von MIR
Rekommis
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Wie von der Tarantel gestochen sprang Petunia auf. „Mein armer kleiner Schatz! Duddy – Mummy kommt sofort, mein Spätzchen“, schrie sie nach oben.
Wenig später war sie nach oben gestürmt und kam nun mit schwer bepackt die Treppe wieder herunter. Der Junge auf ihren Arm war groß und stämmig, er wirkte eher so, als wäre ein ganzes Jahr und nicht nur einen Monat älter als Harry. Lily erwartete fast, dass ihre zierliche Schwester stolpern oder zusammenbrechen würde, doch nichts dergleichen geschah.
Noch immer schluchzte Dudley.
„Ist ja gut mein kleines Duddyleinchen. Schau mal, Mummy hat heute eine feine Überraschung für dich: Tante Lily ist gekommen und hat jemanden zum Spielen mitgebracht.“
Erneut heulte Dudley laut auf – jedoch nicht so laut, dass er es nicht noch steigern konnte, als Petunia mit ihm das Wohnzimmer betrat. Kaum nahm er den spielenden Harry wahr, da begann er zu zappeln und wollte von Petunias Arm herunter. Er stolperte auf Harry zu, schubste ihn zur Seite und riss ihm das Auto, das dieser gerade festhielt, aus der Hand.
Nun begann Harry zu weinen. „Ist schon gut Harry“, beruhigte Lily ihn, „Nimm einfach ein anderes. Es sind ja genug da.“
Harry suchte sich nun ein blaues Polizeiauto aus, doch kaum hatte er es berührt, jaulte Dudley schlimmer als zuvor und warf seinem Cousin das erste Auto wütend an den Kopf.
Jetzt weinte Harry wieder, während Dudley nach dem nächsten Geschoss griff. Diesmal traf ein LKW Harrys Rücken.
„Stopp!“ Lily sprang auf und entwendete Dudley den Traktor, den er als nächstes werfen wollte. „Das geht nicht!“
Einen Moment starrte Dudley Lily überrascht an, dann holte er Luft und schrie wie am Spieß.
„Was denkst du dir eigentlich dabei, so gegen meinen Sohn vorzugehen?“ fauchte nun Petunia wütend.
„Du kannst ja wohl nicht zulassen, dass er sich so verhält!“
„Duddy ist doch noch klein. Er weiß es eben nicht besser. Er hat noch nie seine Spielsachen teilen müssen.“
„Dann muss er es eben jetzt lernen. Natürlich wäre es besser, wenn du es ihm sagst, aber eben hast du ja nur zugeschaut.“
„Sowas können doch Kinder allein regeln. Das ist doch nur Spiel.“
„Ach wirklich? Soll Harry auch anfangen, andere zu bewerfen? Wäre dir das recht, ja?
Na schön, vielleicht würde das deinen Sohn sogar beeindrucken, aber ehrlich gesagt, finde ich es besser, wenn Kinder auch einen anderen Umgang miteinander lernen. Außerdem kann ich dir nicht versprechen, dass nicht irgendwann unbewusste Magie mit Harry durchgeht und du weißt genau, was das bedeutet!“
„Aha. Jetzt sind wir beim entscheidenden Punkt!“, entgegnete Petunia schrill. „Das ist es! Deshalb seid ihr hier. Du willst mir vorführen, dass dein Sohn deine ach so tolle Abartigkeit geerbt hat, um mich mal wieder zu verhöhnen. All dein Gerede von...“
„Petunia! Hör auf! Sofort! Ich glaube, du weißt nicht, was du da von dir gibst!“
„Oh doch! Ich sehe klar! Jetzt wieder. Ihr verlasst sofort mein Haus!“
Harry hatte aufgehört zu weinen und schaute nur erschrocken zwischen Lily und Petunia hin und her. Dudley heulte dagegen noch immer. Weitere Autos hatte er allerdings nicht abgefeuert.
Petunia wendete sich jetzt an ihn, als wenn die Besucher Luft wären, und nahm ihn auf den Arm. „Du brauchst nicht mehr traurig sein, Liebling. Die Tante wird dich nicht mehr ärgern und der Junge wird dir keine Spielsachen mehr wegnehmen. Soll Mummy dir einen ganz leckeren Donat mit Schokolade holen?“
Noch immer schluchzend ließ Dudley sich in die Küche tragen und beruhigte sich erst, als er nicht nur den Donat sondern auch ein Eis erhalten hatte.
Danach kehrte Petunia mit ihm ins Wohnzimmer zurück. Lily hatte sich inzwischen auf dem Boden neben Harry niedergelassen und spielte nun gemeinsam mit ihm und den Fahrzeugen. Beide schienen sichtlich Spaß zu haben.
„Das war eben eine Aufforderung zu gehen!“, keifte Petunia.
„Ich habe gar nicht gehört, wie du 'Auf Wiedersehen' gesagt hast. Aber es geht sowieso nicht. Wir müssen bleiben.“
„Aber... aber das geht nicht!“
„Es wird schon klappen“, entgegenete Lily ungerührt, „Achtung Dudley, die Feuerwehr, Tatüü-tataa!“
Lily ließ den roten Wagen auf Dudley zusausen, der fasziniert zusah, sich von Petunia loswand und schnell zugriff, als das Auto ihn erreicht hatte. „Tü-ta“, rief er und kam zusammen mit dem Fahrzeug auf Lily zu.
Ungläubig beobachtete Petunia, wie die drei nun friedlich miteinander spielten.
„Beinah hätte ich vergessen, dass ich dir ja noch etwas mitgebracht habe. Hoffentlich gefällt es dir. Ich wusste ja nicht, dass du schon so viele Autos hast.“
Es war ein Müllauto mit vielen Klappen und sogar mit einer kleinen Tonne, die von einem Mechanismus entleert werden konnte. Dudley inspizierte es begeistert.
Harry besaß das gleiche und für Lily war es nicht schwierig gewesen, es magisch zu vervielfältigen. Sicherheitshalber hatte sie auch Harrys Exemplar mitgebracht und als sie es nun hervorholte, spielten die beiden Jungs endlich friedlich alleine miteinander.
Jetzt wandte sich Lily endlich wieder an ihre Schwester. „Tunia, bitte. Ich wollte dich nicht kränken. Wirklich nicht. Ich brauche dich. Ich brauche deine Hilfe. Bitte lass mich einige Zeit hierbleiben. Harry und ich – wir... wir sind noch immer in Gefahr.“
„Gefahr?!“ Petunias Augen weiteten sich, „Und dann hältst du es für angemessen uns da mit reinzuziehen? Willst du uns umbringen? So wie Mum und Dad?“
Jetzt war es an Lily, entsetzt zu sein: „Waaas? Was soll das heißen, 'wie Mum und Dad'? Glaubst du etwa, ich bin schuld an ihrem Tod?“
Petunia blickte starr zu Boden und erwiderte nichts.
„Tunia – es... es war ein Unfall. Das weißt du!“
„Ein ziemlich merkwürdiger Unfall, wenn du mich fragst.“ Petunia schien ihre Sprache wiedergefunden zu haben. „Denkst du, ich merke nicht, dass da deine Leute hinter gesteckt haben!“
Lily schwieg betroffen. Also doch – Petunia hatte es geahnt. Die ganze Zeit hatte Lily gehofft, ihre Schwester würde die offizielle Erklärung für Muggel schlucken, die Wahrheit war viel schwerer zu ertragen.
„Hör zu“, begann sie schließlich, „du hast recht. Aber glaub mir, wenn ich es irgendwie hätte verhindern können, dann...“
Weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment öffnete sich die Haustür und Vernon Dursley betrat sein Haus.
„Hast du Besuch, Petunia?“, rief er vom Flur aus, „Wer ist denn...“
Er betrat das Wohnzimmer und ließ seinen Blick zwischen Lily und Harry hin und her schweifen. Irgendwie schien Lily ihm bekannt vorzukommen, doch er konnte sie nicht einordnen.
„Meine Schwester ist auf einen kleinen Überraschungsbesuch vorbeigekommen, Liebling“, flötete Petunia, die wie ausgewechselt schien.
„Deine – was?! Deine... deine... das ist doch diese... dieser Freak! Dieses abnorme Pack! Wie kann sie es wagen, hier aufzutauchen? Was soll das? Unter meinen Dach ist kein Platz für solches Gesindel! Gehört der Junge da etwa auch dazu?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte er auf Harry zu, der noch immer friedlich mit Dudley spielte und riss ihn von dort weg. „So nicht, Bursche!“, schimpfte er, „So nicht. Du lässt gefälligst meinen Sohn in Ruhe!“
Harry brüllte wie am Spieß, denn er wusste überhaupt nicht, wie ihm geschah.
Wütend funkelte Lily Vernon an, während sie nun ihren Sohn in den Arm nahm. „Wenn 'normale Leute' sich so benehmen, wie du, mein lieber Schwager, dann bin ich echt stolz darauf zu den abnormalen Freaks zu gehören! Wie kann man so mit einem kleinen Kind umgehen!“
Vernon lief lila an, während Petunia verunsichert zwischen beiden hin- und her schaute. Sie schien nicht richtig zu wissen, wem sie recht geben sollte.
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