von Blue
Liedtipp: „Savin’ me“ von Nickelback
@sweetdark: Danke! Das ist total süß von dir. Ich werde wohl niemals ganz mit mir zufrieden sein. ^^
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Severus lehnte den Kopf gegen die Wand und seufzte. Der Wind blies erbarmungslos durch seine dunkle, nasse Zelle und ließ ihn fürchterlich frieren. Seine Hände lagen in alten, rostigen Handschellen, seine Handgelenke waren aufgescheuert und er fing bereits an zu husten. Askaban! Das Zaubereigefängnis. Der einzige Ort auf der Welt, vor dem er sich jemals gefürchtet hatte. Ein Ort, an dem das Grauen herrschte. Die Angst und der Wahnsinn. Draußen vor dem vergitterten „Fenster“ schwebten so viele Dementoren, wo sonst nie. Diese primitiven Gestalten warteten nur darauf, dass er einen Fluchtversuch unternahm, um ihm dann die Seele aus dem Leib zu saugen. Bei diesem Gedanken jagte ihm ein widerlicher Schauer über den Rücken und er hustete wieder. Die ersten Tage hatte er in dieser Zelle nur gestanden. Er hatte es nicht gewagt, sich auf diesen feuchten, kalten Boden zu setzen, doch nun saß er hier schon vier Tage. Oder waren es fünf? Vielleicht auch nur drei? Schon jetzt verlor er das Zeitgefühl und ihm war klar, dass es ihm letzten Endes ohnehin viel länger erscheinen würde, als es wirklich war. Dieser miese Moskito hatte ihn hier rein gebracht und wann der Prozess war, wusste er nicht. Man sprach ja nicht mit ihm. Wer würde schon mit ihm sprechen? Er sprach ja nicht einmal mit sich selbst, was er aber bestimmt noch tun würde. Die erste Stufe zum Wahnsinn! Es fing schon an, denn er zweifelte wieder an seinem Leben. Wäre er doch damals einfach verblutet! Aber nein, er hatte ja aufstehen und sich zu Madam Pomfrey schleppen müssen. Das Leben hatte ihm doch bisher nur Pech beschert. Das Universum hasste ihn, seit er geboren warund daran würde sich auch offensichtlich nie etwas ändern. Er war angeklagt, unglücklich verliebt und einfach nur ein erbärmlicher Versager!
Wenn er nicht gerade dabei war, sich selbst zu zerfleischen, dachte er an Emily Summers.
Wie sie ausgerastet war, als die Auroren ihn abgeführt hatten. Darüber lächelte er beinnahe, es wärmte ihm ein bisschen das kaputte, schwarze Herz. „Ich werde warten.“, hatte sie gesagt. Was hatte sie damit gemeint? Wollte sie wirklich auf ihn warten? Und wenn schon, was dann? Emily hatte Warner und mit dem sollte sie glücklich sein, bis an ihr Lebensende. Das wäre das Beste für sie. Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass du jemals eine Chance bei ihr hattest, oder?
Die Stimme in seinem Kopf wurde mit jedem Tag grausamer und bösartiger.
Du bist ein jämmerliches, dummes, einsames Halbblut! Was bist du schon neben Patrick Warner? Er wird auf ewig jung bleiben, während du immer älter und schwächer wirst! Sieh dich doch nur an, alter Mann! Wie kannst du nur mit dir selbst leben?
Severus schloss die Augen. Und wieder kitzelte es widerlich in seiner Kehle und er hustete erneut. Sein Rachen brannte und seine Lunge schien zu rasseln. „Großartig“, dachte er. Bei seinem Glück würde er hier an einer tödlichen Lungenentzündung erkranken.
Patrick Warner ist ein glänzender Anwalt. Er verdient binnen einer Woche das Doppelte von dem, was du in drei Monaten erhältst, wenn du dich anstrengst. Emily Summers? Ha! Sie ist viel zu gut für dich! Sie ist warmherzig und mitfühlend. Emily ist hell wie die Sonne. Und du? Du bist schwärzer als die dunkelste Nacht. Was soll sie mit dir?
Er hustete wieder, dieses Mal stärker. Es war, als könne er nicht mehr aufhören. Als er Luft holte, hustete er nur stärker. Einen Herzschlag lang war es ihm, als würde er seine Lunge ausspucken. Endlich verklang der Hustenreiz und Severus spuckte auf den Boden. Im Licht des Mondes sah er Blutstropfen auf den kalten Steinen. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und sah noch mehr Blut auf seiner Haut. Mit einem tiefen Seufzer lehnte er sich wieder gegen die kalte Gefängnismauer. Die Tore würden sich nicht mehr öffnen. Die Tore zur Freiheit, die Tore zum Leben. Selbst wenn er hier irgendwann herauskommen würde, er wäre ein gebrochener Mann, wenn er das nicht längst schon war. Diese Minderwertigkeitskomplexe waren inzwischen ein fester Bestandteil seiner Seele.
Warner ist ein Vampir, ein Toter, ein Monster ohne Seele! Und trotzdem hat er eine lupenreine, weiße Weste! Und du…du Todesser! Du hast alle falschen Entscheidungen getroffen, die man in seinem ganzen Leben nur treffen kann! Das wird dich auf ewig verfolgen! Du hast dem dunklen Lord gedient! Du hast sein Brandmal auf ewig unter deiner Haut!
Nachdenklich schob er seinen Ärmel nach oben und blickte auf das verblasste, jedoch noch immer gut zu erkennende Zeichen von Lord Voldemort. Der Totenkopf, durch dessen Öffnungen sich eine Schlange wand. Todesser. Dieses Wort sollte ihm vertraut erscheinen, doch es klang wie ein Urteil, schlimmer noch, wie das, als was er sich fühlte und für immer fühlen würde: Verräter. Aber es war wie ein Sog, der einen immer tiefer hinab riss und nie wieder frei ließ. Wenn man erst mal dabei war, war es gelaufen! Man wurde dazu verdammt, darin zu bleiben und darin zu sterben! Denn vergossenes Blut trocknete niemals. Severus würde auf ewig ein Todesser bleiben, auch ohne Krieg und ohne den dunklen Lord. Für immer in sich selbst gefangen, in dem, was er war. Ein krimineller, schwarzer Magier. Ein Mörder. So viele Muggel, gezwungenermaßen. Albus Dumbledore. Lily Evans. Wütend zerrte er den Ärmel wieder herunter und stemmte sich auf die Beine. Seine Knie waren so schwach, dass er sie kaum spürte, er schwankte und musste sich an der eisigen Mauer abstützen, um nicht zusammen zu sacken. Der Angeklagte keuchte und hustete daraufhin wieder heftig.
Seine Lunge schien sich mit aller Kraft gegen ihn zu wenden, so sehr verweigerte sie das Eindringen von frischer Luft. Sobald er einatmen wollte, wurde seine trockene Kehle derart gereizt, dass er mehr Luft aushustete, als überhaupt in ihm vorhanden war. Da konnte er sich nicht länger auf den Beinen halten, ihm wurde schwindelig und er sank auf die Knie. Verzweifelt krümmte er sich zusammen und versuchte, sich irgendwie zu beruhigen. In diesem Moment glaubte er zu ersticken. Er dachte nicht wirklich darüber nach, ob er es geschehen lassen oder doch bekämpfen sollte. Es lag nicht in seiner Natur aufzugeben. Aber manchmal musste man einfach einsehen, wenn es vorbei war. War es nun vorbei für Severus Snape? Da versuchte er noch ein letztes Mal, Luft zu holen und die eisige, jedoch frische Luft drang in seine Atemwege und von dort aus in seine Lunge, die sich zwar schmerzhaft zusammenzog, ihren Rhythmus aber wieder normalisierte. Vorsichtig atmend, immer darauf bedacht, nicht in ein Keuchen oder gar ein erneutes Husten zu verfallen, stützte er sich auf seinen Handflächen ab und versuchte erneut aufzustehen. Doch schon nach der ersten Bewegung spürte er, dass es nicht ging. So blieb er auf dem Boden und kroch in Richtung des Fensters. Seine Arme zitterten vor Erschöpfung. Dass seine Muskeln sich zurückbildeten war ein sehr schlechtes Zeichen. Wenn er zu seinem Prozess erscheinen würde, wäre er ein abgemagerter, dürrer, elendig aussehender Hänfling. Es ging immer weiter nach unten. Sowohl mit seinem Leben, als auch mit seinem Körper, mit seiner Seele, wenn diese nicht schon längst verloren war. Genau wie er selbst.
Im Laufe der Zeit kehrten seine Gedanken immer häufiger zu Emily zurück. Er verbarg sich so lange in seinen Erinnerungen an sie, bis er komplett darin versank. Immer wieder sah er sie Szene im Raum der Wünsche vor sich, spürte immer wieder das nervöse Zucken in seiner Brust, wenn er ihr begegnete. Die Gänsehautschauer, die sie bei ihm mit einem bloßen Lächeln auslöste. Ihre blauen Augen, die so klar und geheimnisvoll waren. Ihre braunen, welligen Haare, die in der Sonne beinahe kupferfarben glänzten. Mittlerweile ging er sogar jedes einzelne Gespräch durch, dass sie je miteinander geführt hatten. Es war ein wahres Wechselbad der Gefühle, mal ging es auf und mal ab.
"Hast du Angst vor mir?" - "Warum sollte ich?" - "Du bist zurückgewichen." - "Ja, weil ich mir nicht sicher war, ob.....ob du nicht lieber allein sein willst."
"Arschloch! "
"Ich will einfach nichts mit dir zu tun haben, Emily.
Find dich damit ab."
„Du tanzt auf sehr dünnem Eis, kleine Hexe!“- „Und du spielst mit Feuer!“
„Warum tust du das?“- „Weil ich dich liebe.“
„Ihretwegen versäume ich meine Unterrichtstunde!“ - „Sie sind wirklich das Letzte, Snape!“
„Halt! Stopp! Lassen Sie ihn, lassen Sie ihn!“
„Nehmt sofort eure dreckigen Stöcke von ihr, ihr armseligen Ratten!“
„Ich werde warten.“
Besonders dieser Satz hallte durch seinen Kopf. Der letzte Satz, den er von ihr gehört hatte.
Wie sollte er diese Aussage deuten? Er dachte nicht weiter darüber nach, sondern gab sich seinen Wunschvorstellungen hin. Die Frau, die er liebtewürde er in seinen Armen halten.
Emily würde ihn anlächeln, seine Hand halten und bloß atmen. Ihr Atem hatte etwas Faszinierendes. Wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, das war besonders gut zu beobachten, wenn sie sich stritten und sie wütend auf ihn war. Er sagte sich zwar, dass er keine Lust hatte, andauernd mit ihr im Klinsch zu liegen, aber er wusste, dass er sich etwas vormachte. Sie schaukelten sich gegenseitig immer weiter hoch, bis es zum Äußersten kam. Er liebte es, wenn sie kurz davor war, ihm an die Kehle zu springen. Wenn ihr Körper mit jeder Faser angespannt war und sie ihm automatisch immer näher kam. Dann ging eine brennende Hitze von ihr aus, die ihn in Flammen setzte und schließlich verschlang. Bloß, an sie zu denken, war anstrengend und befreiend zugleich. Wut vernichtete. Das war eine Tatsache. Jeder von ihnen starb ein kleines bisschen mehr, bei jedem ihrer Dispute. Und am meisten litt wohl er darunter.
Die Tage/ Stunden/ Minuten (?) vergingen schleppend langsam und mit jedem Moment, den er länger in dieser eisigen, feuchten, einsamen Umgebung verbrachte wurde sein Husten schlimmer, sein Körper schwächer, sein Geist zerbrechlicher. Alles, was er jetzt noch vor sich sah, war Emily. Es waren Halluzinationen, er wusste es. Aber es waren die schönsten Wahnvorstellungen, denen er sich jemals so bereitwillig ergeben hatte.
Und es war auch die Phantasie, die ihm trotz der abertausend Dementoren, trotz der engen Zelle, trotz der Gitter und der kalten Mauern um ihn herum die Freiheit schenkte.
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