von Jolie Black
Kapitel 24
„Jetzt bist du dran“, sagte Ron zu Sirius.
„Was meinst du damit?“
„Ja, jetzt hast du all unsere Neuigkeiten gehört, jetzt erzähl uns von dir!“ ermunterte Hermine ihn.
„Und erklär mal, was es mit diesem Haus auf sich hat“, fügte Ron hinzu. „Es ist nämlich reichlich gruselig.“
Hermine warf ihm einen Blick zu, der Mrs Weasley alle Ehre gemacht hätte.
„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, sagte Sirius. „Ich dachte, es wäre eine gute Idee, hier das Hauptquartier des Ordens aufzuschlagen, und Albus Dumbledore dachte das auch, also kamen wir her. Seitdem habe ich eigentlich nichts Spannendes mehr erlebt. Ich komme ja auch nicht viel raus.“
Aber seine drei jungen Freunde wollten keinen Moment glauben, dass es etwas Spannenderes geben könnte, als ein Hauptquartier für eine geheime Untergrundorganisation aufzubauen.
„Also der Orden“, sagte Ron und senkte dabei ehrfürchtig die Stimme, „ich meine, ihr benutzt dieses Haus also als Basis für all eure Aktionen? Ihr haltet hier all eure geheimen Versammlungen ab und so?“
„Nun freut euch mal nicht zu früh“, sagte Sirius trocken. „Ja, wir treffen uns hier, wie ihr bald sehen werdet, aber nur ungefähr einmal in der Woche, und manchmal schaut tagelang überhaupt niemand vorbei. Kommt darauf an, wie viel zu tun ist.“
„Und was ist so zu tun?“ fragte Ginny neugierig.
Sirius lachte auf. „Hier? Kochen, putzen, lesen und schlafen. Ehrlich, Ginny, der Orden gibt sich große Mühe, seine Aktivitäten geheim zu halten. Ich glaube nicht, dass eure Mutter begeistert wäre, wenn ich euch einen ausführlichen Bericht erstatten würde.“
„Wer ist denn noch alles im Orden?“ probierte es Ron mit einer anderen Frage.
„Eine Mitgliederliste bekommt ihr von mir sicher auch nicht.“
Auf den Gesichtern seiner jungen Freunde breitete sich Enttäuschung aus.
„Hört mal zu, ihr drei”, sagte Sirius und hoffte, dass sie es auch wirklich tun würden. „Das ist nicht, weil ihr zu klein seid, oder weil ihr es nicht versteht, oder weil die Erwachsenen so gerne Geheimnisse vor euch haben. Es ist zu eurem eigenen Schutz. Was ihr nicht wisst, das kann man auch nicht aus euch herauslocken. Das solltet ihr euch hin und wieder klarmachen. Und jetzt gehen wir runter in die Küche und sehen nach, ob wir eurer Mutter mit dem Essen helfen können, okay?“
Seine Warnung hatte Eindruck gemacht. Die drei stellten keine Fragen mehr, sondern verließen das Zimmer im Gänsemarsch. Draußen im Flur trafen sie auf Fred und George, die bisher verdächtig still in ihrem eigenen Zimmer gesessen hatten.
„Dieses Haus ist total abgefahren“, sagte Fred ehrfürchtig. „Wie bist du bloß daran geraten, Sirius?“
„Ich habe gewartet, bis meine Eltern tot waren“, sagte Sirius trocken. „Es ist immer noch abgefahren genug ohne sie. So, nur dass ihr Bescheid wisst.“ Er zeigte auf die Tür zu seiner Rechten. „Dieses Zimmer ist absolut tabu für euch, es sei denn, ihr wollt als Hippogreifenfutter enden. Wenn ihr komische Geräusche da drinnen hört, ist es nur Seidenschnabel, der mit den Flügeln schlägt.“
„Oh, Seidenschnabel ist hier?“ rief Hermine aufgeregt. „Können wir ihm nicht hallo sagen, Sirius?“
„Später. Ihr sollt erst wissen, was sich hinter den anderen Türen verbirgt.“ Er zeigte die Treppe hinauf in Richtung Dachboden. „Da oben kommt nichts mehr, da braucht ihr euch also nicht rumzutreiben.“ Dann setzte er sich in Bewegung, und sie folgten ihm hinunter in den zweiten Stock. „Dieses Zimmer - “ Er zeigte auf die Tür zum früheren Zimmer seines Vaters. „Dies ist Lupins, das heißt, es ist genauso tabu für euch wie das von Seidenschnabel, besonders bei Vollmond.“
„Professor Lupin ist auch hier?“ fragte einer der Zwillinge.
„Cool“, sagte der andere.
Ginny dagegen schien kurz davor, in Panik zu geraten. „Aber er wird doch nicht hier sein, wenn - “
„Nein, wird er wohl nicht“, beruhigte sie Sirius. Hin und wieder vergaß er einfach, dass die meisten anderen Zauberer es für vollkommen verrückt hielten, eine Vollmondnacht unter einem Dach mit einem Werwolf zu verbringen, selbst mit einem Werwolf im Wolfsbann. “Wie auch immer, fallt ihm bitte nicht auf die Nerven, wenn er hier ist. Er ist ziemlich beschäftigt im Moment. Das gilt übrigens für den Rest des Ordens auch. Ihr habt hier im Haus die allermeiste Zeit völlig freie Bahn, also versucht, uns nicht in die Quere zu kommen, wenn die anderen hier sind.“
Fünf Köpfe nickten zustimmend. „Wir passen auf“, sagte Hermine für alle.
„Gut. Das Zimmer nebenan ist die Bibliothek“, fuhr Sirius fort. „Wenn ihr vorhaben solltet, Hausaufgaben zu machen oder für eure Prüfungen zu lernen, dann findet ihr hier Bücher.“
Er hatte es ironisch gemeint, aber Hermine hüpfte förmlich auf und ab vor Aufregung. „Darf ich? Wirklich?“
„Wenn wir all die Bücher rausgeworfen haben, die dir die Augen ausbrennen oder die Finger abbeißen könnten, dann ja.“
Hermines Begeisterung verflog schlagartig. Ginny machte ein erschrockenes Geräusch.
„Du machst Witze“, sagte Ron.
„Mache ich nicht“, gab Sirius zurück. „Ich habe euch gewarnt. Rührt in diesem Haus nichts an, das wir uns nicht vorher kritisch angeschaut haben. Ich kenne selbst noch nicht mal die Hälfte all der unangenehmen Überraschungen, die hier lauern können. Es darf niemand von euch im St. Mungo landen, wir können nicht riskieren, dass die Heiler eurer Mutter unangenehme Fragen stellen. Also seid vorsichtig, und macht das Leben hier für alle nicht komplizierter, als es ohnehin schon ist.“
Sie folgten ihm die Treppe hinunter in die Halle, vorbei an den grimmigen Schrumpfköpfen an der Wand.
„Pfui.“ Ginny schüttelte sich.
„Warum sollte jemand Schrumpfköpfe sammeln?“ wunderte sich Ron.
Hermine zwang sich, sie genauer anzusehen. „Sind das - sind das Hauselfen?“ fragte sie im Flüsterton.
Sirius nickte.
„Und wo kommen die her?“
„Sie haben alle mal der Familie gedient.“
„Deine Familie hatte Hauselfen?“
Sirius konnte sehen, wie Ron hinter Hermines Rücken die Augen rollte. „Ja klar“, sagte er. „Die meisten alten Zaubererfamilien haben welche, Hermine.“
„Und dann hängen sie ihre Köpfe an der Wand auf, wenn sie sterben?“ Hermine sah entsetzt aus.
„Nein, das ist eine Spezialität aus dem Hause Black“, sagte Sirius trocken.
„Das ist aber ziemlich krank!“
Sirius beschloss, Hermine in die wirklich kranken Details der Geschichte gar nicht erst einzuweihen.
„Hör doch auf, Hermine“, sagte Fred genervt. „Wer für die Rechte von toten Hauselfen kämpft, hat echt zu viel überschüssige Energie.“
„Allerdings“, pflichtete George ihm bei. „Das musst sogar du zugeben.“
„Und das einzige noch lebende Exemplar in diesem Haus verdient deine Bemühungen noch viel weniger“, schloss Sirius.
„Du hast immer noch einen Hauselfen?“ rief Hermine entsetzt.
„Psst!“ zischte Ron.
„Du kannst mir glauben, wenn es nach mir ginge, dann hätte ich ihn schon längst nicht mehr“, sagte Sirius grimmig. „Ich wollte ihn rauswerfen, aber er weiß zuviel.“
„Aber er muss doch nicht mehr arbeiten, oder?“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Er hat die letzten zehn Jahre in diesem Haus nur herumgelungert, es ist langsam Zeit, dass er sich wieder erinnert, wofür er eigentlich hier ist. Warte nur, bis du ihn siehst“, sagte Sirius, als Hermine zum erneuten Protest ansetzte. „Ich möchte wirklich sehen, ob du immer noch Lust hast, für Elfenrechte kämpfen, wenn du erst mal Kreacher kennen gelernt hast.“
„Der Herr hat nach Kreacher gerufen?“ erklang eine leise, dünne Stimme aus dem Schatten der Eingangshalle. Der kleine alte Hauself der Blacks kam hinter einem großen Schirmständer in der Ecke der Halle hervorgekrochen, hinter dem er sich versteckt hatte. Seine großen, blassen Augen glommen schwach, als er zu Sirius und den Kindern aufblickte. „Der Herr hat Besuch“, murmelte er. „Freche Gören, trampeln im ganzen Haus herum, stecken überall ihre dreckigen Nasen rein…“
„Das musst du gerade sagen!“ fuhr Sirius ihn an. „Belauscht hast du uns!“
„Nicht belauscht, nein“, antwortete Kreacher. „Kreacher muss sich doch um die Gäste kümmern.“ Der Hauself starrte einen nach dem anderen mit seinen beunruhigend hellen Augen an und sank dann in eine tiefe Verbeugung. „Es müssen ihre sein“, hörten sie ihn murmeln. „Alles schreckliche Rotschöpfe, genau wie die Eltern, machen sich im Haus der Herrin breit, werfen das Eigentum der Herrin weg, dieser Abschaum…“
„Das reicht jetzt, Kreacher“, sagte Sirius streng.
„Kreacher“, sagte Hermine plötzlich in fast liebevollem Ton. „Kreacher, wir machen uns hier nicht breit. Wir sind nur zu Gast.“ Sie versuchte es mit einem Lächeln. „Ich bin Hermine Granger.“
„Granger?“ nuschelte der Elf und musterte sie misstrauisch. „Den Namen hat Kreacher noch nie gehört, das ist keine der alten Familien.“
„Oh nein, du kennst sie sicher nicht.“ Hermine wirkte hocherfreut, dass Kreacher ihr überhaupt zugehört hatte. „Meine Familie sind Muggel.“
Aber darauf reagierte Kreacher in einer Art und Weise, die sie sicher nicht erwartet hatte. „Muggel?“ wiederholte er und wandte sich von ihr ab. „Ein Schlammblut, das ist sie, ja, ein schmutziges Schlammblut.“
Sirius' Arm schoss nach vorne, und er packte den Hauselfen unsanft an der Schulter. „Halt deine dreckige Klappe!“ zischte er und schüttelte Kreacher heftig.
„Sirius, lass ihn!“ rief Hermine.
„Hermine, er hat gesagt - “ protestierte Ron.
„Ja, aber er weiß es doch wahrscheinlich nicht besser!“ Sie sah traurig auf das kleine Wesen herab, das sich in Sirius' Griff wand. „Lass ihn los, Sirius, bitte.“
„Wie du willst.“ Sirius gab Kreacher einen Stoß, so dass der Hauself ein paar Schritte zurückstolperte. Er fiel rücklings auf den Steinboden und jammerte vor Schmerz auf. Sirius warf ihm einen angewiderten Blick zu und wollte sich eben von ihm abwenden, da zeigte Ginny über seine Schulter hinweg den Gang herunter.
„Sirius, was macht er denn da?“
Sirius fuhr herum. Kreacher war ein kleines Stück weiter gekrochen, dorthin, wo die mottenzerfressenen Vorhänge vor der Wand hingen, und hatte deren untere Enden ergriffen. Ein bösartiges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„DAS TUST DU NICHT!“ donnerte Sirius und bereute es im gleichen Moment zutiefst. Denn schon beim ersten Klang seiner Stimme flogen die Vorhänge von selbst aus Kreachers langen, dürren Händen und gaben den Blick auf das Bildnis von Mrs Black frei. Ihre Augen traten ihr fast aus dem Kopf, als sie die rothaarigen Kinder erblickte, und sie schrie aus Leibeskräften.
„DRECKIGE BANDE, DIE MEIN HAUS BESUDELT! UND DU!“ Sie zeigte anklagend mit ihrem dicken Zeigefinger auf Sirius. „DU UNNATÜRLICHES KIND, WIE KANNST DU ES WAGEN, DIESEN ABSCHAUM IN MEIN HAUS ZU LASSEN! OH, DIESE SCHANDE, SCHANDE MEINES EIGENEN FLEISCHES UND BLUTES, DU BIST NICHT MEIN SOHN, DU - “
„Kommt schon“, rief Sirius den Weasleys zu, die wie angewurzelt dastanden. „Los, helft mir, zieht die Vorhänge zu!“
Endlich bewegten sich Fred und George. Mit vereinten Kräften schafften sie es, die Vorhänge wieder zu schließen. Ginny ließ Hermines Arm los, den sie fest umklammert hatte. Sie war ganz bleich geworden.
„Was war denn das?“ flüsterte Hermine in die plötzliche Stille.
„Ein schreiendes Porträt, falls dir das entgangen sein sollte“, gab Sirius zurück. „Und der Grund, warum wir keinen Krach in der Eingangshalle haben wollen.“
„Aber Sirius - “ Hermines Augen flogen zwischen ihm und den jetzt wieder ruhig dahängenden Vorhängen hin und her. „Sie sagte, Du wärst nicht ihr - ihr - “
„Damit hat sie leider unrecht“, sagte Sirius sarkastisch. „Rein technisch betrachtet bin ich es nämlich leider doch.“
Ein betretenes Schweigen trat ein.
„Ach du meine Güte”, flüsterte Fred dann fast ehrfürchtig. „Und ich dachte immer, unsere Mutter schreit schon schlimm genug.“
* * *
Das Mittagessen war eine bedrückende Veranstaltung. Mrs Weasley empfing ihre Kinder mit sehr bösen Blicken, als sie die Küche betraten. Sirius erklärte ihr gleich, dass er es gewesen war, der Mrs Black aufgeschreckt hatte, aber sie glaubt ihm offensichtlich kein Wort.
Niemand hatte Appetit, und geredet wurde noch weniger als gegessen. Sirius hatte den Eindruck, dass die jungen Weasleys seinen Blicken auswichen, und er hatte wahrlich genug eigene Sorgen, um auch noch höfliche Konversation zu betreiben und so zu tun, als sei alles in schönster Ordnung.
Als sie mit dem Essen fertig waren, rekrutierte Mrs Weasley Fred und George für den Abwasch. „Kommt schon, ihr zwei, ihr könnt euch auch mal nützlich machen“, sagte sie, stand auf und deckte den Tisch ab.
Aber Fred und George hatten an ihrem Tischende bereits die Köpfe verschwörerisch zusammengesteckt und brüteten über einem Bündel Pergamentrollen, das sie mitgebracht hatten. „Das können Ginny und Ron machen“, sagte George wegwerfend.
Ginny begann zu protestieren. Mrs Weasleys Augen blitzten gefährlich. „Wenn ich sage, dass ihr mir mit dem Abwasch helft - “
„Wir sind volljährig, Mum, also hör auf, uns rumzukommandieren”, sagte Fred mürrisch.
Ihre Mutter stemmte die Hände in die Hüften. „So lange wenigstens ihr zwei noch unter meinem Dach lebt - “ begann sie sehr laut. Ron und Hermine wechselten einen alarmierten Blick.
„Das hier ist nicht dein Dach, Mum“, sagte George altklug, „es ist Sirius' Dach.“ Die Zwillinge grinsten einander an.
„Dann könntet ihr wenigstens ein bisschen Rücksicht auf euren Gastgeber nehmen und - “
„Unser Gastgeber hat einen Hauselfen, Mum.“
„Das ist aber kein Grund, frech zu werden!“
„Ach komm“, sagte Fred zu George und rollte die Augen. „Lass uns abhauen.“ Es gab einen lauten Knall, und einen Augenblick später waren die Zwillinge mitsamt ihren Pergamentrollen verschwunden.
Mrs Weasley seufzte auf. „Hoffnungslose Fälle!“ rief sie verärgert. „Jetzt denken sie neuerdings auch noch, alle Probleme lösen sich, wenn sie sich einfach aus dem Staub machen!“
„Mrs Weasley, wir können Ihnen doch beim Abwaschen helfen“, sagte Hermine schnell und zupfte Ginny am Ärmel, die halbherzig nickte.
„Ich schäme mich wirklich für dieses Benehmen”, sagte Mrs Weasley zu Sirius. „Ehrlich, manchmal weiß ich einfach nicht, was wir bei den beiden falsch gemacht haben.“
„Mit denen ist gar nichts falsch gelaufen“, sagte Sirius nachdenklich. „Im Gegenteil, das ist ein Paar ganz schön cleverer Zauberer.“
„Clever?“ rief Mrs Weasley. „Na, wenn du all diesen Unsinn meinst, all diese sinnlosen Scherzartikel - “
„Die meine ich nicht“, sagte Sirius. „Ich frage mich eher, wie die beiden es gerade geschafft haben, aus einem appariersicheren Haus zu disapparieren.“
* * *
A/N: Da ist etwas schief gelaufen mit dem Upload... OK, dann gibt es heute zwei Kapitel, Nr. 24 und Nr. 25.
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