von Jolie Black
Kapitel 13
Niemand wagte zu atmen, bis Sirius - langsam und zögerlich und ohne den Blick von seinem Gegenüber abzuwenden - Kingsley Shacklebolts Hand ergriff.
Und der Raum explodierte.
Es war ein Aufschrei der Erleichterung. In einem einzigen Augenblick entlud sich alle Spannung, und alle Beklemmung löste sich in Luft auf. Plötzlich waren alle auf den Beinen, klatschten begeistert Beifall und drängten sich um Sirius, um dem Beispiel des Aurors zu folgen.
Kingsley Shacklebolt hatte das Eis gebrochen.
Sirius war im Nu umringt von einem Dutzend lachender Gesichter. Lupin umarmte ihn so fest, dass ihm die Luft wegblieb, und viele andere folgten. Sie schüttelten ihm die Hand, klopften ihm anerkennend auf die Schulter, schlossen ihn in die Arme wie einen verlorenen Sohn. Manche weinten sogar vor Rührung. Eine riesige warme Woge der Sympathie rollte über Sirius hinweg und riss ihn fast von den Füßen.
„Ich hätte niemals gedacht - niemals - “ schluchzte Emmeline Vance, während Elphias Doge mit würdevoller Miene Sirius' Hand schüttelte und nach den richtigen Worten zu suchen schien, ohne welche zu finden.
„Danke! Danke!“ stammelte Sturgis Podmore den Tränen nahe, ohne dass man erkennen konnte, wem er eigentlich dankte, und wofür.
„Es tut mir so leid! Es tut mir ja so leid!“ rief Hestia Jones ein ums andere Mal.
Bill Weasley gab Sirius einen herzhaften Klaps auf den Rücken. „Du hast es geschafft!“ strahlte er, während Mrs Weasley ihn schweigend in den Arm nahm und sich die Augen mit ihrem Taschentuch trocknete.
Sirius fand es unmöglich, klar zu denken. Da war er, von einem Augenblick zum anderen ein verachteter Verräter und ein lang verschollener Freund, von einer Sekunde auf die andere ein skrupelloser Killer und ein unschuldiges Opfer, ein Schurke und ein Held. Ihn schwindelte. Er fühlte sich wie berauscht.
„Woher - ?“ schaffte er schließlich, Kingsley Shacklebolt über Molly Weasleys feuerroten Kopf hinweg zu fragen.
„Woher ich weiß, dass die Geschichte stimmt?“ fragte Shacklebolt zurück und lachte in sich hinein. „Weil es die einzige Version ist, die wirklich Sinn macht. Die andere hat sowieso nie auf dein Profil gepasst.“
„Profil“, schnaubte Alastor Moody hinter ihm. „All dieser moderne Unsinn. Du brauchst deinen Instinkt, Shacklebolt, um zu spüren, ob jemand ein schwarzes Herz hat. Und der da - “ Er nickte in Sirius' Richtung. „ - der da hat eines aus purem Gold.“
„Mr Black!“ quiekte Dädalus Diggel aufgeregt, während er sich durch die Menge drängte und Sirius' Hand so fest drückte, als ob sein Leben davon abhinge. „Erlauben Sie mir - sollte der Zaubergamot jemals ein formelles Rehabilitierungsverfahren einleiten, dann wäre es eine Ehre für Diggel, Diggel und Hopfkirch - “
„Meinen Glückwunsch“, übertönte eine seidige Stimme hinter Sirius Diggels aufgekratzte Formalitäten. Sirius fuhr herum und fand sich Auge in Auge mit Severus Snape - dem einzigen im ganzen Raum, der nicht auch nur annähernd lächelte. „Ich sehe, du bist immer noch groß darin, Herzen im Sturm zu erobern.“ Snapes Stimme war noch immer leise, aber jetzt so scharf wie eine Messerklinge. „Du hast sie ja fast so schnell wiedergewonnen, wie du sie damals verloren hast. Und was das gar fürnehme Haus Black betrifft - “ Er blickte sich in der Küche um, und seine Lippen kräuselten sich verächtlich. „Es ist in der Tat ein herrschaftliches Anwesen. Du musst enorm stolz darauf sein.“
Sirius' Hände ballten sich zu Fäusten, aber er bekam keine Chance, zu antworten.
„Sirius! Hey, Sirius!“ Die junge Hexe mit dem strubbeligen Haar hatte sich einen Weg zu ihm gebahnt und ergriff seinen Arm, so dass sie die Kontrahenten trennte und Sirius wieder in die Feierstimmung zurückzog. „Erinnerst du dich denn nicht an mich?“ fragte sie aufgeregt, und sie lachte, während seine Gedanken rasten, wer sie sein konnte und woher er sie kennen mochte. „Oh, ich war noch klein damals. Schau, so!“ Für einen Augenblick zog sich ihr Gesicht in äußerster Konzentration zusammen, und dann war ihr kurzes Haar plötzlich lang gewachsen, und ihre Nase war geschrumpft, so dass nur noch eine alberne Stupsnase übrig blieb. Zusammen mit ihren blonden Rattenschwänzen sah sie nun aus wie ein kleines Schulmädchen.
„Nymphadora!“ rief Sirius, der zwar nicht das Schulmädchen erkannte, wohl aber ihre Fähigkeit, nach Belieben wie eines auszusehen.
„Genau, ich bin's! Aber sag Tonks. Alle nennen mich Tonks.“
„Wie kommst du hierher?“
„Durch die Tür, wie alle anderen auch”, grinste Tonks. „Mit Kingsley.“ Sie zeigte mit dem Daumen über die Schulter in Richtung Kingsley Shacklebolt, der jetzt in eine angeregte Unterhaltung mit Moody und Albus Dumbledore vertieft war. „Er ist mein Boss.“
„Du - du bist ein Auror?“ stotterte Sirius völlig verwirrt.
„Allerdings.“ Sie grinste wieder spitzbübisch. „Aber keine Angst, ich bin privat hier.“
„Du warst auch hinter mir her?“
„Oh nein, nein. Wir jüngeren bekommen doch nie die wirklich aufregenden Fälle… oh.“ Sie errötete. „Sorry, ich meinte - “
Sirius schüttelte den Kopf. Nicht genug, dass Dumbledore zu dieser Versammlung ausgerechnet die Auroren eingeladen hatte, die ihm seit zwei Jahren unaufhörlich auf den Fersen gewesen waren, und die nun, in dem Augenblick, als ihre Jagd sie ans Ziel geführt hatte, ihre Aufgabe für hinfällig erklärten - jetzt war einer von ihnen auch noch seine eigene Cousine!
„Stimmt was nicht?“ unterbrach Lupins Stimme den Wirrwarr seiner Gedanken.
„Oh, Remus“, sagte Sirius, froh über die Ablenkung. „Nymphadora, das ist Remus Lupin, wir sind Schulfreunde. Remus, das ist Nymphadora Tonks, sie ist auch Auror beim Ministerium.“
„Hi!“ sagte Tonks fröhlich und strahlte Lupin an. „Ich bin Tonks.“
Aber Lupin reagierte nicht. Er stand einfach nur da wie eine Statue und starrte Tonks an, als sei sie ein Traumbild.
„Nymphadora ist die Tochter von Andromeda Black“, erklärte Sirius und wunderte sich, was in seinen Freund gefahren sein mochte.
„Angenehm“, murmelte Lupin schließlich und streckte ihr förmlich die Hand hin.
„Oh, nicht immer“, grinste Tonks und ergriff sie. „Meine Mutter kann manchmal ganz schön nerven.“
Lupin lief rot an, aber jetzt schien er seine Stimme endgültig verloren zu haben.
„Ich weiß, das haben Sie nicht gemeint“, beruhigte ihn Tonks mit einem warmen Lächeln. „Nett, Sie kennen zu lernen.“ Sie ließ seine Hand los, und Lupin schaute auf sie herab, als wisse er nicht recht, was er damit anfangen sollte.
„Andromeda war immer meine Lieblingscousine”, sagte Sirius unbeholfen, nur um überhaupt irgend etwas zu sagen.
„Und du warst immer mein Lieblingsonkel”, zog Tonks ihn auf. „Einmal hast du für mich alle meine Puppen in Wichtel verwandelt. Meine Mum regt sich heute noch darüber auf.“
„Dabei bin ich gar nicht dein Onkel“, widersprach Sirius halbherzig. „Ich bin dein Cousin zweiten Grades mütterlicherseits oder so was.“
„Ist doch egal“, sagte Tonks gut gelaunt. „Du hast einen sehr überzeugenden Onkel abgegeben. Na, komm schon.“ Sie versetzte ihm einen freundlichen Rippenstoß. „Das ist lange her. Verwandlungen mache ich längst selbst. Und ich mochte dich wirklich immer gern. Und als Hund bist du sogar richtig süß. Ich meine - “ Sie brach ab und sah entschuldigend erst Sirius an und dann Lupin, der aus irgend einem unerfindlichen Grund noch immer unverwandt auf seine Hände hinabstarrte.
„Oh“, sagte Sirius ohne nachzudenken. „Dann warte erstmal, bis du Remus als Wolf siehst.“
Lupin hob ruckartig den Kopf. Sein Blick traf Sirius', und es war eine Traurigkeit darin, die auf Sirius ernüchternder wirkte als ein Eimer kaltes Wasser über den Kopf.
Sirius biss sich auf die Lippen, als ihm klar wurde, was er da gesagt hatte. Aber es war zu spät. Er fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss.
„Als Wolf?“ fragte Tonks Lupin unschuldig. „Wie cool! Sind Sie auch ein Animagus?“
„Nun ja”, antwortete Lupin langsam, und Sirius konnte hören, wie schwer es ihm fiel, seiner Stimme einen unbekümmerten Klang zu geben. „Man könnte es einen unfreiwilligen Animagus nennen, nehme ich an.“
Tonks runzelte die Stirn, aber dann verstand sie, und ihre Augen wurden weit. „Oh“, war alles, was sie sagte.
Eine peinliche Stille trat ein. Jetzt war Sirius an der Reihe, auf seine Hände herabzustarren, als ob es auf der Welt nichts Interessanteres gäbe. Keiner der drei bedauerte es, als Dumbledores Stimme sich plötzlich über das Stimmengewirr im Raum erhob und ihnen eine willkommene Entschuldigung gab, sich voneinander abzuwenden, um zuzuhören.
„Liebe Freunde!“ rief Dumbledore. „Ich darf noch einmal um eure Aufmerksamkeit bitten.“
Die Hexen und Zauberer verstummten nach und nach und kehrten an ihre Plätze zurück.
„Besten Dank, Sirius”, sagte Lupin eisig und marschierte an ihm vorbei zurück zu seinem Stuhl. Die Bitterkeit in seiner Stimme tat Sirius im Herzen weh.
* * *
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