von MIR
Rekommis
***
Sein Gesicht - es war voller Wut, Abscheu und Hass. So hatte Severus sie noch nie angesehen.
„Raus! Ich erlaube keinem Schlammblut meine Wohnung mit seiner Anwesenheit zu beschmutzen!“
Ein noch größerer Schock fuhr Lily in die Glieder. Warum sagte er so etwas? Hier drinnen waren sie doch allein. Er musste niemandem etwas vormachen...
„Hast du nicht verstanden, du kleine dreckige Kakerlake? Raus!“ Er packte sie hart am Arm und riss sie nach draußen, dann schleuderte er sie von sich weg, so heftig, dass sie gegen die Wand knallte und ihr alles wehtat.
„Sev? Was ist los? Warum tust du das? Warum redest du so? Was hast du mit Harry vor?“
Eiskalt griff etwas nach ihrem Herzen.
Ein höhnisches Lachen kam von dem Mann, der vor ihr stand. „Was glaubst du wohl, was ich vorhabe? Der dunkle Lord braucht ihn, das habe ich dir doch eben gesagt.“
„Aber das kann doch nicht... du... du...“, wimmerte Lily verzweifelt.
Wieder lachte er. Kalt und verächtlich. „Habe ich meine Rolle gut gespielt, ja? So gut, dass du geglaubt hast, ein wahrer Zauberer könnte an einem Schlammblut interessiert sein?“ Er spuckte auf den Boden, „Kein Zeichen für hohe Intelligenz von euch Kreaturen. Du bist nicht einmal auf die Idee gekommen, dass ich alles nur tue, um an das Potter-Balg heranzukommen. Schade nur, dass sein Vater, der edle Prongs, die Krone aller Idioten, uns jetzt nicht sehen kann.“
Niemals hätte sie gedacht, dass Severus so mit ihr reden würde. Noch immer konnte sie es nicht glauben. Was war los? Ein Imperiusfluch? Sie wusste, dass er stark genug war, ihn abzuschütteln.
„Severus, nein! Denk an alles, was zwischen uns war...“
„Nenn mich nicht so, Schlammblut! In Zukunft wirst du einen Zauberer stets mit 'Herr' ansprechen." Er machte eine Bewegung mit dem Zauberstab und ein scharfer Schmerz durchzog ihr Gesicht. Tatsächlich blutete sie danach an der Wange. Doch sie spürte es kaum, vor lauter Angst um Harry war sie wie von Sinnen. Zusätzlich stieg jetzt endlich die Wut in ihr hoch. Wut, die ihr neue Kraft gab.
Zitternd richtete sie sich wieder auf. „So redest du nicht mit mir! Du nicht! Wenn du mir wirklich etwas vorgemacht hast, ist das kein Grund stolz zu sein...“
„Schweig!“, brüllte er.
„Du benimmst dich wie dein Vater. Erbärmlich!“ Sie zog ihren Zauberstab. „Doch ich bin nicht wie deine Mutter! Ich werde mir das nicht...“
„Expelliarmus!“ Bevor sie etwas unternehmen konnte, hatte Severus sie schon entwaffnet. „Du wagst es... du wagst es, mich mit einem Muggel zu vergleichen? Noch dazu mit diesem?!“ Zorn flackerte in seinen Augen auf.
„Du wertloses, ekelhaftes ...“
„STUPOR!“
Ein Schockzauber traf ihn, der so machtvoll war, dass er mit Wucht nach hinten geschleudert wurde und leblos auf dem Boden zusammenbrach. Eine Person stürzte an Lily vorbei und erst auf den zweiten Blick registrierte sie, dass es Sirius war. Er warf sich auf den bewusstlosen Körper und begann auf ihn einzuhämmern. „Du verdammtes Schwein, wie kannst du es wagen...“
„Vorsicht!“, schrie Lily, denn jetzt schlug der Mann am Boden die Augen wieder auf.
„Incarcerus“, rief Sirius, doch sein Gegner schüttelte die Seile, die sich um seinen Körper winden wollten, mühelos ab, und schleuderte Sirius von sich.
„Petrificus totalus“, kam es von Lily, die ihren Zauberstab wieder hatte. Damit war ihr anscheinend ein Überraschungsangriff gelungen, denn Severus kippte wieder auf den Boden, unfähig sich zu bewegen.
„Jetzt wirst du büßen, für alles was du Lily und allen anderen angetan hast!“, brüllte Sirius. „Teste doch mal deine eigenen Erfindungen – Sectumsempra!“
Überall an Severus' Körper platzten Wunden auf. In Sekundenschnelle war sein Körper blutüberströmt.
„Und jetzt noch Cru...“
„Nein! Das nicht!“ Lily hielt Sirius am Arm fest. „Er stirbt sonst.“
„Was glaubst du, was ich erreichen will?! Er ist ein Todesser! Er will Harry an Voldemort ausliefern. Er hat dich...Denk daran, was er dir angetan hat!“
Severus wurde immer schwächer, je mehr Blut aus ihm heraussickerte. Aufgrund der Ganzkörperklammer war sein Blick starr und doch schien er Lily anzusehen.
„Sev!“, rief sie und plötzlich kamen ihr trotz allem Tränen, als sie ihn so dort liegen sah. Sie ging auf ihn zu...
„Nein!“ Sirius hielt sie fest. „Du darfst nicht wieder darauf hereinfallen. Ich werde es jetzt für immer beenden.“
Als er den Zauberstab erneut auf seinen Gegner richtete, geschah etwas, womit weder Lily noch Sirius gerechnet hatten:
Eine hohe, körperlose Stimme hallte laut und gespenstisch durch den Flur. „Schwach! Zu schwach, um dem Herrn aller Herren der magischen Welt zu dienen! Viel zu schwach!“
Schattenhaft und unwirklich stieg eine Wolke über Severus auf. Bedrohlich waberte der dunkle Nebel herum und verschwand durch die Gänge von Hogwarts.
Wie erstarrt blickten Lily und Sirius hinterher. Sie hatten keine Erklärung.
Severus hatte nun wieder das Bewusstsein verloren.
„Wir müssen die Blutung stoppen! Weißt du den Gegenfluch?“
Sirius hatte keine Ahnung, was zu tun war, und wollte es auch nicht. Wie erwartet reichte „Finite" nicht aus.
„Poppy ist nicht da, aber Albus... er wird es können. Hoffentlich ist er zurück“, überlegte Lily. Doch wie sollte sie jetzt einen Patronus erschaffen können? Nach allem, was gerade passiert war?
Ihr Blick fiel auf die immer noch offene Kerkertür, hinter der sie Harry leise weinen hörte. Harry, dem nichts zugestoßen war, und der jetzt wieder außer Gefahr war. „Expecto Patronum“, rief sie und eine strahlend helle Hirschkuh galoppierte davon mit einer Botschaft für Dumbledore.
Sie beugte sich über Severus, ohne den Widerspruch von Sirius gelten zu lassen, und begann, so gut sie konnte, die Wunden zu verschließen. Es war jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen.
***
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. „Lily“, sagte Albus freundlich, „Geh zu Harry... ich werde mich um Severus kümmern.“
Erleichert, dass er da war, stand sie auf, ging sie zu dem Laufgitter, hob Harry hoch und drückte ihn fest an sich. Er kuschelte sich vertrauensvoll in ihre Arme, schluchzte noch ein paar mal und wurde dann ganz ruhig.
Lily trat wieder zu den anderen auf den Flur.
„ ... Hast du eine Erklärung?“, fragte Sirius gerade, nachdem er offenbar Albus von der Wolke und der Stimme erzählt hatte.
„Eine Vermutung“, erwiderte dieser.
Nachdem er alle Blutungen gestillt hatte, griff er nach den Haaren des Leblosen. Er zog – und hatte nun eine Perücke in der Hand.
Lily schrie auf.
Das Schlimme war nicht, dass der Kopf von Severus total kahl geschoren war, das Schlimme war, dass sein Hinterkopf wie eine riesige Brandwunde wirkte mit nässenden Wunden, Blasen und Verätzungen.
„Was... ist das? War das auch... Sectumsempra?“, fragte Lily zitternd.
„Nein.“ Dumbledore sah nun auf und blickte abwechselnd Sirius und Lily ins Gesicht. „Ich denke, das hier ist der Beweis, dass es Lord Voldemort war, der euch soeben verlassen hat. Ihr habt ihn zumindest vorläufig vertrieben.“
„Der Feigling hat tatsächlich Voldemort in seinem eigenen Körper hier eingeschleust? Ist mit ihm zu einer Person verschmolzen? Das ist ja noch widerwärtiger als ich dachte! Ich hätte ihn gleich erledigen sollen. Ich hätte gar nicht erst mit Stupor anfangen sollen, dann hätte ich auch seinen Meister erwischt." Erneut flackerte Zorn in Sirius auf.
Auch Lily konnte es nicht glauben. „Aber... wieso denn Severus? Wieso er? Er war doch dabei, als du uns berichtet hast, dass Voldemort möglicherweise... den Körper eines Zauberers benutzt. War er damals schon...?“
„Mit Sicherheit nicht“, erwiderte Dumbledore bestimmt, „ich hatte die Vermutung, dass Lord Voldmort Lucius Malfoy 'auserwählt' hat. Doch nachdem Severus in meinem Auftrag zu ihnen ging, muss etwas passiert sein, dass ihn den Körper wechseln ließ.“
„War es denn... Voldemort, der eben all das zu mir gesagt hat? War Severus von ihm besessen, so dass er nicht mehr wusste, was er sagte und tat?“, fragte Lily und ein bisschen Hoffnung klang in ihrer Stimme.
Doch Dumbledore schüttelte den Kopf. „Ich fürchte nein. Lord Voldemort hat seine Worte und Taten überwacht, ja, doch Severus wird bei vollem Bewusstsein gewesen sein. Was immer er gesagt hat, es kam von ihm selbst.“
Lily biss sich auf die Lippen.
Sie fühlte, wie Sirius denn Arm um sie legte und hatte in diesem Moment nichts dagegen. Es tat so gut, nicht allein zu sein, jemanden zu haben, an den sie sich anlehnen konnte.
„Danke, dass du gekommen bist... du hast Harry gerettet... und wahrscheinlich auch mich.“
„War doch selbstverständlich“, sagte Sirius und lächelte jetzt wieder. „Harry ist mein Patenkind. Und du, du... du bist... du bist... seine Mutter. Ich bin dein...“ – Er räusperte sich – , „ ... dein Freund.“
Jetzt lächelte auch Lily ein bisschen.
„Und doch habe ich es wieder vermasselt", erwiderte Sirius und nun stieg Bitterkeit in ihm hoch. „Weißt du, warum ich nicht gleich Avada genommen habe?" Seine Stimme wurde lauter und ärgerlicher, „Ich wollte, dass er es mitkriegt, dass er nicht einfach so tot umfällt, sondern, dass der Verräter sieht, dass er für seine Taten büßen muss, für alles, was er dir angetan hat!"
„Rache ist kein guter Weg, Sirius. Doch in diesem Fall hast du nicht nur Lily und Harry das Leben gerettet“, sagte Albus freundlich, „sondern wohl auch Severus.“
„Er hat den Tod verdient“, fauchte Sirius. „Für das, was er getan hat, gibt es keine Entschuldigung. Ich weiß gar nicht, warum ihr ihn noch retten wollt. Er hat Voldemort nach Hogwarts gebracht. Das macht es doch nicht besser - im Gegenteil! Er teilt mit ihm seinen Körper!“
"Jetzt nicht mehr", sagte Lily. "Ich will wissen, was los war. Er soll die Chance bekommen, seine Geschichte zu erzählen."
„Da gibt es nicht viel zu erzählen! Hätte ich ihn nur getötet, dann wäre Voldemort erledigt!"
„Nein", erwiderte Albus, „Es wäre wie damals an Halloween. Lord Voldemort braucht keinen Körper mehr, um zu überleben. Nur Severus wäre gestorben. Sein 'Gast' wäre aus dem Körper nur vertrieben worden, genauso wie es jetzt auch geschehen ist."
Er machte eine kleine Pause und fuhr dann traurig fort: „Leider ist es schwer zu sagen, was Lord Voldemort noch von dem Severus, den wir kannten, übrig gelassen hat. Vielleicht wird er seinen Verstand gar nicht mehr wiedererlangen und wenn ja, dann kann es sein, dass alles Gute in ihm ausgelöscht ist. Ich weiß zu wenig über diesen dunklen Zauber. Es kann sein, dass seine Seele vollständig vom Bösen durchdrungen ist."
Fast unhörbar flüsterte er: "Vielleicht war der Preis zu hoch, ihn dort hinzuschicken. Vielleicht habe ich mich getäuscht."
Dann wandte er sich an Lily, die weinte. „Wer hat das Kind in den Laufstall gesetzt? Warst du es selbst?“
„Ich habe Harry an Severus übergeben – ich... ich hatte ihm vertraut. Mein Gott – ich selbst habe mein Kind an Voldemort ausgeliefert.“
Sie schluchzte auf, doch merkwürdigerweise glaubte sie, den Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht des alten Mannes zu erkennen, während er die Hände von Severus in seine nahm. „Das ist äußerst bemerkenswert“, murmelte er vor sich hin.
Ein Stöhnen kam von dem Verletzten. Er schlug die Augen auf und versuchte mit aller Kraft, Worte zu formulieren.
„D... d... da... d... drin... Pe... Pet...“ Weiter kam er nicht. Wieder verlor er das Bewusstsein.
„Was meint er? Pettigrew? Peter? Ist er etwa auch hier? Diesmal wird die Ratte ihren Lohn bekommen.“ Sirius stürzte in die Wohnung, deren Tür noch immer offen stand.
Lily jedoch war ein ganz anderer Name durch den Kopf geschossen.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel