von ratterhorpy
Imperius
Quidditchtraining schien eine einfache Sache zu sein, überlegte Neville, zumindest im Vergleich zu der Aufgabe, den Gang zum Schulleiterbüro zu überwachen. Und dies, obwohl Neville es schon bei dem bloßen Gedanken an einen Besen eiskalt den Rücken hinunter lief.
Es gab hier auch wirklich keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Den wahnwitzigen Gedanken, den Direktor mit der Begründung aufzusuchen, er wolle sich für den Spruch bei der Eröffnungsfeier entschuldigen, schob Neville schnell wieder beiseite. Da würde er doch lieber Flugstunden auf dem Besen nehmen.
Vielleicht konnte ja einer der Räume, die vom Flur abgingen, eine Möglichkeit bieten. Hinter der Türe, die dem Wasserspeier am nächsten war, entdeckte Neville eine Abstellkammer, in der zahlreiche abgewetzte Tische und Stühle standen. Irgendwann mussten diese mal in den Klassenzimmern gestanden haben, aber sie hatten die besten Zeiten hinter sich. Neville wunderte sich, warum solche Sachen überhaupt noch aufbewahrt wurden. Ganz in Gedanken, wurde er von dem Geräusch des sich drehenden Wasserspeiers überrascht. Hastig sprang er zur Türe und öffnete sie einen Spalt breit. Er konnte noch den Rücken einer Person erkennen, die die Treppe betrat.
„Halt, Du Schurke!“ rief eine männliche Stimme. „Wohin des Weges, finsterer Geselle?“
Neville kannte diese Stimme und ihre geschwollene Ausdrucksweise. Die Antwort des Besuchers bekam Neville nicht mit, da die Stimme zu leise war, doch die bekannte Stimme sprach weiter.
„Sage mir, was ist Dein Begehr?“ und ein wenig später „So trete ein, werter Herr!“
Wieder drehte sich der Wasserspeier und der Eingang war wieder verschlossen.
Jetzt hatte Neville einen Hinweis. Er müsste nur noch überprüfen, ob er die richtige Idee hatte. Darum machte er sich auf den Weg zum Wahrsageturm. Dort hatte er das Portrait von Sir Cadogan das letzte Mal gesehen. Allerdings war das schon eine Zeit lang her. In seiner ZAG Prüfung war er in diesem Fach mit Pauken und Trompeten durchgefallen.
Zu allem Elend, kam ihm auch noch seine ehemalige Lehrerin entgegen. Sie blickte ihn durch ihre riesige Brille scharf an, während sie eine Sherryflasche unter ihren Arm klemmte.
„Was tun sie hier Mr. Longbottom?“ fragte Professor Trelawney misstrauisch.
„Ähm,...“ stammelte Neville. „Ich weiß nicht so recht!“
„Sie wissen nicht, wie sie hier her gekommen sind?“ fragte Trelawney entsetzt und wich ein paar Schritte zurück.
„Doch!“ entgegnete Neville. „Das weiß ich.“
Neville überlegte fieberhaft.
„Es war eine innere Stimme, die mir gesagt hat, wir schweben alle in Gefahr!“ setzte er fort.
„Dummer Junge! Du-Weist-Schon-Wer ist zurück! Natürlich schweben wir alle in Gefahr! Glauben Sie nicht, sie hätten plötzlich das innere Auge!“ sagte Trelawney verächtlich. „Gehen sie zurück in ihr Haus!“
„Nein!“ widersprach Neville. „Ich muss zu Sir Cadogan! Er kann uns retten!“
„Ahnungsloser!“ rief Professor Trelawney aus und schlug sich mit der Hand, in der sie die Sherryflasche hielt, an die Brust. „Sir Cadogan ist übergelaufen!“
„Übergelaufen? Zu wem?“ fragte Neville.
„Sir Cadogan bewacht jetzt das Büro des Direktors!“
Am folgenden Tag hatte Neville sich nach dem Mittagessen mit Luna verabredet, um den Imperiusfluch in Angriff zu nehmen. Neville fand es zwar schade, das Hannah nicht dabei sein konnte, aber sie könnte ja, wenn sie wieder zurück in Hogwarts war, mitmachen.
Vor dem Raum der Wünsche wartete Luna bereits auf Neville.
„Warum wartest Du hier draußen? Du hättest ruhig schon reingehen können!“ meinte Neville.
„Ich habe den Raum noch nie geöffnet. Das haben immer Du und Harry erledigt. Ich weiß gar nicht, wie man da reinkommt!“ antwortete Luna.
Neville ging vor dem Raum auf und ab und dachte an einen Raum, in dem sie den Imperius lernen könnten. Als er nach seiner dritten Wende die Wand ansah, erschien dort eine Türe.
„Lass uns reingehen, dann erkläre ich Dir, wie es funktioniert!“
Der Raum war wieder anders, als Luna und Neville ihn jemals gesehen hatten. Dieses Mal, sah er aus, wie ein Klassenzimmer. Es war jedoch erheblich kleiner als üblich. Perfekt für zwei Schüler.
„Wie hast Du das jetzt angestellt?“ fragte Luna, die sich umsah.
„Ich habe mich auf den Raum konzentriert, den wir brauchen. Zum DA Treffen habe ich mir vorgestellt, das wir einen Raum zum Reden brauchen. Jetzt habe ich mir vorgestellt, das wir einen Raum zum Üben brauchen. Ich bin mehrmals auf und ab gegangen, so lange, bis die Türe hier erschien.“ erklärte Neville.
„Hast Du Dir vorgestellt, wie der Raum aussehen soll?“ fragte Luna.
„Nein, ich habe mir nur vorgestellt, was für einen Raum wir brauchen.“ erklärte Neville.
„Schade eigentlich!“ meinte Luna und kramte ihre Notizen aus ihrer Tasche. „Ich wollte Dir schon für Deinen guten Geschmack gratulieren!“
„Lass uns lieber zu dem Fluch kommen!“ meinte Neville und las sich Lunas Notizen durch. Ohne Ablenkung gelang es ihm dieses Mal sogar.
„Also, mal versuchen.“ sagte Neville. Er streckte seinen Arm aus und hielt seinen Zauberstab, genau so, wie er es in Lunas Beschreibung gelesen hatte.
„Tut mir leid!“ sagte er. Dann sprach er den Zauberspruch.
„Imperio!“
Luna stand Neville gelassen gegenüber.
„Was soll ich jetzt tun?“ fragte Luna.
„Puh!“ überlegte Neville. „Dreh dich doch mal bitte im Kreis!“
„Ich glaube, so klappt das nicht Neville!“ sagte Luna bestimmt. „Du musst schon vorher wissen, was ich tun soll! Und ich glaube, Du willst es auch nicht wirklich!“
„Natürlich will ich das nicht wirklich!“ sagte Neville aufgebracht.
„Dann musst Du Dich dazu zwingen!“
„Das sagst Du so leicht!“
„Pass auf!“ sagte Luna. „Jetzt versuche ich es einmal!“
Sie streckte den Arm aus.
„Imperio!“ rief sie. „Setz Dich auf den Stuhl!“
Neville schaute den Stuhl an und schüttelte den Kopf.
„Das war nichts, ich habe nicht den kleinsten Drang verspürt mich hinzusetzten.“
„Einen Versuch war es wert! Pass auf, wir machen das jetzt anders. Du denkst jetzt mal ganz fest an die Slytherins, die hier in dem Schloss herumlaufen und die den Fluch schon gelernt haben. Stell Dir einfach vor, Du hast erfahren, das Hannah verzaubert werden soll und das sie lernen muss, sich dagegen zu verteidigen. Du bist der einzige, der ihr das beibringen kann!“
Neville schloss die Augen und malte sich diese Situation aus. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Er atmete tief durch und als er die Augen wieder öffnete, sah er Luna abwartend vor sich stehen.
„Imperio!“ rief Neville und streckte seinen Zauberstab aus. Ein angenehmes Prickeln lief durch seinen Arm und schien sich in seinem Zauberstab zu bündeln,
„Dreh dich im Kreis!“ rief Neville.
Luna trat unschlüssig auf der Stelle herum, mit einem verwirrten Gesichtsausdruck.
Neville ließ enttäuscht den Arm wieder sinken.
„Das war wieder nichts!“ sagte er.
„Nein, im Gegenteil!“ sagte Luna, deren Verwirrung mit einem Schlag wie weggeblasen schien. „Das war schon sehr viel besser! Ich habe wirklich überlegt, es zu tun!“
„Hast Du was gespürt?“ fragte Neville neugierig.
„Ja!“ sagte Luna. „Für einen Moment war es so, als ob alles gut sei! Jetzt lass mich aber mal probieren.“
Die Zeit lief voran, als Neville und Luna abwechselnd versuchten, sich gegenseitig mit dem Imperiusfluch zu belegen, jedoch schaffte weder Neville es, Luna dazu zu bringen sich im Kreis zu drehen und auch Luna konnte Neville nicht dazu bringen, sich hinzusetzen.
Das einzig Positive war, das Neville die Kraft des Fluches durch seinen Arm strömen spürte.
„Lassen wir es für heute gut sein!“ meinte Luna. „Wir haben den Fluch zwar nicht wirklich hinbekommen, aber ein Ansatz war doch schon da.“
„Ja, aber ein Ansatz bringt uns nichts.“ meckerte Neville und hob Lunas Tasche auf. „Ein Imperius nutzt nichts, wenn das Opfer überlegt, ob man dem Angreifer den Gefallen tut, seinen Befehlen zu folgen.“
Neville hielt Luna die Türe auf und ließ ihr den Vortritt.
„Das nächste mal klappt es bestimmt besser!“ munterte Luna Neville auf, als sie aus der Türe traten.„Wir müssen halt noch üben!“
Jemand brach in schallendes Gelächter aus. Erst jetzt bemerkten Neville und Luna, das Lavender und die Patilzwillinge sich ebenfalls in dem Gang aufhielten.
„Oh nein!“ sagte Luna leise. „Den Spruch konnte man nur falsch verstehen!“
„Halb so wild!“ meinte Neville gelassen. „Die sind halt nur glücklich, wenn sie sich irgendwelche Gerüchte zusammenreimen können!“
„Das schlimme ist, die sind noch glücklicher, wenn sie die Gerüchte auch weitererzählen können!“ merkte Luna kritisch an.
Ginny hatte es sich in der Bibliothek niedergelassen und wälzte sich durch diverse Astronomiebücher. Sternbilder die mit `O´ begannen, waren kaum welche zu finden. Es gab tatsächlich nur die zwei ihr bekannten. Orion, das immerhin noch ein Schwert vorweisen konnte und den Oktant, wo Ginny überhaupt keine Verbindung sehen konnte. Dummerweise konnte sie keine Liste der lateinischen Namen finden, also sah sie sich einem Berg an Sternbildern entgegen, die sie alle einzeln nachschlagen musste.
Doch sie hatte auch das Gefühl, das sie völlig auf der falschen Fährte war. Das dunkle Mal sollte ein Hinweis sein. Doch was war auf dem dunklen Mal zu sehen? Ginny hatte es nur zwei Mal gesehen, zum ersten Mal bei der Quidditch Weltmeisterschaft, und in der Nacht als Dumbledore starb.
Das dunkle Mal, ein Totenschädel, aus dem eine Schlange heraus kroch. Ein Totenschädel gab es am Sternenhimmel nicht, aber die Schlange.
Sie schlug eines der Bücher auf und schaute nach dem lateinischen Namen. Passte nicht, aber jetzt wusste Ginny wenigstens den Ursprung des Serpensortias.
Missmutig blätterte sie eine Seite um und schnappte nach Luft.
Schlangenträger, Ophiuchus
Was könnte treffender sein, für einen Todesser? Trug er nicht die Schlange auf seinem Arm?
Die große Halle war wie immer erfüllt von den vielen Stimmen der schwatzenden Schülern. Gerade der Gryffindortisch war heute Abend besonders lebhaft.
Irgendein neues Paar sollte es geben, aber Ginny hatte nicht richtig zugehört. Sie war viel zu sehr mit ihren neuen Erkenntnissen beschäftigt. Der Schlangenträger. Verstohlen schaute sie zum Lehrertisch, wo Professor Snape sich mit den beiden Carrows unterhielt. Das passte wirklich. Sie suchte den Tisch nach Neville ab, der hastig sein Abendessen verschlang. Kaum hatte er den letzten Bissen in den Mund gesteckt, sprang er auf und machte sich daran, die große Halle zu verlassen.
Ginny sprang kurzentschlossen auf und folgte ihm.
„Neville!“ rief Ginny ihm in der Eingangshalle hinterher. „Warum hast Du es so eilig?“
„Ach, Du bist es!“ sagte Neville und blieb stehen.
„Was ist denn los?“ wollte Ginny verwirrt wissen.
„Hast Du gesehen, was da drinnen los war? Die haben mich alle so komisch angesehen. Da musste ich raus. Das hat mich wahnsinnig gemacht!“
„Ist mir gar nicht aufgefallen. Bist Du sicher? Manchmal bildet man sich das auch ein!“ sagte Ginny.
„Wie auch immer, ich bin froh, das ich da raus bin!“ sagte Neville mit zur Abwehr erhobenen Händen.
„Ist ja schon gut!“ beruhigte Ginny. „Aber Du hast es also nicht eilig?“
„Nein, ich hatte eigentlich nichts vor.“ sagte Neville und schaute zum Eingang der großen Halle, wo Luna gerade kopfschüttelnd aus der Türe trat. „Außer da raus zu kommen!“
„Leute, da drinnen explodiert gerade die Gerüchteküche!“ sagte Luna, als sie bei ihren Freunden angekommen war.
„Das tut sie in Hogwarts doch ständig!“ sagte Ginny und überging das Aber, das Luna schon auf der Zunge lag.
„Leute, ich glaube, ich habe das Passwort!“
„Wirklich?“ fragten Luna und Neville gleichzeitig.
„Firenzes Klassenzimmer?“ fragte Ginny.
Luna nickte und ging voraus. Die drei ließen sich im dämmrigen Schatten der Bäume nieder und Ginny begann zu erzählen.
„Unser Neville hier,“ sagte sie zu Luna, „hat mir den entscheidenden Tipp gegeben!“
Ginny schaute kurz zu dem überraschten Neville.
„Er hat mir geraten, auch nach lateinischen oder griechischen Namen zu suchen. Da gibt es eines das wunderbar passen könnte. Es ist lateinisch und heißt Ophiuchus.“
„Und was bedeutet das in echt?“ fragte Neville.
„Es ist der Schlangenträger!“ sagte Ginny.
„Das dunkle Mal, die Schlange auf dem Unterarm, das ist wirklich passend!“ überlegte Luna.
„Genau das finde ich auch!“ sagte Ginny. „Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, was auf der Treppe....“
„Sir Cadogan!“ unterbrach Neville Ginny. „Das Portrait von Sir Cadogan steht dort Wache!“
„Bist Du sicher?“ fragte Ginny. „Ausgerechnet der?“
„Es hat durchaus Tradition, das Portraits wichtige Eingänge überwachen.“ sagte Luna. „Das habe ich einmal in Die Geschichte von Hogwarts gelesen.“
„Ha! Hermine ist doch nicht die einzige, die das Buch gelesen hat!“ lachte Ginny.
„Bitte?“ fragte Luna.
„Ach, ist nicht so wichtig. Übrigens, der Gryffindorturm wird auch von einem Portrait bewacht!“
„Ich habe mir auch schon überlegt, wie wir an Sir Cadogan vorbeikommen. Er ist ein Ritter, mit edlen Motiven, aber nicht besonders helle!“ sagte Neville.
„Wir müssen ihm nur erzählen, das unsere holde Jungfrau in Gefahr schwebt und wir sie in Sicherheit bringen müssen!“
Er deutete eine Verbeugung in Richtung Luna an.
„Apropos Jungfrau.“ sagte Luna. „Wir müssen über meine Jungfräulichkeit reden!“
„Deine Jungfräulichkeit ist jetzt nicht das Thema und es geht uns auch nichts an!“ unterbrach Ginny.
„Aber...“
„Wann gehen wir in Snapes Büro und holen das Schwert?“ fragte Ginny.
Luna verschränkte verärgert die Arme.
„Wie wäre es mit Halloween?“ schlug Neville vor.
„Warum ausgerechnet Halloween?“ fragte Ginny.
„Weil bestimmt alle auf dem Fest sitzen und über meinen unsittlichen Lebenswandel diskutieren!“ sagte Luna bissig, bevor sie aufstand und den Raum verließ.
Seamus hatte Neville schon erwartet. Ehrfürchtig betrachtete Seamus seinen Klassenkameraden, als der durch den Raum ging und sich auf sein Bett fallen ließ.
„Sag mal Neville, stimmt das, Du warst mit Luna im Raum der Wünsche?“ fragte Seamus.
„Ja!“ antwortete Neville. „Heute Nachmittag.“
„Dann stimmt es also wirklich?“ fragte Seamus. „Ihr habt das wirklich getan?“
Neville wunderte sich. Das sie den Imperius lernen wollten, hatten sie doch beim DA Treffen angekündigt.
„Wie hast Du Luna dazu rumgekriegt?“ fragte Seamus neugierig.
„Wieso soll ich sie rumkriegen? Sie hat sich doch freiwillig dazu bereit erklärt!“
„Freiwillig? Einfach so?“ fragte Seamus am Rande seiner Fassung.
„Ja!“ sagte Neville verwundert. War Seamus denn so vergesslich?
„Hannah wollte auch mitmachen, aber sie ist ja im Moment nicht da!“
„Hannah-wollte-auch-mitmachen?“
„Ja, irgendwie wollte sie nicht, das ich es alleine mit Luna mache. Da verstehe mal einer die Mädchen!“ wunderte sich Neville.
„Du wolltest gleich mit zwei Mädchen? Ich krieg noch nicht mal eine dazu!“ sagte Seamus fassungslos.
„Dann frag halt mal nach. Es ist doch nicht so schwer, ein Mädchen zum Lernen zu finden!“ schlug Neville vor.
„Das funktioniert?“ fragte Seamus verwundert. „Das muss ich gleich morgen ausprobieren!“
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