von MIR
Rekommis
***
Lily war dabei Tee zu kochen. Severus saß ein wenig verloren wirkend zusammen mit Marius am Esstisch des Wohnwagens. Harry war nicht zu sehen.
„Der kleine Racker weiß genau, was er will. Aber er wird schon kommen. Er wird sich noch an Sie gewöhnen“, versuchte Marius ein Gespräch zu beginnen.
Severus starrte die Senior-Potter-Ausgabe ärgerlich an und erwiderte nichts.
„Vielleicht sollten Sie einfach selbst versuchen, ein bisschen freundlicher auf ihn zuzugehen“, fuhr Marius fort.
„Ich interessiere mich eigentlich nicht für Kinder“, blaffte Severus.
„Uiii... ähm... das ist schon ein kleines Problem.... Der Junge ist Lily sehr wichtig... Ich glaube nicht, dass sie mit Ihnen...“
„Hören Sie, Potter... Black... oder wie immer Sie sich jetzt nennen“, unterbrach Severus verächtlich, „Was zwischen Lily und mir ist, geht Sie gar nichts an. Gar nichts! Auch wenn Sie jetzt Teil einer außerordentlich beeindruckenden Großfamilie sind. Lily gehört nicht zu dieser reizenden Verwandtschaft. Und Sie haben ihr nichts vorzuschreiben!“
„Hatte ich auch nicht vor.“ Marius lächelte. „Es wäre ohnehin zwecklos. Aber ich dachte, ein kleiner Tipp kann nicht schaden.“
Er stand auf, ging zum Wohnzimmerschrank und holte eine Dose mit Seifenblasenlösung hervor. Dann stellte er sich vor das Sofa und pustete die Blasen gegen die Wand, so dass einige hinter den Sofa versanken.
Ein Glucksen war zu hören. Er pustete erneut und plötzlich tauchte Harry auf und versuchte lachend die Seifenblasen zu fangen. Immer wenn er eine erwischte, die dann platzte, quietschte er vor Vergnügen.
Jetzt blies Marius in Richtung Severus. Harry war so bei der Sache, dass er gar nicht registrierte, wem er da gegen die Hosenbeine schlug, um eine Blase zu fangen.
„Pass doch auf!“, fuhr Severus ihn an. Harry erstarrte, begann zu weinen und flüchtete sich in die Arme von Marius.
„Das ist nur Muggelkram!“, setzte Severus hinzu. „Wir Zauberer können es besser. Sieh her!“
Er ließ eine riesige hellblaue Kugel aus der Spitze seines Zauberstabes erscheinen, die nun durch das Zimmer schwebte.
Doch Harry schaute nicht hin. Er verbarg sein Gesicht in den Armen von Marius.
Die Seifenblase zerplatzte, ohne dass Harry sie auch nur eines Blickes gewürdigt hatte. Severus starrte noch lange auf die Stelle.
„Sehen Sie! Keine Chance. Ich kann nichts mit Kindern anfangen und sie nicht mit mir.“
„Dir fehlt nur die Übung, Severus“, sagte Lily, die den Raum gerade mit Tee und Keksen betreten hatte.
Harry blickte zu ihr hinüber. Als er die Kekse sah, besserte sich seine Laune schlagartig. „Haben!“, rief er und streckte den Arm aus. Lily stellte die Kekse auf den Tisch, nahm Marius Harry ab und setzte ihn in den Hochstuhl. Dann bekam er, was er sich gewünscht hatte und knabberte selig daran herum.
„Ist so etwas gut für Kleinkinder?“, fragte Severus schneidend.
„Klar“, erwiderte Lily, „nicht immer, aber in Maßen kann man ihnen auch etwas gönnen. Du solltest auch einen probieren.“
Severus lehnte ab.
Harry kam jedoch nicht dazu, seinen Keks vollständig aufzuessen. Er hielt plötzlich inne und verzog sein Gesicht, als würde er gerade etwas furchtbar Anstrengendes unternehmen. Dabei wurde er richtig rot.
Nur wenig später durchzog ein unangenehmer Gestank die Bude.
„Harry!“ Lily kicherte ein bisschen. „Muss das gerade jetzt sein? Wir sind beim Essen!“
Sie hob ihn aus dem Stuhl und trug ihn Richtung Bad. Doch dann hatte sie eine bessere Idee und blieb stehen. „Harry mag es immer sehr, auf Muggelart gewickelt zu werden. Marius hat das angefangen... Vielleicht hast du ja Lust, Severus?“
Es war nicht gerade Begeisterung, die sich nun auf dem Gesicht des Gastes abzeichnete.
„Hast du nicht mal gesagt, wer gut in Zaubertränke sein will, muss immun sein gegen schlechte Gerüche und eklige Substanzen...?“, erinnerte Lily ihn.
Severus grunzte irgendetwas, dann stand er auf und folgte ihr ins winzige Badezimmer.
„Hier kannst du Harry ablegen, da sind Windeln, und dort alles andere, was du brauchst. Du weißt ja Bescheid.“
Sie übergab ihm Harry und ging wieder zu Marius. Diesem stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. „... Du weißt ja Bescheid?! Was soll das, Lily? Der Mann weiß so wenig Bescheid übers Babywickeln, wie ein Dinosaurier über Ballett.“
„Wart's ab“, erwiderte Lily.
Merkwürdigerweise war kein Weinen oder Jammern von Harry zu hören. Im Gegenteil, er ließ mehrmals sein glucksendes Lachen ertönen. Daneben hörte man noch eine andere Stimme, die unmöglich Severus gehören konnte, da sie einen albernen Singsang von sich gab.
Viel schneller als erwartet, erschienen die beiden wieder im Wohnbereich. Severus hatte Harry auf dem Arm und beide schienen gut gelaunt.
„Das glaub ich jetzt nicht!“ entfuhr es Marius. „Welcher Zaubertrick hat das denn bewirkt?“
„Zaubertrick?“ Severus' Augenbrauen wanderten in die Höhe. „Nicht das ich wüsste...“
„Priori Incantatem!“, rief Lily und das Abbild der Riesenseifenblase erschien aus dem anderen Zauberstab. „Das war der letzte Zauber den er ausgeführt hat“, erklärte Lily Marius.
Harry verfolgte nun die Kopie der blauen Blase viel interessierter als das Original und klatschte in die Hände.
Ein Mundwinkel von Severus bewegte sich millimeterweise nach oben und zeigte den Ansatz eines Lächelns.
„Ich verstehe es immer noch nicht!“, murmelte Marius vor sich hin.
„Ich hatte... ein Schwester...“, erklärte Severus – plötzlich wieder ernst, „Sie war sechs Jahre jünger als ich... ich habe meiner Mutter manchmal geholfen, sie zu wickeln... es gab Situationen, da musste ich... es auch alleine tun... es ist lange her...“
Marius schwieg, doch Lily fragte vorsichtig:
„Was ist mit ihr? Wo ist sie jetzt eigentlich?“
„Es geht ihr gut. Jetzt. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“
„Sie war auch ein Squib, wie du, Marius“, setzte Lily erklärend hinzu.
„Nein!“ Severus Miene hatte sich plötzlich wieder verfinstert. Harry bekam erneut Angst als der große Mann wütend zischte: „Sie ist kein Squib! Sie ist in Hogwarts!“
„Sie ist in Hogwarts?“ Lily konnte es überhaupt nicht glauben. „Aber...“
„Haben Sie etwas gegen Squibs?“, unterbrach jetzt Marius herausfordernd.
„Nein. Nur gegen Leute, die mich mit neugierigen Fragen belästigen!“
Harry gefiel der Stimmungsumschwung überhaupt nicht und er begann wieder zu weinen.
Lily nahm ihn und schnell hatte er sich wieder beruhigt.
„Irgendwie habe ich das Gefühl, Severus und Harry kommen besser klar, wenn wir nicht dabei sind. Weißt du was, Marius? Lass uns doch einfach noch mal in Ruhe für übermorgen üben. Severus kann in der Zeit etwas mit Harry unternehmen.“
„Das ist nicht dein Ernst, Lily! Das kannst du Harry nicht antun“, widersprach Marius und wandte sich an Severus: „Nicht, dass Sie denken, ich hätte was gegen Sie. Aber ich halte es nicht für richtig. Lily hat mir erzählt, wie sehr Sie Harrys Vater gehasst haben. Und Sirius hat...“
„... bestimmt auch interessante Schauergeschichten über mich zum besten gegeben“, setzte Snape zynisch fort. „Nun, keine Angst, ich reiße mich nicht darum, mit der kleinen Plage allein zu sein.“
„Unsinn“, warf Lily nun ein, „ihr werdet euch prima verstehen. Aber bitte gewöhne dir derartige Bezeichnungen ab, irgendwann wird Harry es verstehen und ernst nehmen.“
Nach ein paar weiteren Diskussionen setzte Lily sich durch und so blieben Severus und Harry zu zweit zurück.
Tatsächlich fiel es Severus leichter, mit dem Kleinen unbefangen umzugehen, wenn ihn niemand beobachtete. Niemand konnte es irgendwie lächerlich finden. Nach und nach erinnerte er sich wieder an Spiele und Reime, mit denen er seine Schwester immer aufgemuntert hatte. Auch ein paar einfache Zaubertricks brachten Harry zum Lachen. Am besten gefiel es dem Kleinen aber, als sie aus einfachen Zutaten einen „Zaubertrank“ brauten, der ständig die Farbe wechseln konnte.
Harry jauchzte und seine grünen Augen strahlten Severus an. Schließlich wollte er aber wieder mit seinen Bauklötzen bauen. Severus setzte sich daneben. Anstatt mitzubauen, musterte er seinen kleinen Spielgefährten. Abgesehen von den Augen – Lilys Augen – war er wirklich ein genaues Abbild von Potter.
„Wer will sehen, wie ich Schniefelus die Hose ausziehe?“ – „Slytherin? Wer will denn schon nach Slytherin?“ – „Wasch dir den Mund. Ratzeputz!“ – „Wo möchtest du denn gern hin, wo du offenbar nichts von beidem hast?“ – „Es ist eher die Tatsache, dass er existiert, wenn du verstehst, was ich meine“ – „Was willst du machen, Schiefelus, deine Nase an uns abwischen?" - „Fettflecken... man wird kein Wort lesen können“
Wieder und wieder gingen ihm die Sprüche durch den Kopf. Es paar waren auch von Black gewesen, untermalt von Potters gehässigem Gelächter und dem Gejohle anderer Gryffindors. Er hatte sich so gefreut, endlich nach Hogwarts zu kommen, doch vom ersten Tag, von der Zugfahrt an, war er nur verhöhnt worden.
Schließlich hatten sie ihn kaltblütig in eine Falle laufen lassen. Er hatte einem leibhaftigen Werwolf gegenübergestanden und Potter hatte sich schließlich gerade noch durchringen können, das Schlimmste zu verhindern.
Dann tauchte ein anderes Bild vor ihn auf: Tot und steif lag Potter vor ihm auf der Erde. Neben ihm brüllte der kleine Junge, der jetzt so friedlich spielte. Er lebte, weil sein Vater für ihn gestorben war. Und nur deshalb lebte auch Lily. Sie lebte nicht, weil er selbst, Severus, den dunklen Lord um ihr Leben gebeten hatte. Das, was ihr bei den Todessern widerfahren wäre, hätte sie niemals heil überstanden. Es hätte ihre Seele und ihren Lebenswillen zerstört. Und er, Severus, hätte die Schuld daran getragen.
„Danke, James“, flüsterte er leise vor sich hin.
Dann nahm er Harrys Hand und sah ihn an. „Du hast einen sehr mutigen Papa gehabt. Später wirst du stolz auf ihn sein.“
„Papa?“, fragte Harry zaghaft, „Papa tommt?“
„Leider nein“, antwortete Severus, „Leider. Ich kann ihn dir nicht zurückbringen, doch ich wünschte, ich könnte es. Ich würde alles tun, damit deine Mama und du wieder glücklich sein können.“
„Mama?“
„Ja, Mama kommt gleich wieder. So lange musst du mit mir zufrieden sein.“
Harry kletterte auf seinen Schoß und kuschelte sich ein. Plötzlich war er eingeschlafen und genau so fanden Lily und Marius die beiden vor, als zurückkehrten.
***
Lily fieberte ihrem ersten Auftritt entgegen, doch am nächsten Abend gab es noch eine ganz andere Überraschung: Lily erhielt einen Brief von Candy:
„Muss unbedingt mit dir reden. Leider weiß ich deine Adresse nicht. Bitte melde dich, es ist wichtig.“
„Leider?“ murmelte Lily sarkastisch vor sich hin, „Ich denke eher 'Zum Glück', sonst würdest du hier auch noch ständig auftauchen und nerven.“
Trotzdem beschloss sie herauszufinden, was Sirius' Ex wohl von ihr wollte. Sie schlug ein Treffen am Wochenende vor, bei Florean in der Winkelgasse. Der erste Zirkusauftritt würde dann vorbei sein. Zusätzlich lud sie Alice ein, denn sie wollte Candy nicht allein gegenüber sitzen.
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Okay, okay. Ihr habt alle gedacht, dass die beiden (Harry und Severus) nie miteinander auskommen werden...
Sorry. Ihr dürft mich gerne mit Tellern bewerfen, wenn ihr es unglaubwürdig findet, aber bitte teilt mir eure Meinung doch einfach mal mit!
Ihr solltet allerdings bedenken, dass mein Severus eine andere Entwicklung durchmacht, als der Buch-Severus, denn Lily lebt...
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