von MIR
Danke für alle Kommentare. Eure Rekommis sind wie immer hier.
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„Mein Beileid, Mrs. Potter“, sagte er, „Mein Name ist Marius Connery. Ich bin … der Onkel des Verstorbenen … ihres Mannes. Aber das habe ich erst heute erfahren. Ich habe überhaupt erst heute erfahren, dass ich eine jüngere Schwester und einen Neffen habe, … das heißt ... hatte. Beide sind tot, ich werde sie nie kennen lernen.“
Tausend Fragen schossen Lily durch den Kopf, doch das erste, was ihr herausrutschte, war: „Connery? Haben sie was mit dem James-Bond-Schauspieler zu tun?“
Er rollte mit den Augen, als würde ihn die Frage nerven, doch er blieb freundlich: „Sehe ich so aus? Also - Nein. Aber das fragt mich jeder. Es könnte natürlich sein, dass er ein entfernter Verwandter meiner Adoptiveltern ist, aber der Name ist relativ häufig.“
„Sie wurden adoptiert?“
„Mit vier haben mich meine Eltern in ein Waisenhaus gegeben. Erst heute habe ich verstanden, wieso. Aber ich blieb nicht lange. Ich bekam sehr nette neue Eltern. An die Zeit davor habe ich nur noch dunkle Erinnerungen. Vor allem habe ich nicht mehr geglaubt, dass es sowas wie Zauberei wirklich gibt.“ Er lächelte. „Ich dachte, das hätte ich mir als Kleinkind nur eingebildet.“
Sein Blick fiel auf Harry, der mittlerweile im Kinderwagen lag und schlief. „Und das ist also der kleine Retter der Welt? Der Enkel meiner Schwester? Er hat tatsächlich etwas Ähnlichkeit mit mir. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der Ähnlichkeit mit mir hat.“
Auch Lilys Gesicht hellte sich jetzt auf: „Ja, er sieht aus wie James. Und Sie haben ebenfalls große Ähnlichkeit mit ihm. Eigentlich ist ja James der „Retter“. Nur weil er sein Leben für Harry gab, konnte der Todesfluch abprallen und Voldemort, den bösen Zauberer, selbst treffen. Deshalb hat Dumbledore Sie auch gesucht. Weil Sie ein Blutsverwandter von James sind, könnte Harry auch weiterhin geschützt sein, wenn er bei Ihnen lebt.“
„Mr. … ähm … Dumbledon hat mir das alles auch schon erklärt. Sie sind mit dem Kleinen bei mir herzlich willkommen, wenn Sie möchten. Allerdings ... Meine Wohnsituation ist recht ... wie soll ich sagen? ... ungewöhnlich: Ich bin beim Zirkus und reise ständig in einem Wohnwagen herum.“
„Oh.“ Jetzt war Lily tatsächlich überrascht. Was auch immer sie sich vorgestellt hatte , das war es nicht!
Zirkus - sie musste daran denken, wie die hochwohlgeborene Familie Black das wohl finden würde. „Das ist in der Tat ungewöhnlich, Mr. Connery“, erwiderte sie schließlich.
„Sag doch einfach Marius. Wir sind ja sozusagen verwandt.“
„Gerne“, erwiderte sie, „Und mein Name ist Lily.“
„Lily. Leider muss ich mich schon verabschieden. Ich habe nachher noch einen Auftritt und kann mich leider nicht nach Hause beamen wie ihr Zauberer, deshalb...“
„Beamen?“, unterbrach Lily ihn.
„So nennen wir ,Muggel'-Menschen das, was ihr tut: Verschwinden und woanders wieder auftauchen. Leider kann es niemand von uns wirklich.“
Lily verzichtete darauf zu erklären, dass er streng genommen kein Muggel war, sondern fragte: „Und Sie … du trittst noch auf? Wie alt... wenn man fragen darf … bist du?“
Marius lächelte: „Fünfundsechzig. Ich kann es einfach nicht lassen. Ich liebe es, durch die Luft zu sausen, als könnte ich fliegen. Ich bin Trapez-Künstler.“
Trapez-Künstler? Irgendwie hatte Lily das Wort schon mal gehört, doch eine genaue Vorstellung davon, was ein Trapez-Künstler machte, hatte sie nicht. Das mit dem Durch-die-Luft-sausen klang aber eindeutig nach einem Seelenverwandten von James. Und so willigte sie ein, ihn am übernächsten Tag einmal zu besuchen.
Die meisten Gäste waren bereits appariert und auf Lily und Harry wartete wieder ein Portschlüssel nach Hogwarts, den Aurora Sinistra, Silvanus Kesselbrand und Rubeus Hagrid gerne mitnutzten.
Auch wenn sie sich freute, dass so viele neue und alte Lehrer den letzten Weg von James begleitet hatten, so gab es ihr doch einen Stich, dass ausgerechnet Severus nicht da war. Na ja, was hatte sie erwartet? Sie hatte doch gewusst, dass sein ,Es tut mir Leid' nur eine Floskel war.
Und noch jemand hatte heute bitter gefehlt. Sirius. Er war wie ein Bruder für James gewesen. Seine zweite Hälfte. Und nun saß er in Askaban. Warum hatte er Peter nicht in Ruhe lassen können? Und wieso konnte überhaupt irgendjemand auf der Welt denken, Sirius hätte James an Voldemort verraten können? Dumbledore zum Beispiel. Er hatte so überrascht gewirkt. Dabei durchschaute er doch sonst immer alles.
***
Sie war froh, wieder in Hogwarts zu sein und wollte nur noch schlafen, doch Harry hatte andere Pläne. Zuerst schob er mit ohrenbetäubenden Quietschen sämtliche Stühle hin und her, dann kletterte er irgendwie auf das Fenstersims und schaute nach draußen. Da es November war, wurde es früh dunkel, doch er konnte Hagrid im Mondschein erkennen und versuchte, sich lautstark bemerkbar zu machen. Dabei hämmerte er so fest gegen die Scheibe, dass Lily befürchtete, das Glas würde zerbrechen. Sie hob ihn wieder herunter, was Harry mit Protestgeheul quittierte.
In diesem Moment klopfte es plötzlich. Harry rief erfreut: „Papa!“ und tapste zur Tür. Er erschrak, als statt dessen Severus vor ihm stand und versteckte sich schutzsuchend hinter seiner Mutter.
Lily stöhnte. „Was willst du?“, fragte sie barsch.
„Reden“, erwiderte Severus knapp.
„Ich wüsste nicht worüber.“
„Lily, ich möchte über uns reden. Ist das so schwer zu erraten?“
„Uns? Es gibt kein uns!“ Jetzt wurde sie wütend. „Ich weiß nicht, was du dir einbildest, aber unsere Freundschaft wurde von dir zerstört. Vor einigen Jahren schon. Es ist vorbei.“
„Lass uns neu beginnen. Noch einmal von vorne. Ich habe mich geändert. Ich … nur deinetwegen habe ich aufgehört ein Todesser zu sein“, sagte Severus bittend, doch er merkte sofort, das er schon wieder etwas Falsches gesagt hatte.
„Wow! Das wird ja immer besser“, kam die sarkastische Antwort, „Es ging gar nicht darum, dass es irgendwie falsch sein könnte, was Voldemort und seine Fans tun. Nein, du dachtest nur, auf diese Weise besser mit James konkurrieren zu können.“
Severus schwieg.
„Weißt du“, fuhr sie fort, „vor ein paar Jahren hätte mich das vielleicht wirklich interessiert, damals mochte ich dich noch, aber die Chance ist vorbei. Ich bin die Frau von James geworden. Ich habe ihn sehr geliebt und ich tue es immer noch. Wenn du dich nur ein bisschen für meine Gefühle interessieren würdest, wärst du heute da gewesen, als er...“ Sie spürte wie wieder Tränen aufstiegen, „als er beerdigt wurde.“
„Ich hatte Verpflichtungen hier“, sagte Severus und diesmal nahm seine Stimme wieder den gewohnten ölig-teilnahmslosen Klang an, „Man kann eine Schule nicht ganz ohne Aufsicht von Lehrern lassen.“
„Wie schön, dass du deine Pflichten so ernst nimmst. Und jetzt geh bitte.“
Mit einem Schlenker des Zauberstabs ließ sie die Tür sperrangelweit auffliegen.
„Lily! Überleg es dir noch einmal!“ Severus trat wieder dichter an sie heran.
„RAUS! RAUS! HABE ICH MICH NICHT KLAR GENUG AUSGEDRÜCKT? RAUS!“
Severus ging und Lily sackte weinend auf dem Sofa zusammen.
„Mama?“ Harrys Stimme klang ängstlich.
Lily nahm ihn auf den Schoß. „Keine Angst, mein Schatz. Mama ist ja da.“
„Papa?“ fragte Harry jetzt.
Lily musste schon wieder heftig schlucken. „Papa kommt nicht mehr wieder. Aber er ist in unseren Herzen.“
Sie hatte keine Ahnung, wie viel Harry davon verstand, aber sie bemühte sich, ihrer Stimme so viel Zuversicht zu geben, dass dieser sich beruhigt in ihren Armen zusammenkuscheln konnte.
Eine kleine Ewigkeit saßen sie so da, bis schließlich beide eingeschlafen waren.
***
In der Nacht wurde Lily von einem markerschütternden Schrei geweckt.
PAPAAA!!! PAPAA!!! BUMM!!! LICHT! BUMM! LICHT! BUMM! PAPAAA!!!
Harry schrie im Schlaf. Er hatte wohl einen Albtraum, bei dem er die Ereignisse noch mal durchlebte. Müde rappelte Lily sich auf, drückte ihn an sich und versuchte ihn zu beruhigen. Immer wieder sprach sie ihm Trost zu und ließ auch den abgewetzten kleinen Teddy zu Wort kommen. Es dauerte lange, bis sein Schluchzen endlich verebbte und er langsam wieder in den Schlaf fand.
Lily legte ihn in das Kinderbett, dass hier bereitstand, und ging selbst ins Bad, denn sie trug ja noch immer die Kleidung vom Nachmittag.
Die Räume, in denen sie sich befand, hatte sie früher nie wahrgenommen, obwohl sie in der Nähe des Gryffindor-Gemeinschaftsraumes lagen. Hatten früher einmal die Hauslehrer näher bei ihren Schülern gewohnt? Oder bargen der Räume noch eine andere Geschichte? Lily wusste es nicht.
Die Hauselfen hatten es hier gemütlich für sie und Harry eingerichtet. Nur eines fehlte: Spielzeug. Den Hauselfen war es wahrscheinlich nicht bewusst, dass kleine Kinder so etwas brauchten, weil ihnen selbst keine Kindheit vergönnt war und sich in Hogwarts auch keine Kinder unter elf befanden. So hatte Harry nur seinen Teddy, den sie von zuhause mitgebracht hatten... Sie würde sich darum kümmern, obwohl Harry bis jetzt alles hier so spannend fand, dass er gar nichts zu vermissen schien.
Vielleicht sollte sie morgen noch einmal nach Godrics Hallow zurückkehren und nachsehen, was in den Trümmern noch übriggeblieben war. Außerdem musste sie Crookshanks finden. Sie hatte ein richtig schlechtes Gewissen als ihr ihr schlauer kleiner Kater wieder einfiel. Die letzten Tage hatte sie überhaupt nicht mehr an ihn und sein Verbleiben gedacht. Aber Crookie würde sicher für sich selbst gesorgt haben, er war recht eigenbrötlerisch. Noch eine ganze Weile dachte sie über alles nach, bis sie endlich erneut einschlafen konnte.
***
Am nächsten Morgen bekam sie schon früh Besuch. Es war Remus.
„Ich war gestern, nach der … Sache noch mal in Godrics Hollow“, begann er, „Es war schrecklich, bei Merlin! Ein Wunder, dass euch in dem Haus sonst nichts passiert ist. Es ist nur noch eine Ruine.“ Er schluckte und fuhr fort: „Vieles ist zerstört, aber ich dachte, dass Harry den hier sicher vermissen würde...“ Er hielt einen kleinen Spielzeugbesen hoch. „Er scheint noch in Ordnung zu sein.“
„Oh danke, das ist nett.“ Lily reichte den Besen an Harry weiter, der sofort anfing, begeistert seine Runden zu drehen. „Ich wollte heute selbst noch mal hin und nachschauen.“
Remus druckste ein bisschen herum und meinte dann: „Dumbledore denkt, dass das keine gute Idee ist. Deshalb hat er mich gebeten, alles Wichtige mitzubringen...“
„Ach wirklich? Meint Dumbledore das? Es ist immer noch unser … mein Haus. Und was soll das heißen: alles Wichtige? Es ist nicht alles zerstört. Ich habe nach dem Überfall noch Milch gekocht. Ich habe auf dem Sofa gesessen... Und was ist mit Crookie? Ist er nicht wichtig?“
„Crookie? Wer ist das?“, fragte Remus erstaunt.
„Du weißt nicht...? Stimmt, wir haben ihn erst nach deinem letzten Besuch bekommen. Mein kleiner Kniesel-Kater. Du warst lange nicht mehr da....“
Sie schwieg betroffen und beide wussten, dass sie das Gleiche dachten. Der Verdacht.
Einige Zeit vor dem Anschlag war klar gewesen, dass es einen Spion gab, einen aus den engsten Reihen. Einen, der Dinge weitergab, die eigentlich nur die vier Freunde, Lily und Dumbledore wissen konnten. Die Ratlosigkeit war groß. Keiner hatte sich getraut, es auszusprechen, doch irgendwie hatte es einen Keil zwischen sie getrieben. Zwischen Remus und die anderen. Ganz von selbst waren seine Besuche seltener geworden.
„Es tut mir Leid. Ich habe es niemals glauben können“, sagte Lily leise.
„Ich weiß“, sagte Remus mit einer Stimme, die an Misstrauen gewohnt war.
Lily konnte es kaum ertragen. Sie schämte sich.
Remus nahm ihre Hand. „Ich glaube dir wirklich. Bitte Lily, hör mir jetzt zu. Es spielt auch gar keine Rolle mehr. Es ist vorbei. Wir müssen nach vorne sehen. Wir müssen zusammen halten."
Sie nickte und versuchte die verdammten Tränen im Schach zu halten.
„Übrigens, was deine Katze angeht...“, nahm Remus den alten Gesprächsfaden wieder auf, „Deiner Katze geht es gut. Die Nachbarn haben sich wohl ein bisschen gekümmert. Jedenfalls haben sie was von einem Kater gesagt und dass er nicht ewig bleiben kann. Falls du ihn nicht mehr versorgen kannst, würden sie ihn zur Magischen Menagerie bringen.“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ Mit einem Schlag war das Leben in Lily zurückgekehrt. „Ich hoffe, du hast ihnen das klargemacht.“
„Ich wusste doch gar nichts. Ich hab es offen gelassen. Aber wenn du willst, bring ich dein Kätzchen vorbei.“
„Ich kann durchaus selbst...“
„Hör zu! Ich weiß, dass du nicht wieder eingesperrt sein willst und gerne überall hin möchtest. Aber die Gefahr besteht für euch beide immer noch! Du und Harry, ihr seid für die noch aktiven Todesser die Hasspersonen Nr. 1!“
„Du klingst schon wie Dumbledore.“
„Weil er recht hat, Lily! Sei vorsichtig. Ich will dich nicht auch noch verlieren.“
Ein warmes Gefühl durchströmte Lily und der Ärger war wie weggeblasen. Es stimmte. Auch wenn sie selbst das Risiko gerne tragen würde. Sie konnte es Remus nicht antun. Er hatte schon James, Sirius und Peter verloren. Alle drei Freunde in einer einzigen Nacht.
Und dann war da noch Harry. Auch seinetwegen musste sie vorsichtig sein.
Er war so verstört gewesen, heute Nacht, wegen dem, was James passiert war. Er würde es nicht verkraften, auch noch die Mutter zu verlieren. Flüchtig musste sie an das Gespräch mit Dumbledore denken. Dass Harry bei Petunia hätte landen können, war immer noch eine groteske Vorstellung.
Schließlich sagte sie: „Also gut, ich werde brav sein. Bring mir Crookie vorbei.“
Er wandte sich zum Gehen, doch sie musste ihn noch einmal in den Arm nehmen: „Remus – danke! Und pass auch auf dich auf. Ich habe außer Harry nämlich auch nur noch dich!“
Er lächelte traurig. Lily gab ihm immer das Gefühl, so zu sein wie alle anderen, doch er wusste, dass er es nicht war. Niemals konnte jemand wie er einen normalen Menschen ersetzen. Trotzdem würde er auch weiter versuchen, ihr ein Freund zu sein. Laut sagte er: „Sirius wird sicher auch bald wieder da sein. Sie werden ihn freilassen müssen, wenn er unschuldig ist. Er wird dir in der Trauer beistehen können.“
„Er wird dir in der Trauer beistehen können“, äffte Lily ihn nach. „Und was bitteschön tust du gerade? Hör endlich auf, dich für unwichtig zu erklären! Das Thema hatten wir doch schon hundertmal. Ich dachte, du hättest es kapiert!“
„Sicher. Du hast recht.“ Er lächelte erneut und verabschiedete sich.
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