Kapitel 1: No matter where you go, there you are
„Liebe Schüler und Schülerinnen, willkommen zu einem neuen Schuljahr hier in Hogwarts.“ Professor Dippet hatte gerade mit seiner Rede zum neuen Schuljahr begonnen. Tom Riddle saß ausdruckslos auf seinem Stuhl und hoffte, bald etwas zu essen zu bekommen. Auch wenn er das natürlich niemals zugegeben hätte, liebte er das Essen an der Hogwarts-Schule. Doch er kannte auch Professor Dippet, immerhin würde er heute sein drittes Jahr in Hogwarts beginnen. Wenn der Schuldirektor erstmal angefangen hatte zu reden, konnte sich das hinziehen. Vor dem Lehrerpodium standen aufgeregte Erstklässler, Riddle bemerkte aber auch zwei ältere Mädchen. Sie schienen etwa in seinem Alter zu sein. Entgegen seiner Befürchtungen hatte Dippet seine Rede dieses Jahr kurz gehalten und nun war Professor Dumbledore hervorgetreten. Riddle mochte den seiner Meinung nach schwachen, muggelvernarrten Lehrer nicht, der auch noch der Hausleiter von Griffindor war. Doch er war nun mal stellvertretender Schulleiter und so musste man sich mit ihm wohl oder übel arrangieren. Nachdem die aufgeregten Erstklässler in die verschiedenen Häuser eingeteilt worden waren, standen nur noch die beiden Mädchen vor dem Podest. Die blonde schien ziemlich aufgeregt zu sein, sie trat ständig von einem Bein aufs andere, bis es der braunhaarigen neben ihr, die locker zu sein schien, zu viel wurde und sie sanft, aber eindringlich den Arm des anderen Mädchens packte und sie bat stillzuhalten. Dumbledore hatte inzwischen den anderen Schülern erzählt, dass die beiden Mädchen Natalie Harbour und Helena Rush hießen. Riddle sagten diese Namen nichts, doch er hörte neben sich ein erstauntes Keuchen und wandte sich an den Jungen, der neben ihm saß. Er fragte ihn, was denn los sei. Dieser antwortete nur knapp: „Gerüchten zu Folge ist Natalie Harbour die jüngste Erbin von Griffindor. Und einige behaupten sogar, dass Helena Rush von Ravenclaw abstammen soll.“ Riddle nickte dem älteren Schüler kurz zu und lehnte sich dann wieder zurück. Äußerlich zeigte er wieder diesen Gleichmut, den er schon den ganzen Tag zur Schau stellte. Doch in seinem Inneren brodelte es. Er wusste durch Professor Slughorn, dass er der Erbe von Slytherin war. Er hatte Gerüchte gehört, dass Gregory Evan von Hufflepuff abstammen sollte. Und nun das. Wenn er sich nicht in dem Alter der beiden verschätzt hatte, waren sie im gleichen Jahrgang. Und zwar alle vier. ‚Na super’, dachte Riddle, ‚das kann ja nicht gut gehen.’ Dann wandte er sich wieder dem Geschehen zu. Der Hut hatte Helena inzwischen bei Ravenclaw eingeordnet, was auch nicht überraschend war, wenn man den Gerüchten glaubte. Nun saß Natalie unter dem Hut. „Ah, so etwas hab ich doch schon mal gesehen. Saphiras Tochter, nicht? Dachte ich’s mir doch. Nun ja, was halte ich mich eigentlich auf? GRIFFINDOR!“ Der rote Tisch klatschte und Riddle sank langsam an die Lehne seines Stuhls. ‚Das konnte ja lustig werden.
Natalie Harbour war nicht dumm und, im Gegensatz zu Riddle, in einer intakten Familie aufgewachsen. Ihre Eltern hatten ihr kurz vor ihrem Aufbruch an die Hogwarts-Schule erzählt, wer Tom Riddle war. Ein einfacher Junge, mochten manche meinen. Doch für Natalie war er der natürliche Feind. Nachdem der Hut ‚Griffindor’ gerufen hatte, war Natalie zu dem Tisch ganz links gegangen und hatte sich neben irgendein Mädchen gesetzt. Diese hatte sich sofort zu ihr umgedreht und sie in ein Gespräch verwickelt. Während sich Natalie Bratkartoffeln auf ihren Teller häufte, stellte sich das Mädchen, wessen rote Haare kurz waren und in alle Richtungen abstanden, als Melinda Hartworth vor. „Aber nenn mich bloß nicht Melinda!“ meinte sie lachend, „so nennt mich mein Dad schon immer. Mel wäre ganz gut.“ Natalie lächelte sie freundlich an. Mel war ihr vom ersten Blick an sympathisch gewesen und es tat ihr gut, sich mit jemandem über etwas anderes als Schminke oder Lockenwickler zu unterhalten. Bis vor kurzem hatte sie mit ihrer Freundin Helena Bourbartons besucht, aber sie war heilfroh nun an einer Schule mit Mädchen und Jungs zu sein. Melinda stellte ihr hunderte von Fragen und erzählte ihr das wichtige über die Schule. Als das Abendbrot beendet war und sie alle in den Gemeinschaftsraum gingen, wusste Natalie alles über Filch, Abkürzungen, verbotene Räume und wie weit man die Regeln biegen durfte. Am nächsten Morgen würden sie ihre Stundenpläne bekommen. Natalie hoffte, möglichst viele Stunden zusammen mit Mel zu haben, aber da sie beide in einem Jahrgang und in einem Haus waren, war das sehr wahrscheinlich.
Am nächsten Tag gingen Mel und Natalie gemeinsam in die große Halle. Kaum hatte sie sich hingesetzt, gab ihnen Professor Dumbledore schon einen Stundenplan. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte er Natalie noch einmal persönlich und ging dann zu den 4. Klässlern. Mel stöhnte kurz auf. „Oh nein, Zaubertränke mit den Slytherins - und gleich noch eine Doppelstunde. Na, das kann ja heiter werden!“ „Wieso? Sind sie wirklich so schlimm?“ „Sie sind schlimmer, glaub mir. Aber, hey, das müsstest du doch am besten wissen.“ Natalie fühlte sich ertappt und beschloss eine Unschuldmiene aufzusetzen. „Was meinst du?“ Mel zog ihre linke Augenbraue hoch. „Du bist eine Erbin von Griffindor, stimmt’s?“ Natalie wusste, dass sie sowieso keine Chance haben würde und nickte widerwillig. Mel lehnte sich grinsend zurück. „Hab ich’s doch gewusst! Komm, wir müssen los.“
Mel und Natalie kamen fast als letzte im Kerker an. Während Mel sofort auf ihren Platz neben Minerva McGonnagel huschte, blickte sich Natalie unsicher im Raum um. Noch bevor sie den ganzen Raum inspizieren konnte, hörte sie eine freudnliche Stimme: „Ah, ein Neuzugang, wie schön, wie schön. Ich bin Professor Slughorn. Und wie heißen Sie?“ „Ich bin Natalie Harbour, Sir. Ich bin von Bourbartons hierher gewechselt.“ „Nun gut, Miss Harbour. Wir werden gleich sehen, wie hoch der Bildungsstand in Bourbartons ist. Würden Sie sich bitte neben Mr Riddle setzen? Wie Sie sehen, ist kein anderer Sitzplatz mehr frei. So, und nun zum Thema unserer heutigen Stunde: Schlaftrank…“ Natalie hatte sich kurz umgesehen und sofort Riddles Tisch erkannt – es war der einzige, an dem nur ein Schüler saß. Sie stellte ihre Tasche neben ihren Stuhl und setzte sich mit einem leisen „Hi. Ich bin Natalie.“ Riddle ignorierte sie vollkommen. Es fiel Natalie nicht schwer, der Stunde zu folgen, da ihre Mutter ihr viel beigebracht hatten. Ab und zu warf sie einen Blick auf den schweigsamen jungen Mann neben sich, der aufmerksam der Stunde folgte. Am Ende der Doppelstunde, in der Natalie und Riddle jeweils 50 Hauspunkte erkämpft hatten, war Riddle sofort verschwunden und Mel kam mit einem schiefen Lächeln auf sie zu. „Bevor du fragst: Ja, der ist immer so. Das hier ist übrigens Minerva McGonnagel. Sie ist ziemlich schlau.“ Mel zeigte auf eine ernst aussehende Hexe, deren dunkle haare zu einem festen Dutt auf ihrem Kopf zusammengesteckt waren. Sie lächelte Natalie kurz zu und meinte dann zu Mel: „Hör zu, ich hab gleich Verwandlung. Wir sehen uns beim Mittag.“ Kaum war Minerva weg und auch alle anderen außer Hörweite, fragte Melinda Natalie auch schon über Riddle aus. Lachend warf Natalie den Kopf zurück und meinte dann achselzuckend: „Tut mir leid, ich muss passen. Er hat mich die ganze Stunde lang ignoriert.“ „Oh, Nat, das würde ich nicht sagen. Du hast ja nicht hinter euch gesessen. Er hat dich ständig so von der Seite angeschaut. Ich glaube, du hast ihn irritiert. Oder er sieht in dir eine Herausforderung. Glückwunsch, das hat bis jetzt noch keiner geschafft.“ Mel sah sie mit ehrlicher Bewunderung an, doch Natalie schüttelte entschlossen den Kopf. „Danke, aber nein danke. Ich habe das Pech, dass Riddle neben mir sitzt, aber ich habe nicht vor, ihn auf irgendeine Art zu provozieren.“ „Das würde ich dir auch nicht raten, Riddle hat zwar keine Freunde, aber ein paar hirnlose Muskelhaufen aus Slytherin erfüllen ihm jeden Wunsch. Hi, ich bin übrigens Josh. Naja, eigentlich Joshua David, aber nenn mich einfach Josh, ok?“ Natalie sah auf und schaute in ein hübsches, sommersprossiges Gesicht. Der Junge, der sich als Joshua vorgestellt hatte, war ihr auf Anhieb sympathisch. „Hi Josh, das ist Natalie, sie ist neu hier. – Und wenn du dir nicht an deinem ersten Tag eine Strafe holen willst, sollten wir uns beeilen. Bins bekommt zwar nicht mit, wenn du zu spät kommst, aber Pringle möchte ich nicht unbedingt begegnen.“ "Pringle?" fragte Natalie. "Unser Hausmeister." entgegnete Josh. Natalie nickte und die drei Griffindors machten sich auf den Weg in den südlichen Turm. Diesmal hatten sie Glück, mit den Ravenclaws zusammen Unterricht zu haben. Da sich Professor Bins nicht darum kümmerte, wer wo saß, beschloss Natalie, sich neben Helena zu setzen. Mel und Josh verschwanden an einen Tisch ganz am Ende des Raums. Nachdem Natalie gut 15 Minuten dem Unterricht gelauscht hatte, war sie zu dem Entschluss gekommen, dass Geschichte in Hogwarts auch nicht spannender als in Bourbartons war und drehte sich zu ihrer Freundin um: „Und, wie war dein erster Tag?“ „Erste Nacht trifft’s eher, Nat. Es war ganz ok. Ein Junge aus meinem Jahrgang scheint nett zu sein, er heißt Patrick. Ziemlich clever, aber er ist ja ein Ravenclaw. Und bei dir? Du scheinst ja schon ein paar Freunde gefunden haben?“ „Ja, sie heißen Mel und Josh. Sag mal, ist das hier ein Virus, ständig Namen abzukürzen? Als wir noch in Bourbartons waren, hast du immer Natalie zu mir gesagt und kaum sind wir hier, wird jeder Name abgekürzt: Mel heißt eigentlich Melinda und Josh eigentlich Joshua. Soll ich dich in Zukunft Hel nennen?“ Helena lachte kurz auf und schüttelte dann verhemmend des Kopf: „Bloß nicht. Tut mir leid, ich dachte, es würde dich nicht stören. Was hattest du vor Geschichte?“ Natalies Gesicht verdüsterte sich. „Frag nicht. Zaubertränke mit den Slytherins. Ich hab neben Tom Riddle gesessen. Und der hat mich die ganze Zeit ignoriert.“ Sie beschloss, Helena nicht zu erzählen, dass er sie laut Mel regelrecht angestarrt hatte. Erstens wollte sie nicht, dass Helena auf falsche Gedanken kam und zweitens wusste sie gar nicht, ob es stimmte.
Die Stund hatte sich hingezogen und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte Bins sie auch noch 5 Minuten später entlassen. Natalie und Melinda kamen daher ziemlich abgehetzt zum Mittag und ließen sich stöhnend neben Minerva wieder, die kurz die Augenbrauen erhob, aber nichts sagte. Während des Essens unterhielten sich Josh und Mel aufgeregt über Quidditch, während Minerva und Natalie sich eine Zeit lang anschwiegen und dann ein Gespräch über Verwandlung begannen. Zum Erstaunen von Minerva konnte Natalie ihr in Sachen Wissen durchaus das Wasser reichen und sie genoss es, sich mal mit jemandem richtig über diese Thema unterhalten zu können.
Nach dem Essen hatte sie zusammen mit Josh, Mel und Minerva Verteidigung gegen die dunklen Künste. Der Lehrer, ein gewisser Joseph McCallum, war etwa 40 Jahre alt und ließ so einige Mädchenherzen höher schlagen. Sehr zum Leidwesen Natalies hatten sie Verteidigung wieder mit den Slytherins, die das Fach sowieso als unwichtig hielten, da sie ganz nach dem Motto: ‚Angriff ist die beste Verteidigung’ lebten. Diesmal waren Natalie und Mel sehr früh da, doch das half ihnen überhaupt nicht, da Professor McCallum sofort auf Natalie aufmerksam wurde. „Guten Morgen, Miss Hartworth, guten Morgen, Miss…?“ „Harbour, Sir. Sie kennen vielleicht meinen Vater? Er war mit Ihnen zusammen auf der Schule, ein Jahrgang unter Ihnen.“ „Ja, ich erinnere mich an Edward. Er war ein ausgezeichneter Duellant. Er ist jetzt Auror, oder?“ „Er war bis vor kurzem aktiv, Sir, jetzt unterrichtet er nur noch. Er musste das meiner Mum versprechen.“ Der Professor lachte kurz auf, doch dann kamen die anderen herein und er begann die Unterrichtsstunde. Die ersten paar Minuten wünschte er seinen Schülern ein gutes neues Schuljahr und meinte dann, dass sie heute duellieren würden. Mit einem Wink ließ er die wenigen Tische, die noch im Raum standen, verschwinden und bat die Schüler, eine Gasse zu bilden. Dann fragte er, ob es freiwillige gäbe. Nachdem er eine halbe Minute gewartet hatte und sich niemand gemeldet hatte, meinte er: „Miss Harbour, zeigen Sie doch mal, ob Sie wirklich die Tochter Ihres Vaters sind.“
Riddle schloss kurz die Augen. Er hatte den Professor kämpfen sehen, er war wirklich gut. Er bezweifelte, dass Natalie ihm auch nur einen Kratzer würde zufügen können. Aber es würde sehr amüsant werden.
Als Natalie ihren Namen hörte, dachte sie, sich verhört zu haben, doch Mel rempelte sie leicht an und bedeutete ihr, nach vorn zu gehen. „In Ordnung, Miss Harbour, wir gehen die Sache gemütlich an, verstanden? Ich möchte nicht im Krankenflügel aufwachen.“ „Als ob diese Muggelnärrin das schaffen würde.“, ertönte es aus den letzten Reihen, doch Natalie ignorierte das und konzentrierte sich voll und ganz auf ihren Lehrer. Sie würde den ersten Schritt machen müssen. Also atmete sie noch einmal tief durch und begann einen einfachen Fluch auf den Lehrer abzufeuern, den dieser mit Leichtigkeit abblockte. Es gelang ihm aber auch nicht, einen Gegentreffer zu landen. Am Anfange machte Natalie einen ehre unsicheren Eindruck, doch dies war nicht ihr erstes Duell und sie hatte schon einige Treffer verbuchen können, als McCallum sie mit einem Schockzauber ablenkte und sie dann entwaffnete. Schwer atmend half er ihr wieder auf die Beine und meinte dann anerkennend: „Gut gemacht, Harbour. Sagen sie Edward schöne Grüße, ein Vaterschaftstest ist unnötig.“ Natalie lächelt kurz und ging dann wieder zu den Schülern. Den Rest der Stunde verbrachten sie damit, Regeln abzuschreiben und bekamen als Hausaufgabe noch einen Aufsatz übers Duellieren auf.
Als Natalie abends im Bett lag, dachte sie noch einmal über den Tag nach und schlief dann mit einem zufriedenen Lächeln ein.
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