von uni
Kapitel 5. "Leb wohl, Hermine."
Fragend sah sie den Auror an. War es ok, wenn sie noch etwas bei dem Gefangenen blieb?
Julian nickte stumm.
Hermine wandte sich zu Severus, bedeutete dem Anderen jedoch, die Tür offen zu lassen.
„Professor, ich werde gleich wieder kommen. Ich muss erst noch etwas klären.“
Sie ging hinaus und fragte Julian so leise, dass Snape es auf keinen Fall verstehen konnte: „Wie lange hat er noch?“.
Ihr Gegenüber schaute auf die Uhr und meinte mit einem tiefen, aber ebenso leisen Brummen: „Etwa noch drei Stunden“.
Hermine war erschrocken, angesichts der kurzen Spanne, die Snape noch zu Leben hatte.
„Kann ich…kann ich so lange noch bei ihm bleiben?“
Abfälliges Nicken. „Wenn Sie dass wollen, aber ich muss sie warnen, Gefangene der Todeszelle sind so kurz vor der Hinrichtung äußerst schwierig… manche werden auch gewalttätig!“
Hermines Augen sprühten Funken. War das im Angesicht des Todes nicht verständlich?
Der Auror ging nicht weiter auf ihren offensichtlichen Zorn ein. „Wenn sie es sich doch noch anders überlegen oder er sie nicht länger sehen will, dann…“ „Jaja, ich weiß, dann gebe ich ihnen ein Zeichen.“ Hermine war beinahe selbst überrascht von ihre rüde Art, schließlich war ihr der Auror ganz sympathisch, seine kühle und distanzierte Art, den Gefangenen gegenüber durchaus nach vollziehbar. Wie sonst sollte er seinen Job im Todestrakt überstehen, wenn er nicht jegliches Mitgefühl abstellte.
Nach diesem kurzen Disput ging Hermine zurück in die Zelle und die Tür wurde nun auch hinter ihr geschlossen.
An dem Bild, das Snape bot, hatte sich inzwischen nichts verändert. Er lag immer noch zusammen gerollt auf seiner Pritsche und weinte leise.
Es verletzte Hermine, ihn so zu sehen. Er hatte jahrelang eine gewisse Konstante in ihrem Leben dargestellt. Egal wie schlimm die Außenwelt unter Voldemort gelitten hatte, die Stimmung und die Gemeinheit des Lehrers waren unverändert geblieben.
Diese Konstante war nun zerbröckelt. Erst durch die Erinnerungen, die sie gesehen hatten und nun völlig durch die Verletzlichkeit, die er in diesem Moment ausstrahlte.
Sie stand unschlüssig neben ihm, wusste nicht was sie tun sollte. Es kam ihr wie eine kleine Ewigkeit vor, bis sie schließlich Mut fasste und sich neben ihn setzte.
Sie überlegte kurz, ob sie über seinen Rücken streichen sollte, doch dass traute sie sich dann doch nicht, auch weil sie ihn nicht völlig entwürdigen wollte. Sie konnte sich vorstellen, dass ihm dies unter normalen Umständen äußerst peinlich wäre. Andererseits würde sie die jetzige Situation nicht wirklich als „normal“ bezeichnen.
Aber irgendwas musste sie doch tun, sie wollte nicht, dass er die letzten Stunden seines Lebens, als zitterndes, schluchzendes Bündel verbrachte.
Also tat sie das Beste was ihr einfiel, sie erzählte von der Zeit, als er noch jene Konstante gewesen war. Eine Art Fels in der Brandung, allerdings ein schlecht gelaunter.
„Wissen Sie eigentlich, dass jahrelang das Gerücht kursierte, Sie seien ein Vampir?“, sie schaffte es sogar, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
„Ja, es ist verrückt, nicht war? Insgeheim nannte man sie immer Fledermaus…“ Sie stockte. War sie zu weit gegangen, sie wusste von Harry, dass er es hasste beleidigt zu werden.
Doch sie machte sich unnötig Sorgen. Snapes Schluchzen war verklungen und er hatte sich halb zu ihr umgedreht. Seine langen schwarzen Haare verdeckten seine Augen, doch sie wusste, dass sie rot und geschwollen waren.
Mit rauer Stimme sagte er zu ihr: „Natürlich wusste ich dass, ich kenne jeden Namen, den die Schüler mir über die Jahre gaben“.
Hermine lächelte. Möchten Sie mir nicht einige davon nennen? Snape überlegte kurz und erwiderte dann, mit inzwischen wieder einigermaßen fester Stimme: „Gewitterwolke“.
Hermine musste grinsen. Sie wusste, wie unpassend es war, aber sie konnte es nicht unterdrücken.
„Das finden sie wohl lustig, wie? Mein absoluter Favorit war da eher, dass Gerücht, ich hätte mein Herz in ein Einmachglas gesteckt und es würde nun als Anschauungsobjekt in meinem Labor stehen.“ Hermine musste sich auf die Zunge beißen um nicht zu Lachen, doch dann setzte Severus dem Ganzen die Krönung auf, als er sagte:„…oder ich würde ab und zu gern einen Erstklässler verspeisen. Wissen sie, deshalb habe ich auch immer so viele Schüler nachsitzen lassen.“
Jetzt konnte sie einfach nicht mehr bei sich halten und brach in schallendes Gelächter aus und zu ihrer Überraschung fiel Snape mit ein.
Diese Situation war so grotesk, schließlich saßen sie hier in einer Todeszelle und lachten über völlig alberne Spitznamen und Gerüchte.
Doch beide brauchten dies, die Anspannung und die depressive Atmosphäre wären sonst unerträglich geworden.
Langsam verebbte das Lachen wieder, bis es schließlich ganz aufhörte. Hermine ließ sich langsam zurück sinken, ihr Bauch tat weh. Beide lagen nun auf dem Bett und stille breitete sich wieder aus.
Sie hingen eine Weile ihren Gedanken nach, als Snape schließlich die Frage stellte, die ihm sicher schon eine ganze Weile auf der Zunge brannte. „Wie lange habe ich noch?“
Hermine schluckte, sie musste den krassen Umschwung der Stimmung erst einmal verkraften. Sollte sie es ihm wirklich sagen? Sie überlegte, versuchte sich in seine Situation zu versetzen, würde sie es denn wissen wollen? Es gelang ihr nicht, ihre Vorstellungskraft reichte einfach nicht dafür aus.
Snape wurde langsam ungeduldig. So klang seine Stimme gereizt, als er sie erneut aufforderte:„ Nun sagen sie schon, glauben sie etwa ich könnte es nicht verkraften?“
Hermine zuckte mit den Schultern.
Schließlich dauerte es ihm zulange und er begann sie anzuschreien. „Was glauben Sie, wer Sie sind? Meine Seelsorgerin oder meine Krankenschwester? Glauben Sie, ich könnte es nicht verkraften, zu erfahren, dass ich in ein paar Stunden tot sein werde?“ Er zog sie am Kragen zu sich. Seine Augen sprühten zornige Funken, ihre Gesichter waren sich so nahe, dass sie Snapes Atem auf ihrer Wange spüren konnte. Seine Stimme wurde gefährlich leise. Hermines Nackenhaare stellten sich auf, er machte ihr Angst. „Miss Granger, ich weiß, Sie glauben von allem Ahnung zu haben. Sie glauben, weil Sie und Ihre albernen Freunde Lord Voldemort getötet haben, haben sie alle Schrecken des Krieges erlebt. Ich versichere ihnen, Sie haben keine Ahnung. Sie wissen nichts über die Psyche eines Kriegsopfer oder eines Täters.“ Er hatte sie am Handgelenk gepackt und drückte immer mehr zu. „Nun sagen Sie schon was Sie wissen. Wie lange bleibt mir noch in diesem armseligen Leben? Nun spucken sie es schon aus!“
Hermine schossen vor Schmerz Tränen in die Augen. „Bitte“, wimmerte sie. „Sie tun mir weh.“
Verwirrt sah er auf seine Hand, die wie eine Klaue ihr Handgelenk festhielt. Erschrocken ließ er sie los. Was tat er da?
Hermine rieb sich ihr schmerzendes Handgelenk. Er setzte a sich zu entschuldigen. „Hören Sie… ich weiß wirklich nicht, was da über mich…“ Sie unterbrach ihn, indem sie die andere Hand auf seine Schulter legte. Ihr Stimme klang weich und verständnisvoll und das verwirrte ihn. „Sie haben recht. Ich weiß nichts von ihrer Psyche und ihren Gefühlen. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, wie es Ihnen geht.“ Er wollte wiedersprechen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Hören Sie, ich bin nicht in Ihrer Situation. Dennoch habe ich dem Tod mehr als einmal ins Augen gesehen und ich kann mir vorstellen, wie schlimm es ist, wenn alle Hoffnung ausgelöscht wurde.
Es ist völlig normal, im Angesicht des Todes solch ein Auf und Ab der Gefühle durchzumachen.“
Schweigend sah er ihr in die Augen. „Bitte, sagen sie es mir“, bat er mit leiser Stimme. „Sind sie sicher?“ Er nickte.
„In etwa 2 ½ Stunden werden die Auroren sie abführen.“ Er schloss die Augen. „Ich dachte, ich hätte noch etwas länger. Wissen Sie wie es…“ Er ließ den Satz unbeendet. Sie biss sich auf die Lippe. Bisher hatte sie gedacht, man hätte ihm bereits gesagt, auf welche Weise sie ihn hinrichten würden.
In diesem Moment schien über Hermine alles herein zu brechen. Sie saß hier neben einem Mann, denn sie jahrelang kannte und geachtet hatte. In wenigen Stunden würde er nicht mehr sein. Sie würde ihn ab heute mit anderen Augen sehen. Er war nicht der kaltherzige, ungerechte Mann, als der er immer gesehen wurde. Er war ein gebrochener Mann und sie hatte in den letzten Stunden gemerkt, dass sie ihn mochte.
Kurz wagte sie es, sich vorzustellen, dass sie sich eine Art Freundschaft hätte aufbauen können. Doch dazu würden sie jetzt nie die Möglichkeit haben.
In diesem Moment kam ihr alles so ungerecht vor.
Unvermittelt fiel Hermine Severus um den Hals. Hilflos sah er auf die junge Frau in seinen Armen. „Was… was ist mit Ihnen?“
Sie hob den Kopf und er konnte sehen, dass sie weinte. Jemand trauerte um ihn, sie trauerte um ihn!
Vorsichtig wandte er sich aus ihrem Griff und ging zu einem Labortisch. Eine kleine Ansammlung Phiolen stand dort und er griff nach einer.
Ohne Hermine anzusehen, setzte er sich wieder neben sie und hielt er ihr das Fläschchen hin. „Zur Beruhigung“, meinte er nur, dabei sah er an die Wand.
Er wollte nicht dass sie sah, dass auch seine Augen feucht wurden.
Dennoch bemerkte Hermine es. Sie nahm den Trank und ließ ihn achtlos neben sich auf die Pritsche fallen.
„Ich glaub, wenn wir uns in einem anderen Leben kennen gelernt hätten, wären wir Freunde geworden“, meinte sie mit erstickter Stimme.
Nun rannen auch Severus wieder Tränen über die Wangen. In stummem Einverständnis fielen sie sich erneut in die Arme und weinten still vor sich hin.
Nach einer Weile klopfte es sacht an der Tür und Julian kam herein. Er ging nicht weiter auf die Szene vor sich ein. Mit neutraler Stimme sagte er:„ Ich wurde geschickt, um zu fragen, ob sie eine bestimmte Henkersmahlzeit wünschen.“
Severus straffte sich und antwortete mit überraschend fester Stimme.
Der Auror nickte und verließ, mit einem letzten Blick auf die schluchzende Hermine den Raum.
Severus letzte Mahlzeit wurde relativ schnell gebracht. Sie bestand aus Kürbissaft, Hackbraten und Siruptorte. Hermine sah ihn verwundert an. „Ich dachte immer, sie hassen Kürbissaft.“ „Sie haben recht, aber es erinnert mich an Hogwarts“, sagte er mich melancholischem Lächeln.
Schließlich klopfte es erneut an der Tür. Diesmal war Julian allerdings nicht allein. Hinter ihm standen der neue Zauberminister, ein Henker und einige andere Personen, die Hermine nur aus der Zeitung kannte.
„Ich gebe ihnen noch kurz Zeit, sich zu verabschieden“, teilte Julian ihnen mit und zog die Tür ein letztes Mal hinter sich zu.
Unschlüssig standen sich Hermine und Severus gegenüber. Viele Trauernde meinten, dass es besonders schrecklich war, dass sie sich von ihren Lieben nicht verabschieden konnten. Hermine hatte nun diese Chance und wusste nicht was sie sagen sollte. Was waren in so einem Moment auch die richtigen Worte?
Snape nahm ihr diese Entscheidung ab, indem er sie kurzer Hand in die Arme schloss. Ihr liefen schon wieder Tränen die Wangen herunter. Sanft legte er eine Hand auf ihre Wange und wischte sie weg. „Ich bin glücklich, dass jemand um mich weint und es ist schön, dass ausgerechnet Sie das sind. Leben sie- Leb wohl, Hermine.“
Die Tür öffnete sich, Severus wurde abgeführt und Hermine wurde klar, dass dies das letzte Mal gewesen war, dass sie Severus Snape gesehen hatte.
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