
von Ithelia
Hallo.
Ein neues Kapitel aus Hermines Gedankenwelt. Die erwähnten Bücher sind übrigends alle im freien Handel erhältlich ;)
@Miss Snape: Freut mich sehr, dass es dir nach wie vor gut gefällt. Bin schon eifrig mit dem nächtens Kapitel zu gange.
@Annermarie: Oh je, dann müsste ich ja viel fleißiger, ordentlicher und pingeliger sein. Obwohl... Wenn ich dafür zaubern könnte...
Und für all die Naschkatzen unter euch lasse ich den frisch gebackenen Joghurt-Zitronen Kuchen da. Bon Appetit :)
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24.9.1990
Heilen mit Quantenenergie: Eine Anleitung.
Das Gegeimnis des Herzmagneten.
Das Handbuch übersinnlicher Wahrnehmung: Übersinnliche Fähigkeiten entdecken und trainieren.
Hormon-Yoga: Das Standardwerk zur hormonellen Balance in den Wechseljahren
Wünsch dich Schlank: 11 Schlüssel zu idealen Wunschgewicht.
Rücken für Rücken ging ich die Titel der Bucher durch, knapp davor einfach los zu schreien. Gab es in dieser Buchhandlung denn kein einziges halbwegs seriöses Buch zum Thema Meditation?
Gleich nach dem Unterricht hatte ich mich in die Stadt aufgemacht, denn diese Sache wollte ich auf keinen Fall vertagen. Ich hasste es ohnehin, wenn ich etwas nicht gleich erledigen konnte. Gewöhnlich lastete es dann auf meinem Gemüt, raubte mir die Luft zum Atmen, allnächtlich den Schlaf und konnte mich in eine resignierte Depression führen.
Doch das hier war einfach Aussichtslos. Warum nur schien man es nicht fertig zu bringen, den Geist nüchtern genug zu behandeln, um ein halbwegs fundiertes Buch darüber zu schreiben? Diese Papierverschwendung war nicht zum aushalten!
Doch es kam noch schlimmer:
„Die Welt steckt doch voller Überraschungen.“, hatte mir jemand fröhlich zugerufen.
Ruckartig drehte ich mich Julian zu, der sich wohl angeschlichen hatte und sich nun kringelte vor Lachen. Immer noch etwas überrumpelt starrte ich ihn einfach an. Und das einige Sekunden zu lang, sodass er noch mehr lachte.
„Dir auch einen wunderschönen Tag, Julian.“, erklärte ich Augen rollend. „Was für eine Überraschung denn?“, erkundigte ich mich neugierig.
Es dauerte, bis er sich wieder eingekriegt hatte, dann: „Na dich in der Esoterikabteilung zu finden. Ist irgendwas Schlimmes passiert oder so?“
Es war definitiv das Peinlichste dieser Welt, ihn ausgerechnet hier zu treffen. Inständig betete ich zu Gott, er möge mich doch bitte in der Versenkung verschwinden lassen *…
Vergebens! Ich würde mich dem wohl stellen müssen: „Nein, nein!“, stritt ich schnell jede Verbindung zu diesem Unsinn ab, „Ich kann mich nur zurzeit nicht so gut konzentrieren und dachte, Meditation wäre den Versuch wert. Aber das hier ist wirklich alles nur Kokolores.“
Ein Seufzer der Erleichterung. „Gut, ich glaubte schon zu halluzinieren.“
„Ich tu es, wenn ich mir das hier so ansehe.“, stellte ich mit einem Blick auf die Regale fest, als ich bemerkte, dass uns gut ein halbes Dutzend Frauen mittleren Alters böse anstarrten.
Die „Ökohexen“ getrost ignorierend betrachtete er die Auswahl im Regal. Von neuem stahl sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht. Diese Begegnung war einfach der Gipfel der Peinlichkeit.
Dann, urplötzlich rief er: „Fuck it!“
Entgeistert starrte ich ihn an, als er mir schon das Buch in die Hand drückte: „FUCK IT! Loslassen – Entspannen – Glücklich sein“, verkündete der Einband in fettgedruckten roten Großbuchstaben.
Nun näherten sich mehrere der Esoterikfrauen, Todesverachtung in den Augen. Andere zischten wütend vor sich hin. Offenbar waren wir hier ähnlich unwillkommen, wie eine fundierte Statistik.
In Julians Gesicht spiegelte sich mein eigenes Unbehagen wieder, weshalb wir uns schleunigst von den aufgebrachten Kristallanbeterinnen entfernten.
„Und wonach hast du so Ausschau gehalten?“, hatte ich mich fröhlich erkundet, den Lebensratgeber immer noch in meiner Linken.
„Architektur. Ich will mit ein paar Freunden eine Forschungsstation im All für diesen Projektwettbewerb bauen. Machst du da eigentlich mit?“
„Weiß nicht.“ Aber wenn er mitmachte…
„Du musst einfach! Das wird bestimmt lustig und man kann einen Ausflug nach Kourou** gewinnen.“, versuchte er mich zu überzeugen.
„Ich schau mal…“, zögerte ich. Vermutlich gab es da eh nichts zu sehen, wenn die nicht gerade irgendein Vehikel in den Orbit schossen.
„Warum sagst du nicht einfach einmal ja?“, fragte er vorwurfsvoll.
„Warum sollte ich?“
„Weil du es nie tust.“
„Ach ja?“
„Natürlich.“
„Sicher?“
„Nein.“
Verwirrt starrte ich von neuem in seine braunen Augen. „Wie nein?“
„Doch.“
„Dafür bin ich zu blöd?“
„Allerdings, Kleines.“
„Größe ist nicht alles.“
Stille… Stille… Befangene Stille…
Dann: „Nimm doch einfach teil. Was spricht schon dagegen?“
„Keine Ahnung. Was spricht denn dafür?“
„Weiß nicht, aber es wäre schon toll dich dabei zu haben.“
Das angenehme Gefühl der Wärme strömt immer noch durch mich hindurch, wenn mir dieser Satz durch den Geist geht. Ich mag Julian.
Nein, ich liebe ihn nicht aber ich habe ihn lieb. Und es war schon eine ganze Weile her, dass man mir einfach so erklärt hatte, dass man nicht auf mich verzichten wollte. Wahrscheinlich würde ich für eine derartige Wertschätzung bei (fast) allem mitmachen…
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* Versenkung wird in der Theatersprache eine Öffnung im Bühnenboden genannt, die für abrupte Auftritte und Abgänge vom Bereich unter der Bühne aus ermöglicht wie ein Aufzug. Meist kommen Hexen ;), Dämonen und ähnlich negativ besetzte Figuren aus der Versenkung und verschwinden wieder in ihr, z.B. die Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte.
** Der Weltraumbahnhof der ESA liegt in der Nähe von Kourou in Französisch-Guayana, einem französischem Übersee-Departement in Südamerika. Auf der Rückseite der Euroscheine findet man das Departement in einem Kartenausschnitt links unten neben dem Wort „Euro“.
Die ESA ist die Europäische Raumfahrtbehörde (European Space Angency). Sie wurde 1975 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Paris.
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