von Pensively
Kapitel 16 – Non-Snape
„Miss Granger“, kommentierte er, als sie nach fünfminütigem Zögern endlich angeklopft hatte und eintrat. Was sollte sie sagen? Er wusste ja schließlich, dass sie im Krankenflügel gewesen war. Doch Professor Snape legte Wert auf Ordnung also wollte sie ganz formell antworten: „Ich … ich bin im Kra -“ „Setzen Sie sich“, unterbrach er sie. Seine Stimme war ungewöhnlich emotionslos. Normalerweise unterlag der Forderung, sich zu setzen, ein stechender Unterton, gepaart mit einem beängstigenden Blick seiner schwarzen Augen. Hermine stand noch eine Weile zusammenhangslos im Klassenzimmer bis die Worte sie erreichten und sie sich hastig Richtung Harry und Ron bewegte, mit denen sie sich eine Schulbank teilte.
Vielleicht etwas zu hastig. Sämtliche Bücher, die sie eilig unter ihren Arm gestopft hatte, vielen ihr herunter und klatschten geräuschvoll auf den harten Steinboden, woraufhin einige der Slytherins gehässig anfingen zu lachen und sie anstarrten. Eilig machte Hermine sich daran, ihre Bücher aufzusammeln. Ron war aufgestanden, um ihr zu helfen, doch das nahm sie nur nebenbei wahr. „Ruhe!“, zischte Snape und das Gelächter erstarb augenblicklich.
Als Hermine und Ron saßen, erklärte Snape an Hermine gewandt: „Lassen Sie sich von Weasley oder Potter in das heutige Thema einweisen.“ Und er fügte stechend hinzu: „Falls diese dazu überhaupt in der Lage sind.“
Die Stunde verlief relativ ruhig (wenn man von Snapes gehässigen Bemerkungen einigen Gryffindors gegenüber absah). Sie mussten einen Aufsatz schreiben, über die Herstellung vom Trank der lebenden Toten, was Hermine sehr wunderte. Snapes Stunden waren in der Regel praktischer Natur, die Aufsätze gab er immer als Hausaufgabe auf. Sie konnte sich bei bestem Willen nicht daran erinnern, wann sie eine solche Unterrichtsstunde bei Professor Snape erlebt hatte. Wahrscheinlich gar nicht.
Gegen Ende der Stunde war Hermine so vertieft in ihre Arbeit, dass sie erschrocken hochfuhr als Professor Snapes dunkle Stimme die Stille durchschnitt: „Ich hoffe für Sie, dass Sie in dieser Doppelstunde etwas Ansehnliches zu Stande gebracht haben. Wer seinen Namen nicht deutlich oder gar nicht vermerkt hat, wird dies in der Endnote zu spüren bekommen.“ Kaum hatte Snape den Satz beendet, ertönte auch schon der Gong. Hermine fragte sich jedes Mal insgeheim, wie er das machte.
Eilig suchten die Schüler ihre Sachen zusammen, um ihren Aufsatz abzugeben und das Klassenzimmer so schnell wie möglich zu verlassen. Neben sich warf Ron Federkiel, Tintenfässchen und Co. unachtsam in seine Tasche. Hermine musste schmunzeln. Sie wusste genau wie Rons Schultasche von Innen aussah. Um es harmlos auszudrücken: Die Spuren ausgelaufener Tinte waren nicht zu übersehen.
Hermine kontrollierte noch einmal, ob sie auch wirklich auf jedem Pergament ihren Namen notiert hatte, bevor sie sich ihre Tasche um die Schulter warf und als eine der letzten Richtung Snape ging, der (sich mit beiden Fäusten auf dem Lehrerpult abstützend) die hinaushetzenden Schüler ungeduldig beobachtete. Wahrscheinlich hetzten sie ihm nicht schnell genug. Als Hermine an ihm vorbei ging, hielt sie kurz inne. Sollte sie irgendetwas sagen? Sich vielleicht dafür bedanken, dass er sie in den Krankenflügel gebracht hatte? Auf der anderen Seite fragte sie sich, ob ihm überhaupt etwas anderes übrig geblieben wäre. War es nicht die Pflicht eines Lehrers, sich entsprechend zu verhalten? Aber sie musste bedenken, dass es nicht irgendein Lehrer war. Es war Snape. Und sie war seine kleine, besserwisserische, nervige, gryffindorsche Schülerin.
Unsicher, wie sie sich verhalten sollte, legte sie einfach ihren Aufsatz auf den bereits hohen Pergamentstapel. Sie hob den Kopf und völlig unerwartet trafen ihre Augen auf kalte, schwarze. Beinahe wäre sie einen Schritt zurück gesprungen. „Miss Granger“, stellte er fest. „Sie warten bitte.“ Hermine blieb wie angewurzelt stehen, unfähig sich zu bewegen. Das war vielleicht auch einer der Gründe, warum Neville Longbottom im nächsten Moment über ihren Fuß stolperte und längs auf den harten Kerkerboden knallte. Hermine nahm dies nur nebenbei war, denn ihr Blick war immer noch auf ihren Zaubertränkeprofessor geheftet. Dieser verzog keine Miene und man erkannte lediglich am Verdrehen seiner Augen, dass er Nevilles Stolperunfall sehr wohl bemerkt hatte. Dieser stand eilig auf, wobei er nicht weniger stolperte, entschuldigte sich unergründlicherweise bei Hermine und machte sich davon. Mit dem Zufallen der schweren Kerkertür wurden auch die Stimmen, die vom Gang aus herein drangen, verbannt. Jetzt war es totenstill.
Snape sah sie wieder an. Hermine hielt seinem Blick stand und versuchte in seinen unergründlichen Augen etwas zu erkennen, etwas, das ihr Hinweise auf seine Stimmung gegeben hätten, doch da war nichts. Einfach nichts.
„Ich hoffe, Sie konnten der heutigen Aufgabe trotz ihres Zuspätkommens gerecht werden.“ Da war es. Schon wieder. Seine Aussage hatte eindeutig nach einer Feststellung geklungen, da war kein Fragezeichen am Ende zu hören gewesen. Doch Hermine spürte, dass er wartete, fragend wartete bis sie darauf antwortete. „Ich … ja, Professor. Harry hat mich sicher gut eingewiesen, sodass ich noch einiges schaffen konnte.“ Beim Erwähnen des Namens ihres Freundes verzog Snape kaum merklich den Mund und kommentierte dann: „Das wird sich zeigen.“ Beinahe war Hermine erleichtert. Das hatte schon eher nach ihrem Professor geklungen. Doch das, was dann kam, war so was von Non-Snape: „Nichts desto Trotz werde ich berücksichtigen, dass Sie über eine halbe Stunde weniger Zeit hatten als die anderen.“ Hermine schluckte. Sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Ein Danke erschien ihr deutlich unangebracht. Stattdessen nickte sie einfach nur. Sie wusste nicht warum, aber sie musste den Blick abwenden und schaute zu Boden. Snape zog eine Augenbraue hoch. Doch diese Geste hatte diesmal nichts Herablassendes. Eher etwas Besorgtes. Doch das sah Hermine nicht. Snape atmete einmal leise aus. „Wenn ich mir die Frage erlauben darf“, setzte er an. Hermine hob den Kopf. „Muss man sich Sorgen um Sie machen?“ Jetzt war sie ernsthaft verdutzt. „Wie … wie meinen Sie?“ Jetzt schwang ein Hauch von Ungeduld in seinem Blick mit, doch seine Stimme blieb davon unberührt. „Sie waren am gestrigen Abend wohl etwas … aufgelöst, neben der Spur. Ich nehme an, nicht ohne Grund.“ Da war es wieder. Eine Feststellung, die etwas Fragendes hatte. Was sollte sie antworten? Sie wusste ja selbst nicht, was eigentlich los gewesen war. Sie hatte sich über Ron aufgeregt, weil der sich nicht sonderlich feinfühlig geäußert hatte. Aber das war sie doch von ihm gewohnt. Oder nicht? Er hatte sie gefragt, warum sie so aussah. Warum sie sich geschminkt hatte. Und sie war wütend geworden. Aber warum? Sie hatte selbst nicht gewusst, warum sie sich geschminkt hatte. Für Snape. Ja. Aber warum zum Teufel? Das musste der Grund für ihren Ausraster gewesen sein. Es hatte nichts mit Ron an sich zu tun, sondern damit, dass sie nicht wusste, warum sie so viel Wert darauf legte, dass der Professor sie … mochte. Mochte? War das der richtige Ausdruck?
Sie hörte ein Räuspern und stellte fast erschrocken fest, dass er immer noch direkt vor ihr stand und wartete. Auf eine Antwort oder zumindest auf irgendeine Reaktion. Verständnislos musterte er sie.
„Ich … ich weiß auch nicht“, begann sie. Abermals zog er eine Augenbraue hoch. Skeptisch. „Sie … Sie wissen auch nicht?!“ Wäre die Situation nicht alles andere als lustig gewesen, hätte Hermine vielleicht gelacht. Snapes Gesichtsausdruck war einfach Gold wert, auch wenn sie ihn nicht zuordnen könnte. Sie kam sich reichlich lächerlich vor. „Ich hatte einen Streit mit Ron, weil - “ Sie unterbrach sich selbst. „Weil?“, forderte Snape. „Weil … weil er … wollte, dass ich ihm bei seinen Hausaufgaben helfe, aber ich hatte keine Zeit.“ Scheiße. Etwas Dümmeres hätte sie sich auch nicht aus den Haaren ziehen können. Für wie blöd hielt sie den Mann?
Snape verzog die Mundwinkel zu einem angedeuteten (aber auch wirklich nur angedeuteten!) Grinsen. „Nun gut, Miss Granger“, sagte er, seine Stimme völlig unter Kontrolle. „Sie dürfen gehen.“
Beim Hinausgehen bemerkte Hermine ein Buch, das am Boden lag. Sie dachte an Neville, der es mit Sicherheit fallen gelassen hatte. Sie bückte sich, um es aufzuheben. Severus Snapes Blick huschte unwillkürlich zu einer bestimmten Stelle ihres Körpers und verharrte dort etwas zu lange. Sich selbst tadelnd schüttelte er den Kopf und schlug sein Zensurenbuch zu.
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