von Assur-bani-apli
Kapitel 2
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Snape auf die Stelle, an der sich soeben noch die vier Schüler befunden hatten. Das Nichts, das ihn stattdessen wie ein Ungeheuer anfiel, ließ ihn taumeln. Verzweifelt fuhr er sich durch das schwarze Haar. Sein Herz vollführte einen Trommelwirbel, der seine Ohren zu sprengen drohte. Keuchend rieb er sich mit der Hand über den Mund.
„Ich … ich weiß es nicht“, drang es wimmernd an sein Ohr. „Sie si … si … sind einfach weg. So, als habe es sie nie gegeben.“
Von diesen Worten angelockt, huschte Snapes Blick suchend durch den Raum, konnte jedoch niemanden finden.
„So, als wären sie nie auf dieser Welt gewesen“, schluchzte die Stimme.
Snape, völlig von Sinnen, fuhr sich mit den Zeigefingern in die Ohren und murmelte, während er wie eine Raubkatze sein Labor mit riesigen Schritten durchmaß: „Ich … ich muss völlig verrückt sein. Was habe ich getan? Jetzt höre ich bereits Stimmen!“
Er rieb sich die Augen und spürte wie ihm das Blut schmerzhaft durch die Adern jagte.
„Verdammt nochmal“, rief er und schlug mit der Faust aufs Fensterbrett. „Die können doch nicht einfach verschwunden sein!“
„Doch, sie sind weg“, schluchzte die Stimme. „Einfach weg.“
„NEIN“, brüllte er und hielt sich die Ohren zu, in der Annahme diese Stimme so zum Schweigen bringen können.
„Doch, SIE SIND VERSCHWUNDEN, SO ALS HABE SIE EINE UNSICHTBARE MACHT AUS DEM LEBEN GERISSEN … !“
Die Stimme erstarb in einem heftigen Schluchzer.
Obwohl sich Snape der Unmittelbarkeit der Stimme nicht entziehen konnte, brüllte er: „NEIN, DAS KANN NICHT WAHR SEIN!“
Wie irr prüfte er die magische Verriegelung seiner Tür, riss schließlich alle Schränke seines Labors auf und kreischte: „Okay, kommt raus, das Spiel ist aus. Ihr habt mir einen gehörigen Schrecken eingejagt. Kommt hervor, ich tue euch nichts. Nur kommt hervor….“ Heftig zitternd brach er zusammen und keuchte: „Kommt ... Kinder!“
Doch die Erkenntnis, die Jugendlichen verloren zu haben, traf ihn unbarmherzig, raubte ihm beinahe die Besinnung. Vor Angst schlotternd, presste er beide Arme auf den Magen.
„Kommt, Kinder“, flehte er mit bebenden Lippen. Eine Träne rann über seine Wange.
„Kommt, Kinder, ich weiß, daß Ihr Euch nur versteckt…“ Seine Stimme erstarb in einem heftigen Wimmern und sein Geist ging nochmals jeden einzelnen Handgriff durch, prüfte den Trank auf Fehler.
Wie durch einen Nebel nahm er plötzlich eine Berührung im Nacken wahr. Aufgeschreckt wandte er sich um.
„Miss Granger, was machen Sie denn hier“, kreischte er und sprang wie von der Tarantel gestochen auf.
„I .. ich ha … habe mich dort unter dem Tisch versteckt“, flüsterte Hermine.
„Und wo sind die anderen?“
Das Mädchen wisperte: „Sie sind aus dem Leben gerissen worden.“
Von einer grausamen Vorstellung gepackt, ergriff er das Mädchen - fester als er es beabsichtigt hatte - bei den Schultern.
„Miss Granger, ich … ich habe nicht die Absicht gehabt, ihre Freunde verschwinden zu lassen. Bitte glauben Sie mir…“
Snapes Blick glitt in eine unendliche Weite, die ihm Schutz vor diesen sanften und doch anklagenden Mädchenaugen versprach. Innerlich zu Stein erstarrt, fixierte er die Rückwand seines Labors und bemerkte wie er den Mund mechanisch öffnend, Worte hervorwürgte „I … ich bin an allem Schuld. Doch …“, er presste Hermines Schultern fest, so dass das Mädchen erschrocken zurückwich.
„Doch“, keuchte er, während seine Lippen zitterten, „doch, bitte glauben Sie mir, daß es nicht meine Absicht war, ihre Freunde verschwinden zu lassen.“
„Verstehen Sie?“
Er riss seinen Blick von der Wand los und starrte Hermine intensiv in die Augen.
„Verstehen Sie“, rief er verzweifelt, als Hermine nicht dergleichen tat. Sie schüttelnd, brüllte er: „Verstehen Sie?“
Er brach ab und lauschte seinem eigenen unregelmäßigen Herzschlag. Seine Hände lagen noch immer auf Hermines Schultern, so dass er den heftig gehenden Atem des Mädchens spüren konnte.
„Warum sagen Sie nichts?“
„Sie tun mir weh“, war die knappe die Antwort.
Völlig verzweifelt ließ Snape von Hermine ab und griff sich an den Kopf. „Verzeihen Sie, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“
„Ich glaube Ihnen“, wisperte Hermine und schluchzte.
„Es war so schecklich … Eben standen sie noch neben mir und … und“, sie begann zu heulen.
Snape, der sich zum Fenster begeben hatte, wirbelte herum und zog das an Körper und Seele schlotternde Mädchen in seine Arme. Hermine presste ihren Kopf gegen seine Brust, in der sein Herz tobte.
„Ich weiß“, flüsterte er, um seine Besinnung kämpfend. Er spürte die Wärme Hermines und schloss die Augen. Schluckend versuchte er sich zu sammeln und auf seinen Herzrhythmus zu achten. Das Mädchen drängte sich an ihn, brauchte seine Nähe. Er versagte sie ihm nicht und begann sie sacht zu streicheln. Sie schlang ihre Arme um seine Taille und wimmerte in den schwarzen Stoff seines Hemdes.
„Hermine, mir tut es so leid, was geschehen ist“, flüsterte er.
Eine tiefe Kälte hatte das Mädchen gepackte, die es hin zu diesem Mann drängte. Sie benötigte menschliche Wärme. Den Kopf an seine Brust gepresst, lauschte sie auf seinen unregelmäßigen Herzschlag und spürte in jeder Faser ihres Körpers, dass seine Worte ernst gemeint waren.
Der Verlust machte sie beinahe wahnsinnig, trieb sie an die Grenze ihres Fassungsvermögens. Sie fühlte sich so, als habe sie der Tod mit seinen schwarzen Schwingen gestreift, nur um genau neben ihr unbarmherzig einzuschlagen.
„Warum“, keuchte sie und hob ihren Blick. Snape strich ihr zärtlich über die Wange, fischte einige Tränen auf. Auch seine Augen besaßen einen roten Schimmer.
„Warum nicht ich, warum sie? Ich hätte doch ebenso trinken können. Nein, statt dessen habe ich dumme Gans gezweifelt.“
Geräuschvoll Luft holend, drückte er ihren Kopf wieder an seine Brust.
„Hermine sag so etwas nie wieder! Du bist am Leben, nur das zählt!“
Ihre rechte Hand wanderte zu seiner Brust und legte sich auf sein flatterndes Herz. Heftig atmend schloss er die Augen erneut und presste ihre Hand fester an seinen Körper.
Die Kälte, die in der Seele des Mädchens zu hausen begonnen hatte, wurde durch die Nähe des anderen Menschen in die Knie gezwungen. Snapes Hand, die die ihre ergriffen hatte, übte einen angenehmen Druck aus und verhinderte, dass sie die Besinnung verlor.
„Wir müssen etwas unternehmen“, keuchte Snape nach einer Weile.
Er hielt es nicht mehr aus, einfach nur dazustehen. Mochte es ihm schwer fallen, er musste die Verantwortung für sein Verhalten tragen. Hermine sah auf und nahm zum ersten Mal in ihrem Leben einen Blick aus zwei tief braunen warmen Augen wahr. Der vom Zynismus zerfressene Snape schien in weite Ferne gerückt zu sein. An dessen Stelle war einfach nur der Mensch Severus Snape getreten. Sein hageres Gesicht - sonst raubtiergleich - gewann von tiefen Emotionen gezeichnet an Wärme.
Unwillkürlich schmiegte sie ihren Kopf erneut an seine sich noch immer aufbäumende Brust und spürte, daß auch er seine Arme fester um sie schlang.
„Komm, Hermine! Wir müssen zu Dumbledore“, wisperte er schließlich und ließ von ihr ab.
Nickend wischte sie sich die Tränen weg und schloß sich Snape an.
Schweigend gingen sie durch die langen, hohen Flure, ohne von den Anderen Notiz zu nehmen. Raschen Schritts überwanden sie Treppen und durchquerten traumwandlerisch halbdunkle Räume um sich nach einer schier endlosen Wanderung vor dem Gemälde, das Dumbledores Büro bewachte, wiederzufinden.
„Nussknackersuite“, murmelte Snape und schwang sich, Hermines Hand ergreifend, auf die hervortretende Wendeltreppe, die sie beide vor der richtigen Tür absetzte.
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