
von Nitsrek
Hermine lief vor der falschen Felswand auf und ab, die den Eingang zum Slytherin-Gemeinschaftsraum darstellte. Wo war er? Es war vermutlich ein Fehler, einen jüngeren Slytherin nach ihm zu schicken, aber verdammt, sie würde nicht noch einmal da rein gehen. Im Leben nicht!
Als Draco auftauchte, eine Augenbraue hochgezogen, beschwor sie innerlich einen Sturm. Verdammt!
„Theo war nicht da?“, fragte sie.
„Anscheinend nicht“, erwiderte er. „Komisch, wie du immer zuerst ihn willst.“
„Nun, er ist der Schulsprecher. Du wirst nie mehr als der Ersatz sein.“
Er funkelte sie an. „Willst du etwas Bestimmtes? Oder suchst du nur nach jemandem, der mit dir rummacht? Ich habe heute nämlich leider schon etwas vor.“
„Zweifellos“, murmelte sie und ärgerte sich über das seltsame Ziehen, das sie bei seiner Antwort verspürte. „Dann machen wir’s kurz.“ Sie langte in ihre Tasche, zählte sechs Pergamentrollen ab und drückte sie ihm in die Arme. „Neue Zeitpläne für Slytherin, gültig ab sofort. Ich habe schon an Gryffindor und Hufflepuff verteilt, um Ravenclaw kümmere ich mich jetzt auf dem Rückweg. Aber ich habe mir überlegt, dass du wenigstens auch etwas tun und sie an eure Vertrauensschüler weitergeben kannst.“
Sie wandte ihm den Rücken zu und ging.
Tief in Gedanken und sich schimpfend, dass sie sich von so einem Idioten ärgern ließ, lief sie durch die verworrenen Kellergänge bis zu den Klassenzimmern. Sie hatte nicht gehört, dass ihr jemand folgte, also war sie mehr als nur ein wenig überrascht – gefolgt von wütend, und wenn sie ganz ehrlich war auch ein wenig verängstigt – als sie plötzlich in ein Klassenzimmer geschubst wurde und die Tür hinter sich ins Schloss fallen hörte.
Sie stolperte, fing sich aber und wirbelte herum, um der Person gehörig die Meinung zu sagen und vielleicht auch ihren Zauberstab sprechen zu lassen, als sie erkannt, wer da an der Tür lehnte.
„Malfoy? Was zur Hölle soll das werden?“
„Du solltest hier unten mehr auf der Hut sein.“
„Der Einzige, der mich angreift, bist du!“
„Und du machst es mir echt zu leicht.“
„Würdest du mir bitte erklären, warum du unbedingt willst, dass ich dir einen Fluch auf den Hals hexe?“
Seine Lippen zuckten belustigt. „Du fühlst dich wirklich durch mich bedroht?“
„Worum geht es hier?“
„Darum dass du verdammt dämlich bist!“
Hermine rollte mit den Augen. „Willst du die Liste jetzt also fortsetzen? Sehr schön, Malfoy. Wirklich. Bist du fertig?“ Sie versuchte, um ihn herum zu kommen, aber er bewegte sich nicht und sie wollte ihm wirklich nicht zu nahe kommen.
„Potter hat mich heute besucht und sich mit mir unterhalten“, erzählte er ihr im Plauderton. „Weißt du, ich glaube, der Kerl hat sollte sich einen anderen Weasley aussuchen. Aber davon abgesehen hat er erzählt, dass dich verletzt hat, was ich gesagt habe.“
Hermine spürte, wie ihr Gesicht vor Scham glühte. Sie würde Harry verfluchen. „Mich hat verärgert, was du gesagt hast.“
„Nein, ich glaube, es hat dich verletzt.“
Ihr gingen ein paar neue Schimpfwörter für ihn durch den Kopf. „Es hat mich verärgert.“
„Leugne es, solange du willst“, sagte er und klang selbst sehr verärgert. „Aber ich weiß, dass meine Worte dich getroffen haben. Wie dumm ist das denn?“
Was sollte das? Konnte er sie nicht in Ruhe lassen? „Warum schreist du mich jetzt an?“
„Weil du es besser wissen solltest, Granger!“
Sie machte ein frustriertes Geräusch. „Was genau sollte ich denn wissen? Denn - um dir die Wahrheit zu sagen - ich habe keine Ahnung! Wenn du was sagen willst, dann sag es!“
Er knurrte sie an, fasste sich dann aber wieder. „Es stehen genug Jungs auf dich, dass du wissen solltest, dass meine Worte über dein Aussehen nichts weiter als Drachenmist waren.“
„Gut, vielleicht habe ich mich etwas unsicher gefühlt.“ Sie verschränkte die Arme abwehrend vor ihrer Brust. „Aber ich bin darüber hinweg! Harry hatte kein Recht, sich einzumischen. Sind wir jetzt fertig?“
„Nein, da gibt es eigentlich noch etwas, was ich dir sagen wollte.“
Oh, das würde sicher lustig werden, das wusste sie jetzt schon. „Und zwar…?“
„Du weißt, dass ich nicht…“ Er brach ab, suchte anscheinend nach den richtigen Worten.
Sie tröstete sich an seinem Unbehagen, als ihre Übelkeit Oberhand zu gewinnen schien. „Nicht… was? Ich wusste gar nicht, dass du so ein Weichei bist, Malfoy. Ich meine, gut, ich wusste es natürlich, aber-“
„Eine Beziehung mit dir kommt nicht in Frage. Niemals“, unterbrach er sie.
Hermine fühlte sich, als hätte er sie auf magische Art gelähmt. Das war direkt. „Ich wüsste nicht, dass ich dich darum gebeten hätte“, antwortete sie schließlich. „Ich wüsste außerdem nicht im Geringsten, dass ich jemals etwas gesagt oder getan hätte, was dich glauben ließe, dass ich eine Beziehung mit dir wollen könnte.“ Außer dieses eine Mal, als sie ihn gebeten hatte, mit ihr zu schlafen. Die Übelkeit nahm zu.
Er zuckte mit den Schultern. „Theo hat mich angemotzt, weil ich dir falsche Hoffnungen mache.“
Theo? Was ging das Theo an? „Gut. Schön, dass wir das geklärt haben.“
Sie war verwirrt, dass Draco ihr tatsächlich gefolgt war und sie angehalten hatte, um ihr zu sagen, dass er niemals eine Beziehung mit ihr führen würde. Sie wollte nicht mit ihm zusammen sein, und außerdem wusste sie das sowieso schon. Sie hatte es immer gewusst. Ihm wurde beigebracht, dass sie unter seiner Würde war und dass er eine reinblütige Hexe heiraten musste, um die Reinheit des Stammbaums zu garantieren.
Ein paar Monate sexueller Begierde für eine Muggel-geborene Hexe würden das nicht ändern.
Das wusste sie.
Sie hatte es immer gewusst.
Er musste es ihr nicht auch noch sagen.
+++++
Draco sah, wie Hermine ihn anfunkelte. Sie schien nur überrascht, dass er es aussprach, nicht, dass er so dachte. Das tat weh. Er wollte sie so gern schütteln und sie fragen, was zur Hölle sie von ihm dachte, wenn sie so etwas nicht einmal überraschte, aber das wäre ziemlich seltsam, da er sich damit widersprechen würde. Schon wieder. Außerdem hatte sie ihm ja bereits mitgeteilt, was sie von ihm hielt, oder?
Aber sie könnte wenigstens ein bisschen den Eindruck machen, dass es sie bedrückte. Dass sie es gerne anders hätte. Dass sie gerne mit ihm zusammen wäre.
Verstand sie nicht, dass es ihm schwer fiel, sich von ihr fernzuhalten? Dass er sie so sehr wollte, dass er kaum geradeaus schauen konnte? Es war eine schlechte Idee, sie allein abzupassen, aber ihm gefiel nicht, dass sie verletzt war, nur weil er gedankenlos ein paar Dinge gesagt hatte. Er war ein Trottel und das sollte sie wissen.
So wie sie ihn gerade ansah, wusste sie es sehr genau.
Zu genau.
Und schon widersprach er sich wieder.
„Was ich in deinem Zimmer gesagt habe-“, begann er.
„Ich habe gesagt, ich bin darüber hinweg!“ Sie schien heute nicht viel Geduld mit ihm zu haben. Wer konnte ihr das übel nehmen? Er brachte in letzter Zeit alles falsch rüber.
„Ja, aber der Unterschied zwischen dem, was du und dem, was ich gesagt habe-“
„War, dass deine Aussage unglaublich oberflächlich war?“, riet sie höhnisch.
„Hey, mich als Mistkerl zu bezeichnen ist auch nicht gerade tiefsinnig, okay?“, widersprach er mit einem bösen Blick. „Aber der Unterschied war, dass deine Worte deine Meinung von mir ausgedrückt haben. Es ist auch möglich, die Fehler einer Person zu sehen und sie trotzdem zu mögen. Niemand ist perfekt.“
Sie schnaubte und sah ihn von oben herab an. „Du magst mich nicht. Du willst mich.“
„Das eine schließt das andere nicht aus.“ Er wünschte, es wäre so.
„In deinem Fall schon. Wenn du mich wirklich mögen würdest, hättest du dich schon vor langer Zeit zurückgezogen.“
Er schloss die Augen. „Ich versuche es ja.“
„Ach ja?“, fragte sie, stellte sich direkt vor ihn und flüsterte ihm ins Ohr. „Und wenn ich heute Nacht auf dein Zimmer komme? Ziehst du dich dann auch zurück?“
Seine Augen flogen auf und er starrte sie an, unfähig zu antworten. Mit einem kleinen Grinsen griff sie hinter ihn, öffnete die Tür und verschwand.
Er wusste, dass sie nicht auf sein Zimmer kommen würde; wirklich! Nie im Leben würde sie das noch einmal machen.
Dennoch hatte er in dieser Nacht Probleme mit dem Einschlafen.
Diese Hexe kannte kein Mitleid.
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„So!“ Blaise ließ sich Draco gegenüber in den Sessel fallen. „Mir ist etwas Komisches passiert. Tracey hat beschlossen, mir noch eine Chance zu geben. Sie ist zwar sehr vorsichtig, natürlich, aber sie lässt sich darauf ein.“
„Das ist gut“, antwortete Draco langsam.
„Ja.“ Blaise streckte sich lässig. „Und das passend zum Valentinstag.“
„Toll.“
„Die Sache ist die… das würde sie nie tun.“ Blaise beobachtete Draco aufmerksam.
„Hm?“ Draco beschloss, es wäre am besten, unschuldig zu wirken. Oder am sichersten. Er mochte seine Gliedmaßen.
„Was hast du getan? Sie bedroht oder bestochen?“, fragte Blaise ruhig.
Mist. Draco saß in der Klemme. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
„Ich mag es nicht, wenn du sie bedrohst.“ Blaise runzelte die Stirn.
„Ich habe sie nicht bedroht.“ Das stimmte wenigstens.
„Gut! Der Gedanke hat mir wirklich nicht gefallen, nachdem sie ja irgendwann unsere Kinder gebären soll. Du verstehst schon.“
„Oh, und dass ich sie bestochen haben könnte, gefällt dir?“
„Ja, das ist brillant!“ Blaise war begeistert.
Draco starrte ihn mit dem Gefühl an, etwas verpasst zu haben. „Wie bitte?“
„Das ist für sie ein Anreiz mit mir zusammen zu sein, den sie vorher nicht hatte. Und diese neue Kein-Sex-Regel ist auch klasse, weil ihr so vielleicht auch auffällt, dass sie mich auch außerhalb des Schlafzimmers mag. Dann können wir auch wieder Sex haben.“
„Äh… Okay.“ Draco hatte das Gefühl, in einem Paralleluniversum gelandet zu sein.
„Das klappt vielleicht sogar besser als vorher“, fuhr Blaise fort, „weil sie sich endlich mal nicht gegen alles sträubt. Ich bekomme endlich eine gerechte Chance!“
„Warte… also… du bist wirklich glücklich damit, dass ich, ähm, sie angeblich bestochen habe?“
Blaise schnaubte und winkte ab. „Du weißt, dass du das getan hast. War es Geld? Ja, ich wette, es war Geld. Tracey hat nicht allzu viel davon, auch wenn sie das gern hätte. Ich kann es dir zurückzahlen. Ich habe immer noch Zugriff auf die Konten meiner Mutter.“
„Ist dir eigentlich vollkommen egal, warum sie mit dir zusammen ist?“, fragte Draco ungläubig.
Blaise starrte Draco an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. „Du verbringst zu viel Zeit mit Gryffindors, Mann. Ich bekomme, was ich will. Wen interessiert der Grund? Niemand hat sie gezwungen, das Geld zu nehmen, oder? Sie kriegt, was sie will; ich kriege, was ich will; alle sind glücklich.“
„Aber-“
„Ich kriege meine Chance. Das reicht mir.“
Draco zögerte. „Also… wir vertragen uns wieder?“
„Wir vertragen uns wieder.“
Gut. Das war leichter gewesen, als Draco erwartet hätte.
„Aber was dich und Granger betrifft…“, fuhr Blaise fort.
Und plötzlich fiel Draco wieder ein, warum es auch ganz gut sein konnte, wenn Blaise sauer auf ihn war und er erinnerte sich an die schöne Zeit, als Blaise nicht mit ihm sprechen wollte.
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„Warum sagt mir niemand, wer es ist?“, jammerte Harry zwecklos vor Hermine.
„Es geht dich nichts an, Harry“, bemerkte Hermine spitz. Sie hätte wissen sollen, dass es nicht sehr produktiv sein würde, im Gemeinschaftsraum ihre Hausaufgaben zu machen. „Es geht nur Ron etwas an, wen er mag.“
„Aber ich bin sein bester Freund! Verdiene ich es nicht, es zu wissen?“
„Nein.“
„Das ist nicht sehr nett.“
Hermine rieb sich müde die Schläfen. „Und wie lange nervst du uns jetzt schon damit? Find dich damit ab.“
„Ich will nur wissen, zu wem ich nett sein soll.“ Jetzt wollte er argumentieren? Zu dumm, dass seine Logik Lücken aufwies.
„Zu allen. Sei nett zu allen.“
Harry schnaubte. „Die machen es einem nicht gerade leicht, weißt du?“
„Ich weiß. Aber solltest du nicht mehr Größe beweisen?“
„Ist sie in unserem Jahr? Sag mir zumindest das.“
Hermine rollte mit den Augen. Sicher. Weil es nicht eindeutig wäre, die Auswahl auf vier Mädchen zu begrenzen, von denen eines Millicent Bulstrode war. „Nein.“
„Nein, du willst es nicht sagen? Oder nein, sie ist nicht in unserem Jahr?“ Harry suchte weiter nach Hinweisen.
Sie funkelte ihn an. „Nein, halte deine Nase aus fremden Angelegenheiten raus!“
„Aber-“
„Was willst du denn tun, wenn ich es dir sage? Sie darauf ansprechen? Rons Gefühle ohne seine Zustimmung verraten und ihn damit völlig blamieren?“
Harry wand sich unter ihrem bösen Blick. „Uups.“
„Wie konntest du das tun?“
„Ich wollte nur wissen, was er getan-“
Hermine stand auf und sammelte ihre Sachen ein. „Weißt du was? Du kannst nicht alles wissen! Weder über Ron, noch über mich. Kümmere dich um dein Leben.“
„Hey, ich habe mit Ginny gesprochen und mich entschuldigt, aber jetzt sagt sie, sie weiß nicht, ob sie mich zurück will.“
Seinem Geständnis folgte eine kurze, peinliche Pause. Hermine hatte nicht gewusst, dass Harry gerade auf sein Urteil wartete und er tat ihr leid, aber er hatte es sich mit seiner Trödelei irgendwie selbst eingebrockt. Jede Frau mit einem bisschen Selbstachtung hätte nach der Behandlung, die Harry Ginny zuteil werden ließ, Zweifel.
„Na, dann… Dann kümmere dich darum, statt deine Nase in Sachen reinzustecken, die dich nichts angehen!“
„Aber das habe ich schon versucht!“
Sie stöhnte innerlich. „Das heißt nicht, dass du es nicht weiter versuchen musst. Entscheide dich, ob du sie willst oder nicht, und dann verhalte dich dementsprechend!“
Harry seufzte und beschloss anscheinend, dass Thema auf sich beruhen zu lassen. „Abgesehen von meiner Beziehung, seid ihr beide mir eben wichtig. Mir gefällt nicht, dass ich nicht mehr genau weiß, was bei euch so läuft.“
Hermine wurde sanfter. „Nichts läuft, wirklich. Ron wird dir sicher sagen, wenn etwas Wichtiges passiert.“
„Und du?“
„Ich habe dir von Theo erzählt, oder nicht?“
Harry nickte knapp. „Und was ist diese Sache mit Malfoy?“
Hermine starrte ihn ein paar Sekunden mit offenem Mund an. „Es gibt keine Sache!“
„Warum verletzt es dich so, wenn er dich nur beleidigt hat?“, fragte er.
Sie stammelte etwas, bevor sie ausrief, „Weil ich meine Tage habe!“
Das beendete das Thema effektiv und Hermine war froh über die Ausrede. Auch wenn es gelogen war. Aber sie musste irgendwas sagen, oder?
Wer brauchte schon einen klaren Verstand, wenn man solche Rechtfertigungen hatte?
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Vorschau
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„Du glaubst inzwischen tatsächlich, dass du eine Chance hast, oder?“ Theos Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln.
Draco seufzte. Das Thema. „Du weißt, dass es egal ist.“
„Wenn dir das Geld so wichtig ist, dass dir durch die Lappen gehen könnte, wenn du jemand Unpassenden heiratest, warum bringst du dann nicht das andere Opfer?“, fragte Theo ruhig.
Draco war erstaunt. „Du… du weißt davon?“
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