Behind the curtain - Die letzte Chance
von tonkspatschig
Die letze Chance
„Rose!“, hörte ich meinen Namen rufen und blickte auf.
Gerade hatte ich die Absperrung zwischen Gleis 9 und 10 am Bahnhof Kings Cross durchquert und sah meinen Cousin und besten Freund Albus Potter vor dem scharlachroten Hogwarts-Express stehen und mich zu sich winken. Albus hatte schwarzes verstrubeltes Haar, war schlank und ein Stück größer als ich. Außerdem trug er eine Brille, durch die man zwei wunderschöne hellgrüne Augen blicken sehen konnte. Wenn man den Gerüchten traute, sah er fast genauso aus wie sein Vater, Harry Potter, als er vierzehn war. Zusammen mit Albus würde ich ab heute die vierte Klasse in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, besuchen.
Kaum war ich bei Albus angekommen, traten auch schon der Rest der Familie nach und nach durch die Absperrung: Mein kleiner braunhaariger Bruder Hugo zusammen mit seiner Cousine und Als kleiner Schwester Lily, die lange rote Haare trug wie ihre Mutter- die beiden stritten sich wie immer, Als großer Bruder James, der ihm, wenn man von der Brille und den Augen absah, sogar ziemlich ähnlich sah, aber einen ganz anderen, ungezogenen Charakter hatte und schließlich unser beider Eltern, die zu ihrer Zeit auf Hogwarts beste Freunde waren. Mein Vater und Als Mutter waren Geschwister, was die Verwandtschaftsverhältnisse klärt.
Ich selbst war nicht zu klein und nicht zu groß, hatte dunkle rote Locken und braune Augen. Mein Gesicht, und das störte mich schon seit Ewigkeiten, hatte die ein-oder-andere Sommersprosse zu viel auf der Nase.
Als wir alle beisammen waren, hatten wir noch zehn Minuten, um uns von unseren Eltern, Tanten und Onkeln zu verabschieden, ehe wir bis Weihnachten nach Hogwarts fahren würden.
„Bis dann mein Schatz und sei auch weiterhin so fleißig.“, sagte meine Mutter zu mir, bevor sie mir einen Kuss auf die Stirn gab und mich in ihrer Arme schloss.
„Keine Sorge, Mum, das werde ich.“, vergewisserte ich ihr, woraufhin mir mein Vater zum Abschied den Kopf tätschelte und meinte: „Dass du dich bloß nicht von Malfoy Jr. einschüchtern lässt, Rosie, du bist viel besser als er.“
„Ron!“, rief meine Mutter empört.
Das ging nun schon seit Jahren so, genaugenommen seit meinem ersten Tag in Hogwarts. Scorpius Malfoy, ein Slytherin, war der Sohn eines ehemaligen Erzfeindes meiner Familie und mein Vater versuchte nun über mich, sich bei eben diesem Erzfeind, für all die Jahre des Spottes zu revanchieren, sehr zum Missfallen meiner Mutter, die fest der Meinung war, „die Zeit der Rivalität zwischen Slytherin und Gryffindor sei längst vorbei “ und „er solle sich nicht aufführen wie ein beleidigter kleiner Junge“. Doch ich war auf Dads Seite, denn wenn es jemanden gab, den ich auf den Tod nicht ausstehen konnte, dann war das „Mr.-Ich-bin-ja-so-toll-Scorpius-Malfoy“.
„Wie dem auch sei“, unterbrach mein Onkel Harry die Zankerei meiner Eltern, „wir wünschen euch viel Spaß im neuen Schuljahr und freuen uns schon riesig auf eure Geschichten an Weihnachten.“
„Und drückt Lucy und Roxanne die Daumen, damit sie ins richtige Haus kommen“, fügte Tante Ginny hinzu.
Lucy und Roxanne waren ebenfalls Cousinen von uns, die dieses Jahr zum ersten Mal nach Hogwarts kamen. Meine Familie, die Weasleys, gehörten schon immer zu den größten und ältesten Zaubererfamilien. Meine Granny Molly hatte sage und schreibe zwölf Enkelinnen und Enkel.
Der schrille Pfiff des Hogwartsexpress ertönte und Al und ich beeilten uns, den Zug noch zu erreichen. Mühselig versuchte ich, meinen schweren Koffer hinein zu hieven. Nach vier Jahren Hogwarts hatte ich immer noch nicht gelernt, dass Schulbücher allein schon schwer genug waren. Ich war schon im Begriff aufzugeben und öffnete gerade den Mund, um einen Zauberspruch zu sprechen, als sich plötzlich eine Hand um den Griff des Koffers schloss und ihn problemlos hochhob. Der Besitzer dieser Hand hatte hellblondes Haar, das ihm in die Augen fiel, eine bleiche Haut und grau-blaue Augen. Ein arrogantes Lächeln umspielte seine Lippen.
Scorpius Malfoy.
„Malfoy“, fauchte ich und riss meinen Koffer wieder an mich, „Ich brauche deine Hilfe nicht.“
„Rose“, begann Al. Vermutlich wollte er wieder zwischen mir und seinem besten Freund schlichten, aber mein eisiger Blick brachte ihn zum Schweigen.
Ja. Albus und Scorpius Malfoy waren seit der zweiten Klasse die besten Freunde und ich verstand diese Freundschaft nicht. Scorpius war viel zu eingebildet und gemein, um sich Als Freundschaft zu verdienen.
Wütend bahnte ich mir einen Weg durch das Gedränge und schaute mich suchend nach meinen besten Freundinnen Julie Davies und Kim Creevey um. Schließlich fand ich die beiden in einem Abteil am Ende des Ganges.
„Hey“, sagte ich und schob die Abteiltür auf.
Noch bevor ich hineinkommen konnte, fielen mir die beiden in die Arme und langes blondes Haar nahm mir die Sicht.
„Wir freuen uns auch, dich wieder zu sehen“, sagte Julie, deren Haare ich eben noch im Gesicht gehabt hatte.
Sie hatte blaue Augen mit langen Wimpern und ein Lächeln, das so manchen Jungen um den Verstand bringen konnte.
Kim, die ihr hellbraunes Haar zu einem Zopf gebunden hatte, stimmte ihr zu:„Ein wenig mehr Begeisterung wäre schon angebracht.“
Ich rang mir ein Lächeln ab und ließ mich auf den Sitz neben Julie fallen.
„Natürlich freue ich mich euch wiederzusehen, aber- “
Meine besten Freundinnen kannten mich wohl zu gut, denn sie ließen mich nicht aussprechen, sondern fragten, wie aus einem Mund: „Was hat Malfoy diesmal wieder getan?“
Aufgebracht berichtete ich ihnen von der Demütigung, Hilfe von meinem Erzfeind bekommen zu haben.
„Ich verstehe dich wirklich nicht, Rose“, erwiderte Julie, „Scorpius ist doch total süß und es war echt lieb von ihm dir zu helfen. Ich würde seine Hilfe jederzeit annehmen.“
Genervt verdrehte ich die Augen. Scorpius mochte vielleicht gut aussehen, aber er war ein verdammter Idiot. Julie jedoch schien das ganz anders zu sehen.
„Hört auf mit eurer Endlosdiskussion“, schaltete sich Kim ein, „Erzählt mir lieber, wie eure Ferien waren!“
Ein Schatten huschte über Julies Gesicht.
„Schrecklich, wie immer, wenn ich Zeit mit meinen Eltern verbringen muss“, beklagte sie sich.
Seit Julie vor einem Jahr herausgefunden hatte, dass ihr Vater ihre Mutter betrog, verabscheute sie ihn. Manchmal glaubte ich, dass sie ihre Mutter sogar noch mehr hasste, weil diese davon wusste und trotzdem bei ihrem Mann blieb.
„Und eure?“, schnell knipste sie ein neues Lächeln an.
Ein Talent, das niemand so beherrschte wie sie.
Ich fühlte mich immer ein wenig schuldbewusst, wenn die Ferien mit meinen Eltern, mit denen ich kaum Probleme hatten, gut gewesen waren. Daher fiel meine Antwort knapp aus.
„Ganz gut. Im Fuchsbau, wie immer.“
„Meine waren toll“, sagte Kim und ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, während sie sich zu uns rüber beugte und eine wunderschöne Halskette aus ihrem Umhang hervor zog.
Ein kleiner roter Edelstein, der an ihrem Hals schimmerte, prangte in einem runden Silberanhänger. Ihre Finger öffneten langsam den Verschluss des Amulettes. Zum Vorschein kamen zwei kleine Fotos, die schon etwas älter wirkten, aber eine sonderbare Ausstrahlung hatten. Auf dem linken Foto winkten Ihnen zwei Jungs entgegen. Der eine, etwa so alt wie sie selbst, der andere ein paar Jahre älter. Die zwei waren ganz offensichtlich Brüder, denn sie hatten beide dasselbe mausgraue Haar und dieselbe magere Statur. Das Bild auf der rechten Seite des Anhängers zeigte Hogwarts in seiner vollen Pracht. Es war eine Nachtaufnahme und wurde vermutlich vom Schwarzen See aus fotografiert. Das Schloss mit seinen tausend beleuchteten Fenstern, wie es in der Dunkelheit still da stand, hatte etwas Beruhigendes an sich.
„Das ist wunderschön, Kim“, sagte ich und wandte allmählich meinen Blick von dem Amulett ab.
Julie tat es mir gleich und fragte sofort: „Von wem hast du es? Wem gehört es?“
Aus Kims fröhlichem Grinsen wurde ein eher trauriges Lächeln.
„Mein Vater hat es mir geschenkt. Es gehörte meinem Onkel Colin, als er noch lebte. Er hat viele wunderschöne Fotos gemacht in der kurzen Zeit, die er in Hogwarts verbringen durfte.“
„Ist er etwa auch während der Schlacht von Hogwarts umgekommen?“, fragte ich, plötzlich genauso bedrückt wie Kim.
Sie nickte.
„Das tut mir Leid, ehrlich, mein Onkel George hatte einen Zwillingsbruder, den er in der Schlacht verloren hat.“
Julie blickte von mir zu Kim und wieder zurück: „Hey hört auf Trübsal zu blasen! Kim kann stolz darauf sein, dass ihr Vater ihr so etwas Wertvolles geschenkt hat!“
Langsam breitete sich wieder ein richtiges Lächeln auf Kims Gesicht aus: „Dad meinte, ich sei allmählich alt genug, darauf aufzupassen. Er vertraut mir.“
„Und das kann er auch.“, bestätigte ich ihr.
Kim erklärte uns, dass die Jungs auf dem Foto ihr Vater und sein Bruder waren, als sie noch zur Schule gingen und das Bild von Hogwarts hatte ihr Onkel Colin an seinem ersten Tag geschossen, während sie mit den Booten rüber zum Schloss fuhren.
Die restliche Fahrt unterhielten wir uns über die vergangenen Jahre und darüber, was uns wohl dieses Jahr alles passieren würde. Als es bereits zu dämmern begann, beschlossen wir unsere Umhänge anzuziehen und kaum eine Stunde später wurde der Zug immer langsamer und kam schließlich zum Stillstand.
Eine leichte Sommerbrise wehte durch die warme Nacht. Es war schön, wieder hier zu sein.
„Erstklässler hierher“, rief die tiefe Stimme Hagrids, der die aufgeregt schnatternden Erstklässler in kleinen Ruderbooten über den großen See nach Hogwarts bringen würde.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Lucy und Roxanne auf wackeligen Beinen in eines der Boote stiegen. Ich schenkte ihnen ein aufmunterndes Lächeln, bevor ich hinter Kim in eine der pferdelosen Kutschen stieg.
Meine Mum hatte mir erzählt, dass sie von Thestrahlen gezogen wurden, pferdeähnlichen Wesen, die man nur erblicken konnte, wenn man jemanden hat sterben sehen. Ich hoffte, dass ich niemals fähig dazu sein würde, sie zu sehen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich meinen Freundinnen blindlings in die Kutsche gefolgt war, in der auch Albus und Scorpius sich niedergelassen hatten. Womit hatte ich das verdient?
Wir fuhren eine Weile und Kim, der es inzwischen wieder bestens ging, blickte immer noch ab und zu ganz verlegen auf ihre Kette. Das war auch Albus aufgefallen.
„Was ist das für eine Kette?“, fragte er neugierig.
Stolz erzählte sie von dem Geschenk ihres Vaters.
„Mein Dad hat mir von Colin erzählt. Er mochte ihn“, sagte Al und entlockte Kim damit noch ein Lächeln.
„Deswegen darf ich es auch auf keinen Fall verlieren.“
Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, schaute Scorpius, der vorher teilnahmslos in die Nacht gestarrt hatte, auf, als unsere Blicke sich begegneten, wandte er sich wieder dem Fenster zu.
Bevor ich ihn darauf ansprechen konnte, kam die Kutsche zum Stehen und er sprang als erstes ins Freie, um Julie und Kim mit einer übertriebenen Geste aus dem Wagen zu helfen.
Mit einem spöttischen Grinsen bot er auch mir seine Hand an, doch ich schlug sie ärgerlich weg und stolzierte an ihm vorbei.
Die Decke der Großen Halle zeigte einen sternenklaren Nachthimmel an dem ein praller Mond Licht spendete. Stimmengewirr und Stühlescharren erfüllten die Halle, während Kim und ich uns am Ravenclawtisch von Julie trennten und zu unserem Haustisch gingen, der wie immer rot geschmückt war.
Ich setzte mich neben Al und bevor ich die Möglichkeit hatte meine Mitschüler zu begrüßen, trat Professor McGonagall nach vorne und räusperte sich laut.
Plötzlich herrschte Stille in der Halle und sie sagte:
„Herzlich Willkommen in Hogwarts. Ein neues Schuljahr hat begonnen und ich hoffe, dass ihr es erfolgreich meistert.“
„Deine Cousinen kommen heute neu nach Hogwarts, oder?“, fragte Kim neben mir, als Neville Longbottom, ein Freund meiner Eltern und Kräuterkundelehrer einen dreibeinigen Stuhl mit einem zerschlissenen Hut hinein trug.
Kaum hatte Professor Longbottom den Stuhl abgestellt, öffnete der Hut seinen Mund, einen Riss über der Krempe, und sang sein Lied. Jedes Jahr hatte er ein anderes, das sich immer um die Gründer der vier Hogwartshäuser und deren hervorstechendsten Eigenschaften. Schließlich schloss der Hut seinen Mund und Professor begann die Kleinen aufzurufen. Zuerst wurde „Alford, Ben“ zu einem Hufflepuff und der gelbe Tisch brach in Jubel aus. Ein kleines Mädchen mit strohblondem Haar stolperte anschließend nach vorne und setzte den Hut auf den Kopf, der ihr sofort über die Augen rutschte und prompt seinen Entschluss verkündete:„Slytherin!“ Die arme Kleine… .
Es dauerte immer einer Weile, bis Familienmitglieder dran kamen, da sie ziemlich weit unten in der Liste standen.
Doch dann endlich rief Professor Longbottom: „Weasley, Lucy!“
Al und ich blickten auf, als sich auch schon ein rotblonder Haarschopf durch die Schülerscharr nach vorne drängelte. Wir drückten beide die Daumen so stark, wie wir konnten, das Lucy nach Gryffindor kam.
Der Sprechende Hut allerdings hatte andere Pläne, denn er rief nach kurzem überlegen: „Ravenclaw!“.
Wir seufzten. Sie war also Weasley Nummer drei, die nicht nach Gryffindor ging, sondern nach Ravenclaw. Ebenso tat es Dominique, die Tochter von Onkel Bill und Tante Fleur und Lucys ältere Schwester Molly, die sie gerade herzlich in Empfang nahm. Kaum hatte sie sich auf ihren neuen Platz niedergelassen, musste auch schon Roxanne nach vorne und diesmal wurden unsere Gebete erhört. Denn unsere kleine, schwarzhaarige und vor Allem aufgedrehte Cousine wurde zu einer Gryffindor ernannt. Sie machte kurz bei uns halt, sodass wir ihr gratulieren konnten, lief dann aber weiter Tisch abwärts, wo ihr Bruder Fred zusammen mit James saß. Sie klatschten ab und Roxanne setzte sich neben die Jungs.
Anschließend dauerte es nicht mehr lang bis die Auswahl vorbei und das Festessen erschienen war. Kim und ich schlugen uns den Bauch so voll, wie es nur ging und so kam mit der Sattheit auch die Müdigkeit und wir beschlossen, unseren Gemeinschaftsraum aufzusuchen.
Am Fuße der Treppe in der Eingangshalle verabschiedeten wir uns von Julie und wünschten ihr eine gute Nacht. Ein paar Meter weiter weg von uns standen Albus und Malfoy, die miteinander tuschelten und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie etwas ausheckten. Noch misstrauischer wurde ich, als die zwei sich grinsend zu uns gesellten.
„Was willst du Malfoy?“, fauchte ich den Slytherin an.
„Na, na, immer mit der Ruhe, Rose“, sagte er mit einer spöttischen Betonung auf meinem Namen, „ich wollte Creevey und dir nur eine angenehme Nacht wünschen.“
Kim murmelte tatsächlich ein leises „Gute Nacht“, und ich verdrehte die Augen.
„Siehst du, Rose, Creevey weiß meine Höflichkeit zu schätzen im Gegensatz zu dir. Wieso verabscheust du mich eigentlich so sehr?“, fragte er mit gespielt verletztem Ton und zog eine dazu passende untröstliche Miene.
„Weil ich dich, im Gegensatz zu den meisten anderen, durchschaue, Malfoy und hör endlich auf mich beim Vornamen zu nennen! Komm Kim, wir gehen. Gute Nacht, Albus.“ Mit diesen Worten zog ich Kim genervt die Treppen hoch.
Das letzte was ich noch von Malfoy hörte war, wie er zu Al sagte: „Hier laufen so viele von denen rum, wär doch dämlich, alle Weasley zu nennen.“
„Ich kann diesen Typen einfach nicht ausstehen!“, beschwerte ich mich später im Gemeinschaftsraum bei Kim, „Was bezweckt der mit dem ganzen Getue eigentlich?“
Kim seufzte: „Rose, du bist meine beste Freundin, das weißt du, aber meinst du nicht, dass du Malfoy noch eine letzte Chance geben kannst?“
Ich starrte sie ungläubig an: „Kim! Hat er dich jetzt auch schon um den Faden gewickelt? Er ist ein Malfoy! Ein Slytherin!“
Doch Kim schüttelte nur traurig lächelnd den Kopf und meinte: „Ehrlich, Rose. Ich finde ihn auch nicht sonderlich sympathisch, aber ich denke, du bist etwas zu voreingenommen. Versuch doch wenigstens einmal ihn nicht sofort anzufauchen, sobald er sich dir nähert. Vielleicht wirst du überrascht.“
Ich schnaufte, doch Kim eine Bitte abzuschlagen gehörte für mich zu den zehn schwierigsten Dingen.
„Na gut“, gab ich also nach, „eine letzte Chance.“
Mit geschlossenen Augen ließ ich mich in mein weiches Himmelbett fallen. Der Tag war lang gewesen, mein Bauch war voll und morgen würde der Schulstress wieder beginnen. Ich wollte nur noch schlafen.
„Rose“, hörte ich plötzlich eine hysterische Stimme rufen, „Rose, meine Halskette ist verschwunden“, atemlos schob Kim den Vorhang meines Bettes beiseite.
„Oh, du hast sie sicher nur im Bad liegen lassen, Kim“, beschwichtigte ich sie.
Meine Hand griff schon nach dem Vorhang, um ihn wieder zuzuziehen, aber Kim hielt mich auf.
„Nein, ehrlich, Rose. Da hab ich schon nachgesehen. Sie ist weg!“, meine beste Freundin war außer sich.
„Was auch immer ihr für ein Problem habt, klärt es leise“, meckerte Emma.
Dabei belegte sie das Bett, das am weitesten entfernt von meinem stand. Unter Kims verzweifeltem Blick stand ich hastig auf und schlüpfte in meine Pantoffeln.
„Komm“, ich ergriff ihre Hand, „Wir schauen mal, ob sie noch irgendwo liegt.“
Wortlos liefen wir die Wendeltreppe hinunter. Im Gemeinschaftsraum spendete das verglühende Feuer noch spärliches Licht. Trotzdem ließen wir unsere Zauberstäbe aufleuchten.
Nachdem wir jede Ecke und jeden Winkel abgesucht hatten, sagte Kim geknickt: „Es ist zwecklos. Hier ist sie nicht.“
Diese Halskette bedeutete Kim Alles, „Was soll ich nur machen? Mein Dad hat mir sein wichtigstes Erinnerungsstück zur Aufbewahrung hinterlassen und ich verliere es schon am ersten Tag!“
„Lass uns nochmal den Weg zur Großen Halle absuchen, vielleicht hast du sie fallen lassen“, schlug ich vor.
Hogwarts war unheimlich im Dunkeln. Unsere Zauberstäbe boten gerade genug Licht, um den Weg zu erkennen und die Ritterrüstungen, die an den Seiten des Flurs standen, warfen flackernde Schatten auf den Boden.
Kims Hand krallte sich in meine.
„Wir sind gleich an der Halle“, sagte ich, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, wen von uns beiden ich mit diesen Worten trösten wollte.
Plötzlich hörte ich hinter uns Schritte. Um diese Zeit wollte ich nicht unbedingt von einem Lehrer erwischt werden.
„Nox“, murmelte ich und zog Kim hastig hinter eine Rüstung.
„Was?-“
„Lösch deinen Zauberstab.“
Völlige Dunkelheit umhüllte uns und ich lauschte angestrengt auf weitere Schritte, aber nichts war zu hören.
„Ich dachte, ich hätte jemanden gehört“, flüsterte ich und entzündete meinen Zauberstab wieder, „aber da war nichts.“
Leise schlichen wir aus unserem Versteck heraus.
„Buuuuh“
„Was war das?“, kreischte ich erschrocken. Kim schrie ebenfalls und klammerte sich an meinem Arm fest.
„Peeves?“, fragte ich und versuchte das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken.
Zur Antwort ließ sich wieder ein schreckliches Heulen vernehmen, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Was auch immer jetzt im Schloss herum spukte begann jetzt zu kichern.
„Los!“, rief ich und rannte, Kim hinter mich herziehend, los.
Unsanft prallte ich gegen etwas hartes- etwas lebendiges und im nächsten Augenblick schaute ich in zwei Augenpaare. Eines war grün. Das andere grau-blau. Mein lieber Cousin Albus und Malfoy, dessen Hals Kims Amulett zierte.
„Suchst du das, Creevey?“, sagte er und nahm es ab, „Oder warum schleichst du nachts hier herum?“
Er und Albus schüttelten sich vor Lachen.
Wütend riss ich ihm die Kette aus der Hand: „Malfoy, das war bestimmt deine Idee. Du mieser Slytherin. Lass deine dreckigen Hände von Kims Sachen!“, knurrte ich.
Erwartungsvoll blickte ich zu Kim, die jedoch einfach erleichtert schien, ihren Anhänger wieder zu haben.
„Und du Albus“, fuhr ich fort, weil sie immer noch schwieg, „Wie konntest du dabei mitmachen? Du hast doch selbst gehört, wie wichtig Kim diese Kette ist. Das hätte ich niemals von dir gedacht.“
Der leise Anflug eines schlechten Gewissens spiegelte sich in Albus´ Gesicht wieder. Er verschwand schnell.
„Rose, hab dich nicht so, das war nur ein kleiner Spaß.“
Das war doch nicht zu fassen. Mein Cousin und sein Mistkerl von Freund konnten froh sein, dass es Nacht war und ich nicht erwischt werden wollte, weswegen ich möglichst leise war.
„Spaß?“, zischte ich, „Nein, Spaß ist für mich etwas anderes. Es gab eine Zeit, in der du auch eine andere Vorstellung von Spaß hattest, als andere Leute zu ärgern, Al. Hast du das schon vergessen?“
Bevor er etwas antworten konnte, zog Kim mich weg.
„Egal“, sagte sie, „Lass uns gehen. Ich hab die Kette und das ist das Wichtigste.“
Ihre Gelassenheit machte mich noch wütender.
„Siehst du nicht was dieser Malfoy aus Al macht? Und du hast gesagt ich soll ihm eine Chance geben. Niemals, Kim, es ist zu spät für ihn. Wenn es nur beim Anfauchen bleibt, hat er noch Glück gehabt“, sagte ich ärgerlich.
In dieser Nacht gingen Kim und ich mit ganz unterschiedlichen Gemütern zu Bett. Ich ärgerte mich immer noch über Malfoy und auch über Albus, der wohl inzwischen ebenfalls vergessen hatte, was „etwas Wertvolles verlieren“ bedeutete. Kim allerdings ging es wieder gut. Sie hatte ihren Schatz wieder und wer für sein Verschwinden verantwortlich war, spielte für sie keine Rolle. Nach etwa einer Stunde tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass morgen wieder der Unterricht beginnen würde und ich Malfoy dann weniger oft ertragen musste.
Der Morgen brach in meinen Augen viel zu früh an.
„Das kommt davon, wenn ihr mitten in der Nacht noch so einen Radau veranstaltet“, stellte Jessy mit gutgelauntem Singsang klar, als auch Kim sich nur schwer aufraffen konnte, um sich für das Frühstück fertig zu machen.
„Was war denn los?“, fragte Sophie, unsere chinesische Jahrgangsschönheit, neugierig.
„Kim hatte etwas verloren, aber wir haben es im Gemeinschaftsraum wiedergefunden.“, erklärte ich ihr, meiner Lüge wohl bewusst. Ich hatte einfach keine Lust, nochmal über das Malheur von gestern Nacht zu reden, geschweige denn darüber nachzudenken. Heute sollte ein ganz normaler, schöner, lehrreicher, slytherinfreier Tag werden. So gingen wir, als alle fertig waren, vergnügt und voller Elan, hinunter zum Frühstück.
Al gab sich wie immer, aber mir kam es so vor, als bemühte er sich darum, besonders nett zu Kim zu sein. Vermutlich versuchte er sich auf diese Weise bei ihr zu entschuldigen und sie schien ihm ohne Weiteres zu verzeihen. Ich würde mich natürlich auch wieder mit ihm versöhnen, aber erst nachdem ich ihn eine Weile gemieden hatte, damit ihm klar würde, dass er mich enttäuscht hatte.
Gerade wollte ich in mein Erdnussbuttersandwich beißen, als Neville… ich meine natürlich Professor Longbottom, unser Hauslehrer, die Stundenpläne verteilte. Alle Schüler, die ihn bereits hatten, schienen über irgendetwas aufgebracht und sogar empört zu sein.
„Das muss ein Fehler sein!“, verkündeten Fred und James, wie aus einem Munde.
Emma, die fünfte Gryffindor unseres Jahrgangs, rückte ihre Brille zu Recht und strich sich die blonden Strähnen aus dem Gesicht, als sei sie sicher, sich verlesen zu haben.
Doch mein kleiner Bruder Hugo klärte das Phänomen, um was es sich auch immer handelte, auf: „Nein es stimmt, unten rechts steht, es gab einen wichtigen Lehrerausfall.“
Dann endlich bekam auch ich meinen Stundenplan von Professor Longbottom, der ein Lächeln aufgesetzt hatte was „Manche Dinge ändern sich nie“, zusagen schien und im nächsten Moment hätte ich ihm den Plan am liebsten wieder zurückgegeben.
Es sah ganz so aus, als hätten wir dieses Jahr fast alle Fächer zusammen mit den Slytherins.
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Emma Watson