von One_of_the_Old
XXXV Vaterfigur?
Harry stand etwas unschlüssig vor Lauras Tür und klopfte leise. Als er das Zimmer betrat, lag Laura schniefend auf ihrem Bett und drehte ihm ihren Rücken zu. „Hau ab! Lass mich einfach in Ruhe, du Blödmann.” Noch einmal klopfte er etwas stärker an die offene Tür. „Entschuldige bitte, Harry. Ich hab das Klopfen wohl nicht gehört.” „Ist OK. Soll ich trotzdem gehen?” „Nein, bitte setz dich zu mir.” Sie rutschte ein Stück weiter zur Wand, blieb aber ansonsten so liegen. Nachdem sich Harry gesetzt hatte, zog er als Erstes ein Taschentuch aus seinem Umhang und gab es ihr. „Danke!”, schnüffelte sie leise. „Was ist denn so schlimm, dass du so traurig bist?” „Nicolas ist so gemein. Ich habe ihm doch nur gesagt, dass ich gern bei dir bleiben würde und er denkt gleich sonst was. Ich weiß auch, dass du nicht Dad bist, aber was soll ich denn machen, wenn es sich für mich so anfühlt?” Harry griff behutsam an ihre Schulter und sie drehte sich zu ihm herum. „Er hat mir erzählt, warum er so reagiert hat. Er kommt nicht gut damit zurecht, weil er Angst hat, ich würde versuchen ihn dazu zu bringen dasselbe in mir zu sehen, wie du.” „Aber das würdest du doch sicher nicht verlangen?” „Weder von ihm noch von dir kann ich das und das habe ich ihm auch gesagt.” Laura griff nach seiner Hand. „Darf ich Grandma und Grandpa fragen, ob wir bei dir bleiben können?” „Ihr bleibt doch sowieso bis zum Schulanfang.” Sie drückte seine Hand fester. „Nein, ich meine für länger”, flüsterte sie. „Für wie lange hattest du dir denn gedacht, bei uns zu bleiben?”
Er musste sich ein Grinsen verkneifen bei dieser Frage. „Harry, mir ist das sehr ernst. Warum machst du dich lustig darüber?” „Ich mache mich darüber nicht lustig, Laura. Aber ich glaube ich kenne die Antwort bereits.” „Wie kommst du darauf?” „Nicolas hat mich gefragt, ob ich euch bei uns behalten würde, wenn wir eigene Kinder bekommen.” Laura sah ihn überrascht an. „Warum hat er das gemacht? Ich dachte, er hat was dagegen, wenn wir bleiben?” „Er ist dein Bruder und er will, dass es dir gut geht. Nicolas hat mich gebeten, mit dir darüber zu sprechen. Er hat wohl geahnt, dass du mit ihm nicht reden willst. So ein großer Blödmann ist er offensichtlich doch nicht.” „Nur manchmal.” Ein kleines Lächeln lief über ihr Gesicht, bevor sie ein wenig ängstlich zu Harry sah. „Hat er recht mit seiner Befürchtung?” Harry schüttelte seinen Kopf und sie fiel ihm um den Hals. „Hey, nicht so stürmisch. Noch haben deine Großeltern nicht zugestimmt. Außerdem wird es nicht so einfach werden für euch. Bei euren Großeltern seid ihr für euch und habt eure Ruhe. Wenn ihr wirklich zu uns kommt, wird sich da einiges ändern. Du weißt ja selbst, wie die Leute reagieren, wenn sie mich irgendwo treffen und ein wenig gefährlich ist das für euch auch, solange so viele Todesser noch frei herumlaufen.” Laura hob den Kopf und sah ihn mit leuchtenden Augen an. „Du machst dir echt Sorgen deswegen?” „Natürlich tu ich das. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht.” „Wir werden das schon hinbekommen.” Laura legte ihre Arme um Harry und drückte sich an ihn. 'Da war er wieder, dieser ernste Tonfall. Schon seltsam, als wäre sie in diesem Moment eine ganz Andere.' Harry hing diesem Gedanken ein wenig hinterher und sah abwesend aus dem Fenster, auf das die ersten Regentropfen fielen, während er dem Mädchen über die Haare strich.
Ein leises Plopp riss ihn aus seinen Gedanken. „Der Tee wäre dann bereit, Sir Harry. Miss Granger lässt wegen der Überraschung fragen, ob Sir Harry sie jetzt zeigen möchte. Winky würde sie dann in den Salon bringen.” „Ist gut, Winky, tu das nur. Ich ziehe mich kurz um und komme dann mit Nicolas und Laura herunter.” Die Elfe verneigte sich und verschwand. Laura sah ihn erwartungsvoll an. „Hol mal deinen Bruder und wartet an der Treppe im ersten Stock, bis ich da bin.” „Mach ich. Bis gleich.” Harry ging in sein Schlafzimmer, um sich etwas Bequemeres anzuziehen. Als er aus der Tür trat, warteten die Zwei bereits auf ihn. „Na, dann kommt mal mit, ihr beiden.” Gemeinsam gingen sie in den Salon hinunter, wo Ginny und Hermine mit der schwarzen Knieseldame und Krummbein auf dem Sofa saßen. „So, ihr zwei. Der Rote ist Krummbein. Wir haben ihn und seine Familie heute wieder gefunden.” Die Kinder sahen mit großen Augen zu dem schnurrenden Kater auf Hermines Schoß. „Was meinst du mit Familie, Harry?” „Nachdem er uns aus den Augen verloren hatte, hat er eine Gefährtin gefunden, Nicolas.” Beide sahen jetzt zu der Katze. „Mit ihr zusammen hat er zwei Junge.” Winky kam mit einem Korb herein, in dem die Kleinen dicht aneinander gekuschelt lagen. Sie stellte ihn auf den Boden und ging wieder hinaus. Laura sah mit leuchtenden Augen und rosigen Wangen auf den Korb. „Die sind für uns?” „Kommt darauf an, ob sie euch mögen. Kniesel sind da etwas eigenwillig. Wie wäre es, wenn ihr erst einmal versucht, euch mit den beiden Großen anzufreunden, bevor ihr an die Kleinen herangeht?” Vorsichtig gingen die Zwillinge zu Ginny und Hermine, um die Kniesel zu begutachten und zu streicheln.
Argwöhnisch schnüffelte die Schwarze an den Händen der Zwei, bevor sie sich dann doch von ihnen anfassen ließ. Hermine lächelte. „Na, was meinst du, Krummbein? Sind die Beiden die Richtigen für deinen Nachwuchs?” Auch der Kater beschnupperte ausgiebig die Finger der Kinder. Mit einem leisen Maunzer sprang er von Hermines Knien und trottete zu dem Korb hinüber. Er setzte sich auf die Hinterpfoten und sah mit funkelnden Augen zum Sofa. Seine Partnerin räkelte sich auf Ginnys Schoß, rollte sich danach auf ihren Knien zusammen und schloss schnurrend die Augen. „Ich würde mal sagen, sie fühlt sich inzwischen heimisch bei dir.” „Sieht ganz so aus, Mine.” „Ob wir jetzt an die Kleinen heran können, Harry?” „Das werdet ihr nur wissen, wenn ihr es versucht, Laura. Kniet euch am Besten erst einmal vor den Korb und wartet ab, was Krummbein macht.” Beide gingen auf die Knie und besahen sich die schlafenden Jungen. Nach einer Weile kam Krummbein zu ihnen und stupste sie mit dem Kopf an. Fragend sahen sie zu Harry hinauf, der nur aufmunternd lächelte. Laura schnaufte kurz durch und griff vorsichtig in den Korb, um eines der Jungen auf den Arm zu nehmen. Müde gähnte das Kleine und öffnete die Augen. Behutsam streichelte Laura über das weiche Fell und sah ihm in die bernsteinfarbenen Augen. „Du bist so was von süß, weißt du das?”, flüsterte sie. Wie zur Bestätigung patschte ihr das Kleine mit einer Pfote auf die Nase. Nicolas hatte sich inzwischen das zweite Junge aus dem Korb genommen und beschäftigte sich mit ihm. Krummbein sah zufrieden drein und sprang wieder zu Hermine auf deren Knie. Harry nahm sich eine Tasse Tee, setzte sich in einen der Sessel und wandte sich an das Portrait des Schulleiters.
„Wie geht es den Großeltern der Beiden heute, Professor?” „Denen geht es den Umständen entsprechend gut. Warum fragst du?” „Laura würde sie gern um etwas bitten. Wäre es möglich, sie heute noch zu besuchen?” „Warte einen Moment. Ich werde sie fragen, ob sie einverstanden sind, dass ihr heute noch kommt.” „Vielen Dank, Sir.” Auf die fragenden Blicke von Ginny und Hermine erklärte Harry kurz den Grund für den ungeplanten Besuch. Ginny lächelte leicht, als sie Lauras verlegenen Blick bemerkte. „Schau nicht so! Braucht dir doch nicht peinlich sein. Ist doch schön, wenn du dich hier wohlfühlst.” Hermine sah frech zu Harry. „Außerdem hat Harry dann noch zwei Gründe mehr, gut auf sich aufzupassen.” „Als wenn ich die noch brauchen würde, jetzt wo du dich um meine Sicherheit sorgst!”, gab er angesäuert zurück. „Hab dich auch lieb!”, grinste sie und warf ihm eine Kusshand zu. „Hast ja recht”, seufzte er und sah lächelnd zu ihr hinüber. „Harry?” „Ja, Professor?” „Wenn du magst, sollst du in einer Stunde im St. Mungo sein, mit den Zwillingen.” „Nur wir drei?” Dumbledore nickte lächelnd und schwieg. Harry überlegte kurz. „Was haltet ihr von einem kurzen Ausflug in die Winkelgasse?” Die Vier sahen ihn überrascht an. „Harry, es regnet draußen. Was hast du vor?” „Ich will George einen kleinen Besuch abstatten, bevor wir die Flamels besuchen, Mine.” „Aber…” „Zieht euch bitte um. Wir haben leider nur wenig Zeit.” Harry spurtete die Treppe hoch und verschwand in seinem Zimmer. Fieberhaft zog er sich seinen Umhang wieder über und ging zu seinem Schulkoffer, aus dem er den Tarnumhang herauskramte. Nachdem er ihn in eine seiner Taschen gestopft hatte, flitzte er wieder hinunter. In der Halle standen die Mädchen mit den Zwillingen und sahen ihn fragend an. Er drückte Hermine den Tarnumhang in die Hand. „Ginny und du werden das brauchen.” Ginny sah ihn mit großen Augen an, doch Hermine schien zu verstehen. „Danke, Harry. Willst du was Bestimmtes von George?” „Er soll mir einfach sein Ohr leihen.” „Na dann mal los.” Harry rief Tommy zu sich und der Elf brachte sie direkt vor den Scherzartikelladen von George. Nicolas und Laura hielten sich eine Hand vor den Mund.
„Ich glaube ich kotz gleich”, stöhnte Nicolas laut. Laura fing direkt das Würgen an und Tommy beschwor eilig einen Eimer herauf, den er ihr vorhielt. „Entschuldigt bitte. Ich habe nicht daran gedacht, dass ihr das Apparieren nicht gewohnt seid.” Verlegen sah Harry zu den Kindern und ging neben Laura auf die Knie. Sachte strich er ihr über den Rücken. „Geht es wieder?” Sie nickte ihm mit aufeinander gepressten Lippen entgegen. Harry wandte sich an Nicolas. „Wie sieht es bei dir aus?” „Geht so. Merlin, wie ekelig ist denn so was?” „Ins Mungo sollten wir dann per Kamin vom Kessel aus reisen. Ist deutlich angenehmer für euch beide”, bestimmte Harry. Dankbar sah Laura ihn an. „Hast du vielleicht etwas gegen den üblen Geschmack im Mund?” Harry schüttelte seinen Kopf, doch Hermine griff direkt in ihren Umhang und zog ein Päckchen Kaugummi hervor. Verständnisvoll lächelnd reichte sie Laura einen Streifen daraus. „Du auch, Nicolas?” Skeptisch sah der Junge auf das Päckchen. „Was ist das?” „Muggelkaugummi. Schmeckt nach Pfefferminz und ist ohne Zucker, wegen der Zähne.” Er wickelte den Streifen aus und fing an, nachdenklich darauf herumzukauen. „Schmeckt gut!”, stellte er überrascht fest. Hermine nickte und schob das Päckchen wieder in ihre Tasche. Nachdem sich die Gesichtsfarbe der Kinder wieder normalisiert hatte, ließ Tommy den Eimer verschwinden und sie gingen in den Laden hinein. Als sie eintraten, waren Ron und sein Bruder gerade damit beschäftigt, die Tageseinnahmen zu zählen. „Da kommen wir ja gerade noch rechtzeitig”, begrüßte Harry die Brüder. Ron wurde kreidebleich und ließ die Hand voll Sickel fallen, die er gerade gezählt hatte. Harry ignorierte es, doch Hermine und Ginny grinsten fies. „George, ich brauche eine Schachtel Langziehohren.” „Klar, Harry! Alles, was du willst.” Kopfschüttelnd sah er zu seinem Bruder, der mit hochrotem Kopf die Münzen vom Boden aufklaubte. George kam gerade aus dem Lager zurück, als noch jemand den Laden betrat, der Ron dazu brachte, wieder alles fallenzulassen. „Das ist ja mal eine Überraschung! Was macht ihr denn hier?” Hermine drehte sich lächelnd um und begrüßte Lavender herzlich. „Wir wollen nur kurz was besorgen bei George.” Der legte die Schachtel, die er geholt hatte, auf den Ladentisch. Harry zog seinen Geldbeutel, aber George winkte ab. „Ja klar, als wenn du hier was bezahlen müsstest.”
„Na dann vielen Dank. Übrigens, wenn die Zwei hier was bei dir kaufen, sieh zu dass sie nichts Lebensgefährliches kriegen.” Harry zeigte auf Nicolas und Laura. „Bestimmter Grund dafür?” „Deine Gesundheit. Die Zwei gehören zur Familie.” Harry grinste breit und George sah ihn überrascht an. „Du hast das aber eilig. Und groß sind die Beiden schon geworden. Vor allem diese Ähnlichkeit. Kann ich ja Mum wieder beruhigen, denn von meinem Schwesterchen sind die nicht.” Sein schräger Humor schlug wieder durch. „Tja, ich halte mich halt nicht mit Windeln und so was auf. Ich nehme sie lieber, wenn sie schon aus dem Gröbsten raus sind.” Lavender lachte laut auf und knuffte Harry in die Seite. „Du bist mir ja ein schöner Dad.” „Ich gebe mir aber Mühe.” „Indem du die Zwei hierherbringst?” „He, Lavender, wenn du schlecht über mein Geschäft redest, müsst ihr in Zukunft woanders hin zum Knutschen!”, fuhr George sie an. „Dann werde ich halt Harry bitten uns ein Zimmer zur Verfügung zu stellen”, sie zwinkerte Harry zu, der eifrig nickte und frech grinste. Ron fielen daraufhin zum dritten Mal die Münzen auf den Boden. „Wir sollten gehen, Harry! Wir wollen doch nicht, dass Ron wegen uns Überstunden machen muss.” „Hast Recht, Ginny. Wir wünschen euch noch einen netten Abend.”
Nachdem die kleine Gruppe den Laden verlassen hatte, fand Ron seine Sprache wieder. „Kannst du mir mal sagen, was das eben war? Warum fällt dir Hermine um den Hals zur Begrüßung und was war das mit Harry?” „ICH für meinen Teil habe mit Mine und Harry gesprochen.” „Wann?” „Nachdem wir bei Kingsley waren, hat er mich gebeten, mit ihnen zu essen.” „Du bist bei ihnen zum Essen gewesen?” Ron klang fassungslos. „Was dagegen?”, gab Lavender barsch zurück. Ron wurde verlegen. „Nein, natürlich nicht.” „Dann ist es ja gut. Sieh zu, dass du hier fertig wirst! Wir zwei haben noch was zu besprechen.” Lavender sah Ron ärgerlich an und ging ins Hinterzimmer des Ladens. George sah grinsend zu seinem Bruder. „Ärger im Paradies?” „Schätze mal schon.” „Dann geh zu ihr. Ich mach das hier fertig.” Ron lächelte dankbar und ging zu Lavender. Als er den kleinen, mit Kisten, Ordnern und Büromöbeln vollgestellten Raum betrat, wollte er sie umarmen, was sie jedoch nicht zuließ. „Was hast du?” „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du noch mit Hermine zusammen warst, als ich dich gefragt habe?” Ron wurde bleich. „Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als Hermine mir das gesagt hat? Warum warst du nicht wenigstens so anständig und hast sie fortgeschickt, anstatt ihr so eine Szene zu machen? Du kannst froh sein, dass Harry dein Freund ist. Ich will gar nicht wissen, was er sonst mit dir angestellt hätte. Wie konntest du nur so dumm sein?” „Schöner Freund, der mir von meinem Bruder eine reinhauen lässt!”, konterte Ron. „Was nicht passiert wäre, wenn du Bill die Wahrheit gesagt hättest, anstatt bei deiner Story zu bleiben, in der Hoffnung, dass dich alle bemitleiden!”, gab Lavender ärgerlich zurück. „George hat…” Sein Bruder kam ins Zimmer. „Ron verdammt, das war nicht ernst gemeint. Gerade du hättest wissen müssen, dass Harry sauer wird, wenn du sowas mit ihr abziehst.” Verlegen sah Ron zu Lavender. „Was wird jetzt?” „Harry ist nicht dein Problem, wenn du das meinst.” „Sondern?” „Ich werde wieder in die Schule zurückkehren, Ron. Und ich werde das Angebot des Ministeriums annehmen.” „Du willst mich ein Jahr lang allein lassen?” „Anders herum stimmt es wohl eher.” „Aber ich muss doch George…” „Vergiss es, kleiner Bruder. Wenn du das Argument bei Mum bringst, sind wir beide tot.” Lavender lächelte leicht. „Was dann wohl heißt, dass du nicht allein bist im nächsten Jahr.” „Na das wird ja ein Spaß werden. Harry und ich in einem Schlafsaal. Mal ganz davon abgesehen, dass ich ihm dabei zusehen darf, wie er mit meiner Schwester und Hermine herumknutscht.” „Stört es dich denn, wenn er es tut?”, ihre Stimme war lauernd und leise. „Natürlich stört mich das, was denkst denn du?” „Das ist gut zu wissen. Ich kann dich aber beruhigen. Zum einen haben sie eigene Zimmer im Schloss und zum Anderen waren sie heute sehr gut in der Lage sich zusammen zu reißen.” „Wie lange warst du denn bei ihnen?” „Lange genug, um es beurteilen zu können. Glaub mir, die Drei brauchen nicht zu knutschen und Hermine schon gar nicht.”
Ron lief rosa an. „Die hatte ich auch nicht gemeint.” „Umso besser. Was Ginny angeht, solltest du dir schleunigst ein dickes Fell anschaffen, Ron. Könnte sein, dass nicht Harry, sondern sie sauer auf dich wird. Das möchtest du bestimmt nicht erleben.” Lavender sah ihn fies grinsend an und George tat es ihr gleich. „Vertrau mir, Lavender, mein kleiner Bruder weiß sehr genau, was unser Schwesterchen veranstaltet, wenn sie sauer ist.” „Ach ja? Was tut sie dann?” „Wenn Harry sie nicht gehindert hätte, dann hätte sie Percy einen Crutiatus auf den Hals gejagt.” „Er hat sie daran gehindert? Wie?” „Harry hat ihr in den Arm gegriffen und den Stab auf sich gerichtet.” „Harry hätte den Fluch auf sich genommen?” „Nicht nur das, Lavender. Er hätte sogar dafür gesorgt, dass ER anstatt Ginny dafür den Ärger bekommen hätte”, ergänzte Ron. Die Blonde sah ihn mit leuchtenden Augen an. „Harry muss sie wirklich sehr lieben, wenn er für Ginny ins Gefängnis gehen wollte”, flüsterte sie. „He, du redest da über meine kleine Schwester.” „Ron, du musst echt nicht dicht sein, jetzt noch an seinen Gefühlen zu zweifeln!”, brauste sie plötzlich auf. „Also ehrlich. Ich glaube nicht, dass du so was für mich tun würdest, Ronald Weasley.” „Doch, würde ich!”, gab Ron trotzig zurück. „Wenn du das schaffen willst, wirst du wohl mit nach Hogwarts kommen müssen.” Ron gab sich geschlagen. „OK, dann werden wir ab September wieder zur Schule gehen.” „Wehe, du vergisst dein Versprechen. Wenn nicht, wirst du es bitter bereuen.” Sie gab ihm einen harten Kuss. „Wir sehen uns gleich bei Dimitri!” Lavender nickte George kurz zu und ging hinaus. „Damit wäre der Abend wohl geplant”, seufzte Ron. „Nicht nur der Abend, Brüderchen”, grinste George schief.
Harry und die Anderen landeten nach und nach im Kamin in der Eingangshalle des St. Mungo. Die wenigen anwesenden Besucher und die Empfangshexe starrten mit unverhohlener Neugier auf die kleine Gruppe. „Warum gucken die denn so komisch?”, flüsterte Laura, die direkt neben Harry getreten war. „Daran wirst du dich gewöhnen müssen, wenn ihr bei uns bleibt”, antwortete Harry leise. „Schau mich doch mal an!”, forderte er Laura auf, die ihrerseits verwundert auf die Anwesenden starrte. „Du trägst ja den Umhang aus der Schule!” „Nun schau doch mal zu Mine und Ginny.” Die kleine Hexe wandte sich um und sah überrascht zurück. „Aber wir sind doch hier im St. Mungo! Warum haben die Zwei und du denn eure Kleider von der Schule an?” Hermine kam mit einem neugierig schauenden Nicolas zu ihnen. „Das passiert wohl wirklich immer dann, wenn wir bestimmte Zauber passieren. Im Ministerium sehen wir auch so aus”, erklärte Hermine den Kindern lächelnd. „Wisst ihr es nicht genau?”, wollte Nicolas wissen. Hermine schüttelte ihren Kopf. „Nein, Nicolas, aber vielleicht erfahren wir irgendwann etwas in Harrys Bibliothek.” Harry schob die Kinder vor sich her und legte dabei seine Hände auf ihre Schultern. Er trat mit ihnen an die Anmeldung heran und grüßte die Hexe dahinter freundlich, aber eindringlich, da diese mit offenem Mund zu den Mädchen starrte. „Guten Tag, Miss. Nicolas und Laura Flamel möchten ihre Großeltern besuchen.” „Oh…, äh…, ja gern, Mr Potter. Professor Dumbledore hat sie bereits angekündigt”, stotterte sie leicht verlegen. „Wir müssen aber darauf bestehen, dass nur sie und die Kinder zu den Großeltern hinein gehen.” „Wo müssen wir hin?” „In den vierten Stock, Zimmer vierhundertdrei. Die Damen können ja in der Cafeteria warten.” „Danke, Miss.” Er ging zu der kleinen Gruppe zurück. „Nicolas, Laura? Ihr wartet bitte kurz mit Tommy hier. Ich besorge Ginny und Hermine nur schnell einen Tee und bin gleich wieder hier.” Beide nickten und Harry verschwand mit den Mädchen in den nächsten Waschraum.
„Hört zu, ihr zwei! Ihr geht unter den Tarnumhang und nehmt jede ein Langziehohr, um uns zuhören zu können.” „Warum denn unter den Umhang?”, wollte Ginny wissen. „Sieht vielleicht ein wenig komisch aus, wenn wir auf dem Gang stehen, mit einem Gummifaden im Ohr, Gin.” „Hast ja Recht, Mine, aber das wird ziemlich eng in den Klamotten.” Hermine griff kurzerhand in ihren Nacken und öffnete ihre Kette. Im selben Moment stand sie in der Kleidung da, in der sie den Grimmauldplatz verlassen hatte. Ginny folgte widerwillig ihrem Beispiel und ihre Kleidung verwandelte sich auch zurück. Harry warf den Umhang über die Mädchen und sie verschwanden. Langsam ging Harry zurück zu den Anderen, damit die Mädchen ihm folgen konnten. Tommy sah zu ihm herüber und nach ein paar Sekunden zwinkerte er verschwörerisch. „Ich hoffe Miss Weasley und Miss Granger sind gut versorgt, Sir Harry?” „Sind sie, Tommy.” Auch Harry zwinkerte. „Bitte folge uns und achte darauf, dass wir nicht unnötig belästigt werden.” „Sehr wohl, Sir Harry.” Tommy trat ein paar Schritte zurück und hielt den Abstand bis zum Aufzug. Die Zwillinge traten, gefolgt von Harry, als Erste in die Kabine. Als Tommy nicht gleich folgte, sah Laura ihn fragend an. „Warum kommst du nicht?” „Tommy kommt gleich, Miss. Tommy möchte, dass sie nicht von Fremden gestört werden.” Kurz bevor die Türen sich schlossen, kam der Elf zu ihnen und drückte sich an die Wand der Kabine. Im vierten Stock öffnete sich klappernd die Tür und Tommy trat als Erster aus dem Fahrstuhl. Argwöhnisch sah er nach rechts und links, dann verneigte er sich. „Wenn sie jetzt bitte kommen würden? Es ist alles in bester Ordnung.” Lächelnd ging Harry an dem Elf vorbei. „Bitte sei so gut und warte hier auf uns. Setz dich doch vielleicht hier auf die Fensterbank.” „Gern, Sir Harry. Tommy wird den Korridor von hier aus im Auge behalten.” „Sollten Nicolas und Laura vor mir aus dem Zimmer kommen, dann bringe sie bitte nach Hause, Tommy.” „Gern, Sir Harry.” Er ging langsam den Korridor entlang, von dem zu beiden Seiten Türen abgingen. Seine Sohlen quietschten leise auf dem grünlichen Linoleum.
Vor dem Zimmer, das sie suchten, blieb er stehen. „So, da wären wir.” Lächelnd sah er die Zwillinge an. „Schau nicht so, Laura! Ich komm ja mit rein.” Zaghaft nahm sie seine Hand. Überrascht sah Harry zu ihr herunter. „He, es sind deine Großeltern und nicht die UTZ-Prüfer auf Hogwarts.” „Ich fühl mich dann aber besser.” „Na dann mal rein in die gute Stube.” Harry klopfte leicht, öffnete leise die Tür und ließ Nicolas vorangehen, damit er mit Laura zusammen eintreten konnte. Der blonde Junge lief direkt zu seinem Großvater und begrüßte ihn. Leise begann er, auf ihn einzureden. Laura zog Harry mit zu Perenelle. Die Hexe, die vor ihnen lag, sah ausgezehrt aus. Ihr Gesicht war eingefallen, doch als sie ihre Enkelin sah, schien das Leben in ihre Augen zurückzukehren. „Laura, mein Kind. Wie geht es dir bei Harry?” „Sehr gut, Granny.” Perenelle sah lächelnd auf die verschränkten Hände der Beiden. „Was möchtest du denn so Wichtiges, dass du direkt mit mir reden willst?” Harry sah Perenelle überrascht an. „Ja, Harry. Nicolas liegt nur noch da und starrt an die Decke. Ich bin noch nicht ganz so weit, doch lange dauert es auch bei mir nicht mehr.” „Kann denn nichts helfen, Granny?” „Nein, Laura.” Die kleine Hexe sah ihre Großmutter traurig an. „Was möchtest du denn nun?” „Ich…, bitte versteh das nicht falsch, Granny. Ich wollte euch bitten, dass wir für immer bei Harry bleiben können. Bitte glaub mir, wir haben euch ganz doll lieb, aber…” „Aber du hast etwas in ihm gefunden, das wir dir nicht geben können.” „Woher weißt du das?” Laura machte große Augen und drückte Harrys Hand fester. „Ich würde sagen, dass Harry seit langem der Erste ist, den du länger als eine Minute bei der Hand hältst. Außerdem hat mir Albus von gestern Abend berichtet.” „Sie war müde und der Tag war sicher nicht einfach für sie”, versuchte Harry Lauras gestriges Verhalten zu verteidigen.
Perenelle lächelte ein wenig. „Merkst du, wie du sie direkt in Schutz nimmst? Das ist es, was eine Vaterfigur ausmacht, Harry. Das Bedürfnis diejenigen zu schützen, die man gern hat.” „Das geht mir bei vielen Menschen so.” „Es hätte mich gewundert, wenn das nicht so wäre. Laura, Liebes, gehst du bitte mit Nicolas nach draußen? Ich möchte mit Harry allein sprechen.” „Was ist mit meiner Bitte, Granny?” Ihre Großmutter streckte ihre Hand aus und legte sie lächelnd auf die ineinander gelegten Hände von Harry und Laura. „Ja, Liebes. Ich bin sehr froh, dass du selbst darum bittest. Das macht mir einiges leichter.” Das blonde Mädchen nahm ihre Großmutter in den Arm und drückte sich vorsichtig an sie. „Ich hab dich lieb, Granny.” Nach einem Kuss auf die Stirn ging Laura zu Nicolas, nahm ihn bei der Hand und zog ihn aus dem Zimmer. „Setz dich bitte auf den Stuhl dort, Harry. Wir haben etwas zu besprechen, glaube ich.” Nachdem sich Harry gesetzt hatte, sah die alte Dame zur Decke. Es war gerade so, als ob sie seinen Anblick nicht ertragen konnte. „Warum willst du nichts von uns dafür, dass du sie bei dir aufnimmst?” „Ich habe alles, was ich brauche. Ich habe Menschen, denen ich vertrauen kann, zwei wunderbare Freundinnen, die ich liebe und endlich ein freies, selbstbestimmtes Leben.” „Trotzdem belastest du dich mit zwei jungen Zauberern, die dieses Leben einengen können und sicher auch werden?” „Sie sehen ihre Enkel als solch eine Belastung?” Harrys Stimme wurde schlagartig hart und kalt. „Sind sie das denn nicht?” „Es ist unhöflich eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, Mrs Flamel! Wie können sie nur so von ihren Enkeln denken?”
Perenelle zuckte merklich zusammen bei seiner Frage. „Bitte vergiss nicht, wie alt mein Mann und ich inzwischen sind. Nicolas und ich haben in unserem langen Leben vierzehn Kinder und achtzehn Enkel an die Zeit verloren.” „Wie kann das sein? Haben sie ihnen nicht dieselbe Chance gegeben?” „Sie haben es abgelehnt, Harry. Nur unser letzter Sohn, den wir vor dreißig Jahren adoptiert haben, war bereit denselben Weg zu gehen, wie wir. Er war damals so alt wie Nicolas und Laura heute.” „Hat es also fast sechshundert Jahre gedauert, jemanden zu finden, der gierig und skrupellos genug war, der Zeit ins Handwerk zu pfuschen. Hat ihnen das nicht zu Denken gegeben, dass ihre anderen Kinder und Enkel diesen Schritt nicht gegangen sind?” „Du bist seltsam, Harry.” „Sie sind nicht die Erste, die mir das sagt.” Perenelle atmete schwer durch. „Hör zu, Harry, ich will dir nicht den Grund verschweigen, warum wir dir das Geheimnis unserer Familie anvertrauen wollen. Nicolas hat damals Albus zugestimmt, dass der Stein eine Gefahr darstellt. Leider hat er nicht bedacht, dass seine Vorräte schneller aufgebraucht werden als gehofft. Wir haben erst die Paten von Nicolas und Laura gebeten uns zu helfen und dann meinen Sohn und seine Frau.”
Es entstand eine kurze Pause, weil Mrs Flamel einen Hustenanfall bekam. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, fuhr sie fort. „Diese Aussage scheint dich nicht zu überraschen.” „Nein, Mrs Flamel. Zu dieser Erkenntnis bin ich bereits selbst gelangt.” Sie sah überrascht zu Harry. „Was hat dich darauf gebracht?” „Ihr überdeutliches Interesse daran, mir die Formel für den Stein zu überlassen, wenn ich mich um ihre Enkel kümmere.” „War das so offensichtlich?” „Jemand, der nicht meine Erfahrungen gesammelt hätte, wäre wohl nicht unbedingt auf diesen Gedanken gekommen.” „Was würdest du tun, wenn wir dir verweigern würden, sie bei dir zu behalten?” „Ich gehe mal davon aus, dass dies jetzt eine hypothetische Frage ist. Sie werden doch wohl nicht ihre Enkelin anlügen?” Die Wut und die Abneigung in seiner Stimme waren fast greifbar. „Nein, Harry.” Sie nestelte an der Schublade ihres Nachtschranks herum und gab ihm ein Pergament. „Dieses Schreiben weist das Ministerium an, dir und nur dir allein die Vormundschaft zu übertragen.” Harry nahm die versiegelte Rolle und öffnete sie direkt. Er überflog das Blatt und rollte es wieder zusammen, bevor er es grimmig schauend in seinen Umhang schob. „So jung und schon so misstrauisch?” „Ich bin einfach zu oft manipuliert und benutzt worden bisher.” Harry sah abwartend zu der alten Frau. „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.” „Dann haben wir jetzt etwas gemeinsam. Sie meine auch noch nicht.” „Dann bleiben diese Fragen wohl ungeklärt.” „Wie sie wollen.” Harry überlegte kurz. „Haben sie überhaupt andere Familien in Betracht gezogen, als sie nach jemandem für die Beiden gesucht haben?” „Ehrlich gesagt nicht. Albus war überzeugt, dass du einwilligen würdest.” Harrys Blick wanderte zum leeren Portrait.
„War er auch überzeugt, dass ich den Stein für sie erschaffen würde?” „Wie man es nimmt, Harry. Er hatte damit gerechnet, dass deine Freundin, Miss Granger, dich dazu überreden würde. Nicht um ihn zu benutzen, sondern wegen ihrer angeborenen Neugier auf neue Erfahrungen und neues Wissen.” „Er kennt sie halt recht gut.” „Was würdest du sagen, wenn ich ihr die Chance gebe, die Rezeptur zu sehen und sie zu studieren?” „Ohne Bedingung?” „Bitte, Harry. Welche Bedingung könnte ich noch stellen?” „Sie könnten ihre Anweisung jederzeit widerrufen und ihre Enkel an eine Familie geben, die auf jeden Fall den Stein produziert.” Sie griff wieder in die Schublade und zog ein kleines, in Leder eingebundenes, Notizbuch heraus. „Dafür ist es jetzt zu spät. Vor allem weil du gewillt bist, die Zwei notfalls mit allen Mitteln zu schützen und sie bei dir zu behalten.” „Woher wollen sie das wissen?” „Du hast sogar Hauselfen zu ihrem Schutz abkommandiert.” „Ich habe die Elfen gebeten ein Auge auf sie zu haben, damit Borage sie nicht weiter drangsaliert.” „Sagt dir der Name denn nichts?” „Außer dass der Typ ein mieser Sack ist, nichts.” „Sein Ururgroßvater, Libatius Borage, ist der Verfasser eures Schulbuches Zaubertränke für Fortgeschrittene.” „Viel kann der nicht drauf gehabt haben, da unser ehemaliger Tränkemeister schon während seiner Schulzeit fast jedes Rezept deutlich verbessert hat.” Perenelle lächelte wieder ein wenig. „Sag das besser nicht, wenn seine Enkel dabei sind. Der Jüngste ist mit meinen Enkeln nach Hogwarts gekommen.” „Ich glaube ich habe beide schon kennengelernt. Dem Größeren habe ich eine Lektion erteilt und seinem kleinen Bruder die Meinung gesagt, als er abfällig über Laura und Nicolas gesprochen hat.” „Sei vorsichtig bei ihnen. Sie sind nicht ohne Grund in Slytherin.” „Meine Elfen freuen sich schon darauf. Sie haben Anweisung, Bradley ins Mungos zu hexen, wenn er sich nicht benimmt.”
„Sie sollen was?” „Sie werden ihn so verhexen, dass er bis zu seinem Abschluss in dieser Einrichtung liegen wird. Er könnte also auch gleich von der Schule gehen, wenn er etwas in dieser Richtung plant.” Harry grinste fies und lehnte sich zufrieden zurück. Perenelle sah ihn nachdenklich an. „Was hat er gemacht, dass er so etwas verdient?” „Er hat jüngere Mitschüler drangsaliert und ältere gequält, weil sie ihnen helfen wollten.” „Kannst du das beweisen?” „Ich habe es selbst gesehen.” „Die Jüngeren waren nicht zufällig meine Enkel?” „Sie wissen es doch schon, sonst wüssten sie nichts von den Elfen.” Sie übergab Harry das Notizbuch. „Ich weiß, dass du nicht besonders gut von mir denkst, Harry, aber eins musst du zugeben. Wir zwei sind uns sehr ähnlich. Wir würden alles für Nicolas und Laura tun.” „Darin muss ich ihnen wirklich recht geben, Mrs Flamel.” Harry stand auf und ergriff die Hand, die sie ihm reichte. „Achte gut auf Laura. Nicolas ist stärker als sie, aber meine Enkelin braucht dich. Ich bin froh, dass sie dir so sehr vertraut.” „Ich werde mich bemühen.” „Das weiß ich, Harry. Danke, dass du ihr nichts von dem Brief gesagt hast. Es war wichtig für sie, dass sie mich selbst darum gebeten hat.” „Kein Problem. Aber ich glaube, wir sollten an diesem Punkt unser Gespräch beenden. Sie sehen müde aus. Wir können ja bald wieder herkommen.” „Beim nächsten Mal möchte ich aber, dass Miss Granger und Miss Weasley mit dabei sind. Ich will doch wissen, wie die Zwei es geschafft haben dich von sich einzunehmen. Vielleicht schaffe ich das dann auch bei dir.” „Das war nicht schwer. Die Zwei waren ehrlich und verlässlich.” „Das sollte ich auch hinbekommen.” „Das ist doch mal ein Angebot.” Zum ersten Mal seit dem Betreten des Zimmers glitt ein Lächeln über Harrys Gesicht und seine Stimme war freundlich. Nach einem abschließenden Nicken ging er leise aus dem Zimmer.
Nachdenklich blieb er am Fenster, das dem Fahrstuhl gegenüberlag, stehen. Harry atmete tief ein und streckte seine Arme. Ein Kribbeln lief über seinen Rücken. Ruckartig drehte er sich herum und griff zu. Er sah in die überraschten Gesichter der Mädchen. „Woher wusstest du das?” „Ich hab euch gespürt, Mine.” Ginny sah ernst und traurig zu ihm herüber. Als er sie zu sich heranziehen wollte, fiel sie ihm schniefend um den Hals. „Warum musst du mit den schlechten Dingen nur immer recht behalten?” Beruhigend hielt Harry sie im Arm. „Tut mir leid, Liebes.” „Sei nicht blöd, Harry! Du kannst doch nichts dazu.” „Das nicht, Mine. Aber es beruhigt sie vielleicht etwas.” „Lass uns nach Hause gehen, Harry! Ich bin müde und sehne mich nach dem Sofa.” „Alles klar, dann lasst uns von hier verschwinden.” Beide bekamen noch einen Kuss, bevor sie wieder unter dem Umhang verschwanden. Im Erdgeschoss ging es direkt wieder in den Waschraum. Ginny zog den Tarnumhang herunter, gab ihn an Harry und die Mädchen legten ihre Ketten wieder an. Harry war sehr darauf bedacht, dass die Hexe am Eingang auch wirklich mitbekam, dass er und die Mädchen aus der Cafeteria kamen, bevor sie das St. Mungo verließen. Bei der Ankunft im Grimmauldplatz wurden sie von Laura begrüßt. „Hallo ihr drei. Abendessen ist fertig. Wir haben den Elfen ein wenig geholfen.” „Prima, dann lasst uns schnell essen und es uns danach im Salon gemütlich machen.” Lauras Augen glänzten und sie lief schnell wieder in die Küche zurück.
Nach dem Essen zogen sich alle etwas Bequemes an und kamen im Salon wieder zusammen. Harry saß mit Ginny auf den Knien neben Hermine, als Laura und Nicolas hereinkamen. „Duhu, Harry?” „Na, was möchtest du, Laura?” „Dürfen wir uns zu euch setzen?” „Da braucht ihr doch nicht extra fragen.” „Ich meine zu euch aufs Sofa.” „Ich bleib aber hier sitzen!”, kam sehr bestimmt von Ginny. „Ich werde es ein wenig vergrößern, damit wir genug Platz haben.” Nachdem die Erweiterung erledigt war, setzte sich Nicolas neben Hermine und Laura quetschte sich noch neben Harry. „Warte, ich rutsche noch ein wenig näher zu Hermine.” Als alle saßen, sah Laura gebannt auf die Flammen im Kamin. „Sag mal, Harry, was hat Grandma mit dir besprochen?” „Sie hat mir gesagt, dass ich gut auf euch achten soll und sie hat mir ein Pergament für das Ministerium gegeben.” „Was steht in dem Brief?” „Da steht genau das, worum du sie gebeten hast.” „Ihr seid also jetzt unsere Familie?” „Das ist so weit richtig.” „Was ist denn daran nicht richtig?” „Im Moment bin auf dem Papier nur ich euer Vormund, Nicolas.” Der Junge grinste schelmisch. „Lass dir ja nicht einfallen nicht auf das zu hören, was Ginny oder Hermine sagen.” „Och menno! Hast du mich schon wieder durchschaut.” „Keine Sorge. Das Schimpfen überlassen wir Harry. Wir wollen ja schließlich, dass ihr uns gern habt”, Ginny grinste frech und Hermine nickte eifrig zur Bestätigung. „Das sind ja ganz tolle Aussichten”, stöhnte Harry. Laura drückte sich an seine Seite. „Nicht ärgern, Harry. Ich hab dich auch lieb, wenn du mal schimpfen musst.” „Glaubst du denn, dass das nötig wird?” „Weiß nicht, aber möglich wäre es doch, oder?” Das Gesicht, das Laura dabei machte, brachte alle zum Lachen.
Gegen zehn stand Laura auf und zog auch Nicolas hoch. „Komm kleiner Bruder. Wird Zeit fürs Bett.” „Von wegen klein. Die drei Minuten Unterschied”, maulte Nicolas. „Bringst du uns nach oben, Hermine?” „Klar, mache ich doch gern.” Als sie an der Tür waren, drehte Laura noch einmal um und kam zurück gewuselt. Sie gab Ginny und Harry einen Kuss auf die Wange und rannte wieder hinter Hermine her. „Hätte es fast wieder vergessen. Gute Nacht, ihr zwei.” „Gute Nacht!”, riefen beide. „Was machen wir jetzt?” „Bis Mine wieder da ist, wüsste ich schon was.” Ginny griff in seine Haare und drückte ihre Lippen auf seine. Harry ließ langsam seine Hände über ihren Körper gleiten, was ihr ein behagliches knurren entlockte. „Oh Mann, Harry”, flüsterte sie, als sie sich voneinander lösten. „Das könnte ich stundenlang mit dir machen.” „Was hält dich davon ab?” Ginny sah ihn mit glänzenden Augen an. „He, ihr zwei.” Hermine steckte ihren Kopf durch die Tür zum Salon. „Ich werde noch ein wenig lesen.” „Schau doch mal in das Notizbuch in meinem Schlafzimmer, Mine. Weißt ja sicher schon, was das sein könnte.” „Du lässt es mich echt lesen?” „Solang du nicht gleich mit Kessel und Zutaten aufkreuzt, ja!” Hermine kam herein gestürmt und gab ihm einen Kuss. „Du bist ein Schatz.” Harry hielt sie kurz fest und sah sie ernst an. „Versprich mir, dass du es wirklich nur liest.” „Ja, Harry. Ich lege mich ins Bett und bewege mich nicht weg, bevor du oben bist.” Sie ging lächelnd hinaus. Grinsend sah Harry zu Ginny. „Wo waren wir doch gerade?” Ohne zu antworten, verschloss sie seine Lippen mit den ihren. Nach dem Kuss sah sie ihn lächelnd an. „Na, wie fühlt man sich so als Daddy?” Harry grinste breit. „Sag du es mir, Mum.” Ginny überlegte kurz. Sie fuhr mit ihrem Finger über seine Nase und Lippen. „Es macht mir Angst, aber es ist auch ein tolles Gefühl, dass ein junger Mensch mir so sehr vertraut. Was denkst du?” „Dass mir Menschen ihr Leben anvertrauen bin ich ja schon ein wenig gewöhnt, aber du hast vollkommen recht, mein Schatz. Die Zwei bei uns zu haben ist eine große Herausforderung.” Ginny kuschelte sich fest an Harry.
„Vertraust du Mrs Flamel?” „Was die Liebe zu ihren Enkeln angeht, ja.” „Woher willst du das wissen?” „Weil ich ihre Augen gesehen habe, als sie Laura angesehen hat.” Was glaubst du, wird Hermine tun wollen?” „Sie wird es versuchen. Mine wäre nicht sie selbst, wenn sie es nicht probieren würde.” Ginny sah ihn verständnislos an. „Warum hast du ihr dann das Buch überlassen?” „Damit sie mich nicht belügen muss, wenn sie es liest.” „Was versprichst du dir davon?” „Ich will ihr damit zeigen, dass ich ihr vertraue und hoffe, dass sie zu mir kommt, bevor sie es versucht. Wenn ich ihr das Lesen verboten hätte, würde sie wohl alles im Verborgenen machen. So hoffe ich, dass sie mir etwas sagt, bevor es lebensgefährlich wird für uns.” „Wen meinst du mit uns?” „Uns alle, Ginny.” Sie gähnte herzhaft. „Ich glaube, es wird wirklich Zeit für mich.” Etwas enttäuscht sah Harry sie an. „Soll ich dich ins Bett bringen, Süße?” „Au ja! Meinst du, du kannst mich tragen?” „Warum sollte ich nicht?” Ginny spürte ein leichtes Kribbeln in ihrem Nacken, als er seinen Arm hinter ihren Kopf schob. Mühelos stand er mit ihr auf und trug sie in ihr Zimmer. Vor dem Bett stellte er sie auf ihre Füße und das Kribbeln verschwand. „Da wären wir.” Harry schlug die Bettdecke zurück, half ihr aus den Kleidern und legte sie mitten auf ihr Bett, bevor er sie vorsichtig zudeckte. „Brauchst du noch etwas, meine kleine Rose?”, flüsterte er. Sie lächelte ihn mit müden Augen an und rutschte ein wenig zur Wand. „Leg dich zu mir, bis ich schlafe. Du fehlst mir.” Harry schlüpfte unter die Decke und Ginny kuschelte sich an ihn heran. „Pass aber auf, dass du nicht einschläfst. Denk an unsere Abmachung.” Er gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Schlaf gut, mein Schatz. Morgen haben wir endlich einen Tag Ruhe.” „Ich freue mich schon darauf. Wir werden hoffentlich nicht gestört, mein kleiner …” Harry lächelte, denn Ginny schlief während des Satzes ein. Er wartete noch ein paar Minuten und schlich dann hinüber in sein Zimmer zu Hermine.
Leise betrat er den Raum, nachdem er kurz im Bad gewesen war. Hermine lag im Bett und hatte die Decke weit hochgezogen. Fasziniert starrte sie auf die Seiten des Notizbuches, das sie in ihren Händen hielt. Vorsichtig legte er sich neben sie und beobachtete ihre Reaktionen auf das, was sie las. Nach einer ganzen Weile sah sie ihn überrascht an. „Hab gar nicht bemerkt, dass du bei mir bist. Warum hast du denn nichts gesagt?” „Ich weiß doch, dass du es nicht magst, wenn du beim Lesen gestört wirst.” Lächelnd legte sie das Buch an die Seite. Hermine rutschte zu Harry heran und sah ihm in die Augen. „Was habt ihr zwei noch gemacht?” „Nicht viel. Ich habe sie praktisch nur zu Bett gebracht. War ja nicht gerade wenig los bei uns in den letzten Tagen.” Harry streckte sich und legte seinen Arm um sie. Er küsste Hermine zärtlich und löschte das Licht. „Darf ich dich was fragen, Harry?” „Klar, was willst du wissen?” „Warum hast du es gemacht?” „Was meinst du?” „Such dir eine Sache aus.” „Also, wenn du das in der Bank meinst …” „Ja, das auch.” Harry sammelte sich kurz. „Es ist nicht so, dass ich jederzeit damit rechne, aber wenn mir was passieren sollte, will ich, dass ihr auf jeden Fall versorgt seid.” „Warum so plötzlich?”, ihre Stimme war ängstlich. Beruhigend strich er über ihre Haare. „Weil ich ab jetzt nicht nur für euch sorge, sondern auch für Nicolas und Laura. Also ist es, wie ich vorhin sagte. Alles halb so schlimm.” Hermine nahm ihn in den Arm. „Warum tust du das nur immer wieder? Ich krieg langsam echt ein schlechtes Gewissen.” „Was tu ich denn?” Harry klang ehrlich überrascht.
„Na hör mal! Erst kaufst du für uns ein, danach gibst du mir einen Haufen Geld, den ich nicht will. Winky wird von dir ins Haus geholt und jetzt die Sache in der Bank. Gin und ich sind ja nicht einmal mit dir verlobt und du gewährst uns Zugang zu dem Verlies deiner Familie auf Lebenszeit. Ganz zu schweigen von unserer Unterbringung hier im Haus und der von Nicolas und Laura.” „So wie du das sagst, klingt das als wäre es etwas Schlechtes.” „Ist es auch, weil du immer nur für Andere da bist. Wann fängst du endlich damit an, etwas für dich zu tun?” Harry zog mit seinem Finger ihre weichen Lippen nach. „Wer sagt dir denn, dass ich das alles nicht für mich getan habe?” Sie hielt seinen Finger fest und knabberte daran herum. „Weil ich eins von dir ganz genau weiß.” „Was wäre das?” „Du bist stur, unvorsichtig, nachtragend und noch einiges mehr. Aber eins bist du bestimmt nicht und zwar selbstsüchtig.” Hermine ließ ihre Lippen langsam über Harrys Arm gleiten und küsste seinen Hals. „Dieses Mal muss ich dich enttäuschen, Hasi. Es war reiner Eigennutz, euch bei mir zu haben.” „Na, da bin ich aber mal gespannt.” „Dadurch, dass ihr hier bei mir seid, bekomme ich endlich etwas, das ich schon ewig vermisse.” 'Wenn er jetzt sagt, dass wir seine Familie sind, fange ich an zu heulen.' „Aber wir sind doch schon länger mit dir befreundet.” Harry spürte, wie Hermine um ihre Fassung rang, als sie das sagte. „Du weißt selbst, dass es bei Ginny und dir deutlich mehr ist als Freundschaft. Wir sind praktisch…” „… Deine Familie geworden”, beendete sie den Satz für ihn.
Hermine brach in Tränen aus. „Hey, was ist denn mit dir?” Harry wollte sie in den Arm nehmen, doch sie war schneller und fiel ihm um den Hals. „Du bist so ein Schatz!”, schniefte sie. „Wir sind gerade mal achtzehn und du denkst an so etwas.” „Wenn ich gewusst hätte, dass du deswegen traurig wirst…” „Ach Quatsch! Es ist nur so, dass ich auch schon darüber nachgedacht habe, Hase.” „Warum weinst du dann?” „Weil ich nicht glauben kann, dass du wirklich so denkst. Andere Jungs in deinem Alter würden Panik schieben, wenn ich das nur andeute.” „Naja, wie sieht denn deine Planung so aus? Ich meine…, ich hatte dir das mit dem Nachwuchs doch schon gesagt.” „Das ist es nicht, Harry. Ich habe keinen fertigen Plan. Ich bin einfach nur glücklich, dass ich mich mit dir darauf freuen kann.” „Wir sind aber nicht nur zu zweit.” „Viel besser, Hase. Wir sind sogar zu dritt.” „Wie meinst du das?” „Wenn einer von uns allein unterwegs ist, dann haben wir immer noch jemanden, der bei uns ist.” „Warum ist Ginny dann im Moment allein?” „Weil wir uns darauf geeinigt haben. Ich weiß auch, dass sie dich vermisst und ehrlich gesagt bin ich selbst nicht glücklich damit.” „Warum ändert ihr es dann nicht wieder? Du vermisst sie doch genauso wie ich. Wäre es nicht besser, wenn ihr es jeweils selbst entscheidet, wann ihr für euch sein wollt?” Hermine überlegte kurz und kletterte aus dem Bett. Mit ihrem leuchtenden Zauberstab ging sie aus dem Zimmer. Harry sah ihr lächelnd hinterher. Nach ein paar Minuten kam sie mit einer gähnenden, aber glücklich lächelnden Ginny zurück. „Entschuldige, dass wir dich geweckt haben, meine kleine Rose.” „Dafür dass ich heute bei dir sein kann, hätte ich noch ganz was Anderes toleriert.” „Na dann kommt schnell zu mir, damit wir endlich schlafen können.” Beide drückten sich an Harry und Ginny fielen nach ein paar Minuten die Augen zu.
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