von uni
Kapitel 4
„Bitte lassen sie mich nicht allein, Miss Granger“
Hermine ließ sich resigniert auf einen Stuhl sinken.
„Sie haben alles für den Frieden getan. Sie haben so viel Gutes bewirkt und dabei mehrfach ihr Leben auf das Spiel gesetzt. Sie haben die paar Jahre in denen sie Voldemort treu dienten wett gemacht. Ist es wirklich naiv, dass ich frage, warum sie in der Todeszelle sitzen?“
Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. Tränen der Wut, Tränen über die Ungerechtigkeit.
Snape hatte inzwischen aufgehört zu Lachen. Er sah seine ehemalige Schülerin verwundert an. Er konnte sich nicht erklären, warum ihr all dies so zu Herzen ging.
Eigentlich sollte es ihr egal sein, was mit ihm passierte.
Nach dem sie sich eine Weile angeschwiegen hatten stand er auf. Er sah alt und müde aus. „Miss Granger, sicherlich erscheint es ungerecht, aber ich kann ihnen versichern, dass ich kein Kriegsheld oder etwas der gleichen bin. Sagen wir ich habe versucht für Taten zu sühnen, für die es keine Vergebung gibt. Das Ministerium sieht das ebenso.“
Hermine sollte lieber ruhig sein und die Sache hinnehmen, sie konnte eh nichts ändern. Der Prozess gegen Snape war hinter dem Rücken der Öffentlichkeit abgelaufen, eigentlich durfte nicht einmal sie davon wissen.
Unmittelbar kam ihr das Wort Schauprozess in den Sinn.
Ihr Gerechtigkeitssinn schrie auf. Er verlangte, dass sie kämpfte, dass sie um das Leben ihres ehemaligen Professors bestand, auch wenn er ein ehemaliger Todesser war.
Sie überlegte Fieberhaft, irgendwo musste doch eine Sache sein, die sie übersehen hatte. Eine Ungereimtheit, die sie nutzen konnte.
So schnitt sie wieder das Thema Dumbledore an.
Severus rieb sich den Nasenrücken. Er bekam Kopfschmerzen und ihm fehlte wirklich die Zeit, mit Hermine über diese Dinge zu diskutieren, in wenigen Stunden würden sie ihn zum Richtplatz führen.
Jedoch sah er ein, dass sie ihm erst zuhören würde, wenn er ihr alles erklärt hatte.
„Nun sie kommen doch aus der Muggelwelt, nicht war?“ Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern fuhr fort. „Ihnen sagt doch der Begriff aktive Sterbehilfe etwas oder? Ich würde dies nicht eins zu eins auf Dumbledores Fall übertragen, aber ich glaube, dass dürfte ihre Frage beantworten.“
Hermine nickte nur stumm, sie wusste nicht mehr, was sie dazu sagen sollte.
Er hatte recht, egal wie sie es drehte und wendete, Snape war ein Mörder und ehemaliger Todesser.
Egal wie er in jüngster Vergangenheit gehandelt hatte, er konnte diese Schuld nie wieder gut machen- jedenfalls nicht nach den Gesetzen der Zauberwelt.
„Haben sie sonst noch Fragen?“, vielleicht sollte es spöttisch klingen, auf Hermine wirkte diese Frage jedoch nur ungeduldig.
Hermine nickte. „Das Zauberministerium hat ein Gesetz erlassen, dass besagt, dass Todessern keine körperlichen Schmerzen mehr zugefügt werden dürfen. Wie also passt dass mit der Todesstrafe, die sie erwartet zusammen?“
„Miss Granger, sie kennen sich gut mit den hiesigen Gesetzen aus. Tatsächlich verbietet diese Regelung jedoch nur körperliche Folter. Die Welt der Magie hat jedoch noch ganz andere Möglichkeiten, Informationen zu erlangen. Seelische Folter ist bei weitem schlimmer und auch die Todesstrafe bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Körper Schaden erleidet.“
Seine Worte klangen so endgültig und so hoffnungslos, dass Hermine schließlich resigniert aufgab.
„Warum, haben sie mich zu sich bestellt?“ Endlich kam der Grund ihres Hier seins zu sprechen.
Snape fiel offensichtlich eine Last von den Schultern. Endlich bewegte er sich wieder auf sicherem Gebiet.
„Ah natürlich. Also folgendes. Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass ich, ohne zu übertreiben, ein Meister meines Faches bin. Ich bin eine Koryphäe auf dem Gebiet des Zaubertränkebrauens“, er sah sie an und schien tatsächlich eine Antwort zu erwarten.
Hermine wurde rot und stimmte hastig zu.
Nie hätte sie zugegeben, dass sie den verhassten Lehrer für seine Arbeit bewunderte. Dass sie jeden Fachartikel und jede wissenschaftliche Abhandlung von ihm regelrecht verschlungen hatte.
Doch ihr verhaltenes Nicken schien ihm zu reichen, denn er führte seine Erklärungen ohne Umschweife fort. „Sie scheinen eine viel versprechende Zukunft vor sich zu haben und sie sind bei weitem eine der intelligentesten Schüler, die ich je unterrichten musste…“.
Er unterbrach sich, als er bemerkte, wie überrascht sie ihn ansah.
Sie hatte nie zu hoffen gewagt, so etwas aus Severus Snapes Mund zu vernehmen.
„Ich habe in meinem Leben mehrere Ansätze für revolutionäre Neuerungen entdeckt. Ich habe neue Formeln und neue Tränke angefangen und Entwickelt. All dem fehlt noch der gewisse Feinschliff, eine letzte Überarbeitung. Ich habe über mein ganzes Leben hinweg, eine Vielzahl von Aufzeichnungen angefertigt. Ich habe lange überlegt, seit ich in dieser Zelle sitze, wem ich mein Wissen anvertrauen möchte.
In Gedanken bin ich alle Zaubertrankmeister durchgegangen, jeden viel versprechenden Schüler und bin am Ende zu dem Ergebnis gelangt, dass ich keinem von ihnen dieses Vermächtnis anvertrauen möchte. Keiner hat diese Entdeckungen nötig oder ist es wert sie zu erhalten“, wie er dies sagte, klang er unglaublich arrogant. Doch Hermine verstand seine Gedanken. Wenn sie daran dachte, wem sie all ihr Wissen vermachen würde, so viel ihr keiner ein, der es wirklich zu schätzen wissen würde oder der viel versprechend genug war. Umso mehr verwirrte es sie, dass er ihr dies erzählte.
Nach reiflicher Überlegung bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass sie genau der Richtige Erbe meines Lebenswerks wären.
Hermine stockte der Atem, war dass sein Ernst?
„Sie sind intelligent und wissen, welchen Schatz sie in der Hand halten. Aber sie sind noch insoweit formbar und unwissend, dass sie gewissen Respekt vor meinen Schriften haben.“
Snape deutete auf einen der vielen Labortische, er war über und über bedeckt mit Phiolen und Blättern. „Alles auf diesem Tisch gehört ihnen. Wenn sie zu Hause alles durchsehen, werden sie merken, dass ich einige Phiolen mit Erinnerungen dazu getan habe. Sie zeigen alle samt die Durchführung von Experimenten“, beendete er seinen Monolog.
Mit einem Schwenk seines Zauberstabs verkleinerte er alles, was auf dem Tisch lag und verstaute es in einer Tasche, die neben dem Tisch stand.
Hermine konnte es noch immer nicht fassen, selbst als Severus ihr das Bündel in die Hand gedrückt hatte.
„Aber dass…dass kann ich nicht annehmen!“, rief sie erschrocken.
Mit seinem snape-typischen „Charme“ hob er eine Augenbraue.
„Nun Miss Granger, sie müssen wohl, denn sonst wird all dies vernichtet oder dem Besitz des Ministeriums zugeführt werden. Denn ich werde wohl nicht mehr lange Verwendung dafür haben.“
Snape lachte.
Hermine konnte nicht fassen, wie locker er die Situation nahm. In wenigen Stunden würde er streben.
Sie glaubte, dass sie seine Fassade zum ersten Mal bröckelte. Severus Snape, der bösartige und kaltherzige Professor, hatte Angst. Er wollte nicht sterben, deshalb versteckte er sich hinter einem Mantel aus Gleichgültigkeit.
„Kann ich wirklich nichts tun?“, fragte sie mit leiser Stimme. Snape fixierte sie. „Miss Granger, ich dachte ich habe klar gemacht, dass ich keinen Grund habe auf einen plötzlichen Freispruch zu hoffen. Ich werde meine Strafe erfahren, sei sie ihrer Meinung nach nun Gerecht oder nicht. Selbst wenn wie irgendwo einen Ansatz finden, ich habe nur noch knappe drei Stunden zu leben. Das Ministerium lässt sich nicht ins Handwerk pfuschen. Was es entschieden hat, wird auch geschehen.“
Hermine nickte, er hatte recht, alles hoffen war sinnlos. Es war zu spät, er würde sterben.
Zum ersten Mal sah sie, wenn sie ihren ehemaligen Zaubertränkeprofessor anschaute, kein Arschloch und kein ungerechtes Schwein. Sie sah einen verzweifelten Mann und sie fühlte zu diesem Verständnis und eine tief verwurzelte Verbundenheit.
„Kann ich vielleicht noch etwas für sie tun?“
„Ja… gehen sie nach Hause.“
Sie merkte, dass er etwas anderes hatte sagen wollen. Sie sah ihn unverwandt an, doch er sagte nichts mehr.
So drehte sie sich um und verließ den Raum.
„Leben sie wohl Miss Granger“, rief er ihr noch nach. Dann schloss sich die Tür.
Julian stand im Türrahmen und begrüßte sie. Er nickte Hermine freundlich zu.
„Kommen sie, ich werde sie wieder zum Strand geleiten“, er machte Anstalten hinaus zu gehen und Hermine folgte ihm
Als sie jedoch die Schleusentür passiert hatten, stoppte sie.
Hermine ging es nicht aus dem Kopf, was sie hinter Snapes Fassade erblickt hatte.
„Julian, bitte, ich muss noch einmal hinein. Ich habe dass Gefühl, er braucht mich jetzt“, sagte sie zu dem Auroren.
Diese sah sie etwas verwundert an. Schließlich zuckte er mit den Schultern und führte sie wieder zurück.
Der Anblick, der sich ihr bot, als sie die Zelle betreten hatte, erschreckte sie. Severus Snape, der einst gefürchtete Zaubertränkelehrer, lag weinend auf seinem Bett.
Wie ein Embryo hatte er sich auf seiner Pritsche zusammengerollt und schluchzte.
Als sie eintrat hob er schwerfällig den Kopf und als er sie erkannte, sprang er förmlich aus dem Bett.
Hermine biss sich auf die Lippe. Ihn so verzweifelt zu sehen, zerriss ihr das Herz. „Severus… sagen sie…wenn ich ihnen irgendwie helfen kann“, stammelte sie hilflos.
Überraschenderweise antwortete er ihr mit zitternder Stimme: „Bitte lassen sie mich nicht allein, Miss Granger“.
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