einer Freundin hatte helfen wollen, und sich für sie in ein Duell stürzte. Sie schlug sich gut, bis sie an der Wange ein schwerer Fluch streifte.
Es hatte geblutet, ziemlich stark, und alle Künste Madam Pomfrey's hatten nichts genützt. Die Narbe war geblieben.
Leise schlich sie aus dem Bad, Banjo auf dem Arm, damit seine Pfoten keine Geräusche machten. Sie griff nach den Kleidern, die sie schon am Vortag rausgelegt hatte, und verließ mit ihrem Hund das Schlafzimmer. In der Küche, die gleich an ein kleines Wohnzimmer angrenzte, zog sie sich an.
Ein Sommerkleid in Hellblau, darüber ein weißes Jäckchen.
Gähnend drückte Cèleste auf den Knopf der Kaffeemaschine und schob sich zwei Toast in den Toaster. Sie ging zur Anrichte und drückte auf den Knopf des Anrufbeantworters. Zwei Anrufe in Abwesenheit.
„Hallo mein Schatz, hier spricht deine Mutter. Wir haben schon so lange nicht mehr miteinander geredet.“
Cèleste verzog schuldbewusst das Gesicht. Ihre Mutter war Muggel, und lebte allein, seit ihr Vater gestorben war. Er war ein Zauberer gewesen. Das war vor vier Jahren. Sie steckte damals mitten in ihrem Abschlussjahr auf Hogwarts, als der Brief ihrer Mutter kam.
Sie hatte das Schuljahr nicht beendet, stattdessen ihrer Mutter beigestanden. Hatte ihr seelischen Beistand geleistet und sie dazu überredet, nach London zu ziehen. Sie wohnte nun in einem Einfamilienhaus in Notting Hill, zusammen mit einer Muggelfamilie. Für die Kinder, zwei, vier und sieben Jahre alt, war sie die Nanny, da Mutter und Vater beide voll berufstätig waren.
Céleste hatte sich dagegen entschieden, ihr Abschlussjahr zu wiederholen, und den Stoff zu Hause nachgearbeitet, und hatte dann separat ihre UTZ's im Ministerium abgelegt.
„Am Wochenende sind die Clark's in Birmingham, Verwandte besuchen, wollen wir uns am Samstag zum Frühstücken verabreden? Wie wäre es mit dem 'Café-in-the-Crypt' am Trafalgar Square? Dort waren wir schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr. Ruf mich bitte an, ja? Tschüss.“
Es machte Klick und die Stimme ihrer Mutter verstummte. Am Wochenende hatte sie vorgehabt mit Thomas und ein paar Freunde zur Thames zu fahren, im Sommer konnte man dort an einigen Stellen ins Wasser. Céleste seufzte, sie konnte meiner Mutter nicht schon wieder absagen, dass war zu oft vorgekommen in letzter Zeit.
Der zweite Anruf kam von Sam. Sam Bluesberry war ihr bester Freund, sie kannten sich seit dem Kinderarten.
„Céleste, Baby, wo bist du? Lass mich raten - irgendwo mit Thomas.“
Man hörte deutlich den genervten Unterton ihres Freundes. Sam hatte Thomas noch nie leiden können, auch schon auf Hogwarts nicht, wo sie eine Weile mit ihm ausgegangen war.
„Nun ja, wir sehen uns ja morgen. Hast du schon die Hausarbeit für 'Magische Tiere' fertig? Meine Güte, ich komme einfach nicht weiter! Ach, und Jasmin hat mir ein Paket geschickt, da ist auch eine Karte für dich drin, ich bringe sie dir morgen mit.“
Ihr Freund machte eine kleine Pause. Jasmin war Sam's Zwillingsschwester. Sie hatte sich für ein Auslandsstudium entschieden, zusammen mit einer Freundin war sie nach Spanien gezogen, wo sie Lehramt studierte.
Céleste und Sam hingegen wollten damals nicht aus London weg, und hatten sich an dem einzigen magischen Universität beworben, die England zu bieten hatte - der Shacklebolt Universität of South England. Der Zaubereiminister selbst hatte sie vor fünf Jahren gegründet.
„Also gut, eigentlich - egal, dass will ich dir nicht auf den AB quatschen. Wir sehen uns morgen, Céleste. Ich hab dich lieb.“
Stirnrunzelnd nahm sich die junge Frau einen Teller und bestrich ihren warmen Toast mit Butter und Marmelade. Was hatte ihr Sam nicht auf den Anrufbeantworter sprechen wollen?
Sie stellte eine Tasse unter die Kaffeemaschine und drückte den Knopf. Sofort begann die Maschine die Bohnen zu mahlen und Sekunden später tropfte auch schon das heiße Getränk in den Becher.
Das Toast in der einen Hand, die Tasse Kaffee in der anderen ging Céleste ins Wohnzimmer. Auf einem kleinen Tisch in der Ecke lagen einige Briefe, daneben auf dem Fensterbrett hockte Scamander, ihr Habichtskauz.
Lächelnd legte sie ihm einige Eulenkekse hin und füllte das Wasser in der Schale nach. Scamander kommentierte es mit einem leisen Klickern des Schnabels.
Céleste schob sie den Rest des Toastes in den Mund und griff nach den Briefen.
Werbung, Werbung, Stromrechnung, Werbung, und ein Brief von der Uni. Ihre Augen wanderten zum Betreff. Informationen zum neuen Semester. Nichts Wichtiges.
Was brauchte sie denn so lange? Banjo trat von einem Fuß auf den anderen. Céleste machte sich in aller Ruhe Frühstück, hörte ihre redenden Apparat ab und gab sogar dem fedrigen Vieh in der Ecke etwas zu essen. Hallo? Was war mit ihm? Er lief ihr nach, zurück in die Küche. Sie riss einen Brief auf, überflog ihn und stöhnte genervt.
„Schon wieder die Preise erhöht, wer soll denn das bezahlen können.“ murmelte sie.
Banjo versuchte ein trauriges Fiepen, dem konnte seine Herrin nie lange widerstehen. Sie hörte ihn nicht. Noch einmal, noch etwas trauriger.
Céleste sah ihn erstaunt an. „Oh Banjo, dich hätte ich jetzt fast vergessen.“ rief sie aus und beugte sie zu ihm runter. Ihn vergessen? Wäre ja noch schöner. Sie strich ihm über den kleinen Kopf, trank den letzten Schluck aus ihrer Tasse und schlüpfte in ihre braunen Sandalen.
Sie holte Halsband und Leine und legte es ihm um.
Er fiepte noch etwas lauter und ungeduldiger, als sie ihren Schlüssel einpackte und ihr Handy in die Jackentasche gleiten ließ.
„Ist ja gut.“ sagte sie, als Banjo noch ein wenig fester an der Leine zog. „Wir gehen ja schon.“
Vor der Haustür wurde Céleste von der Sonne und einem wolkenlosen Himmel empfangen. Mit Banjo an der Leine, der an jedem Grashalm anhielt um ihn genauestens zu beschnüffeln, wanderte sie langsam die Straße herunter zu einem kleinen Park.
Sie wohnte im Stadtteil West End, dem belebtesten Teil London's, in dem auch viele ihrer Freunde wohnten.
Der Park war im Grunde nur eine große, umzäunte Wiese, durch die sich ein breiter Kiesweg zog. Céleste machte Banjo von der Leine, und ihr Hund sprang sofort los um Schmetterlinge zu fangen, die er niemals kriegen würde. Lächelnd sah sie ihm hinterher, während sie sich auf einer Bank niederließ. Dieser Morgen war einfach perfekt. Ihr Handy vibrierte. Sie zog es aus der Tasche und sah auf das Display. Ein Anruf von Angela, ihrer besten Freundin.
„Angie?“
„Céleste! Wie gut das ich dich erreiche, ich habe dich doch nicht geweckt, oder?“
„Nein, keine Sorge, ich bin gerade mit Banjo im Park.“
„Gott sei Dank, ich hatte schon Schlimmstes befürchtet. Hat Thomas bei dir übernachtet, ich habe ihn gestern Abend gar nicht mehr gesehen?“
„Ja, wir sind schon um Mitternacht gegangen. Ich muss ja heute früh zur Uni, und er wollte noch vor seiner ersten Lesung bei Charly vorbeischauen. Der hat sich wohl den Feuerblitz II gekauft, und den muss er natürlich sofort unter die Lupe nehmen.“
Angela lachte. „Stimmt, der hat sich einen neuen Besen zugelegt. Ich könnte auch mal wieder einen gebrauchen.“
„Angie, du hast den Feuerblitz I, was willst du denn noch?“
„Einen Feuerblitz II. Naja, Charly, Ed, Susan und Ich wollen in der Mittagspause zu Barney's, hast du Lust mit zukommen?“
Barney's war ein Restaurant nahe des Campus und wurde von einem ehemaligen Schulkameraden von Edmund geführt. Es war der Treffpunkt vieler Studenten, denn das Essen war billig, schnell und meistens auch sehr fettig.
„Ich weiß nicht, ich wollte eigentlich etwas fettarmes essen.“
„Mensch Céleste, du musst nicht auf dein Gewicht achten, wie oft noch? Trotzdem, du kannst dir ja einen Salat bestellen.“
„Meinetwegen. Aber das ist doch nicht der Grund warum du anrufst, oder?“
„Nein. Ich wollte fragen, ob du mir den Berufskatalog mitbringen kannst, ich kann meinen nicht mehr finden.“
„Klar, kann ich machen.“
„Danke Süße, sehen wir uns dann in der Mittagspause?“
„Angie, wir haben um Neun zusammen Praktische Verteidigung.“
„Was, ehrlich?“ Im Hintergrund hörte ich das Rascheln von Papier. „Stimmt! So ein Zufall! Also gut, dann bis Neun, bis gleich!“
Céleste verdrehte die Augen und steckte ihr Handy wieder ein. Angie war ein Schussel, sie vergaß und verlor wirklich alles.
Céleste stand auf und pfiff zweimal kurz. Banjo stürmte heran. Sie gab ihm zur Belohnung ein Leckerchen und machte ihn wieder fest.
Zurück in der Wohnung füllte sie den Futternapf des Hundes auf, gab ihm frisches Wasser und ging in den kleinen Nebenraum der Küche.
Der Vormieter hatte es als Besenschrank benutzt, für Céleste war es eine Art kleines Büro. Sie packte ihre lederne Umhängetasche für ihre heutigen Kurse, nahm sich Portmonee und Schlüssel und ging wieder in die Küche.
Sie griff in die Ablage und kritzelte eine Nachricht für Thomas darauf.
Ich hoffe du hast gut geschlafen und hast jetzt keinen zu starken Kater. Ich muss schon los zu Uni, du gesegneter Mann hast ja heute später.
Ich bin mit Angie, Charly, Ed und Susan in der Mittagspause bei Barney's, wenn du Lust hast, kannst du mitkommen.
Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber nach dieser Nacht denke ich, wir könnten uns so langsam als Paar bezeichnen. Wie dem auch sei, wenn du heute Abend wieder hier schlafen willst, schick mir einen Sms (Das Handy liegt auf dem Couchtisch. Eine Sms ist das, wo du mir eine Nachricht schreibst. Drücke auf Menü, und dann auf Nachrichten. Vergiss nicht, dass du für manche Buchstaben die Tasten mehrmals drücken musst. Es ist auf stumm, es wird dich im Unterricht nicht stören.)
Sei nett zu Banjo.
Bis später, Céleste
Ja, so konnte sie es lassen. Leise verabschiedete sie sich von dem kleinen Hund, der bereits wieder selig schlummerte und verließ auf Zehenspitzen die Wohnung.
Die meisten Studenten apparierten zur Uni oder benutzten das Flohnetzwerk. Auf dem Campus gab es ein kleines Gebäude, welches rein aus Kaminen und einen Bereich bestand, in den man apparieren konnte. Auf dieses Weise wurden viele Unfälle verhindert.
Céleste gehörte zu den Wenigen, die mit der U-Bahn fuhren. Sie nahm es in Kauf, etwas früher auf zustehen, um auf dem Weg ein Brötchen und eine Flasche Wasser an einem Stand zu kaufen, der direkt vor der Station seinen Platz hatte.
Dort angekommen, hatte der Besitzer, Mr. Jenks, bereits ihre tägliche Bestellung fertig.
„Guten Morgen, Miss Kuijerps. Hier, ein Schinken - Käsebrötchen und stilles Wasser, wie üblich.“
Dankend nahm Sie die Tüte an und reichte ihm dafür einen Fünfeuroschein über die Theke.
Wir üblich überflog Céleste kurz die Titelblätter der Muggelzeitschriften, meist nur, um über irgendwelche Startrennungen oder auch Hochzeiten zu erfahren. Ihr Blick blieb an der heutigen Ausgabe der Times hängen.
'CO2 - AUSSTOß STEIGT TROTZ ALLER MAßNAHMEN: WIRD DIE ERDE BALD UNTERGEHEN?'
Ein Weltuntergang?
„Mr Jenks, heute nehme ich auch mal die Times mit.“
Der alte Mann nickte und sah die junge Frau prüfend an. „Sie glauben an einen Weltuntergang?“
„Damit habe ich mich noch nie befasst, offengestanden.“ Er sah sie ungläubig an.
„Ist das ihr Ernst? Die Politiker reden doch schon seit Jahren darüber.“
„Nun ja, das stimmt wohl, aber -“ Sie suchte fieberhaft nach einer glaubwürdigen Ausrede, „mich hat es bis jetzt nicht so interessiert.“
Er sah sie abermals prüfend an, dann zuckte er mit den Achseln. „Wir werden sehen. Einen schönen Tag, Miss Kuijerps.“
Ich nickte ihm zu und verschwand in der U-Bahn.
CO2 - Ausstoß steigt - Warum? fragen die Politiker und Wissenschafter
Vor sechs Jahren wurde erstmalig der erhöhte CO-2 Ausstoß festgestellt. Doch selbst heute, nach unzähligen Aktionen und Gesetzten, steigt der Wert nur minimal weniger, als in den vorherigen Jahren.
Die Forscher stehen vor einem Rätsel. Sicher ist, das etwas schon vor der Entdeckung den CO2 - Wertes ihn stark in die Höhe getrieben haben muss.
Auto's gelten seit fünfzehn Jahren als das meistgenutzte Verkehrsmittel, wurden jedoch in den letzten Jahre aufgrund der Umweltbelastung eingeschränkt.
Die Frage, die sich alle stellen lautet: Was ist es, das uns bedroht?
2004 fanden Wissenschafter erstmals heraus, dass zuviel dieses Gases die globale Erwärmung fördert und Einfluss auf den Treibhauseffekt hat.
Gestern berichteten Forscher aus Amerika, dass etwas unter den Menschen ist, das dies starke Erhöhung ausmacht.
Auf die Frage, was es denn sei, wussten sie keine Antwort.
Was ist unter uns, vielleicht alltäglich, das uns bedroht? Denn Fakt ist: Wird bis in zwei Jahren nichts dagegen unternommen, ist die Erde nicht mehr zu retten.
[Der Artikel wird im Bereich Welt auf den Seiten 4 und 5 weitergeführt.]
„St. Johns Wood - Station!“ schnarrte die U-Bahn Stimme. Céleste faltete die Zeitung zusammen, stieg aus und machte sich auf den Weg nach oben. Mit ihrem Gedanken war sie bei dem Times - Artikel. Zauberer fuhren keine Auto's, die Muggel würden Schuld sein, wenn die Welt untergeht, dachte sie wütend.
Ihr gute Laune von heute morgen war verflogen. Wenn sich dieses Forscher nicht irrten, hatte die Menschheit nur noch zwei Jahre!
„Céleste?“ Vor ihr standen Sam und Dave.
„Sam! Tut mir Leid, ich war in Gedanken. Hallo Dave.“ Die Studenten umarmten sich und schlenderten die Grove End Road hinunter.
„Über was hast du denn nachgedacht?“ Sie holte den Zeitungsartikel raus und hielt ihn den Jungen unter die Nase. „Über diese Sauerei.“
„Das ist eine Zeitung von Muggeln.“ Dave's Stimme war sehr tief, beinahe unheimlich. Er sprach so gut wie nie, und da er Reinblüter war, hatte er auch nicht viel mit Muggeln am Hut.
„Krieg dich ein Dave, das ist ja nur ein Text.“
Sie gingen ein Stück weiter, während Sam und Dave den Artikel lasen.
„Bouh, das ist hart.“
„Das dachte ich mir auch. Aber wir Zauberer sind ja nicht dran schuld, das haben wir den Muggeln zu verdanken.“
Céleste warf einen Seitenblick auf Dave, von dem sie sicher war, dass er diese Vorlage ausnutzen würde um gegen Muggel lästern. Doch Dave erwiderte nichts, starrte nur mit gerunzelter Stirn auf den Gehweg.
„Céleste, sei nicht so böse. Wir sind da.“ Sam nickte mit den Kopf nach vorne. Sie waren in einer menschenleeren Gegend angekommen, vor ihnen lag ein schummriger Laden der Gardinen zu verkaufen schien. Mehrere Grüppchen von jungen Leuten standen davor, unterhielten sich oder rauchten.
Sam, Dave und Cèleste schoben sich durch die Menge hindurch und betraten den Laden. Drinnen war es sehr voll, alle Leute drängten durch eine Flügeltür im Nebenraum. Zwei Männer in Uniformen kontrollierten ihre Ausweise, im Hauptzimmer stand eine alte, schrullige Frau und verkaufte Gebäck.
„Huhu, Sam, Céleste! Hier sind wir!“ An einigen Tischen stand Angela, zusammen mit Lauren und Edmund.
„Eddieboy, was geht?“ Lachend schlugen die Jungen ein.
„Angie, hallo.“ Céleste drückte ihrer Freundin ein Küsschen auf die Wange, Lauren nickte sie zu. „Alles klar bei euch? Hier, der Berufskatalog.“
„Oh Mensch, danke Süße.“
„Gehen wir rein?“ Die Frage kam von Lauren, die bisher keinen Ton von sich gegeben hatte.
Die Freunde steuerten die Tür an, zeigten ihre Ausweise und strömten dann mit der Masse auf den Campus.
Hier lagen bereits einige Studenten auf der großen Wiese und genossen die Morgensonne, diskutierten über Vorlesungen und verglichen Hausaufgaben.
„Was habt ihr als erstes?“ Angela sah auf ihren Stundenplan.
„Ich habe 'Magische Tierpflege', zusammen mit Sam und Ed.“
„Angie, du hast mit mir Geschichte.“ Lauren zog sie mit sich auf das Hauptgebäude zu.
„Ich muss auch los. Auf Wiedersehen.“ Dave ging schnellen Schrittes auf das Verwaltungsgebäude zu.
„Mensch, der ist heute aber auch wieder komisch drauf. Egal. Céleste, hast du die Facharbeit jetzt schon fertig?“ fragte mich Sam.
„Schon lange, wir müssen sie schließlich Übermorgen abgeben.“
„Übermorgen schon? Ach du meine - Hallo Professor Rendel.“
„Gut rumgerissen.“ wisperte Ed Céleste zu, während sie nickend an dem Lehrer vorbeigingen.
„Stimmt.“ Sie hob ihre Stimme. „Und Sam, du solltest wirklich in die Pötte kommen.“
Zerknirscht machte sich ihr bester Freund eine Notiz in seinen Terminplaner.
'Magische Tierpflege' glich 'Pflege magischer Geschöpfe' in Hogwarts, nur das sie in diesem Fach jeweils ein Exemplar der Tiere bekamen, welches sie gerade in 'Magische Tiere' theoretisch durchnahmen, um das sie sich dann kümmern mussten. In den Stunden wurden sie von einem Tierpfleger unterstützt, der ihnen die besten Umgangsformen mit den Tieren beibrachte, wie und wann man sie fütterte und wie man Fell, Panzer oder was auch sonst am Besten reinigte.
Dazu musste die Studenten einen genauen Bericht über das Verhalten der Tiere führen.
Seit drei Monaten behandelten die Runespoor's, schlangenartige Wesen.
Die Studenten betraten eine große Halle, die sich verschiedene Umgebungen verwandeln konnte. Zur Zeit sah es aus wie ein Wald, das Klima war heiß und feucht. Ihr Runespoor, Céleste hatte sie Maggy getauft, ruhte an ihrem angestammten Platz, neben Paddy und Shaw, den Runespoor's von Sam und Ed.
„Paddy, Paddy, was mach ich nur mit dir, he?“ Sam hob sein Tier hoch. Runespoors, welche drei Köpfe besitzen, hatten die unangenehme Eigenschaft sich selbst zu bekriegen. Der rechte Kopf von Paddy wies bereits einige Bissspuren auf.
„Was mache ich nur falsch? Cèleste, hilf mir!“
Genervt drehte sich die Angesprochene um. „Sam, wie oft noch? Der rechte Kopf einer Runespoor ist der Kritiker, er mäkelt dauernd an den Anderen beiden herum. Wenn du dieses komische Holzgestell nehmen würdest, können die Köpfe sich nicht mehr attackieren.“
„Wunderbar, zehn Punkte, Miss Kuijerps.“
Die Universität hatten bei ihrer Gründung ein Punktsystem eingeführt. Wie in Hogwarts konnten die Studenten Punkte sammeln und verlieren, nur sammelte jeder für sich selbst, und nicht für Häuser. Wer am Ende des Semesters mindestens 300 Punkte aufweisen konnte und die Jahresabschlussprüfung bestanden hatte, konnte sich für das nächste Semester anmelden.
Während Cèleste loszog, um Futter für Maggy zu besorgen, dachte sie an das baldige Ende dieses Semesters. Sie brauchte noch fast fünfzig Punkte, um mehr als sechs Wochen Zeit blieben ihr nicht.
„Cèleste, warte!“ Ed rannte hinter ihr her, in einem Arm seine Schlange, in der anderen Hand ihr Handy.
„Dieses Muggeldings, es hat gebrummt!“
„Ed, das ist ein Handy. Komm schon, du kennst es.“
Ihr Freund beäugte das schwarze Gerät misstrauisch. „Wozu braucht eine Hexe das schon? Es gibt schließlich Eulen, Memos, und wenn es hart auf hart kommt kann man auch durch den Kamin sprechen.“
„Handy's sind sehr praktisch Ed, gib her.“ Sie nahm ihm das Gerät ab und sah auf den Display. Eine neue Nachricht von Thomas.
hallo celese. ich hab Deinen zeTTel bekommt. ich will auch wieder miT dier zusammensen. Ich libe dich thoams.
Lächelnd sah die junge Frau auf die verworrenen Buchstaben. Ed beugte sich über ihre Schulter.
„Ich versteh ja nicht viel von diesen Dingern, aber die Schrift sieht aus, als hätte es ein Kleinkind geschrieben.“
„Ed, willst du mal eine Sms tippen?“ Cèleste hielt ihm das Handy vor die Nase.
„Bloß nicht!“
„Dann sag nichts gegen Thomas, okay?“
„Schon gut, schon gut.“ Abwehrend hob der Schwarzhaarige seine Hände. „Tut mir Leid. Seid ihr wieder ein Paar, du und Thomas?“
Cèleste lächelte glücklich. „Ja, sind wir.“
„Was geht im Moment eigentlich bei dir so?“
Ed wiegte verlegen den Kopf. Er hatte Cèleste vor einem Jahr erzählt, dass er schwul war. Das wusste niemand, nicht einmal Sam, sein bester Freund. Nun stand Ed vor ihr und grinste, immer noch ein wenig verlegen.
„Ich habe da jemanden kennengelernt, er ist echt nett. Wir treffen uns Sonntag in einem Restaurant in Hampstead Heath.“
„Ist das nicht diese sauteuere Wohnviertel im Norden?“
„Im Norden, das klingt wie die Antarktis.“
„Es ist im Norden London's, oder nicht?“
„Ja, schon. Auf jeden Fall wohnt er da.“
„Hat er ein Haus geerbt?“
„Ja. Ich freu mich schon auf das Treffen.“
Langsam gingen die Beiden zurück, Sam wartete schon. Er hatte den mittleren Kopf seiner Runespoor auf dem Schoß und beäugte ihn kritisch.
„Cèleste, warum macht der nichts?“ Verzweifelt blickte er zu ihr auf.
„Sam,“ begann Cèleste, während sie Maggy's drei Köpfen Futter vor die Nase stellte, „wie wir wissen, ist der mittlere Kopf einer Runespoor der Träumer. Der Kopf kann tagelang nichts tun, er ist einfach nur versunken in Phantasiebilder. Jetzt lass den Kopf los, oder Paddy beißt dir in die Finger.“
Schnell ließ Sam seine Schlange zurück ins Gras sinken. Schweigend sah er ihr nach, während sie sich schnell in ihre Höhle zurückzog.
„Ich werd das Semester nicht schaffen. Mir fehlen über hunder Punkte, die krieg ich nie zusammen.“
„Mensch Sam, sei nicht so ein Schwarzmaler.“ warf Edmund ein, „wir schreiben in MT doch noch einen Test, und wenn Paddy noch zwei Wochen überlebt hast du auch kriegst du auch nochmal in MTP dreizig Punkte.“
(A/N: MT: Magische Tiere; MTP: Magische Tierpflege)
„Ed hat Recht, Sam. Du musst einfach ein bisschen mehr tun, wir werden dir helfen. Sieh mal, den Test schreiben wir Dienstag, wir werden uns einfach am Wochenende treffen!“
Ed warf Cèleste einen alarmierten Blick zu. Siedend heiß fiel ihr dabei das Treffen mit ihrer Mutter ein.
„Was haltet ihr von Samstag Nachmittag? Ihr könnt zu mir kommen. Am Morgen geht es bei mir nicht, ich gehe mit meiner Mutter frühstücken.“
„Können wir uns nicht auch Sonntag -“ wollte Sam fragen, als Ed ihm das Wort abschnitt.
„Ich kann Sonntag nicht.“ Zu schnell kamen die Worte über seine Lippen.
Sam warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Was hast du denn so wichtiges zu tun?“
Jetzt war war es Ed, der mir einen bösen Blick schenkte.
„Sam, hier geht es um dich.“ versuchte Céleste abzulenken, „sollen wir uns jetzt Samstag Nachmittag treffen, oder nicht?“
Ihr Freund sah Ed abermals an, nickte aber dann. „Samstag Nachmittag, danke Cél.“
„Nenn mich nicht Cél.“
Schweigend arbeiteten die Drei weiter, machten sich Notizen zu dem Verhalten ihrer Tiere und besahen sie sich genau. Céleste merkte, das Sam Ed ein paar Mal ansah, und sie wusste, dass es ihn brennend interessierte was dieser am Sonntag vorhaben sollte.
Während Sie Maggy's rechten Kopf aus dem Profil kurz skizzierte, überlegte sie was wäre, wenn Ed sich outen würde. Es wäre ein Riesenskandal, da war sie sich sicher.
Nach MTP machten sich die drei Freunde auf zu ihrem nächsten Kurs. Céleste und Ed hatten nun Geschichte, Sam musste zu Heilkunde. Vor dem Hauptgebäude des Campus, in dem Vorlesungen stattfanden, die Bücherei und die Cafeteria zu finden war, trennten sie sich. Sam steuerte auf den Block A zu, in dem Pflanzen - und Heilkunde stattfand.
Céleste und Ed liefen schweigend nebeneinander her, bis sie an ihrem Vorlesungssaal ankamen.
Sie hatten das dumpfe Gefühl, das Ed es ihr ihren Ausrutscher von gerade übel nahm.
„Ed, es tut mir Leid, ich -“ begann sie ein Entschuldigung, wurde jedoch jäh von Dave unterbrochen, der ihr mit ernster Miene auf die Schulter tippte.
„Céleste? Kann ich dich kurz sprechen?“
Überrascht drehte sie sich um. „Sicher, was ist den los?“
Dave warf Ed einen kurzen Blick zu, dann begann er zu reden. „Ich hatte gerade Zauberstabkunde. Ich weiß nicht, ob du das wusstest, aber seit zwei Jahren sind diese neuen Zauberstäbe auf dem Markt.
„Ja, von denen habe ich gehört. Werden die nicht Steinstäbe genannt?“
„Genau. Sie arbeiten schneller, effizienter, damit kann man im Endeffekt besser zaubern. Allerdings enthalten sie alle den gleichen Kern, und zwar ein sehr dünne Rolle Stein. Magischer Stein.“
„Nichts für ungut Dave, aber was ist daran so bahnbrechend?“
„Letzte Woche erschien ein Artikel im Tagespropheten. Wusstest du, dass sich der Stein im Inneren abnutzt?“
„Was, echt?“
„Ja. Man muss sich jedes Jahr einmal mit seinem Stab zum Zauberstabmacher, damit er den Kern für ein paar Galleonen ersetzt.“
„Aber dafür sind diese Stäbe besser und robuster. Alles sehr schön, aber ich wiederhole Céleste's Frage, warum erzählst du uns das?“ Ed stemmte die Arme in die Hüften.
„Beim Zaubern stößt der Zauberstab CO2 aus, und zwar eine ganze Menge.“
Céleste musste kurz nachdenken, dann weiteten sich ihre Augen entsetzt. „Wir sind Schuld? Das verstehe ich nicht!“
Ed fasste sie am Arm. „Céleste, du bist total blass!“ Verwirrt sah er zu Dave. „Was ist los? Was ist CO2?“
Dave erklärte es ihm. „Unsere Forscher beschäftigen sich mit magischen Tieren und Pflanzen, aber nicht mit der Luft oder dem Treibhauseffekt. Das mit dem CO2 wurde durch Zufall herausgefunden.“
Ed zog scharf die Luft ein. „Was ist das für ein Stein?“
„Er nennt sich Clocha draìochta und stammt auf Irland. Seit er in Zauberstäben verwendet wird, züchtet man in quasi überall auf der Welt. Sie entwickeln sich in dunklen Höhlen.“
In diesem Moment überkam Céleste eine erschreckende Erkenntnis. „Aber wenn wir das nicht stoppen, wenn wir nichts gegen diesen Ausstoß unternehmen, dann -“
„Geht die Welt in knapp zwei Jahren unter. Und wir sind Schuld.“
„Die Zauberergemeinschaft.“ Ed schüttelte fassungslos den Kopf.
„Wir müssen etwas unternehmen.“ Céleste richtete sich auf. „Wen die Muggel das schaffen, schaffen wir das erst Recht!“
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