„Mr. Potter, ich habe bereits dieses Mädchen verhört. Sie hat Verbrechern geholfen und ist gefährlich“, erklärte Sulla.
„Ich musste sie schocken, da sie Mr. Sulla angegriffen hat“, bestätigte Zabini.
„Angegriffen? Warum das?“, wunderte sich Harry Potter.
„Nun, Mr. Sulla wollte sie unter dem Imperius zwingen, ihm ihren Ring zu geben“, berichtete Professor McGonagall, „dieser Ring verstärkt ihre Zauberkraft und könnte gefährlich sein. Es gelang ihr zu widerstehen. Daraufhin wollte er sie schocken, aber der Fluch ist von ihrer Jacke abgeprallt. Danach hat sie ihn entwaffnet und bedroht.“
„Stimmt das, Mr. Sulla?“, fragte Harry Potter scharf. „Woher wussten Sie, dass der Ring gefährlich war?“
„Sie hat es mir gestanden – unter Veritasserum. Hier ist das Protokoll ihrer Aussage.“
„Sie haben Sie unter Veritasserum verhört?! Sehe ich irgendwo Miss Stewarts Eltern? Oder an wen haben diese die Verantwortung...“
„Mr. Potter, während des Schuljahrs liegt die Verantwortung bei der Schule“, unterbrach Sulla. „Und Professor McGonagall hat uns selbst gerufen.“
„Mr. Sulla, Sie wissen so gut wie ich, dass strafrechtliche Maßnahmen gegen und Verhöre von Minderjährigen unter Aufsicht der Eltern stattfinden müssen. Nun, sind die anderen Anwesenden außer Professor McGonagall als Zeugen hier oder als Verdächtige?“
„Mr. Perot und Mr. Brown sind dringend des Mordes verdächtig und wenigstens Mr. Brown hat mit Miss Stewart zusammengearbeitet. Was Ihren Sohn betrifft, wissen wir es noch nicht.“
„Gibt es einen ernstzunehmenden Vorwurf gegen meinen Sohn, der über einen Bruch der Schulregeln von Hogwarts hinausgeht?“
„Wie gesagt, wir wissen...“
„Was wird meinem Sohn vorgeworfen?“
Es entstand eine kurze Sprechpause.
„Das werden wir unter Veritasserum herausfinden“, sagte Mr. Sulla schließlich.
„Das werden Sie nicht. Wenn im Moment kein Verdacht gegen meinen Sohn besteht, protestiere ich als Vater dagegen. Sollte sich ein Verdacht ergeben, ist es Sache des Richters, darüber zu entscheiden – dann darf allerdings nicht ich ihn befragen. Und: Seit wann wird eine Tatverdächtige unter den Augen ihrer möglichen Komplizen befragt?“
„Mr. Potter, ich konnte nicht...“
„Sie hätten Verstärkung holen müssen, Sie...“ Er unterbrach sich. „Niemand verlangt von Ihnen, heute noch vor dem Abendessen alles zu klären. Peters! Robinson!“
Er griff sich an das Meldeband und kurz darauf kamen zwei Auroren gemeinsam mit Professor Vector ins Direktorat. Die Arithmantiklehrerin schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
„Bringen Sie die beiden Herren hier in Professor Browns Büro! Trennen Sie sie und verhindern Sie, dass sie sich absprechen oder Kontakt zu anderen aufnehmen!“, befahl Harry Potter den beiden Neuankömmlingen. Danach richtete er seinen Zauberstab auf Lucy: „Enervate!
Lucy sprang auf und zog ihren Zauberstab.
„Lassen Sie das, Miss Stewart!“, befahl Professor McGonagall scharf.
„Genau! Lassen Sie das!“, bestätigte James’ Vater.
Beide sahen Lucy scharf an. Lucy ließ ihren Zauberstab sinken. „Sie hatten kein Recht, mich anzugreifen und mir den Ring wegzunehmen“, sagte sie giftig. „Sie sind ein Dieb!“
„Sie reden mit einem Ministeriums...“, fauchte Mr. Sulla.
„Darüber werden wir reden“, unterbrach Harry Potter. „Mit Ihnen beiden. Wenn Sie aber kämpfen, Miss Stewart, verschlimmern sie Ihre Lage. Bis jetzt kann man Ihnen wenig vorwerfen; wenn Sie nun noch jemand angreifen, kann sich das ändern.“
„Mr. Potter hat Recht“, bestätigte Professor McGonagall. „Stecken Sie den Zauberstab weg!“
Lucy gehorchte, wenn auch widerwillig. Harry Potter befahl ihr, Emily und James, hinauszugehen. „Ich bin sicher, dass ihr Schlimmes erlebt habt“, flüsterte er James zu. „Und ich würde mich gern mehr um dich kümmern als ich es im Moment kann. Heute abend können wir, denke ich, in Ruhe reden.“
Emily und James verließen engumschlungen das Direktorat. Christopher wartete bereits draußen auf Lucy, die in seine Arme sank und weinte.
Emily und James gingen am See spazieren, zum einen, weil es ihnen dort gefiel, zum anderen, weil dort mit geringerer Wahrscheinlichkeit jemand fragen würde, was im Direktorat passiert war, als im Gemeinschaftsraum.
„Glaubst du wirklich, was Lucy erzählt hat? Das mit der Stimme, der sie gehorchen musste? Dass es ihr wehgetan hat, wenn sie uns nichts getan hat?“, fragte Emily. „So ganz kann ich es nicht glauben.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich gegen Veritasserum schützen kann“, meinte James. „Also wird was dran sein. Aber wahrscheinlich kann mein Vater uns das genauer sagen. – Immerhin scheint es zu stimmen, dass sie uns gerettet hat. Zabini ist ihr ja nur hinterher und hat offensichtlich selbst nicht gewusst, was dort unten los war.“
„Meinst du echt...?“
„Ja, meine ich“, James fiel es ebenso schwer wie Emily, sich klarzumachen, dass sie sich beide in Lebensgefahr befunden hatten und ihre Rettung dem Hauslehrer des verhassten Slytherin und einem Mädchen, das sie beide noch vor wenigen Tagen in Angst und Schrecken versetzt hatte, verdankten.
Bis zum Abendessen waren auch James’ Mutter und Emilys Eltern eingetroffen, Auch Rosies Eltern und Seans Vater standen vor der Großen Halle. Ginny Potter nahm ihren ältesten Sohn in die Arme.
„Um Merlins Willen, du hast ja wirklich das Talent, in gefährliche Situationen zu geraten, von deinem Vater geerbt“, sagte sie schließlich. „Immerhin auch sein Glück!“
James bekam mit, wie Mr. Cuthbert Emily Vorwürfe machte: „Warum hast du nicht gleich etwas gesagt?“ Seine Frau redete ruhig auf ihn ein, doch auch James’ Mutter musste etwas mitgehört haben.
„Was mich, ehrlich gesagt, wundert“, wandte Ginny Potter sich ihrem Sohn zu. „Warum hast du dich nicht gerührt? Wenn ich Papas Nachricht richtig verstanden habe, weißt du ja nicht erst seit gestern, dass hier Verbrechen passieren.“
„Wie? Hab ich doch!“, schrie James sie beinahe an. „Hat Papa dir das nicht erzählt?“
„Wie? Was? Da ist was faul“, antwortete sie verständnislos.
Die schon angekommenen Eltern der Zeugen aßen nicht mit den Schülern und den meisten Lehrern in der Großen Halle, sondern wurden von der Direktorin in einen anderen Raum gebeten.
Natürlich wussten beim Abendessen fast schon alle Schüler Bescheid und Emily, James und Lucy mussten am Gryffindortisch Details erzählen, was sie erlebt hatten. Lucy blieb ziemlich einsilbig. James berichtete nur, dass Brown einen Doppelgänger hatte und Perot ein Verbrecher war, was ohnehin fast alle schon gehört hatten.
„Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen“, kommentierte Fiona erschrocken. „Perot hat immer so korrekt gewirkt. Zabini, okay, und bei Brown hatten wir ja schon lange den Verdacht, dass etwas nicht stimmt – aber Perot?“
„Womöglich hat der falsche Brown uns schon alle ausgehorcht“, befürchtete Kevin.
„Glaub ich nicht“, widersprach Lucy. „Der falsche Brown war relativ selten in Hogwarts.“
„Ach? Du meinst, der hat dir immer die Wahrheit erzählt?“, spottete Clarissa.
Nach dem Abendessen musste James aussagen. Er bestätigte, dass er gemeinsam mit Lucy versucht hatte, den Raum zu öffnen, in dem sie letztlich gefunden worden waren. Auch was er über die Quelle wusste, bestätigte er.
Sein Vater machte ihm Vorwürfe, weil er nicht Bescheid gesagt hatte. James schwor bei Merlin, dass er mehrere Eulen geschrieben, der Vater aber nur einmal reagiert und damals so getan hatte, als ob keine Gefahr bestünde.
„Dann hat man also deine Briefe abgefangen“, murmelte Harry Potter. „Umso schlimmer. Die Bande ist stärker als erwartet.“
Als James entlassen wurde, wartete bereits Rosie mit ihrer Mutter, die ebenfalls nach Hogwarts gereist war, darauf, auszusagen. Tante Hermine wirkte erschrocken über das, was geschehen war, während Rosie tat, als sei alles normal.
Nachdem sie gemeinsam das Direktorat verlassen hatten, stellte James Emily offiziell seiner Mutter vor.
„Ich habe mich schon gefragt, ob du es heute noch zugeben wirst“, antwortete Ginny Potter grinsend. „Nun ja, so lange ihr ein bisschen aufeinander acht gebt, habe ich nichts dagegen.“
Emily musste einiges über sich selbst erzählen, was James noch nicht genau wusste: Dass ihre Mutter in Frankreich geboren war, aber in England bei Gringotts gearbeitet hatte, wo sie ihren Vater, der für die Schutzmaßnahmen des Gebäudes zuständig war, kennen gelernt hatte. Dass Emilys ältere Schwester Jeannie nun bei Flourish&Blotts arbeitete, während ihr Bruder ein Squib war und eine Muggelschule in Luton besuchte.
Nachdem Rosie ausgesagt hatte, war endlich auch für James’ Vater der Arbeitstag zuende. Harry Potter wollte noch einmal alle seine Kinder sehen, bevor er nach Hause apparieren müsste. Er war schlecht gelaunt und dies nicht nur, weil er ununterbrochen beschäftigt gewesen war: „Morgen rede ich noch einmal mit Lucy Stewart und ihren Eltern, aber ich fürchte, es wird nichts mehr bringen.“
„Was soll es denn bringen?“, wollte Albus wissen.
„Hat James dir von Lucys Ring erzählt?“, fragte der Vater zurück. Albus schüttelte den Kopf und James und sein Vater erzählten gemeinsam.
„Wenn das Ministerium den Ring hat, ist er doch in Sicherheit, oder?“, meinte Albus.
„Das schon. Allerdings wissen wir nichts Sicheres über diesen Ring. Lucy hat ausgesagt, sie habe eine innere Stimme gehört. Das muss nicht stimmen – unter Veritasserum kann man zwar nicht lügen, aber es wäre möglich, dass sie sich das nur einbildet oder dass jemand sie gezwungen hat, das zu glauben.
Falls es diese Stimme wirklich geben sollte, wäre sie unschuldig.“
„Bekäme sie dann den Ring wieder?“, fragte James.
„Kaum. Wenn jemand, den wir nicht kennen, ihr über den Ring Befehle geben kann, wäre das gefährlicher als wenn sie selbst alleinige Herrin des Rings wäre. Dann würde ich sie im Zweifelsfall noch eher entschädigen als ihr den Ring zurückzugeben.
Wenn dagegen sie die Herrin des Rings sein sollte und Perot, Brown oder sonst jemand ihr die Befehle gegeben hätten, dann könnte man den Ring lediglich registrieren lassen und ihr zurückgeben. Vorher müssten wir aber herausbekommen, welche Kräfte der Ring hat und wer außer Lucy sie nutzen kann.“
„Warum sollte sonst niemand diese Kräfte nutzen können?“, wollte Lily wissen.
„Dafür gibt es einige Möglichkeiten. Der Ring kann Lucy als Herrin anerkannt haben und nicht ohne weiteres jemand anderen akzeptieren. Ihr wisst ja, dass es magische Gegenstände gibt, die nur ein Erbe oder nur derjenige, dem es der Vorbesitzer gestattet oder auch, wer den Vorbesitzer besiegt, nutzen kann.“
„Ein Erbe?“, fragte Albus. „Aber ich habe gedacht, sie ist muggelstämmig.“
„Die meisten Zauberer –auch ich – glauben, dass sich die Fähigkeit zu zaubern ausschließlich vererbt“, sagte sein Vater. „Wenn es so ist, gibt es keine rein muggelstämmigen Zauberer, sondern nur solche, die nicht wissen, dass sie eine Hexe oder einen Zauberer unter ihren Vorfahren haben. Es könnte also sein, dass der Ring wirklich einem Vorfahren von Lucy gehört hat und zufällig sie die erste Hexe seit vielen Generationen ist.“
„Aber...sie hat den Ring doch nicht bei ihren Eltern gefunden, sondern im Laden gekauft“, widersprach James.
„Es soll schon vorgekommen sein, dass solche Gegenstände wie Lucys Ring sich ihren Besitzer ausgesucht haben – Es muss nicht sein, aber Genaueres können wir nur von ihr erfahren. Und dazu muss sie uns mehr oder weniger alles erzählen, was sie erlebt hat, seit sie diesen Ring hat. Es kann sein, dass sie sich selbst nicht mehr ganz genau an alles erinnern kann. Das heißt, wir müssen einen Spezialisten mit ihr arbeiten lassen. Das heißt aber auch, wenn sie irgendwie blockt oder nicht fit ist, wird es nichts. Und wenn man sie anders behandelt hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass sie blockt, geringer.“
„Meinst du, ihr könnt so herausfinden, wer hinter der Sache steckt?“, fragte wieder James.
„Kann sein. Sicher ist eines: Perot oder Brown sind nicht die Köpfe; wenn Perot alles wüsste, hätte er nicht versucht, Lucy dazu zu bringen, ihren Ring abzugeben. Das heißt, entweder der Ring kann nicht selbst denken, sondern Lucy stand unter dem Imperius oder einem anderen Fluch oder jemand anderer hat den Ring im Griff. Ich fürchte auf jeden Fall, dass noch lange nicht alles ausgestanden ist; Perot und Wolf Brown – Fox Browns Zwillingsbruder – scheinen auch nicht genau zu wissen, wer die Informationen auf den Tafeln verwertet hat. Sicher kann ich es erst sagen, wenn ich sie in etwa zehn Tagen noch einmal verhört habe – In Askaban bekommen sie sicher kein Gegenmittel gegen Veritasserum.“
Ginny Potter erschrak: „Das heißt, du glaubst...“
„Das heißt, ich fürchte, dass eine Bande von Schwarzmagiern ihr Unwesen treibt, deren Kopf wir nicht kennen und von denen wir auch nicht genau wissen, was sie wollen“, bestätigte ihr Mann.
„Ich hoffe sehr, ich täusche mich.“
Frau und Kinder erschraken. James fand als erster die Sprache wieder: „Womöglich ein neuer Voldemort?“
„Muss nicht sein. Es muss weder ein Muggelhasser noch ein Massenmörder dahinter stecken – ziemlich sicher aber jemand, der mit Gewalt an die Macht will; das ist schlimm genug. Aber diesmal wird das Ministerium nicht schlafen, das schwöre ich!“
James und seine Geschwister verabschiedeten sich von den Eltern und gingen zurück nach Hogwarts. James und Albus versuchten, Lily zu trösten. „Papa wird schon das Richtige machen“, meinte Albus, doch klang er wenig überzeugt.
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