von Roya
Kapitel 13: Sorge
Charlie legte eine Vollbremsung in der Luft hin und wendete schnellst möglichst seinen Besen. Was er sah, schockierte ihn zutiefst. Wie in Zeitlupe sah er Adams gegen mehrere Balken prallen, sie wurde hin und her geschüttelt, ihr Besen zerbarst in gezackte Stücke, dann fiel sie in den Graben. Sie schlug gegen zwei weitere Querbalken und überschlug sich selber. Dann, mit einem dumpfen Aufprall, landete sie auf dem Boden. Stille durchzog das gesamte Stadion, niemand rührte sich. Doch dann brach Chaos aus. Schüler sprangen von ihren Sitzen, insofern sie nicht eh schon gestanden hatten und schrieen wie wild durcheinander, Lehrer versuchten durch die aufgebrachte Masse zu kommen und die anderen Quidditch-Spieler sausten Richtung Boden. Charlie bekam das alles nicht mit. Er hatte seinen Besen sofort Richtung Graben gelenkt und suchte sich einen Weg durch die teilweise zerstörten Stützpfeiler. Wilde Angst jagte durch seinen Körper, sein Kopf schien seltsam leer. Sein Blick war nur auf Adams gerichtet, ihr roter Haarschopf strahlte mit einer Intensität, die er noch nie wahrgenommen hatte. Sie lag ohne sich zu Rühren einfach nur da, ihre Glieder seltsam verrenkt. Endlich war Charlie angekommen, er stolperte von seinem Besen hinunter auf die reglose Gestalt zu und fiel neben ihr auf die Knie. Ganz vorsichtig berührte er ihre Schulter und drehte sie behutsam auf den Rücken. Sein Herz raste und drohte, aus seiner Brust zu springen, so angespannt war er und so ängstlich, dass etwas Schlimmes geschehen war. Adams war aschfahl im Gesicht, sie hatte die Augen geschlossen. Charlie konnte für einige Augenblicke nur auf das rote Blut starren, welches ihr von einer großen Platzwunde an der Stirn über das Gesicht lief. Auch ihre Lippe war aufgeplatzt und blutete. Sein Blick fuhr automatisch ihren Körper entlang und augenblicklich wurde die Angst in ihm zu einem rasenden Inferno, das sich bis in die letzten Winkel seines Körpers ausbreitete. Ein Stück dünnes Holz ragte aus ihrer linken Schulter und das darauf klebende Blut glitzerte in der Sonne, die gerade eben ihren Weg in den Graben fand. Adams eigener Besen hatte sie aufgespießt. Charlie konnte an nichts mehr denken, sein Kopf war so voll von verschiedensten Dingen, dass er beinahe platzte. Welch Ironie! Zuerst steckte ihm ein Stück Holz im Bauch dank ihr und jetzt steckte ein Stück Holz in ihr dank ihm. Doch es war eine solch kuriose Ironie, dass Charlie sie absolut nicht witzig finden konnte. Voller Angst und Verzweiflung blickte er einfach nur auf ihr Gesicht herab und merkte gar nicht, wie neben ihm mehrere Leute landeten. Erst als jemand ihn sanft, aber bestimmt an der Schulter fasste, kehrte Charlie zurück in die Realität, was zur Folge hatte, dass der anschwellende Lärm ihm sofort in den Ohren dröhnte und er rasende Kopfschmerzen davon bekam. Sein Blick blieb an Adams Gesicht haften, selbst, als er von ihr weggezogen wurde. Erst, als sich andere Leute über sie beugten und sie somit aus seinem Gesichtsfeld verschwand, blickte Charlie hoch und sah in das bleiche, mühsam beherrschte Gesicht von Professor McGonagall.
„Weasley. Kommen Sie mit.“
Als sie ihn auf die Beine zog, drohten sie ihm wieder weg zu knicken und er ließ sich von seiner Lehrerin halb führen, halb schleppen. Wie sie den Weg hinaus aus der Grube und zum Schloss hoch schafften, blieb dem jungen Mann ewig ein Rätsel, aber irgendwann, es kam ihm endlos lange vor, drückte ihn McGonagall auf einen Stuhl und verschwand von seiner Seite.
„Mr Weasley!“
Er zwang sich, sie anzusehen, auch wenn er tierische Angst davor hatte, was sie ihm zu sagen hatte. Endlich konnte er wieder einen klaren Blick fassen und stellte fest, dass sie im Büro der Lehrerin waren. Sie saß an ihrem Schreibtisch und sah ihn mit ihrem forschen Blick an.
„Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal und trinken Sie einen Tee.“
Vollkommen verwirrt starrte Charlie auf die Tasse, die sie ihm entgegen schob. Dann sah er wieder hoch.
„Na los? Oder soll ich sie Ihnen anreichen?“
Charlie nahm die Tasse in seine Hände und bemerkte, dass er stark zitterte.
„Was…“
Er räusperte sich, seine Stimme klang unheimlich heiser.
„Was ist mit Adams?“
„Nun, das werden wir wohl bald erfahren. Madam Pomfrey wird ihr Bestes geben.“
Charlie nickte und starrte aus dem Fenster. Er konnte immer noch nicht begreifen, was passiert war.
„Sie haben gut gespielt, Weasley.“
Zuerst wusste er nicht, wovon sie redete, aber als ihm wieder einfiel, dass sie ja eigentlich nur ein normales Quidditch Spiel gehabt hatten, nickte er mechanisch.
„Nun kommen Sie schon, Weasley. Trinken Sie Ihren Tee, er wird nicht leckerer, wenn er kalt ist. Und Adams geht es dadurch auch nicht besser.“
Charlie nippte an seinem Tee und spürte die heiße Flüssigkeit seine trockene Kehle hinab laufen. Dann besann er sich und sagte leise:
„Das Spiel… Ich meine, ich hab den Schnatz gefangen…“
McGonagalls Augenbraue schnellte nach oben und verschwand beinahe unter ihrem Hutansatz. Schnell redete Charlie weiter.
„Nein, so mein ich das nicht. Aber…“
Hilflos zuckte er mit den Schultern und rang um die richtigen Worte.
„Wird das Spiel wiederholt? Es ist doch unfair, ich meine, ich hätte den Schnatz nicht gefangen, wenn ich gewusst hätte, dass…“
Die letzten Worte blieben ihm dann doch im Hals stecken. Was sollte er auch sagen? Dass Adams einen Unfall macht? Dass sie seinetwegen gegen die Balken gestoßen war? Dass sie vielleicht sogar nicht mehr… nein, den Gedanken wagte er nicht, zu Ende zu denken und er versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Eine Weile saßen sie nur da und Charlie nippte an seinem Tee, dann hörte man Fußgetrappel vom Gang her und er stellte schnell seine Tasse ab. Noch bevor jemand klopfen konnte, war McGonagall aufgesprungen und zur Tür geeilt. Draußen stand Professor Sinistra, die Professorin von Astronomie, und verschnaufte kurz. Dann sah sie zu McGonagall und sagte dann hektisch und schnell:
„Madam Pomfrey sagt, sie kommt durch. Es wird wieder.“
Charlie konnte nicht sagen, wie erleichtert er sich in diesem Moment fühlte. Es war, als ob eine riesige Last von seinen Schultern genommen wurde, er konnte wieder freier atmen und auch der Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, wurde kleiner.
Er sprang auf und schritt rasch auf die Tür zu.
„Kann ich sie sehen?“
Als McGonagall nickte und er hinter ihr hereilte, konnte er es kaum fassen, er hätte mit einer schroffen Abfuhr gerechnet. Professor Sinistra ging noch bis zur nächsten Ecke mit und entschuldigte sich dann mit einem gemurmelten: „Ich muss ins Bett.“
Charlie bekam nur halb mit, wie sie einen anderen Gang entlang eilte, er konzentrierte sich auf McGonagall vor ihm. Nachdem er die erste Erleichterung verdaut hatte, fragte er sich, was geschehen wäre, wenn Adams etwas Schlimmeres zugestoßen wäre. Wenn sie bleibende Schäden erhalten hätte. Nein, das wollte er sich nicht vorstellen!
Als Summer erwachte, wusste sie absolut nicht, wo sie war und was passiert war. Mit geschlossenen Augen lag sie da und versuchte erst einmal, ihre anderen Sinne zu aktivieren. Sie hörte leises Gemurmel, war sie im Schlafsaal? Auf jeden Fall lag sie in einem Bett. Dann bemerkte sie die verschiedenen Gerüche und auf einmal war ihr klar, wo sie sich befand. Und mit dieser Erkenntnis kam auch ihre Erinnerung wieder. Schlagartig begann ihr Herz zu hämmern, was ein seltsames Ziehen in ihrer linken Schulter zur Folge hatte. Sie war beim Quidditch abgestürzt. Voller Grauen erinnerte sie sich an den Krach, die Schmerzen, das durch die Luft geschleudert werden. Ihr entwich ein leichter Keucher und sie schlug die Augen auf. Eine Stimme erklang dicht an ihrem Ohr.
„Ist schon gut, Liebes, bleib ruhig liegen. Es ist alles gut.“
Sie kannte die Stimme und drehte ihren Kopf. Langsam aber sicher sah sie nicht mehr verschwommen, sondern gewöhnte sich an das Licht.
„Madam… Madam Pomfrey?“
„Ja, Liebes, ich bin hier.“
Ihr Blick klärte sich und Summer konnte die Heilerin erkennen, die mit besorgtem Gesichtsausdruck neben dem Bett saß.
„Schön, dass du wieder wach bist. Wie fühlst du dich?“
„Scheiße.“
Sie hörte ein Räuspern und drehte ihren Kopf schwerfällig auf die andere Seite. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass mehrere Leute an ihrem Bett saßen oder standen und sie spürte ein wenig Hitze in ihr Gesicht steigen.
„Tschuldigung.“
Sie fühlte sich ziemlich schwach, erkannte aber alle Leute, die da saßen. Professor Flitwick, ihr Hauslehrer, daneben Professor McGonagall, von der garantiert das Hüsteln gekommen war und dahinter stand Madam Hooch, die sie wie alle anderen auch besorgt ansah.
„Was ist denn passiert?“
Sie sah fragend von einer Frau zur nächsten, und natürlich auch zu Flitwick, der zwar auf einem Stuhl saß, aber dennoch nur gerade so übers Bett schauen konnte. Madam Pomfrey antwortete.
„Nun ja, du hast ziemlich Glück im Unglück gehabt, würde ich sagen. Du hast dir einige Kratzer und Prellungen geholt, außerdem eine Platzwunde am Kopf und eine kaputte Lippe, aber keine Sorge, es ist alles schon wieder geheilt. Es waren auch alles keine lebensgefährlichen Verletzungen, aber…“
Ängstlich sah Summer zu der Heilerin hoch, die sich kurz räusperte und dann leiser weiter sprach.
„Dein Besen wurde durch den Aufprall auf die Balken zerstört und ein Teil davon hat sich von hinten durch deine linke Schulter gebohrt. Du hattest unheimliches Glück, dass es nicht ein paar Zentimeter weiter in der Mitte gewesen ist, denn dann wären es entweder dein Herz oder deine Wirbelsäule gewesen, die zertrümmert worden wären.“
Vor Summers Augen flimmerte es, als sie sich der Tatsache bewusst wurde, dass sie riesiges Glück gehabt hatte. Sie begann zu zittern und schloss kurz ihre Augen, um tief durch zu atmen. Dann sagte sie leise:
„Kann ich mich jetzt ausruhen? Ich meine, würden Sie mich etwas alleine lassen?“
Die Professoren nickten und gingen aus dem Krankenflügel, während Madam Pomfrey ihr ein Glas mit einer grünen Flüssigkeit ans Bett stellte.
„Falls du schlafen möchtest.“
Sie wuselte davon, nicht ohne die Vorhänge zu zu ziehen und einen letzten Blick zu Summer zu werfen.
„Mr Weasley war auch ziemlich lange bei dir gewesen, aber ich habe ihn vorhin weggeschickt, denn sonst hätte ich alle deine Freunde hinein lassen müssen, und das wollte ich dir nicht antun.“
Summer nickte und lehnte sich zurück. Ihre Gedanken überschlugen sich, kehrten aber immer wieder zu zwei Punkten zurück: Was wäre wenn…? Und: Was wollte Weasley hier? Sich darüber lustig machen, dass er gewonnen hatte? Sie hatte noch mitbekommen, wie er den Schnatz gefangen hatte. So ein Mist aber auch! Doch sie blieb nicht lange bei dem Gedanken an Quidditch, denn immer wieder huschte ihr dieser schreckliche Gedanke durch den Kopf. Was wäre wenn… Schließlich trank sie den Trank aus und schlief sofort ein. Vielleicht würde sie ja nach einem wohltuenden Schlaf besser mit der Situation zu recht kommen.
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