„Sag schon!“, forderte James ihn auf.
„Sie sitzt auf der Treppe zum Astronomieturm und knutscht mit Arthur.“
„Arthur? Meinem Cousin?“
„Genau dem! Schau selbst, wenn du es mir nicht glaubst! Sie müssten noch dort sein.“
James glaubte Frank zwar, ging aber dennoch mit ihm zum Astronomieturm. Auf Zehenspitzen schlichen sie sich die Treppe hinauf. Vorsichtig spähte James um die Ecke und sah tatsächlich Lucy und Arthur nebeneinander sitzen. Er hatte seinen Arm um ihre Schultern, sie den ihren um seine Hüften gelegt. Unter Knutschen hatte er allerdings bereits in der Grundschule etwas anderes verstanden. Dennoch blieb er etwas zu lange stehen, denn Lucy bemerkte, dass jemand kam, löste sich von Arthur, schlüpfte in ihre Jacke, stand auf und zog den Zauberstab. James lief davon und stellte erleichtert fest, dass keiner der beiden ihn verfolgte.
Er fragte Arthur kurz vor dem Schlafengehen, seit wann er mit Lucy zusammen sei.
„Du warst es also, der im Astronomieturm rumgeschlichen ist“, stellte der Cousin fest. „Also, abgesehen davon, dass es dich nichts angeht: Noch bin ich überhaupt nicht mit ihr zusammen.“
„Sah aber so aus.“
„Ich sag auch nicht, dass es nicht noch was werden kann. Aber ich sag dir eins: Dich geht es nichts an. Du wirst es akzeptieren müssen, dass Lucy sich jemand anderen sucht – ich kann dich ja verstehen, Kleiner: Ich hab’ auch geschluckt, als Julia nach Weihnachten mit ihrem Neuen dahergekommen ist.
„Darum geht es überhaupt nicht. Wir haben uns nicht einfach getrennt wie du und Julia, es war auch kein anderer Junge im Weg wie bei Vicky und Cormac seinerzeit. Lucy hat mich bestohlen und spielt ein ziemlich übles Spiel.“ James erzählte es in allen Einzelheiten und stellte es als feststehende Tatsache dar, dass Lucy wichtige Gegenstände aus dem Raum unter dem Slytherinkerker hatte. Obwohl Arthur sich nichts anmerken ließ, merkte James, dass er ziemlich darüber erschrocken war.
„Okay, kann ja sein, dass sie fies gewesen ist“, antwortete er, nachdem er sich gefangen hatte. „Aber, mal ehrlich, das wärst du auch, wenn du der Stärkere wärst.“
„Stimmt nicht“, protestierte James. „Okay, ich mach manchmal fiese Sachen. Aber ich klau niemandem etwas oder so.“
„Bist du dir ganz sicher, dass Lucy die Karte geklaut hat? Vielleicht hat sie sie ja bloß irgendwo versteckt.“
„Eigentlich schon ziemlich.“
„Dann werde ich sie einmal darauf anreden“, versprach Arthur. „Ich meine, so geht es nicht. Sie muss dir die Karte wieder geben.“
„Danke. Ich hoffe, es klappt. – Und pass auf, dass sie mit dir nicht auch so was macht! Unterschätz’ sie nicht, vor allem, weil sie mit ihrem Ring wirklich Gegenstände bewegen kann, auch dir den Stab abnehmen...“
„Kleiner, ich kann vermutlich besser zaubern und habe wohl schon mehr Erfahrungen mit Mädchen und ihren Tricks als du“, gab sich Arthur wieder herablassend. „Ich rede mit ihr und bring dir die Karte wieder und du hältst dich dafür raus, was aus Lucy und mir wird, okay?“
Während Arthur wegging, überlegte James sich, wo und wann Lucy und Arthur überhaupt miteinander in Kontakt gekommen waren. Hatte sich Lucy je bei den Siebtklässlern aufgehalten? Wo und wann überhaupt in der kurzen Zeit, seit er mit ihr Schluss gemacht hatte? Sie war ohnehin kaum zu sehen gewesen und hatte sich sicher nicht im Tarnmantel Arthur gezeigt. Und was fand sie an Arthur oder er an ihr? Hatte Arthur Recht und er war immer noch eifersüchtig?
James erzählte es an diesem Abend niemandem, dass Lucy und Arthur möglicherweise zusammen waren. Statt dessen versuchte er, logisch zu überlegen: Angenommen, Lucy war wirklich in den Keller gelangt: Die Schrifttafeln, von denen der Schnelle Brad gesprochen hatte, hatte sie offenbar nicht mitgenommen. Möglicherweise hatte sie sie fotografiert – Fotoapparate waren eines der wenigen Muggelgeräte, die in Hogwarts ohne größere Probleme, genauer gesagt, mit einem Zauber, den jeder Erstklässler beherrschen konnte, funktionierten – oder mit dem Zauberspiegel aufgenommen. Hatte sie die Schrift entziffern können? Lucy besaß außer dem Schullehrbuch zwar noch mindestens ein Muggelbuch über Runen, Expertin war sie jedoch sicher keine. Sicher hatte sie mit irgend jemand über ihre Funde gesprochen. James glaubte eher nicht, dass Arthur dieser jemand war. Brown? Oder der falsche Brown?
James konnte sich auch gut vorstellen, dass sie heimlich nach Hogsmeade gegangen war, um sich dort umzuhören. Vermutlich waren sie und Arthur sich ebenfalls dort näher gekommen – volljährige Schüler durften außerhalb von Unterrichts- und Schlafenszeit dorthin gehen.
Am selben Abend und auch am nächsten Tag erfuhr James nicht mehr. Einen Tag später hörte er eine Unterhaltung zwischen Hagrid und Professor Brown mit:
„... muss verdammt gut zielen können. Die schlagen von weit weg an und sin’ nich’ so leicht zu treffen“, sagte der Halbriese.
„Sehe ich genau so. Trotzdem, in aller Bescheidenheit glaube ich, es wäre mir mit ein bisschen Glück auch gelungen – vielleicht sogar einigen älteren Schülern.“
„Aber wer macht so was? Clamor tut doch niemandem was.“
„Jemand, der nicht erkannt werden will“, bemerkte der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste trocken. „Ich habe ja schon gesagt, dass ich den Ba... – Moment, wir müssen unser Gespräch nicht vor Schülern weiterführen!“
Obwohl Hagrid keine Bedenken zu haben schien, weiterzureden, setzte Brown sich letztlich durch und James musste auf die neueste Information verzichten.
An diesem Nachmittag geschah ausgerechnet in Geschichte der Zauberei etwas Bemerkenswertes: Während sich James, ebenso wie die meisten anderen, im Halbschlaf befand, meldete sich Emily. Sie schnalzte, als Binns sie nicht sofort bemerkte.
„Ja, Miss...?“
„Cuthbert, Professor. Steht es wirklich fest, dass die magischen Quellen völlig wirkungslos sind?“
„Sie können davon ausgehen, Miss Collins, dass ich weiß, wovon ich spreche. Die These, wonach derjenige, der in diesen Quellen badete, sich vom Muggel zum Magier verwandeln konnte, wurde vermutlich bereits von Rowena Rawenclaw widerlegt. Ich sagte also: Nachdem Alwyn McEamonn als gewählter Vertreter der schottischen und Gisbert Shankins als gewählter Vertreter der englischen Magier – Zaubereiministerien oder magische Räte gab es damals, wie ich Ihnen gesagt hatte, noch nicht...Ja, Miss...?“
„Halliwell, Professor“, antwortete Laura höflich. „Natürlich kann ein Muggel oder Squib nicht plötzlich zum Magier werden. Könnte es aber nicht trotzdem sein, dass jemand dadurch seine Zauberkraft verstärken könnte – oder die magische Energie eines Gegenstands verstärkt werden...“
„Unsinn, Miss Hastings“, unterbrach Binns sie rüde. „Wenn dem so wäre, hätte das längst jemand herausgefunden.“ Er wandte sich wieder seinen Unterlagen zu und ignorierte Lauras immer noch erhobene Hand. „Shankins und McEamonn unterzeichneten also den ausgehandelten Vertrag, der in wesentlichen Inhalten noch heute Grundlage der Geschäftsordnung des britischen Zaubereiministeriums ist. Nun habe ich etwas weit ausgeholt: Es gab zu diesem Zeitpunkt, wie gesagt, nicht nur kein britisches sondern überhaupt kein gemeinsames Zaubereiministerium irgendeiner Region. Dass sich alle englischen Zauberer auf einen Vertreter einigen konnten, darf als Sensation gelten. Wie Sie ja aus dem letzten Jahr noch wissen, wurde im cornischen Aufstand von 1332 ja die Legitimation Gisbert Shankins’ bestritten.“
Allmählich versank der Großteil der Klasse wieder in den üblichen Dämmerschlaf, doch James war wach genug, um zu bemerken, dass einige Mädchen nicht schliefen sondern aufgeregt tuschelten und Briefchen austauschten.
Nach der Stunde bestätigte sich sein Eindruck: „Warum steht in einem Vertrag von elfhundertnochwas noch etwas über diese Quellen, wenn angeblich schon Rowena Ravenclaw herausgefunden hat, dass es sie nicht gibt?“, fragte Laura.
„Keine Ahnung. Wenn ich das halbwegs mitgekriegt habe, wollten die, dass mehr oder weniger alle Hexen und Zauberer sich daran halten und keiner meint, dass der andere ihn ausgetrickst hat“, rekapitulierte Clarissa, „und da reicht einer, der glaubt, dass es solche magischen Quellen doch gibt und derjenige, der sagt, es gibt sie nicht, ihn übers Ohr hauen will, damit man das reinschreiben muss.“
James überlegte sich, ob er den Mädchen weiter zuhören sollte, als er sah, dass Lucy auffällig schnell aus dem Raum lief. Da sie offenbar in Richtung Gryffindorturm unterwegs war, konnte er ihr halbwegs unauffällig folgen. Sie lief schnurstracks in ihren Schlafraum, während James sich in den Gemeinschaftsraum setzte und tat, als wolle er die Hausaufgabe für Verwandlungen machen. Lucy kam jedoch nicht wieder und auch die meisten anderen aus ihrem Jahrgang blieben abwesend.
Nach etwa zehn Minuten kam Fiona auf James zu. „Hast du Lucy gesehen?“
James zuckte mit den Schultern. „Ist in euren Schlafraum raufgerannt. Schien es eilig zu haben, ist aber seit zehn Minuten nicht zurückgekommen.“
Fiona lief die Treppe hinauf und kam sofort wieder zurück: „Sie ist weg. Wohl durch das Schlafraumfenster.“
Wenn der Mädchenschlafsaal nicht völlig anders gebaut war als der Jungenschlafsaal, war es nicht ganz einfach, durch das Fenster zu fliegen: Die Fenster waren klein, sodass man hinausklettern musste und sich erst außen auf den Besen setzen konnte, was ein gefährliches Manöver bedeutete. Selbst James hatte sich bisher erst einmal getraut, dies zu versuchen.
Fiona, die ebenfalls eine gute Fliegerin und alles andere als feige war, schien ähnlich zu denken: „Warum macht sie das? Ich meine, ich kann mir vorstellen, dass sie nicht gesehen werden will, aber sie vergibt sich nichts, wenn sie rausgeht und erst draußen ihren Tarnmantel anzieht.“
Lucy musste es entweder sehr eilig oder panische Angst davor, dass sie jemand beim Überziehen des Tarnmantels sehen könnte, gehabt haben. Nur warum? Ihre Freundinnen wussten sicher, dass sie einen Tarnmantel besaß und für die meisten anderen spielte es keine Rolle: Tarnmäntel waren teuer und die wenigsten Schüler besaßen einen, doch so selten, dass die Tatsache, dass Lucy einen hatte, jemanden, der sie nicht näher kannte, beeindruckt hätte, waren sie keineswegs.
„Ach, übrigens, Fio“, erinnerte James sich. „Hast du eine Ahnung, was Laura und Emily mit den magischen Quellen gemeint haben?“
„Keinen Plan. Meinst du, ich passe bei Binns so genau auf?“
„Auf das, was Binns sagt, nicht, aber sie haben sich danach auch noch darüber unterhalten.“
„Aber nicht mit mir. Clarissa kann mich nicht leiden, keine Ahnung, was ich ihr getan habe und die beiden anderen hängen sich im Moment eher an sie als an Lucy und mich.“
„Aber was Lucy vorhaben könnte, weißt du auch nicht?“
„Ziemlich sicher hat sie einen neuen Macker und will nicht, dass jemand das weiß. Keine Ahnung, wen. Ich meine, im Grund kann es mir egal sein, solange sie nicht versucht, mir Dan auszuspannen, aber bisher hatten wir keine Geheimnisse voreinander.“
James unterließ es, ihr zu sagen, dass er Lucy mit Arthur gesehen hatte. Er hörte sich noch einige Klagen Fionas darüber, dass Lucy sie ignorierte und dass die anderen Mädchen sie nicht mochten, an, bevor er beschloss, hinauszugehen. Er war zunächst unschlüssig, lief dann aber zielstrebig durch das Tor und über die Ländereien auf Hagrids Hütte zu. Der Halbriese hatte gerade die dritte Klasse von Slytherin und Hufflepuff entlassen, deren Schüler in Gruppen zusammen standen und sich lautstark über die Stunde unterhielten.
„Hallo Hagrid“, rief James. „Und? Was passiert?“
„Passiert nich’, zum Glück! Haben sich bloß über diese lieben Kerle hier ein bisschen erschreckt.“ Er führte zwei Kröter zum Waldrand, wo er sie entließ. „Kann dir leider nichts anbieten, muss nachher schnell weg. Im Wald ist ein Aufruhr, das glaubst du nicht!“
„Warum?“
„Das wüsst’ ich auch zu gern. Jemand hat Clamor geschockt. Wundert mich, dass das überhaupt geht!“
„Wer ist Clamor?“
„Spezielle Kreuzung“, antwortete der Wildhüter stolz. „Vater Kniesel, Mutter normale Muggelhündin. McGonagall hat mir vor drei Jahren befohlen, die Eltern zu kreuzen. Inzwischen sind Clamor und seine Geschwister so weit, dass sie verdammt gute Wachhunde abgeben.“
„Warum hast du Kniesel mit Hunden gekreuzt? Damit sie lauter bellen?“
„So ist es. Und genau deshalb wundert es mich, dass jemand so nah rankommt, dass er Clamor schocken kann, ohne dass der einen Riesenlärm veranstaltet. Und die anderen Tiere sind auch unruhig. Jemand ist öfter im Wald unterwegs, der sich verdammt gut auskennt und Flüche verdammt weit schießen kann. Wenn das nicht aufhört, muss ich die Direktorin bitten, wieder nen Bannkreis zu legen. – Also, Sorry, James, will dich nich’ stehen lassen, aber muss mal nach dem Rechten schauen. Bis später!“
Der Halbriese erschien zwar zum Abendessen, kehrte allerdings bis zur Schlafenszeit nicht mehr in seine Hütte zurück. Auch von seinen Jahrgangskolleginnen erfuhr James an diesem Abend nicht, warum sie sich für magische Quellen interessierten.
James bekam am nächsten Tag mit, dass Clarissa nach der Zauberkunststunde die Lehrerin darüber befragte – doch kaum hatte er das Wort „Energiequellen“ gehört, ermahnte Penelope Weasley ihn scharf: „Persönliche Gespräche sind persönlich und nicht für Dritte bestimmt. Bitte gehen Sie! Muffliato!“
James fragte Emily, warum sich die Mädchen für dieses Thema interessierten, doch die antwortete nur einsilbig „Halt so. Hab mal was darüber gelesen – und Clarissa vor einem Jahr auch und wir wollten uns erkundigen, was dran ist.“
Auch Laura gab nicht mehr Auskünfte und Sean und die anderen Jungen konnte sich ebenso wenig einen Reim darauf machen, auch wenn ihm dasselbe aufgefallen war wie James.
„Energiequellen sagt ihr?“, mischte Rosie sich ein, während die Jungen beim Mittagessen darüber sprachen.
„Ja. Weiß nicht, ob das der offizielle Ausdruck ist.“
„Ich glaube, meine Mutter hat mal mit jemandem darüber gesprochen – im Zusammenhang mit dem „Lexikon der Schwarzen Magie“. Aber ich erinnere mich nicht mehr genau.“
Rosie holte nach dem Essen das dicke, von ihrer Mutter herausgegebene Lexikon aus ihrem Schlafraum, legte es auf den Tisch des Gemeinschaftsraumes und schlug es auf. James, Albus und Sean stellten sich neben sie.
„Energiequellen s. à Übertragung magischer Kräfte“ las sie laut und schlug das Stichwort „Übertragung magischer Kräfte“ auf.
Übertragung magischer Kräfte im engeren Sinn nannte man die Weitergabe von Zauberkraft an eine andere, vorher nichtmagische Person (àMuggel, àSquib). Man glaubte, dass dies entweder durch spezielle Energiequellen, die wohl ähnlich wie unterirdische Wasserquellen vorzustellen sind, oder durch schwarzmagische Zauber möglich sei. Einige behaupteten, durch solche Zauber verliere eine Hexe oder ein Zauberer die magischen Kräfte. Vertreter der Energiequellentheorie glaubten dagegen vermutlich, durch die Energiequellen könne jeder Muggel zum Magier werden, ohne dass dadurch jemand anderer zu Schaden käme. Derartige Vorstellungen waren vor 1000 in ganz Europa verbreitet. (à Bragida) Einen Beweis für ihre Irrigkeit lieferte Rowena à Ravenclaw in ihrem berühmten Buch „Von der magischen Kraft und wie sie einem jeden innewohnt oder nicht“. Dennoch hielten sich lange Gerüchte, magische Energie sei übertragbar oder man könne sie einem Zauberer oder einer Hexe stehlen. In fast allen Fällen der letzten Jahrhunderte handelte es sich dabei um Verschwörungstheorien oder sogar bösartige Verleumdungen. (à Squibisierung, à Thicknesse).
Im weiteren Sinn kann Ü. auch an magischen Gegenständen stattfinden, indem deren Energie durch Kontakt mit anderen magischen Gegenständen verstärkt wird. Auch wenn die meisten Versuche, dies zu tun, scheiterten, ist Ü im weiteren Sinn nicht völlig auszuschließen.“
„Sorry, wenn es eine dumme Frage ist“, wollte Albus wissen. „Wer oder was ist Bragida?“
„Eine Figur aus einer alten Sage“, antwortete Rosie. „Ich bin mir allerdings nicht schlüssig, was sie damit zu tun hat. Bragida hatte sich in einen Muggel – den Ausdruck hat man damals noch nicht verwendet, aber es ist klar, was gemeint ist – verliebt und wurde deshalb von ihrer Familie verstoßen. Sie musste ihren Geliebten immer wieder vor Schwarzer Magie retten und mit magischen Schutzschilden versehen, aber...“
„He!“, unterbrach Sean, der ungefragt den entsprechenden Eintrag gesucht hatte: „Da steht ganz was anderes: ‚Nach ihrer Verstoßung badete Bragida ihren geliebten Sonkin in einer magischen Quelle in Schottland, wodurch er selbst Zauberkräfte erhielt. Dies hielten alle Zauberer damals für Verrat. Bragida und Sonkin mussten zahlreiche Kämpfe durchfechten, bis sie auf der Insel Atlantis Aufnahme fanden, nachdem sie dem König versprachen, ihre magischen Talente in seinen Dienst zu stellen.’“
„Diese Bragida-Sage hat Lucy ausgeliehen“, berichtete Kevin, der das Gespräch teilweise mitgehört hatte.
„Wie? Was?“
„Ich habe gestern zufällig in der Bibliothek etwas ausleihen wollen, als sie das Buch zurückgebracht hat. Sie hatte noch ein anderes Buch dabei, das die Pince aber sofort weggebracht hat – wohl aus der verbotenen Abteilung.“
„Sucht sie eine Energiequelle hier?“, vermutete Sean.
„Wie kommt sie darauf, dass hier eine sein könnte?“, fragte James. „Steht in der Geschichte von Hogwarts etwas davon, Rosie?“
„Mann, überleg doch mal scharf!“, schimpfte Sean. „Diese Rowena Ravenclaw hat herausgefunden, dass man Zauberkraft nicht weitergeben kann. Das heißt, damals haben manche Leute gedacht, dass das geht – sonst hätt’ sie sich nicht damit beschäftigen müssen.
Jetzt stellt euch mal vor: Wir hier wollen miteinander eine Zauberschule gründen – und zwar die beste der Welt. Sagen wir mal, du, James und du, Kevin, ihr glaubt, dass man Zauberkraft mit magischen Quellen übertragen oder wenigstens verstärken kann. Ich glaub’s nicht unbedingt und du, Rosie, überhaupt nicht. Und wir wissen alle, dass es irgendwo in Schottland magische Quellen gibt.“
„Du meinst, wenn nur irgendeiner der vier Gründer an magische Quellen geglaubt hat, haben sie Hogwarts sicher auf einer gebaut?“, vermutete Rosie.
„Logo“, antwortete Sean. „Wenn meinetwegen die Hufflepuff und der Slytherin es geglaubt haben und die Ravenclaw und der Gryffindor nicht, wer gibt nach?“
„Der, der weniger zu verlieren hat“, nahm Rosie seinen Gedanken auf. „Und wenn die Quellen wirkungslos sind, ist es egal, ob man auf einer baut oder nicht; wenn sie wirken, ist es besser, sie auszunützen. Also baut man auf diesen Quellen oder um sie. – Leute, ich brauch’ diese Bragida-Geschichte und zwar in der Version, die hier beschrieben ist. Bis gleich!“
Wie von der Tarantel gestochen rannte sie in Richtung Bibliothek. Den ganzen Abend über vergrub Rosie sich hinter der Bragida-Sage und war nicht mehr ansprechbar.
Später am Abend nahm Arthur James beiseite: „Übrigens, ich habe mit Lucy geredet. Sie gibt zu, dass sie die Karte genommen hat, ohne dich zu fragen, weil sie heimlich nach Hogsmeade wollte, um dort etwas zu erledigen. Inzwischen hat sie sie dir aber längst zurückgegeben, behauptet sie.“
„Hä? Hält die mich jetzt für blöd oder was?“
„Weiß nicht. Ich hab nicht gesagt, dass es stimmt – und ich gebe zu, dass sie sich gestern und heute ein bisschen komisch benommen hat, auch zu mir. Ich sag bloß, was sie behauptet. Kann es sein, dass sie deine Karte wieder zurückgelegt hat, ohne dass du es gemerkt hast?“
„Quatsch!“
Obwohl James sich ziemlich sicher war, schaute er noch vor der offiziellen Nachtruhe in seinem Schrank nach.
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