von Ithelia
Diese Verrückten
Nach vielleicht fünf weiteren Minuten ertönte ein letzter lauter Knall, dann wurde es wieder vollkommen still. Ängstlich begaben sich sämtliche Hausbewohner zum Ort des Geschehens. Auf der ersten Etage kam Großvater ihnen bereits mit verstört wirkendem Gesichtsausdruck entgegen und bedeutete ihnen mit einigen knappen aber eindringlichen Gesten ihm in die Zimmer der Großeltern zu folgen.
So saßen sie alle auf dem Doppelbett. Matt war der erste, der es wagte wieder zu sprechen: „Großvater, was ist da unten los?“
Dieser betrachtete Elodea nun eindringlich aus seinen wachen stahlblauen Augen. Als er zu sprechen ansetzte fühlte sie sich stark an Moodys ruhiges Knurren erinnert: „Heute morgen wurdest du im Zaubereiministerium vor dem höchsten Gericht des schwerwiegenden und unkontrollierten Missbrauchs von Magie angeklagt.“
Es dauerte nicht lange, bis sie die Absurdität des Gesagten verarbeitet hatte. Im eisigsten Tonfall den sie zu Stande brachte erkundigte sie sich süffisant: „Ist es unter Zauberern üblich, dass die Angeklagten Nichts von dem Prozess erfahren, den man gegen sie führt?“
Großvater stieß ein bitteres Lachen aus, dass mehr einem starken Hustenanfall glich. „Immerhin verhandeln sie über deinen Fall. Heut zu Tage werden immer öfter Leute ohne Verhandlung inhaftiert. Aber nein, es ist eher ungewöhnlich und hängt damit zusammen, dass deine Aussage schon vorliegt.“
„Ich habe aber nie ausgesagt.“, protestierte Elodea.
Nun ergriff Neil das Wort: „Du hast, als sie dich mit Veritaserum verhört haben. Es gibt nichts Aussagekräftigeres, als die garantierte Wahrheit.“
„Natürlich wollen sie dich auch einfach nicht dort sitzen haben, weil so was sofort in allen Zeitungen jenseits des Tagespropheten stehen würde.“, fügte Matt an und ließ ein gemurmeltes „die Schweine“ im Raum stehen.
In diesem Moment betrat Tom den Raum. Gehetzt wandte er sich an seinen Schwiegervater und verkündete: „Hannah bespricht noch die letzten Details mit den Schulleitern aber sie machen es, falls das Verfahren so lange dauert.“ Dann überreichte er Elodea ihren Zauberstab. „Hier, das ist doch deiner. Aber du darfst nur hier im Haus damit Zaubern, okay?“ Er wartete die Antwort erst gar nicht ab sondern rauschte sogleich wieder aus dem Zimmer.
„Nun gut.“, schloss Groß und deutete auf sie: „Der Richter will dich offenbar da rauspauken, indem er einen Zeitpunkt abwartet, zu dem ausreichend dir wohl gesonnene Leute das Stimmrecht innehaben. Jedes halbe Jahr ändert sich die Besetzung des Gerichtes. Er lässt jetzt also eine ganze Reihe unnötiger Untersuchungen durchführen, um das Verfahren zu vertagen.“
Erleichterung machte sich in der Runde breit. Doch der alte Mann war noch nicht fertig: „Ab morgen wirst du mit mir Französisch lernen. Falls du nämlich bis September nicht freigesprochen wirst, kannst du nicht nach Hogwarts.“
„Was?“, wandte Elodea wütend ein. Sie würde nicht zaubern lernen dürfen? Man klagte sie an, weil sie um ihr Leben gekämpft hatte und ihre Fürsprecher ließen sie nun aus taktischen Gründen derart zappeln?
Beruhigend redete Groß nun auf sie ein: „Mach dir keine Sorgen. Der Schulleiter dort, Dumbledore, hat sich energisch für dich eingesetzt und sein ganzes nicht unbeträchtliches Gewicht in die Waagschale geworfen. So hat er nun organisiert, dass du ersatzweise eine andere Zabererschule besuchen wirst und später ohne Probleme in deinem Jahrgang in Hogwarts aufgenommen wirst. Aber besagte Schule liegt in Frankreich.“
Er erntete lediglich ein Nicken. Was brachte es auch, sich über diese Dinge aufzuregen, auf die sie einfach keinen Einfluss hatte? Sie hatte Lizzie nicht retten können. Es hatte ihr offenbar nicht zugestanden sich selbst zu retten. Sie hatte zwei Menschen getötet, ohne es irgendwie zu merken. Sie wurde von der Regierung für das Selbe angeklagt wie von den Todessern.
Bald schon löste sich die Runde wieder auf, doch Groß hielt sie noch einen Moment zurück: „Ich werde dir im Wechsel mit Moody auch beibringen müssen, wie du dich verteidigst. Dabei erwarte ich, dass du wirklich dein Bestes gibst, verstehst du? Nur für den Fall, was?“
„Dann sollten wir gleich anfangen.“, verlangte Elodea entschlossen.
Nach kurzem Widerstand hatte sie ihn dann auch breitgeschlagen und begann munter mit dem Entwaffnen zu üben. Nach dem Abendessen stießen dann auch die drei Jungs zu ihnen. Schmollend saß Oliver da, musste seinen Brüdern beim Zaubern zusehen und verzog sich auch wieder Türen knallend.
Zaubern war um ein vielfaches anstrengender, als Elodea es sich vorgestellt hatte. Mit konzentrierter Miene stand sie dort, zielte, versuchte die korrekte Bewegung auszuführen und sich dabei auch noch auf die korrekte Aussprache der Zauberformel Acht zu geben. Meist geschah dabei gar nichts. Hin und wieder jedoch kam es noch schlimmer und irgendetwas ging zu Bruch. Sie begann an der Geschichte von den beiden in die Luft gejagten Feinden ernsthaft anzuzweifeln.
Immer wieder wurden allerlei Gegenstände mit einem anderen Zauber zusammengefügt, den sie dann auch sogleich erläutert bekam. Dieses „Reparo“ ging ihr eindeutig leichter von der Hand setzten sich die zahlreichen Glassplitter auf ihren Befahl hin zumindest teilweise zusammen.
Doch je länger sie übten, desto munterer schien der alte Mann zu werden. Immer begeisterter feuerte er sie an. Hin und wieder zitterte der Zauberstab verdächtig in seiner Hand, was ihn wiederum zu Freudenschreien hinriss. Und Elodea versuchte es wieder und wieder, Stunde um Stunde hartnäckig, ohne sich von den ständigen Misserfolgen beirren zu lassen.
Mit allerlei Respektsbekundungen und Aussprüchen wie, „Die nötige Disziplin hast du, ja. Und einer solchen folgt das Können auf dem Fuße.“, oder „Gut, dass man dir nicht mehr erklären musst, wozu du das brauchst. Da taugt das Killerkommando im Nacken ja doch was, näh?“ trieb auch der Großvater sie immer weiter an, ohne auch nur einmal die über ihr schwebende Bedrohung außer Acht zu lassen.
Mit dem Fortschreiten der Nacht begann obendrein ein heftiger Kampf zwischen ihrem durch Müdigkeit zermürbten Verstand und dem eisernen Existenzwillen, denn sie bezweifelte, ob sie bei einer erneuten Konfrontation mit den Maskierten wieder so viel Glück haben würde.
Gleichzeitig musste sie sich selbst jedoch eingestehen, dass sie eh ganz versessen auf Zauberei war und gar nicht genug davon kriegen konnte. Und so reichte selbst im Angesicht permanenter Misserfolge die bloße Vorstellung vom Zaubern, um sie weiter anzutreiben.
Letzten Endes brach sie zusammen. Großvater ließ sie sogleich durch die Gegend schweben. Leider war sie noch bei Bewusstsein, als die beiden im Treppenhaus ausgerechnet auf Hannah trafen, die gerade Frühstück machen wollte. Beim Anblick des völlig mitgenommenen Kindes ergriff sie innerhalb von Sekundenbruchteilen ein heftiger Tobsuchtsanfall. Letzten Endes landete Elodea unsanft auf den Treppenstufen, als die resolute Frau ihrem Vater eine ganze Reihe von Hexereien auf den altersschwachen Buckel jagte und ihn alles andere als Sanft in die Federn seines Kopfkissens katapultierte.
„WIE KONNTE ICH NUR EIN SCHWERSTKRANKES KIND EINEM PARANOIDEN SCHWACHKOPF WIE DIR ANVERTRAUEN?“, schrie sie ihm noch nach, als sie Elodea bereits ein Stockwerk höher in ihr Hochbett hievte.
Die Hände in die Hüften gestemmt baute sie sich nun vor eben diesem auf und erklärte abgehackt nach Luft hechelnd: „Und du…junge Dame, wirst weder ihm noch Mad Eye…äh ich meinte natürlich Mr. Moody…auch nur ein Wort glauben. Die haben nämlich beide ´nen Sprung in der Schüssel.“
Stumm nickte sie, als Hannah sich bereits abgewandt hatte und im Begriff war den Raum zu verlassen. „Und dass ich du ja nicht heimlich weiterübst. Nachher steckst du noch das Bett in Brand oder stellst andere Dummheiten an. Keine Hexerei unter der Bettdecke, verstanden Fräulein?“, verbat sie mit drohend gebieterischer Stimme.
Ertappt streckte Elodea den Kopf wieder an die frische Luft, doch Hannah hatte bereits die Tür hinter sich ge- und gleichzeitig verschlossen: Nur für den Fall. Neue durchdringende Laute des Missfallens, Blitzen gleich, gefolgt von einem donnernden „DIESER DEMENTE DEFENSIVQUACKSALBER TREIBT MICH NOCH IN DEN WAHNSINN!“ und zahlreichen „DIESE VERRÜCKTEN!“ erklangen noch eine Zeitlang aus dem Schlafzimmer und wetteiferten mit dem stürmischen Gewitter, welches in der Morgendämmerung über sie hinweg zog.
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