von Godess_Artemis
Zwiegespalten
Er fühlte sich innerlich wie zerrissen. Da war Freude und Angst zu gleichen Teilen in ihm, wenn sein Freund bei ihm war.
„Freund“, dachte Albus zweifelnd, „Konnte er sich wirklich als solcher für ihn - für Gellert - bezeichnen?“
Er hatte bisher keine wirkliche Freundschaft zu jemand anderem aufzubauen versucht, immer waren sie alle auf IHN zugekommen, ob aus Neugierde oder um etwas von seinem Ruhm abzubekommen. Er war es gewohnt, dass man etwas von ihm erwartete und wenn er diese Erwartungen erfüllte bekam er dann was er wollte.
Eine Auszeichnung, gesellschaftliche Anerkennung, einen gutbezahlten Job, Freunde und voraussichtlich auch eine Frau, mit der er irgendwann eine Familie gründen würde.
Aber seine Freundschaft zu Gellert funktionierte nicht auf dieser Basis, Albus wollte nicht dass der Jüngere herausfand, dass er all das was dieser ihm gab nie würde aufwiegen können - egal mit was er bezahlen würde: seinem Stolz, seinem Talent oder seinem Wissen. Gellert besaß davon selbst zur Genüge und Albus bewunderte ihn dafür wie anders und doch ähnlich sie sich in manchen Wesensarten waren.
Vielleicht fühlte er sich deshalb auch so stark von dem Großneffen seiner Nachbarin Bathilda Bagshot angezogen, immerhin passierte es zum ersten Mal, dass es jemanden gab der ihm geistig ebenbürtig war und ihn zu verstehen schien. Doch so sehr wie Albus es freute, dass es jemanden gab, der ihn durchschaute, machte es ihm auch Angst, falls Gellert ihn ganz verstehen würde. Es gab so vieles, das Albus an sich selbst nicht verstand, mit dem er zuerst selbst einmal klarkommen musste, bevor er jemand anderen damit konfrontieren konnte. Und Gellert zählte eindeutig zu den Personen, die einige Seiten seiner Persönlichkeit lieber nicht zu sehen bekamen, denn Albus befürchtete, dass es zu unangenehmen und vor allem für ihn peinlichen Zwischenfällen kommen könnte.
Er sollte einfach zufrieden sein, mit dem was er bekommen hatte und nicht noch mehr fordern. Mehr würde nur bedeuten einen größeren Verlust am Ende verkraften zu müssen, wenn die Sommerferien vorbei waren. Deswegen machte er sich auch keine Illusionen, zumindest nicht tagsüber wenn er sich beherrschen konnte. Aber er konnte sich ja schlecht verbieten von einer Zukunft zu träumen, in welcher er dem Jüngeren aus Godric`s Hollow hinaus folgte, um die weite Welt für sie beide zu erobern.
Natürlich könnte er einen der verschwommen in seinem Gehirn angereiften Pläne in die Tat umsetzen und versuchen Gellert für sich zu erobern, zur Abwechslung mal nicht wegen ihres Planes wegen der Heiligtümer und der Herrschaft der Zauberer, sondern für sich selbst als Mann an seiner Seite. Allerdings würde eine Niederlage ihn wohl lange schmerzen und die Reaktion des anderen ließ ihn auch davor fürchten.
Was Gellert wohl für ein Gesicht machen würde?
Oder ob er einfach darüber hinweg gehen würde als hätte er nichts gehört, wie man es eben mit unangenehmen Wahrheiten oft tat?
Selbst wenn Gellert ihn wie durch ein Wunder nicht verachten würde, ihre Freundschaft würde in Frage stehen und Albus war sich auch nicht sicher ob er es ertragen könnte, an der Seite seines Schwarms zu sein, wenn dieser von seinen Neigungen wusste.
Vielleicht würde er nur unbeholfen damit umgehen können und zu spüren, dass da eine gewisse Mauer zwischen ihnen stünde, wäre doch nur schmerzhafter wie ein sofortiger Totalentzug von Gellert's Gegenwart.
Zu schweigen war noch die beste Lösung, nur manchmal fühlte es sich von Grund auf falsch an stillzuhalten und abzuwarten wie sich die Situation entwickeln würde. Zu diesen Zeiten würde es Albus besonders schwer fallen die Worte, die ihm schon auf der Zunge lagen, mühsam hinunterzuschlucken und gütig lächelnd wie ein Schokoladenonkel Gellert`s Aufmerksamkeit zu genießen. Am schwersten waren die Momente für Albus, wenn Gellert nicht da war - was an sich glücklicherweise selten vorkam - besonders spät abends, kurz nachdem sie sich für diesen Tag voneinander verabschiedet hatten, und jeder in sein eigenes Haus zurückkehrte um wenigstens ein paar Stunden Schlaf nachzuholen. Letzte Nacht hatte Albus so ein gewaltiges Gefühl der Trostlosigkeit seiner Lage überschwemmt, dass er sogar so tief hinab gesunken war, eines der Sofakissen, auf welchen sie gesessen hatten hinauf mit in seine Dachkammer zu nehmen, um Gellert`s Geruch selbst im Schlaf in der Nase zu haben, wenn er schon das Original nicht im Arm halten konnte.
Albus fragte sich wie lange er es vor Gellert noch geheim halten konnte. Bis zum Ende der Sommerferien oder sollte er es vorher doch darauf ankommen lassen? Seine Gedanken kreisten immer unaufhörlicher um alles was mit dem hübschen Blondschopf zu tun hatte. In seinem Kopf hatte er sich die Worte für sein Geständnis schon tausende Mal zurechtgelegt und im entscheidenden Augenblick wieder verworfen. Hatte sich selbst eingeredet, dass er einen besseren Zeitpunkt abwarten müsse. Doch der würde wohl nie von selbst kommen und ihm lief unbarmherzig die Zeit davon, die Hälfte der Ferien war schon überschritten.
Selbst als das große Unglück am Ende ihrer Freundschaft geschah brachte es Albus nicht über sich, die Wahrheit zu sagen. Schlimmer noch - nun wurde auch alles was bisher zwischen ihnen gewesen war nichtig. Denn Gellert war mit dieser Tat zum endgültigen Verbrecher geworden. Jemand mit dem niemand befreundet sein wollte. Geschweige denn jemand zum Verlie-..?
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