
von Ithelia
Und das Nächste.
Hab mich sehr beeilt, hoffe aber es ist trotzdem gut geworden. Danke an meine fleißigen Reviewschreiber. Ollivander, Annemarie, vielen vielen Dank, ich hab mich sehr über das Lob gefreut.
Ich wünsche euch allen ganz viel Spaß beim Lesen.
Bis bald,
Ithelia
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23.9.1990
Weniger ist mehr.
Der heutige Tag war alles andere als ereignisreich. Nachdem mich der Wecker mit seinem penetranten Piepsen aus Träumen von den kühnsten Zaubereien gerissen hatte, hatte ich den Tag erst einmal damit begonnen, die neuen Schulbücher zu überfliegen und so etwas wie einen Schlachtplan zu erstellen.
Als erstes würde ich mit dem praktischen Zaubern beginnen – soweit dies eben ohne Zauberstab möglich war. Meine Eltern würden erst im nächsten Sommer mit mir die Winkelgasse besuchen, um einen zu kaufen.
„Wir vertrauen dir ja. Aber es wird so viel einfacher für dich sein nichts anzustellen.“, hatte meine Mutter mir sanft erklärt und sich durch kein Betteln der Welt erweichen lassen. Die Zaubereigesetzgebung war in dieser Sache wohl sehr deutlich umrissen und wurde laut Prof. McGonnagal mit großer Akribie durchgesetzt.
Was also tatsächlich zu tun blieb war lediglich die rein theoretische Einarbeitung. Beinah hätte ich laut losgelacht bei der Feststellung, dass es sich bei den Zauberformeln fast ausschließlich um einfachstes Latein handelt.
Womit ich nicht sagen möchte, dass mich der Effekt, den diese wenigen Worte zu haben scheinen, nicht beeindruckt. Mit jeder Seite, die ich verschlang, mit jedem Wissensfetzen von der magischen Welt wuchs meine Begierde, all das anzuwenden exponentiell. Nur hatte ich doch erwartet, dass es wesentlich mysteriöserer Wortfolgen bedürfen würde, um z.B. Gegenstände fliegen zu lassen.
Zugegebener Maßen beherrsche ich diese Sprache nicht – und auch keine andere mit ihr verwandte romanische wirklich. Zwar hatte mein Französisch im letzten Jahr rasante Fortschritte gemacht, doch gleichwohl übertraf es bislang kaum ein bruchstückhaftes Touristenkauderwelsch.
Aber was machte diese Sprache nun überhaupt magisch? Natürlich konnten Bombardements monströser Aneinanderreihungen von Fremdwörtern eine bezaubernd paralysierende Wirkung auf den Gesprächspartner haben, der einfach nichts mehr von dem verstand, was man da gerade sagte. Fremdwörter waren sozusagen der Freifahrtschein, sich ständig zu wiederholen, ohne dass sich jemand beschweren durfte.
Vielleicht lag es ja auch daran, dass kaum jemandem auch nach fünf Unterrichtsjahren in dieser Sprache ein Satz mit mehr als drei Wörtern über die Lippen gehen wollte, abgesehen von bruchstückhaften Zitaten aus einem der großen Werke Caesars, Ovids, Sallusts oder irgendeines anderen, kriegstreiberischen Diktators der Antike, deren Anfänge man bis zum Erbrechen hatte auswendig lernen müssen. Wobei die Bedeutung all dieser komplex verschachtelten Sätze noch einmal auf einem ganz anderen Blatt stand.
Dann gab es noch Solche, die beherrschten das Vater Unser, das Credo oder Thomas von Aquins „Tantum ergo*“, weil man es ihnen oft genug vorgebetet hatte, ohne zu wissen, was sie da überhaupt vor sich hinmurmelten. Und da es sich bei der Wandlung im katholischen Sinne um eine art Wunder handelte, hatte man aus den dies bewirkenden Einsetzungsworten „Hoc enim meum corpus“ (dies ist mein Leib) kurzerhand „Hokuspokus“ gebildet; ein offensichtliches Missverständnis bar jeder theologischen Grundlage.
Im Grunde sollte ich auch froh sein, dass dieser Teil des Zauberns keine bemerkenswerte Hürde darstellte, da es sich damit offenbar nicht schon erledigt hatte. So illustrieren detaillierte Abbildungen, wie man während der Beschwörung den Zauberstab zu bewegen hat die Kapitel jedes der Wälzer und bereits im Vorwort wird auf eine gewisse Fokussierung hingewiesen, die wohl eine erfolgreiche Anwendung von Magie voraussetzt.
Was dies angeht, erwäge ich derzeit, ob es Sinn machen würde, sich mit Meditation oder ähnlichem zu beschäftigen. Zwar hatte ich nie nennenswerte Begeisterung für derartigen Totschlag von Zeit mit Nichtstun entwickeln wollen, doch war es wohl derzeit die Einzige handfeste Tätigkeit, die mich unter Umständen der Zauberei näher bringen könnte.
Und gerade dies ist deprimierend. Ich lese davon, die ungewöhnlichsten Dinge anzustellen, mit der Aussicht, all dies bald in Hogwarts zu erlernen. Gleichzeitig sind mir die Hände gebunden in der Vorbereitung auf all das, was mich in der magischen Welt erwarten würde. Mein gesamter Tag war durch Lernerei ausgefüllt und doch wünschte ich mir nichts sehnlicher, als noch mehr zu erfahren.
„Weniger ist manchmal auch mehr.“, hatte mein Vater gelegentlich erklärt in dem Versuch, mich in meinem Eifer ein klein wenig zu bremsen.
Vermutlich hatte er Gründe dafür und doch waren Lilo und ich uns offensichtlich einig, dass mehr immer mehr ist. So reichte jeder von uns sechs statt acht Stunden Schlaf. Auch die Mahlzeiten würde ich nach meinen gestrigen Erfahrungen eher sporadisch und nach einem ausgeklügelten System einnehmen, sodass ich keinem dieser Hühner dabei über den Weg laufen würde.
Immer noch wusste ich nicht genau, ob ich nun Lilo bei ihrem Weltraumprojekt helfen sollte. Einerseits würde es mich eine Menge Zeit kosten, das war mir durchaus klar. Nur war ich mir nicht ganz sicher, in welcher Größenordnung mein Einsatz dabei lag. Also würde ich mir erst einmal eine grobe Übersicht über die magische Welt verschaffen und es dann entscheiden. Und zuallererst würde ich mich dafür nach guten Techniken zur Konzentration umsehen. Der Rest konnte fürs erste warten.
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*Das Kirchenlied Tantum ergo umfasst die letzten beiden Strophen des vom Hl. Thomas von Aquin verfassten Hymnus Pange Lingua. Es behandelt das Altarsakrament, in dem katholische Christen den Leib Christi verehren. Die Silbeverteilung ist identisch mit der der deutschen Nationalhymne.
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