von Dr. S
Regulus schreckte zusammen, als Yaxley Travers mit voller Wucht gegen den Spind gegenĂŒber rammte. Im Metall blieb eine Delle zurĂŒck, als die beiden sich dafĂŒr entschlossen ihr Gerangel auf dem Boden der Umkleide fortzufĂŒhren. Dieses barbarische Gehabe war Regulus noch neu und er konnte sich nur schlecht daran gewöhnen, dass seine Mannschaftskameraden bloĂ johlende Anfeuerungsrufe ausstieĂen anstatt die beiden StreithĂ€hne zu trennen. Worum es genau ging schien auch niemand so genau zu wissenâŠ
Avery neben ihm rammte ihm den Ellenbogen zwischen die Rippen und machte eine auffordernde Geste in seine Richtung, aber bevor Regulus in die ZwickmĂŒhle kam sich zwischen den Sympathien seiner Mannschaftskameraden und seiner WĂŒrde entscheiden zu mĂŒssen wurde die TĂŒr aufgestoĂen.
Selwyn kam herein. âWas hab ich ĂŒber Streitereien gesagt?â Desinteressiert trat er ĂŒber das BĂŒndel aus Yaxley und Travers, das sich bei diesen Worten endlich zu entknoten versuchte. Dabei war Chambers wenigstens zur Stelle um zu helfen. Er zog Travers neben sich auf die Bank, wĂ€hrend Yaxley sich das Blut aus seinem ohnehin schon sehr brutal wirkendem Gesicht wischte, trotzdem aber triumphierend grinste, als er sich neben Avery setzte.
Selwyn verschrĂ€nkte die Arme. âGrandios, wirklich grandios, Leute.â KopfschĂŒttelnd beobachtete er, wie Travers blutbeschmiert von der Bank zu rutschen drohte und nur von Chambers in einer halbwegs aufrechten Position gehalten wurde. âWie sollen wir so ein ansehnliches Mannschaftsfoto machen, Travers? Dein Umhang trieft vor Blut.â
Avery lachte auf und er war der einzige, der damit ungestraft davonkommen konnte. Treiber schienen eine besondere Beziehung zueinander zu haben, so viel hatte Regulus schon ĂŒber die gewalttĂ€tigste Position dieses sinnlosen, nur Ărger bringenden Sports gelernt. Auch mittlerweile mitbekommen hatte er, dass der Sucher anscheinend eher so etwas wie ein Maskottchen war â oder es lag nicht an seiner Sonderposition, sondern an seiner GröĂe, dass ihm alle stĂ€ndig die Haare verwuscheln wollten.
âIch mach das schon.â Chambers zog ganz fĂŒrsorglich den Zauberstab und heilte die Blessuren in Traversâ Gesicht, bevor er sich den Blutflecken zuwandte â Yaxleys krumme Nase schien nicht einmal ihren TrĂ€ger zu interessieren.
âUh, wie nett.â Avery pfiff provozierend bei dem bisschen Zuwendung, das Chambers fĂŒr seinen Teamkollegen aufbringen konnte. Aber Regulus verstand nicht wirklich, warum er immer bei zwei Jungen so pfeifen musste. Die BefĂŒrchtung ebenfalls so eine Reaktion hervorzurufen hielt ihn davon ab irgendjemanden von James Potters Umarmung zu erzĂ€hlen. Gut, vielleicht auch die Tatsache, dass er diesen Ausrutscher am liebsten vergessen wollte.
âOkay, jetzt mal aufgepasst, Leute.â Selwyn rammte die Faust gegen die Delle im Spind, die Traversâ Körper bei seinem Aufprall zurĂŒckgelassen hatte. âUnser Mannschaftsfoto wird uns die restliche Saison ĂŒber begleiten und in meinem Jahrbuch landen. Da ich nicht vorhabe das Jahr zu wiederholen will ich alles perfekt haben, verstanden? Wir werden den gemeinsamen Willen den Pokal zurĂŒck nach Slytherin zu holen harmonisch vermitteln.â Er verengte die Augen, als er von Travers zu Yaxley und zurĂŒck schaute. âKriegt ihr das hin?â
âAy, Captânâ, spuckte Yaxley zusammen mit ein bisschen Blut aus, wischte es sich stolz grinsend vom Kinn.
Travers stöhnte nur, aber Selwyn lieà das aufgrund seines Zustandes wohl einmal durchgehen.
âWer kĂŒmmert sich um mein Gesicht?â, fragte Yaxley.
âDa ist Hopfen und Malz sowieso verlorenâ, gluckste Avery.
âHey!â Yaxley schien in Stimmung zu sein noch jemanden zu verprĂŒgeln und streckte die Hand nach Averys Kragen aus. Regulus presste noch rechtzeitig die HĂ€nde gegen Averys RĂŒcken, als der auswich und ihm dabei fast auf den SchoĂ glitt.
âAufhörenâ, zischte Selwyn, aber Avery rĂŒckte deswegen leider nicht wieder weg, sondern drĂŒckte sich betont Ă€ngstlich gegen Regulusâ Seite. Yaxley dagegen verschrĂ€nkte schnaubend die Arme. âChambers, sorg dafĂŒr, dass Yaxley ohne Blut im Gesicht auftaucht. Ihr anderen folgt mir jetzt.â
Regulus blieb ohnehin keine Wahl, weil er von Avery hochgezogen und dann vorwÀrts geschoben wurde.
Das Quidditch-Stadion sah ohne Zuschauer auf einmal so leer aus. Regulus wusste nicht, ob er den Jubel vermisste oder sich in der gespenstischen Stille und Leere wohler fĂŒhlte. Sobald er Ersteres aber in ErwĂ€gung zog glaubte er die Stimme seines Vaters zu hören, die ihm sagte, dass es ein Zeugnis von SchwĂ€che war den Rufen des Pöbels Gehör zu schenken. Aber auch diese Erkenntnis wĂŒrde ihn nicht aufgeben lassen. Aufzugeben war ebenfalls schwach. Regulus hatte sich in den Kopf gesetzt diese Saison zu spielen und er wĂŒrde das durchziehen. FĂŒr Potter.
Nein, wegen Potter. Weil er Potter eins auswischen wollte. Nicht, weil der sich fĂŒr ihn eingesetzt hatte, ihm stĂ€ndig zur Seite stand und dabei immer versuchte nett zu sein. Nein, er war sogar immer nett. Sonst hĂ€tte Potter ihn ja nicht umarmt. Dabei hatte Regulus immer gedacht, Potter könne ihn nicht leiden. Vielleicht hatte er sich in Potter getĂ€uscht. Vielleicht mochte Potter ihn ja und tat das gar nicht alles wegen SiriusâŠ
âGenau, Black! Das LĂ€cheln will ich auf dem Foto sehen!â Selwyns Stimme riss Regulus aus seinen Gedanken und als er in der brutalen RealitĂ€t mit gröĂtenteils amĂŒsierten Gesichtern konfrontiert wurde, wollte er am liebsten im Boden versinken.
Avery stupste mit dem Ellenbogen in seine Seite. âBisschen vertrĂ€umt vielleicht.â
Regulus wurde warm, schrecklich heiĂ, und er hoffte wahrscheinlich vergeblich, dass die Hitze seine Wangen nicht erreichte. Warum musste er mit den Gedanken auch so weit abschweifen? Warum ĂŒberhaupt immer wieder zu James Potter? Warum lĂ€chelte er wegen diesem arroganten Bastard?
âHey, nicht den Kleinen Ă€rgern.â Selwyn fuchtelte recht unkontrolliert mit seinem Besen herum. âIn die Luft mit euch und nehmt ihn in eure Mitte, Yaxley und Avery. Chambers?â Regulus schaute sich um. Er hatte gar nicht gemerkt, dass die anderen inzwischen nachgekommen waren. âChambers zwischen Travers und Rowle.â
Regulus wurde durch die Gegend geschubst und gestoĂen, so heftig, dass er fast von seinem Besen fiel. Selwyn war mit dem Fotoapparat beschĂ€ftigt, den er mit dem Zauberstab so in der Luft fliegen lieĂ, dass auch alle aufs Bild kamen. Allerdings schien er damit genauso Probleme zu haben wie seine Spieler mit ihren Positionen. Travers ĂŒbte seine Hasenohren fĂŒr Yaxley, wĂ€hrend der von Avery abgelenkt wurde, der darauf bestand die PlĂ€tze zu tauschen, damit seine Schokoladenseite abgelichtet werden konnte.
In dem ganzen Durcheinander hatte Regulus wieder viel zu viel Zeit an Potter zu denken. AllmĂ€hlich wurde ihm das wirklich unheimlich. Wenn Potter ein MĂ€dchen wĂ€re, dann wĂŒrde Regulus fast in Betracht ziehen verliebt zu sein. Zum GlĂŒck konnte ihm das aber nicht passieren â schon gar nicht mit einem Jungen, beziehungsweise James Potter. Dann musste man schon besonders verzweifelt sein.
Auch wenn es sich gut angefĂŒhlt hatte, von ihm in den Arm genommen zu werden. Regulus seufzte auf, wĂ€hrend um ihn herum ein unbeschreibliches Chaos ausbrach.
âDas funktioniert so nicht, Leute!â Selwyns Stimme ging so ziemlich an ihm vorbei. Es brauchte schon einen tieferen Bass um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
âKönnen Sie Hilfe gebrauchen, mein Junge?â
Regulus hatte gar nicht bemerkt, wie Professor Slughorn sich Selwyn von hinten genĂ€hert hatte, und dem KapitĂ€n schien es da genauso zu gehen, denn er fuhr ĂŒberdeutlich verschreckt herum. Beim Anblick seines Hauslehrers atmete er allerdings beruhigt auf.
âProfessor Slughorn, Sir, was fĂŒr eine angenehme Ăberraschung!â Selwyn warf dem sich schon fast wieder prĂŒgelnden Haufen Spieler hinter sich einen warnenden Blick zu und sofort schossen die zurĂŒck auf ihre Positionen.
âJa, ich wollte mir das Training dieser vielversprechenden Mannschaft einmal aus nĂ€chster NĂ€he ansehen.â Professor Slughorn beĂ€ugte neugierig die Kamera, dann lĂ€chelte er Selwyn zu. âSie haben sich Zeit mit dem Foto gelassen.â
âHĂ€tte die Mannschaft versagt, Sir, dann wĂ€re es nicht bei dieser Konstellation geblieben. Ich setze alles daran, damit wir dieses Jahr den Pokal wieder nach Slytherin holen.â Selwyns Brust war vor Stolz geschwollen, als er sein jetzt perfekt aufgereihtes Team betrachtete. Man konnte den Ehrgeiz in seinen Augen funkeln sehen und auch wenn es Regulus vielleicht amĂŒsierte, irgendwo weckte es auch den Drang Selwyn nicht zu enttĂ€uschen. Regulus schaute nach rechts, links und ĂŒber die Schulter. Das ganze Team verlieĂ sich auf ihn. Wenn er einen Fehler machte, dann war das Spiel sehr wahrscheinlich verloren.
Regulus wurde bei dieser Erkenntnis ganz mulmig. Die Verantwortung seiner Position war ihm erst seit dem letzten Spiel klar und jetzt wurde ihm bewusst, dass er das Team auch nicht einfach im Stich lassen konnte. Wenn er seinem Vater das sagen wĂŒrde, dann musste er verstehen, dass Regulus nicht einfach so aussteigen konnte. Seine Ausbildung litt auch ganz sicher nicht darunter, dass er fĂŒnf Ă€ltere MitschĂŒler hatte, die von Selwyn gezwungen wurden ihm bei den Hausaufgaben zu helfen.
âAber nicht, dass ihr Abschluss darunter leidetâ, sagte Slughorn.
Selwyn schĂŒttelte sofort den Kopf. âKeine Sorge, Professor. Ich habe mich darum gekĂŒmmert, dass die Noten von keinem leiden werden.â
âEr hat auch dafĂŒr gesorgt, dass wir uns alle gesund ernĂ€hrenâ, sagte Yaxley grimmig, aber Slughorn schien den strengen DiĂ€tplan nicht als negativen Aspekt von Selwyns FĂŒhrung zu sehen.
âLobenswert, mein Junge.â Slughorn klopfte Selwyn auf die Schulter und schob ihn dann von der Kamera weg. âLassen Sie mich auch etwas beitragen. Stellen Sie sich zu Ihren Freunden. Ich mache das Foto.â
âSehr aufmerksam von Ihnen, Professor Slughorn.â Selwyn stieg auf seinen Besen und flog zu seiner Mannschaft, schob die Brust vor um sein KapitĂ€nsabzeichen perfekt zu prĂ€sentieren. âLeute, jetzt holt den Ehrgeiz aus jeder Faser eures Körpers, erinnert euch an unseren groĂartigen Sieg und wie viel Respekt wir bekommen werden, wenn wir das wiederholen. Ich will den Siegeswillen in euren Gesichtern sehen, habt ihr verstanden?â
âAy, Captân!â
Selwyn nickte Slughorn zu. âAuf drei, Sir.â
Und wĂ€hrend Slughorn anzĂ€hlte, versuchte Regulus sich nur darauf zu konzentrieren wie sehr er James Potters Niederlage verursachen wollte⊠und vielleicht könnte er ihn danach ja auch tröstenâŠ
Der Blitz des Fotoapparats kam ĂŒberraschend fĂŒr Regulus, der wie in letzter Zeit so oft mit den Gedanken ganz woanders gewesen war. Aber es war ja nur ein FotoâŠ
âOkay, Leute. Landen und zu mir. Wir besprechen das Trainingâ, rief Selwyn ihnen zu.
Regulus setzte gerade den FuĂ auf den Boden, als Slughorn auf ihn zueilte.
âAuf ein Wort, Regulus?â Slughorn legte ihm die Hand auf die Schulter, sobald Regulus genickt hatte und abgestiegen war. âIch habe Sie spielen sehen. Ausgezeichnete Leistung, mein Junge.â
âDanke, Sir.â Regulus wollte sich schon in den Kreis reihen, den seine Mannschaftskollegen um den KapitĂ€n geschlossen hatten, aber Slughorn hielt ihn zurĂŒck.
âIhr Vater schien nicht sehr begeistert. HĂ€tte ich gewusst, dass er Ihre Leidenschaft nicht teilt, hĂ€tte ich ihn nicht eingeladen.â
Regulus drehte sich zu Slughorn um. Er hatte sich schon gewundert, woher sein Vater von diesem Fauxpas gewusst hatte. Wenigstens konnte er so ausschlieĂen, dass Sirius auf seine Kosten versucht hatte, ihren Vater so wieder einmal zu provozieren.
âDabei hat es mich so gefreut, Orion wiederzusehen. Er war einer meiner besten SchĂŒler, Regulus. Ganz wie Sie und Ihr Bruder.â Slughorn kam etwas nĂ€her. Sein dicker Bauch streifte Regulusâ HĂŒfte. âSirius hat Ihnen sicher erzĂ€hlt, dass ich ab und an einmal ein Essen fĂŒr ausgewĂ€hlte SchĂŒler gebeâŠâ
Regulus nickte, ahmte aber lieber nicht das WĂŒrgen nach, das Sirius sich in diesem Zusammenhang niemals verkneifen konnte.
âIch hĂ€tte Sie gerne beim nĂ€chsten Mal dabei.â Slughorn klopfte Regulus auf die Schulter, schien gar keine Antwort zu erwarten, weil ein Nein einfach so unwahrscheinlich war. Besonders nicht von einem Black. Und auch nicht von einem Potter.
Regulus nickte trotzdem. âEs wĂ€re mir eine Ehre, Sirâ, sagte er, die Gedanken schon angenehm warm eingehĂŒllt von dem Gedanken einen ganzen Abend in James Potters NĂ€he zu verbringen.
âWunderbar! Ich lasse Ihnen eine Einladung zukommen.â Slughorns fester Schulterklopfer holte Regulus wieder in die eisige KĂ€lte der RealitĂ€t in der er fĂŒr Potter nichts weiter war als Sirius Blacks kleiner Bruder â das hatte er ja selbst gesagt. Deswegen fĂŒhlte Potter sich verantwortlich fĂŒr ihn. Und das war doch auch in Ordnung.
Warum deprimierte es ihn dann so?
Regulus wandte den Blick von Slughorns RĂŒcken und bemerkte, dass die anderen schon in der Luft waren. Er hatte zwar einen eigenen Trainingsplan, aber irgendwie war es doch merkwĂŒrdig die anderen so beim Spielen zu beobachten. Sie waren einerseits so abhĂ€ngig von ihm, aber andererseits brauchten sie ihn ĂŒberhaupt nicht.
Das deprimierte ihn noch mehr.
Regulus seufzte schwer auf und setzte sich auf seinen Besen, griff in seine Tasche um den Schnatz von Potter rauszuholen. Er trainierte immer mit diesem. Irgendwie schienen sie sich wohl gegenseitig aneinander gewöhnt zu haben. Der goldene Ball surrte ihm abends im Gemeinschaftsraum lieber um den Kopf, anstatt einen Fluchtversuch zu starten, aber wenn sie drauĂen waren, dann war er schneller weg, als jeder andere Schnatz.
Jetzt schien er seine HandflĂ€che nicht verlassen zu wollen. Wahrscheinlich spĂŒrte er, wann Regulus trainieren wollte, Ă€hnlich wie bei einem Besen.
âFlieg schon.â Regulus schnipste den Ball von seiner HandflĂ€che und schloss die Augen, damit er keinen Vorteil hatte. Als er allerdings die Augen wieder öffnete, flatterte der Schnatz immer noch direkt vor seiner Nase herum.
Regulus hob eine Augenbraue und versuchte den Schnatz mit einer Handbewegung zum Fliegen zu bewegen, aber ohne jeden Erfolg. Er drehte den Kopf ĂŒber die Schulter.
âCaptân?â Selwyn schlug noch seinen Klatscher weg und bedeutete Regulus dann zu sprechen. âDer Schnatz funktioniert nicht richtig. Kann ich den anderen haben?â
Selwyn flog eine kurze Strecke in seine Richtung, sodass Regulus sein Grinsen sehen konnte. âEr ist doch weg, Black. Wollte dich wohl nur an der Nase rumfĂŒhren.â Damit drehte er wieder um und auch Regulus sah zurĂŒck, um den Schnatz in der Ferne ein letztes Mal aufblitzen zu sehen, bevor er irgendwo zwischen den Wipfeln des Verbotenen Waldes verschwand.
Durfte er dort hineinfliegen?
Regulus sah sich nach Selwyn um, aber der war diesmal wirklich vollkommen mit einem Spielzug beschÀftigt. Da störte man ihn lieber nicht.
Regulus flog aus dem Stadion zum Waldrand in der Hoffnung, dass der Schnatz vielleicht irgendwo dort zu finden war oder herauskommen wĂŒrde. Er wollte ungerne direkt in das Maul eines Werwolfs fliegen oder von einer Zentauren-Armbrust vom Himmel geholt werden. Zum Sterben war er definitiv zu jung und sein Leben war zu kurz um es fĂŒr Quidditch zu riskieren.
Sein Bruder wĂ€re sicherlich einfach in diesen Wald geflogen, sogar angespornt von all den Gefahren, die dort lauerten. Vielleicht sollte er ihn einfach fragen. Regulus entdeckte seinen Bruder unter seinem Lieblingsbaum liegen, den Kopf auf den Oberschenkeln seines besten Freundes gebettet und die FĂŒĂe auf Lupins Beinen abgelegt. Aber Lupin lieĂ wenigstens die HĂ€nde von Siriusâ Zehen. Warum musste Potter seine HĂ€nde stĂ€ndig in Haaren haben? Meistens waren es zwar seine eigenen, aber das war wesentlich ertrĂ€glicher anzusehen, als wenn er jede Gelegenheit nutzte um Siriusâ seidiges, glĂ€nzendes, immer perfekt liegendes Haar zu berĂŒhren.
Ein heftiger WindstoĂ kam von hinten und wehte schwarze HaarstrĂ€hnen vor Regulusâ Augen. Schnaubend wischte er das Haar aus seinem Gesicht. Er wusste nicht, was er falsch machte, dass seines nicht so aussah, immerhin war Sirius sein Bruder und sie benutzten sogar das gleiche Shampoo â wahrscheinlich waren die Gene fĂŒr gutes Aussehen einfach schon bei seinem groĂen Bruder aufgebraucht worden.
Regulus schĂŒttelte den Kopf und drehte den Besen wieder in Richtung Waldrand. Wieso machte er sich plötzlich Sorgen um seine Haare? Er wollte gar nicht, dass irgendjemand, geschweige denn James Potter, das BedĂŒrfnis verspĂŒrte sie durcheinander zu bringen. Wenn er wĂŒsste, wie er seine Teamkollegen davon abbringen könnte, dann wĂ€re er froh.
Ein goldenes Aufblitzen zwischen den BĂ€umen zog seinen Blick an. Regulus flog vorwĂ€rts und entdeckte den Schnatz zwischen den Ăsten eines Baumes. Er flog durch die Baumkrone in den Himmel. Regulus raste hinterher. Er wollte den Zweigen und Ăsten ausweichen, aber je höher er kam desto dichter wurden die Baumkronen. Mit dem Ellenbogen schirmte er sein Gesicht vor den scharfen Spitzen der Ăste ab und brach schlieĂlich durch die Baumwipfel.
Der Schnatz war keine fĂŒnf Meter von ihm entfernt. Regulus beschleunigte seinen Besen, damit er den Schnatz fangen konnte, bevor der wieder im Wald verschwand. Als er die Hand um den goldenen Ball schloss bemerkte er, dass sein Umhang von Ăsten aufgerissen worden war. Blut rann warm ĂŒber seinen Arm.
Regulus zog den Besen herum und flog auf die LĂ€ndereien zurĂŒck. Den Schnatz steckte er beim Landen wieder in die Tasche und suchte gleich nach seinem Zauberstab, um die Verletzung zu heilen, bevor er Ărger mit Selwyn wegen blutbeschmierter Roben bekam. Regulus stöhnte entnervt auf, als er sich daran erinnerte, dass er seinen Zauberstab aus SicherheitsgrĂŒnden in der Umkleide gelassen hatte. Er wollte nicht, dass das Holz brach. Das wĂ€re schlimmer als sich den Arm aufzuschlitzen.
âHast du dich verletzt?â Eine Hand griff seinen Arm und zwang ihn sich umzudrehen. Sirius stand direkt vor ihm und krempelte jetzt den dunkelgrĂŒnen Ărmel hoch. âScheiĂe, Reggie. Was machst du immer fĂŒr Sachen?â Es war das erste Grinsen seit dem Spiel gegen Hufflepuff, das Regulus von Sirius zu sehen bekam, und er dachte nicht eine Sekunde daran es zu erwidern.
Siriusâ Mundwinkel wanderten wieder nach unten. âWir schiebenâs auf die Gene. Einer der vielen Nachteile ein Black zu sein ist, dass man sich stĂ€ndig verletzt. Und⊠na ja⊠dass wir ein bisschen impulsiv sind. Aber das heiĂt nicht, dass⊠ÀhmâŠâ
âWas willst du, Sirius?â, unterbrach Regulus dieses Stottern.
Sirius zĂŒckte den Zauberstab. âErstmal will ich dir helfen. Und dann will ich sichergehen, dass du nicht denkst, ich hĂ€tte Vater irgendetwas verraten.â
Wieder lĂ€chelte Sirius und diesmal war Regulus kurz davor es zu erwidern â wĂ€re da nicht plötzlich dieser fremde Arm gewesen, der sich wie selbstverstĂ€ndlich um Siriusâ Schultern legte. James Potters wirrer Haarschopf erschien direkt hinter Sirius.
âNa, Black? Muss ich da mal pusten?â Mit der freien Hand deutete Potter auf Regulusâ Arm, ĂŒber den sich ein langer, aber nicht sehr tiefer Schnitt zog.
Regulus zog den verletzten Arm aus Siriusâ Griff. Es brannte, aber tat nicht so weh wie derartig von Potter vor den Kopf gestoĂen zu werden. Sie waren doch beim Vornamen gewesen. Zumindest hatte er gedacht, dass er jetzt Regulus fĂŒr Potter war. Aber wie er auf die Idee gekommen war, obwohl er doch so offensichtlich nur der kleine Bruder war, wusste er auch nicht mehr.
Potter wollte nicht sein Freund sein. Potter ging es nur um Sirius. Allen ging es immer nur um Sirius. Er war intelligenter, sah besser aus, war beliebter und natĂŒrlich der Erbe. Regulusâ einzige StĂ€rke schien Quidditch zu sein und da legten die Menschen, deren Respekt er sich ersehnte, keinen Wert drauf. Sirius ging es doch auch nur darum, dass Regulus irgendetwas machte, das ihrem Vater nicht gefiel. Und Potter⊠Potters Respekt wollte er gar nicht.
âDu hĂ€ltst deinen Atem bitte fern von mir, Potterâ, sagte Regulus. Sein Blick wanderte von Potter zu Sirius, der gerade den Mund öffnete. Regulus kam ihm zuvor: âUnd du deinen Zauberstab.â
âReggie?â Sirius machte sich von Potter los und trat Regulus schnell in den Weg, bevor der sich aus dem Staub machen konnte. Dabei wollte er nur weg. Er wollte sich am liebsten auf den Besen setzen und irgendwo in die Berge fliegen. âDu glaubst mir doch, oder? Ich hab Vater nichts gesagt. Ich bin kein VerrĂ€ter.â
Regulus versuchte an Sirius vorbei zu gehen. Sein Bruder griff erneut nach dem verletzten Arm, schien den blutenden Schnitt aber vollkommen vergessen zu haben. Regulus zischte auf, als Sirius ihn viel zu rĂŒcksichtlos zu sich zog.
âSirius!â Potter löste den festen Griff um Regulusâ Arm und schaute Sirius warnend an, aber der sah fasziniert auf das Blut, das an seiner Hand klebte. Und anstatt seinen entschuldigenden Blick schlieĂlich Regulus zu schenken, ging der an Potter. Und als hĂ€tte Regulus sich plötzlich in Luft aufgelöst, lĂ€chelte Potter zurĂŒck. âLass mich das machen.â Und als wĂ€re Regulusâ Blut Gift, das Sirius sofort zu einem bösen Slytherin machen wĂŒrde, entfernte Potters es auf der Stelle magisch.
Regulus wusste nicht, was ihn plötzlich so wĂŒtend werden lieĂ. Wieso wollte er, dass Potter ihn so anlĂ€chelte?
Als hĂ€tte er Regulusâ Gedanken gehört, drehte Potter den Kopf in seine Richtung. Das LĂ€cheln verschwand allerdings.
âDu wolltest ja nichtâ, sagte er mit Blick auf Regulusâ Verletzung.
Regulus drehte sich auf der Stelle um und ging so schnell wie möglich zurĂŒck zum Stadion, bevor er noch irgendetwas tat, das er bereuen wĂŒrde.
âRegulus, warte!â Sirius rief ihm nach, aber als Regulus ĂŒber die Schulter sah, da flĂŒsterte Potter ihm irgendetwas zu. Regulus wandte sich schnell wieder ab. Er wollte nicht sehen, wie die beiden miteinander umgingen. Dann wurde ihm so schmerzlich bewusst, dass er keinen solchen Freund hatte, keinen besten Freund⊠keinen James PotterâŠ
âRegulus?â Diesmal war es nicht Sirius, der ihn rief, und daraus folgerte Regulus, dass es auch nicht Siriusâ Schritte waren, die ihm folgten. Er versuchte schneller zu gehen.
âWarte doch mal!â Potter bekam Regulusâ unverletztes Handgelenk zu fassen und zog ihn zu sich herum. So ruckartig, dass Regulus direkt gegen Potters Brust krachte. Potter schien das nicht zu stören, denn er lieĂ nicht lockerer, aber Regulus bekam so heftiges Herzrasen, dass er glaubte gleich tot umzufallen.
âRegulus, hör malâŠâ
âJetzt sind wir wieder beim Vornamen?â Regulus musste sich anstrengen nur eine Augenbraue zu heben. Ein falsches Wort jetzt und er wĂŒrde irgendetwas Dummes tun â aber wie er dumm bei James Potter definieren sollte war ihm noch vollkommen fremd.
âWasân los mit dir, Kleiner?â Potter grinste zwar belustigt, aber auch als könne er das alles nicht glauben. âSirius hat sich so gefreut dich auf dem Besen zu sehen. Er dachte, du wĂŒrdest aufgeben, nachdem dein Vater sich so aufgefĂŒhrt hat.â Potter griff nach Regulusâ anderem Arm und verschloss die Wunde, wĂ€hrend er redete: âWenn du Angst hast, Zweifel⊠keine Ahnung was⊠irgendetwas, ĂŒber das du nicht mit Sirius reden willst⊠Du kannst zu mir kommen, okay?â
Regulus schaute Potter direkt in die Augen, die seinen Blick aber nicht erwiderten, sondern seinen Arm fokussierten. Der Sonnenschein glitzerte auf den BrillenglĂ€sern, aber nicht auf der haselnussbraunen Iris, die vollkommen leer blieb, auch als Potter den Blick wieder hob und dem von Regulus begegnete. Niemals zuvor hatte er so genau in Potters Augen sehen können, aber trotzdem verspĂŒrte Regulus das absurde Verlangen Potter die störende Brille von der Nase zu reiĂen.
Potter grinste wieder, als wĂŒrde er Regulusâ Gedanken lesen können und genauso idiotisch finden.
âWas starrst du eigentlich immer so?â Potter hob die Augenbrauen, immer noch grinsend. âHab ich vielleicht was am Mundwinkel?â
âEin dĂ€mliches Grinsenâ, sagte Regulus ungewöhnlich heiser. âJetzt lass mich los. Ich hab Training.â
Potters Griff wurde lockerer, aber als Regulus sich der anderen Hand entziehen wollte, griff die urplötzlich ĂŒberraschend fest zu. âAn deiner Stelle wĂ€re ich nicht so fies zu deinem Bruder. Er ist wahrscheinlich der einzige, dem du wirklich etwas bedeutest.â Potter lieĂ ihn los und drehte sich um. Regulus tat es ihm gleich, wollte nicht sehen, wie Potter einfach wieder gehen konnte, wĂ€hrend Regulus noch stundenlang so hĂ€tte stehen können.
Wenn Potter doch nur einmal die Klappe halten könnte. Er hatte neulich doch gesagt⊠er hatte gesagt⊠er hatte gelogen. Regulus bedeutete ihm nichts. Und dass das Regulus so schmerzte hieà wohl, dass James Potter ihm zu viel bedeutete.
Aber gingen solch heftige GefĂŒhle noch als Wunsch nach Freundschaft durch?
Regulus setzte sich auf seinen Besen. Er wĂŒrde irgendwo in den Bergen schon eine Höhle finden, in der er in Ruhe nachdenken konnte. Es wĂŒrde ihn ohnehin niemand vermissen und notfalls konnte er die Suche nach dem Schnatz als Ausrede benutzenâŠ
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