von iome
42. Am Ende der Reise
Tränen rannen aus seinen Augenwinkeln, bis sein ganzes Gesicht davon bedeckt war. Doch nicht eine Sekunde wendete er den Blick von Hermine ab. Wieder war er hier. Wieder verlor er sie. Diesmal für immer. Und diesmal starb mehr, als nur Hermines Körper. Dieses Mal starb Severus Seele mit ihr.
Er spürte wie ihr Atem aussetzte. Doch obwohl der andere Severus immer wieder flehte, sie möge nicht sterben, wusste er es besser. Langsam beugte er sich nach vorn und drückte einen letzten Kuss auf ihre Lippen. Dann nahm er den Dolch aus seiner Tasche und betrachtete ihn. Gleich!
Gleich würde er einen Schlussstrich unter sein Leben ziehen. Nur noch Albus seine Kräfte zurückgeben. Dann würde er das alles beenden, was er nicht mehr ertrug.
In diesem Moment, da er mit allem abschloss, spürte er ein Pochen nahe seinem Magen. Er beachtete es nicht, doch es wurde stärker und stärker. Bis er endlich begriff.
Mit einer schnellen Handbewegung zog er den Blutstein aus der Robentasche. Den Dolch drückte er in Hermines Hand und legte dann den Stein an die Klinge. Nichts geschah.
Warum nur hatte er nicht eher daran gedacht? Wie konnte er nur vergessen, dass der Blutstein Hermine hätte retten können?
Er trat vom Bett weg und sank in sich zusammen. Es war zu spät. Er hatte versagt.
In diesem Moment begann es. Das blaue Glühen, welches er schon bei Voldemorts endgültigem Ende gesehen hatte, setzte ein. Diesmal ging es jedoch vom Stein aus und hüllte bald auch die Klinge und anschließend Hermines ganzen Körper ein.
Fasziniert und plötzlich voller Hoffnung beobachtete er wie ihr Körper sich veränderte. Ihr Atem setzte wieder ein. Ihre Haut nahm endlich wieder Farbe an und schließlich entspannten sich ihre Gesichtszüge und auch der Rest ihres Körpers.
Das Glühen endete.
Ohne nach außen hin eine Reaktion zu zeigen trat er wieder ans Bett seiner Geliebten. Sie sah so anders aus. So schön und gesund, wie nie zuvor. Noch immer traute er sich nicht zu glauben oder auch nur zu hoffen, sie möge leben, doch als sie langsam die Augen aufschlug und erst ihn und dann sein anderes Ich anblickte, da breitete sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus. Er nahm ihre Hand vom Dolch weg und versteckte die beiden Artefakte schnell in seinem Umhang.
„Severus?“
Ein zweifaches „Ich bin hier, bei Dir.“ erklang.
Erstaunt sah die völlig gesunde Hermine zwischen den beiden Männern hin und her. „Was ...?“
Der Severus aus der neuen Zeitlinie küsste ihre Hand und sah sie zärtlich an. „Frag nicht. Wichtig ist nur, dass Du lebst.“ Tränen der Freude rannen an seinen Wangen herab. Der andere Severus hielt sich ein wenig zurück. Er begriff bei weitem nicht alles, was hier geschah, doch er würde begreifen, da war er sich sicher.
Poppy, die all dies mit ebensolcher Faszination und Verwunderung betrachtet hatte, wie der jüngere Severus, wendete sich in der Zwischenzeit Harry wieder zu. Nach zwei wirkungslosen Sprüchen wendete sie sich wieder zu den beiden dunklen Männern um. „Severus, komm her und mach das, was Du da gerade mit Hermine gemacht hast auch mit Harry. Er stirbt.“
Mit Entsetzen stellte er fest, dass die wahnsinnige Freude, die er über Hermines Gesundung verspürte ihm den Blick für alles andere verbaut hatte. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen und eilte zu dem zweiten belegten Krankenbett.
Poppy sagte „Die normalen Heilsprüche helfen nicht. Er verliert viel zu viel Blut. Hilf ihm, mit dem, was Du da hast.“ und sie zeigte auf die Tasche seiner Robe, in der sich der Stein abzeichnete.
Ohne eine Erwiderung starrte er auf die Ausbeulung und dachte nach. Würde der Stein noch ein Leben retten, ohne dafür ein anderes zu nehmen? War er immer noch gesättigt? Harry stöhnte vor Schmerzen und Severus entschied sich. Er ging das Risiko ein. Ganz bewusst.
Schnell verband er Harry mit dem Stein, wie er es kurz zuvor auch mit Hermine getan hatte und trat vom Bett zurück. Das Glühen begann. Langsamer und mit weitaus weniger Intensität wanderte das blaue Glühen über Harrys Körper. Severus betete, dass es ausreichen würde, um ihn gesunden zu lassen. Der Junge hat viel zu viel durchgemacht, als dass er jetzt sterben durfte.
Dann erlosch das Glühen. Harrys Wunde blutete nicht mehr, aber noch immer war sie vorhanden und Harrys Atem unregelmäßig und stockend.
Severus wusste, was zu tun war. Vorsichtig nahm er den Dolch aus der Hand des Jungen und legte den Schaft des Dolchs an den Stein. Dann nahm er die Klinge in die Hand und spürte, wie ein heftiger Schmerz ihn durchfuhr. Für eine Sekunde glaubte er zusammenbrechen zu müssen, doch dann hörte es auf. Er ließ los und legte den Dolch wieder in Harrys Hand. Die Wunde schloss sich augenblicklich.
Vorsichtig schob Severus seine Robe am Arm ein Stück nach oben. Da, wo sonst immer sein Todessermal gewesen war, befand sich nun das Symbol des Blutsteins. Klein und ganz schwach, aber doch unverkennbar zeigte es an, dass Severus einen Teil seines Lebens auf Harry übertragen hatte.
Er lächelte. Manchmal gelang es ihm doch, seine früheren Taten wieder ein klein wenig auszubügeln.
Das Lächeln verschwand erst, als er bemerkte, dass alle ihn anstarrten. Sie schienen eine Erklärung haben zu wollen.
Der andere Severus sprach als erstes. „Was ist das für ein Stein, mit dem Du Hermine und Harry geheilt hast?“
In diesem Moment wurde Severus klar, dass er hier nicht nur die Zeitlinie komplett durcheinander gewirbelt hatte, sondern derzeit auch seinen Verstand in Gefahr brachte. Sie alle wussten von Blutstein. Er musste schleunigst etwas dagegen unternehmen.
Statt einem von ihnen etwas zu erklären, belegte er sie alle, bis auf Hermine mit einem Stupor. Dann ging er zu ihr, verabreichte ihr einen der Vergessenstränke, die er seit Wochen bei sich trug und erklärte ihr, das sie nur einen kleinen Zusammenbruch hatte und sich ab jetzt in der Schwangerschaft mehr schonen sollte, dann gab er ihr einen Schlaftrank und wandte sich Harry und danach Poppy zu. Mit ihnen verfuhr er genau wie mit Hermine. Poppy setzte er auf ihren Bürostuhl und schickte sie dann schlafen, Harry brachte er nach draußen und redete ihm ein, er wolle nur einen Krankenbesuch bei Hermine gemacht. Die aufgeschlitzte Kleidung reparierte er noch schnell und dann verriegelte er schnell die Tür von innen, damit ihm genug Zeit blieb sich um sein anderes Ich zu kümmern.
Den anderen Teil seiner selbst dazu zu bewegen den Vergessenstrank zu sich zu nehmen war Schwerstarbeit. Erst als er ihn wissen ließ, dass er sonst wahrscheinlich seinen Verstand verlieren könnte, sah er ein, dass es sein musste. Sofort nachdem er ihm eingeredet hatte, dass er Hermine nur wegen einem kleinen Schwächeanfall auf die Krankenstation gebracht hatte, war der zeitreisende Severus auch schon am Kamin und ließ sich von den Flammen in Albus Büro bringen.
Der ältere Zauberer sah ihn verwundert an und fragte, wie es Hermine ginge. Schnell machte Severus Albus klar, dass er vorerst nicht darüber reden durfte, wie schlimm es Hermine wirklich gegangen war. Er klärte ihn darüber auf, dass es Dinge gab, die er nicht erklären konnte und bat um Verständnis.
Albus besaß genug Lebenserfahrung, um nicht weiter nachzufragen. Severus war manchmal ein schwieriger Mensch, aber immer ein vertrauenswürdiger. Er nickte nur und akzeptierte, dass er keine Erklärung dafür erhalten würde, wie Hermine geheilt worden war. Eigentlich war es ihm auch egal. Hauptsache die junge Frau war wieder gesund. Mehr war nicht wichtig.
Ohne weitere Erklärungen zog Severus die beiden Ampullen mit dem Absorber-Trank hervor, die sie benötigten, um Albus seine Kräfte zurückzugeben.
Sekunden nach der Einnahme spürte Severus, wie die Macht schwand, die ihm für einen Tag inne gewohnt hatte. Für kurze Zeit fühlte er sich leer, doch dann spürte er, dass seine eigenen Kräfte da irgendwo waren. Noch nicht wieder so, wie er es gewohnt war, aber sie waren da.
„Nun, Severus, was wirst Du jetzt machen? Wirst Du zum Zeitpunkt Deiner Abreise zurückreisen?“ Albus saß in der Zwischenzeit wieder gemütlich hinter seinem Schreibtisch.
„Nein, ich werde nicht das Risiko eingehen, noch etwas anderes in der Zeitlinie zu zerstören. Ich werde einfach abwarten. Es ist nicht lang. Ein paar Tage und es wird nur noch einen von meiner Sorte geben.“
Albus schüttelte den Kopf. Nein, wird es nicht. Du hast die Zukunft verändert. Welchen Grund könnte Severus jetzt noch haben zurückzureisen, wenn Hermine doch wieder gesund ist?“
Severus schmunzelte. „Glaub mir, er hat einen. Gib ihm einfach am Freitag den Zeitumkehrer und erkläre ihm, er soll ihn nicht zu weit zurückdrehen und weise nutzen, dann wir alles sich so entwickeln, wie es sein soll. Vertrau mir.“
Jetzt nickte und bot ihm an, in seinem Büro bleiben zu können, doch Severus hatte seine eigenen Pläne. Er kehrte getarnt zurück in seine angestammte Hütte. Dort verbrachte er die Tage, bis zur Abreise des anderen Severus. Es war seltsam, wenn er bedachte, dass er Mann, der bald in der Zeit zurückreisen würde, er selbst war.
Severus schmunzelte. Er würde das Prinzip der Zeitreisen wohl niemals endgültig begreifen. Wenn er ehrlich war, wäre das sicherlich auch besser so.
Am Abend des Freitags apparierte er vor sein Anwesen und beobachtete durch ein Fenster, wie Severus den Zeitumkehrer von Albus entgegennahm. Am nächsten Tag würde er abreisen und er selbst konnte endlich wieder zu Hermine. Wie sehr er sich nach ihr sehnte. Wie wahnsinnig es ihn machte sie so nah zu wissen und doch noch warten zu müssen, bis er sie endlich wieder küssen und in den Armen halten konnte. Doch bis morgen würde sich noch in Geduld übern. Noch eine letzte Nacht ohne sie.
Kaum war Albus gegangen, sah er drinnen wie er selbst anfing ein Notizbuch zu füllen. Severus schmunzelte erneut, bevor er sich leise ins Haus schlich. Er war so berechenbar. Im Haus schlich er sich ins Gästeschlafzimmer und machte es sich dort bequem. Er wollte da sein, wenn sein Doppelgänger abreiste. Sofort wenn er weg wäre, würde er Hermine endlich in die Arme schließen und sie nie wieder gehen lassen.
Mit diesem friedlichen Gedanken schlief er ein.
Den ganzen nächsten Tag verbrachte er solange in dem kleinen Zimmer, bis er hörte, wie unten die Haustür zuschlug. Der Severus dieser Zeitlinie war dabei eine lange Reise in die Vergangenheit zu beginnen, während dieser Severus endlich in der Gegenwart angekommen war und eine Zukunft vor sich sah. Eine mit Frau und Kind an seiner Seite.
TBC
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