von uni
„Minerva, bitte warten Sie!“
Die Professorin für Verwandlung drehte sich nicht um, sie wusste, wer dort nach ihr rief. Jedes Jahr aufs Neue versuchte er, sie um eine Verabredung zu bitten. Seit fünf Jahren kam er zu ihr, immer am 31. Dezember, immer um Punkt 23:50 Uhr. Sie hätte eine Uhr danach stellen können.
Im ersten Jahr war sie noch überrascht gewesen und hatte freundlich abgelehnt. Doch nicht so heute.
Heute hatte sie keinen Nerv für seine zugegeben sehr charmanten Avancen.
Sie versuchte, in der Masse der Feiernden unterzutauchen. Sie wollte, dass er sie aus den Augen verlor, sodass sie unbemerkt zur Tür hinaus eilen könnte.
Doch das Glück schien ihr heute nicht hold zu sein. Zu viele wollten gleichzeitig in die Große Halle und aus ihr hinaus. Ein Stau hatte sich gebildet und ihr Fluchtweg wurde so blockiert.
Natürlich erblickte er sie sofort und lief zu ihr.
‚Für seine Größe ist er überraschend schnell‘ dachte sie seufzend.
„Minerva, endlich habe ich Sie eingeholt“ rief er lachend.
Sie grüßte ihn mit einem gezwungen höflichen „Filius.“
Sie wusste was jetzt kam, der kleinwüchsige Lehrer für Zauberkunst würde es sich wie immer nicht nehmen lassen, sie um einen Tanz zu bitten und tatsächlich.
„Minerva, darf ich Sie um den nächsten Tanz bitten?“ fragte er höflich lächelnd.
„Filius, können wir das nicht abkürzen?“
Sie war sichtlich genervt. Sie mochte ihren Kollegen ja, aber sie war wirklich zu alt für diese Sachen. Die Zeiten, in denen sie sich kichernd mit einem Jungen in dunklen Ecken herumgedrückt und Händchen gehalten hatte, waren seit langem vorbei.
Galant verbeugte Flitwick sich, er war eben ein Gentleman der alten Schule. Was Minerva sicherlich geschmeichelt hätte, wäre sie einige Jahrzehnte jünger.
„Minerva, würden Sie mir die Ehre erweisen, sich in den nächsten Tagen auf ein gutes Glas Elfenwein zu mir zu gesellen?“
„Werden Sie denn nie aufgeben, Filius?“
„Erst wenn Sie meiner Einladung nachgekommen sind“, erwiderte er mit jugendhaftem Lächeln.
„Sie wissen, dass ich Ihnen wieder einen Korb geben werde“, sagte Minerva resigniert.
„Ich ahne es, dochwerde ich nicht müde zu hoffen, dass Sie es sich doch einmal anders überlegen.“
Die Unterhaltung der Beiden zog einige Aufmerksamkeit auf sich, obwohl sie nicht sonderlich laut geführt wurde.
Dumbledore und Snape standen in der Nähe und beobachteten den Disput mit regem Interesse.
„Wird er denn jemals aufgeben?“ murmelte der Zaubertränkelehrer mehr zu sich, denn zu dem Anderen.
„Oh ich habe das Gefühl, dass er dieses Jahr das letzte Mal fragt.“ erwiderte der Schulleiter dennoch.
Snape sah Albus erstaunt an. „Wie kommst du denn darauf?“
der Schulleiter zwinkerte seinem Freund und Kollegen schelmisch zu. „Einfach so ein Gefühl, weißt du?“
„Also das bezweifle ich doch stark. Flitwick bittet sie nun schon seit fünf Jahren um ein Rendezvous und sie weigert sich eben so lange stur. Ich glaube nicht, dass einer der Beiden es sich heute anders überlegt.“
Dumbledore lächelte schelmisch, als er fragte: „Was ist dir dieser Standpunkt wert?“
Natürlich wies Minerva Filius auch diesmal wieder ab. Er zeigte sich weder verletzt noch zornig. Tatsächlich wurde sein Lächeln sogar noch ein Stück breiter als er sagte: „Ich freue mich auf nächstes Jahr, Minerva.“ Er hauchte einen Handkuss und zog sich dann zurück.
Obwohl die Lehrerin über seine Sturheit nur den Kopf schütteln konnte, kam sie dennoch nicht umhin, ihn für seine Standhaftigkeit zu bewundern. Auch wenn sie, da war sie sich sicher, nie von Erfolg gekrönt sein würde.
Flitwick benahm sich in dem Jahr, das folgte, gewohnt normal ihr gegenüber. Er ließ sich nicht anmerken, dass er für Minerva andere Gefühle hegte, als unter Kollegen sonst üblich. Er war immer freundlich zu ihr, jedoch nicht mehr als zu anderen Lehrern auch.
Sie glaubte aber nicht, dass er aufgegeben hatte. Sie kannte dieses Spiel nun schon seit fünf Jahren.
Insgeheim freute sie sich darauf, dass er ihr wieder den Hof machen würde. Doch das änderte nichts daran, dass sie seine Bitten wohl nie erhören würde.
Einen Tag vor Heiligabend, Minerva kam gerade vom Abendessen aus der Großen Halle, traf sie Flitwick allein in einem Gang.
Freundlich grüßten sie einander, wechselten einige Worte und wollten dann beide ihres Weges gehen, als mit einem leisen Glocken klingen ein Mistelzweig über beiden erschien.
Minerva, die dies in arge Bedrängnis brachte, suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Die Tradition von Hogwarts verlangte es, dass man unter dem Mistelzweig einen Kuss tauschte.
Stimmen erklangen in der Nähe, bald würden sie nicht mehr allein sein. Minerva musste sich irgendwie aus der Affäre, schließlich war sie eine Lehrerin, die die Schüler immer angehalten hatte den Regeln und Traditionen der Schule zu folgen.
„Filius, ich bitte Sie, können wir die Tradition diesmal nicht ignorieren?“
Minerva sah ihn hilfesuchend an.
Verschmitzt lächelnd erwiderte der Lehrer: „Natürlich, werte Kollegin.“
Dankend nickte sie ihm zu und eilte an ihm vorbei. Doch bevor sie in den nächsten Gang verschwinden konnte, rief er ihr nach. „Minerva, ich habe übrigens heute einen wunderbaren Elfenwein gekauft. Ich würde mich freuen, Sie morgen Abend bei mir zu begrüßen.“
Noch bevor sie etwas einwenden konnte, kamen auch schon Schüler um die Ecke. Flitwick lächelte ihr schelmisch zu und ging.
Am nächsten Abend lief Minerva unruhig durch ihre Räumlichkeiten. Sie hatte nicht wirklich vor, heute Abend zu Flitwick zu gehen. Dennoch zollte sie ihm Respekt für seinen Mut.
Völlig untypisch, fand sie sich plötzlich vor dem Spiegel wieder, ihr Aussehen kontrollierend. Ihre Frisur saß, sie hatte eines ihrer schönsten Kleider angezogen. Doch wozu eigentlich?
Ihr Spiegelbild sah ihr ernst entgegen. Was hatte sie eigentlich zu verlieren? Sie würde zu ihm gehen, ein Glas Wein trinken und ihm ein für allemal klar machen, dass er mit seinen Avancen niemals Erfolg haben würde.
Etwas Besseres hatte sie eh nicht vor oder?
Nervös stand sie vor seiner Tür. Sie hatte noch nicht angeklopft, war sich nicht mehr sicher, ob sie seine Einladung wirklich annehmen wollte.
Obwohl sie dies hatte von Anfang an vermeiden wollen, kam sich Minerva nun doch wie ein Mädchen im Teenager-Alter vor.
Sie wollte gerade wieder gehen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde. Vor ihr stand Flitwick.
„Ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört“, erklärte er.
Ohne seine Aufforderung abzuwarten, trat Minerva ein. Obwohl sie schon solange Kollegen waren, hatte sie die Räumlichkeiten des anderen Lehrers noch nie betreten.
„Ich dachte schon, Sie kommen nicht mehr. Ich freue mich wirklich, dass ich mich geirrt habe.“ Er lächelte- nein- er strahlte sie an. Obwohl Filius auch sonst eher fröhlicher Natur war, wirkte er in diesem Moment, außergewöhnlich glücklich.
Ohne dass es ihr wirklich bewusst war, erwiderte sie sein Lächeln.
Filius hatte sich wirklich herausgeputzt. Sie musste verwundert feststellen, dass er um einiges jünger aussah und das stand ihm wirklich ausgezeichnet.
Der Silvesterabend verlief wie gewohnt fröhlich. Severus Snape hatte inzwischen völlig vergessen, dass er mit seinem Vorgesetzen und Freund vor einem Jahr eine Wette abgeschlossen hatte.
Als er an diesem Abend jedoch in die Große Halle kam und Albus ihn vielsagend anlächelte, wurde er wieder daran erinnert.
„Albus, du weißt, was wir letztes Jahr ausgemacht haben.“
Der Schulleiter nickte ihm schmunzelnd zu. „Wenn er sie heute fragt, verzichte ich für ein Jahr auf Zitronensäuredrops. Und wenn er sie nicht fragt, musst du eine Woche darauf verzichten, deinen Schülern Punkte abzuziehen.“
„Und da sie das ganze letzte Jahr nicht zugesagt hat, sich mit ihm zu treffen, habe ich gewonnen.“
Albus wiegte lächelnd den Kopf. „Woher willst du das so genau wissen?“
Auf typische Snapeart, runzelte er die Stirn. „Nur weil ich nicht viel Interesse am Privatleben der Schüler und Lehrer hege, heißt das nicht, dass ich nichts davon mitbekomme.“
„Nun dann solltest du vielleicht mal dorthin sehen“, sagte Albus mit einem eindeutigen Lächeln.
Snape sah in die Richtung, in die der Schulleiter deutete und staunte nicht schlecht. Als er dort Minerva und Flitwick miteinander tanzen sah.
„Du konntest es wieder einmal nicht lassen“, knurrte Severus wütend.
Mit gespielter Verständnislosigkeit zuckte Albus die Schulter. „Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte er schmunzelnd und ließ mit einem Fingerschnippen einen Mistelzweig über dem tanzenden Lehrerpaar erscheinen.
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