von Gx2^4
Harry trat über die Türschwelle, wo nur vor Sekunden noch der Vorhang gehangen hatte. Jetzt jedoch war der Blick frei, auf einen großen Raum. Er war hell erleuchtet. Ein großer Marmorschreibtisch stand am anderen Ende. Dahinter ein hoher Ledersessel, vor einem riesigen Fenster. Obwohl dieses Fenster genügend Licht spendete waren an den Seiten des Zimmers in regelmäßigen Abständen hohe Ständer mit kleinen Fackeln drauf.
Ansonsten war der Raum auffallend Kahl. Alles schien auf diesen zentralen Punkt, diesen Marmortisch ausgerichtet. Es war das Zentrum des Raumes.
Ein Mann saß hinter dem Tisch auf dem hohen schwarzen Sessel. Er hatte seine Hände gefaltet auf den Tisch gelegt, und schaute Harry mit interessierten Augen an, als er Näher kam.
„Setzt dich doch, Harry“ forderte ihn der Mann auf. Er hatte ziemlich kurze schwarze Haare, und dunkelblaue Augen. Er konnte nicht besonders alt sein, und doch strahlte er eine Ruhe und Erfahrung aus, wie sie nur ein sehr alter Mann haben konnte.
Harry zögerte. Sollte er sich jetzt auf den Boden setzen? Hier war, das hatte er schon als er in das Zimmer kam genau gesehen, kein Stuhl außer dem von dem Mann ihm gegenüber. Noch einmal sah sich Harry im Raum um. Hier war kein Stuhl.
Er wollte den Mann vor ihm nicht verärgern, also bückte er sich, um sich rasch hinzusetzen.
Doch noch bevor er sich mit den Händen ganz abgestützt hatte passierte erneut etwas, womit Harry nicht gerechnet hatte. Völlig ohne irgendeinen logisch Grund, ohne dass Harry irgendwas gesehen hatte, dass es hätte verursachen können, kippte einer der Ständer, die eine Fackel hielten um.
Direkt vor Harry schlug sie auf dem Boden auf, der aus festem Sandstein war. Schnell sprang Harry auf, und stellte sich kerzengerade hin.
Die Flammen liefen sofort Kreuz und Quer über den Boden und fraßen sich anscheinend tief in den Stein ein. Immer weiter, nicht aufzuhalten schien das Spiel der Flammen. Und doch wurden sie aufgehalten. An einer bestimmten Stelle ging es nicht weiter. In einer rechteckigen Fläche brannte es auf dem Boden. Doch weiter ging es nicht. Sie fraßen sich nicht weiter vor.
Es schien als hätten sich diese Flammen etwas bei den Menschen abgeguckt. Denn was taten Menschen wenn man sich nicht weiter in der Breite ausbreiten kann? Man schaue sich zur Antwort einmal NewYork an.
Immer höher sprossen die Flammen. Sie waren inzwischen fast auf Harrys Kopfhöhe. Doch dann endete auch die Ausbreitung in diese Richtung.
Anstatt weiter an zuwachsen wurden einige Flammen wieder flacher. Nur ein kleines Stück blieb hoch wie eh und je. Genauso hoch, wie die Lehne eines Stuhles. Und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, waren die anderen Flammen inzwischen so niedrig, wie die Sitzfläche eines Stuhls.
Wie die Sitzfläche eines Stuhls...
Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Sollte er sich jetzt tatsächlich auf einen Stuhl aus Flammen setzen? Das klang sogar in Harrys Kopf Absurd. Nein das würde er nicht. Das wäre verrückt.
Und doch schien es der Mann hinter dem Schreibtisch von ihm zu erwarten.
Vielleicht war es ja ein Test? Vielleicht wollte der Mann nur sehen, ob er dumm genug ist sich dahin zusetzen. Und wenn er sich dann setzte, hätte er versagt.
Oder aber, er will testen, ob Harry mutig genug ist sich dahin zu setzen. Dann hätte Harry versagt wenn er sich nicht hinsetzte.
Doch eigentlich war es schon keine Frage mehr ob Harry sich setzen würde.
Es ging hier um Mut. Und um einen Gryffindor. Alles Weitere war unwichtig.
Ein Gryffindor würde immer jede Mutprobe bestehen. Das war ein ungeschriebenes Gesetz.
Am ganzen Leib zitternd schritt Harry auf den Feuerstuhl zu. Sein Blick war fokussiert. Er sah nichts als diese brennenden, heißen und tödlichen Zungen. Es war verrückt!
Gestern erst war er an den Schwestern dieser Zungen fast gestorben. Jetzt würde er sich ihnen wieder hingeben. Er wurde ihnen Vorgeworfen. Wehrlos. Machtlos. Gegen diesen unbändigen willen, es zu tun.
Jetzt stand er mit dem Rücken zu dem Stuhl. Langsam, wie in Zeitlupe beugten sich seine Knie. Jeden Moment würde es soweit sein. Jeden Moment würde er wieder diesen Schmerz verspüren. Wieso nur tat er das?
Harry setzte sich hin und…
…Nichts passierte.
Harry atmete lange aus, er hatte gar nicht gemerkt, dass er die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte. Jetzt drängte der Sauerstoff nach draußen, und er ließ ihn Frei.
Es entstand eine Stille, die drückend über Harry lastete. Der Mann hinter dem Schreibtisch schaute ihn einfach nur an.
Dann, es schien Harry eine Ewigkeit vergangen, öffnete er den Mund. „Was hast du auf dem Herzen, Harry? Rede!“
Das war an für sich eine einfache Aufforderung. Er sollte einfach nur reden. Ja aber was hatte er eigentlich auf dem Herzen?
Dieser Ort, und die Magie, die jeden Zentimeter davon umgab. Natürlich. Die Erinnerung, die er eben gesehen hatte.
Doch etwas ganz anderes, viel Harry als erstes ein. Wie ging es Hermine? Wo war sie? War sie immer noch im Wald?
Tatsächlich überraschte es Harry, dass er zu Hermine mehr Fragen hatte, als zu diesem Ort, und seiner Handzauberei. Sie beherrschte seine Gedanken. Und es wollte ihm einfach nicht klar werden warum. Er war vollkommen verwirrt.
Doch das war, soviel war klar, nichts was er mit diesem Mann besprechen wollte. Es war der falsche Ort, und die falsche Zeit. Es war einfach falsch. Ein geradezu abstruser Gedanke, hier jetzt über sein Liebesleben zu reden. – Moment Liebesleben? Was hatte Hermine mit Liebesleben zutun?
Ok weiter im Text. Was lag ihm, abgesehen davon auf dem Herzen?
Harry räusperte sich. „Hrm Hrm Wo bin ich hier? Bin ich Tod?“
Der Mann sah ihn weiter an. „Das waren ja schon zwei Fragen. Nein, du bist nicht Tod.“
Der Mann lächelte breit und einladend. Doch ebenso wie das helle Gebäude, das einen geradezu Einlullte in dieser harmonischen Stimmung, traute Harry dem Braten nicht so ganz. Obwohl das Lächeln keinesfalls Falsch war.
„Und was unseren derzeitigen Aufenthaltsort anbelangt, nun… was glaubst du denn wo wir sind?“
„Im Himmel!“
Es war für ihn nur einen lächerliche Theorie gewesen, und er wusste auch nicht warum er dass jetzt laut aussprach, denn schon im nächsten Moment war ihm diese Idee unangenehm Peinlich. Es war so eine Kindische Antwort. So lächerlich.
Hinter ihm hörte er den Mann, der ihn hierher geführt hatte lauthals lachen. Und auch der schwarzhaarige vor ihm konnte sich ein grinsen nicht verkneifen.
„Oberflächlich gesehen, hasst du sogar einigermaßen Recht! Wir sind hier oberhalb der Wolkenschicht, und für manche ist der Himmel ja da, wo die Wolken sind. In dem Sinne hast du recht!“
Harry rollte mit den Augen er hatte einigermaßen recht gehabt – das war wohl die freundliche Bezeichnung für: er hatte eine absolut naive und kindische Antwort gegeben.
Der Mann schien die Frage für ausreichend beantwortet zu halten, dass fand Harry nicht. Er fand sich in dieser Situation so sehr an die Lehrer-Schüler-Gespräche zwischen sich und Dumbledore erinnert, dass er auch entsprechend lange und ausschweifende Antworten erwartete, wie sie sein ehemaliger Schulleiter zu geben pflegte. Doch schmerzlich musste Harry feststellen dass dieser Mann nicht Dumbledore war.
Dumbledore…
Plötzlich ging Harry ein Licht auf. Das konnte doch nicht sein? Oder? Er erinnerte sich an den Jungen, den er in der Erinnerung gesehen hatte. Derjenige, der den Vorhang berührt, und danach aus Leibes Kräften geschriehen hatte. Und er erinnerte sich an noch etwas.
Es war nur eine Kleinigkeit gewesen, und zunächst hatte er es gar nicht bemerkt.
Der Junge in der Erinnerung hatte den roten Vorhang angestarrt...
(Auszug Kapitel 26)
...Als wollte er den Vorhang röntgen.
Harry kannte nur einen Menschen, der so einen Blick drauf hatte. Er hatte ihn oft genug auf sich selber gespürt.
„Sir,“ Harry räusperte sich nervös „Ich habe gerade als ich vor dem Vorhang stand…“ doch schon wurde er Unterbrochen
„Ich weiß.“.
Schlicht ausgesprochen brachte es Harry doch arg ins wanken. Er war es nicht gewohnt unterbrochen zu werden, in so einer Situation. Er mochte das nicht. Dumbledore hatte so etwas nie getan.
Er schien jetzt völlig aus dem Konzept geraten zu sein. „Ähm… ja…wer war dass in der Erinnerung?“
„Ich denke Harry, dass du die Antwort schon kennst!“
Es war also tatsächlich Dumbledore!
„Aber das kann nicht sein. Ich weiß, dass Dumbledore damals für seine Familie gesorgt hat! Er kann nicht gleichzeitig hier gewesen sein!“
„Das ist richtig, man kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein!“
„Also? Wo war Dumbledore damals?“
„Albus Dumbledore, war Schüler an dieser Schule!“
Obwohl das nicht die Antwort auf seine Fragen gewesen war, begnügte sich Harry damit. Die nackte Tatsache, dass er hier gewesen war, genügte eigentlich schon!
Würde er jetzt endlich erfahren, wo Dumbledore das Zaubern per Hand gelernt hatte? Wandelte er gerade auf Dumbledores Spuren?
Noch weitere Fragen lagen auf seiner Zunge. Endlich hatte er einmal die Möglichkeit ein paar Antworten zu bekommen – er hatte ja beileibe genug unbeantwortete Fragen.
„Warum bin ich hier?“
Für einen Moment meinte Harry ein zufriedenes leuchten in dem Gesicht seines Gegenüber zu sehen, und er spürte, dass er gerade eine richtige Frage gestellt hatte.
„Du bist hier“ fing der junge Mann ihm gegenüber an „ weil du dazu bestimmt bist Großes zu vollbringen bist! Und hier wirst du es lernen!“
Harry hätte nie von sich behauptet, dass er etwas Besonderes konnte, oder dass er mehr Talent als andere in etwas hatte (außer vielleicht im Fliegen). Doch zu behaupten er hätte noch nichts großes vollbracht, ganz egal wie viel Glück und Hilfe er dabei auch gehabt haben mochte, war schon eine ganz erstaunliche Behauptung.
Harry sah hinunter auf das Flammenspiel, dass sich unter ihm bot. Es fühlte sich an als säße er auf einem ganz normalen Stuhl.
„Du wirst lernen, mit deinem immensen magischen Potential um zu gehen. Zu deiner eigenen Sicherheit, und zu der Sicherheit all derer , die dir nahe stehen.
Harry Potter, ich führe dich ein, in die hohe Magie, in eine Magie, die nur sehr wenige Menschen auf unserer Erde beherrschen. Es wird zermürbend und kraftraubend für dich, doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Du wirst lernen mit bloßem Willen zu Zaubern. Darum bist du hier.“
Harry hatte es ja schon geahnt. Es kam ihm vor als wären Ewigkeiten vergangen, seit er mit Hermine zusammen am idyllischen glasklaren Fluss gelegen hatten, und auf der Suche nach einer Erklärung für seine Handzauberei die Bücher durchstöbert hatten. Jetzt also würde er die Antworten auf ihre Fragen erhalten. Er würde lernen mit bloßen Händen zu Zaubern, um England endgültig von den Todessern zu befreien.
TBC
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