von uni
Hier, wie angekündigt, die korrigierte Version des Kapitels.
Vielen Dank an meine Beta und an meine neue Zweitbeta
2. Eisherz oder Schemen im Spiegel
Sie hatte Kopfweh, ihr war schlecht und irgendwie schmerzte jedes Körperteil.
Stöhnend setzte sich auf und wünschte sich fast augenblicklich, sie wäre liegen geblieben. Ihr Magen zog sich krampfhaft zusammen und sie spürte Magensäure in ihrem Hals aufsteigen.
Sie fürchtete jedoch, dass sie, wenn sie jetzt nicht aufstand, den ganzen Tag nicht mehr den Mut dazu finden würde.
Ginny quälte sich also aus dem Bett und schlurfte dann ins Badezimmer.
Als sie sich umgezogen und gewaschen hatte, sah sie immerhin schon etwas besser aus, auch wenn sie sich nicht so fühlte.
Um dem Tag wirklich überstehen zu können, brauchte sie mindestens einen Anti-Kater-Trank. Zwecks Besorgung dieses wunderbaren Elixiers, nahm Ginny den langen und, in ihrem Zustand, anstrengenden Weg zu Madam Pomfrey auf sich.
Die Medihexe würde sicherlich nicht begeistert sein, einer Schülerin einen Trank gegen die Folgen von exzessivem Alkoholgenuss verabreichen zu müssen. Ginny war sich jedoch sicher, wenn sie erklärte, welcher Anlass gefeiert worden war und hoch und heilig verspräche, nie wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren, würde Poppy Pomfrey sich milde stimmen lassen.
Als Ginny die Krankenstation betrat, arbeitete die Heilerin gerade hektisch an einem Krankenbett. Als sie bemerkte, dass jemand die Krankenstation betreten hatte, hielt sie inne und zog schnell eine jener Papierwände, die die Betten voneinander abschirmten, heran und wandte sich ihrer neuen Patientin zu. Dank ihrer Hast, stand das Gestell jedoch schief, so dass Ginny einen Blick auf den Patienten erhaschen könnte, wenn sie im richtigen Winkel zu dem belegten Bett stand.
Momentan interessierte Ginny jedoch wenig, wer da versorgt wurde. ‚Sicher wieder ein Erstklässler, dem ein Streich gespielt wurde’, dachte sie lakonisch.
Ihr eigenes Unwohlsein beschäftigte das Mädchen in diesem Moment sehr viel mehr. Sie erklärte daher, was sie bräuchte und setzte schon dazu an, sich zu entschuldigen und Ausflüchte zu suchen, aber Poppy unterbrach sie mit einer barschen Geste.
Wortlos warf sie Ginny den geforderten Trank zu und forderte sie dann dazu auf, zu verschwinden.
Dieses Verhalten kam Ginny seltsam vor, denn es bedeutete, dass der Patient in dem einzigen belegten Bett, die volle Aufmerksamkeit der Medihexe benötigte. Um einen harmlosen Schulstreich konnte es sich also nicht handeln.
Nun wurde sie doch neugierig, wer denn da eigentlich in dem Bett lag. Vielleicht ein Lehrer, der von einem Todesser angegriffen worden war oder etwa Malfoy, dem wegen seines „Doppellebens“ etwas zugestoßen war? Letztere Vorstellung erfüllte sie mit einer gewissen Befriedigung, auch wenn sie sich innerlich wunderte, warum sie jetzt ausgerechnet auf Malfoy kam.
Poppy hatte sich inzwischen einem Medikamentenschrank zugewandt und ohne aufzusehen fragte sie mit ungewohnt scharfer Stimme:„Ist noch etwas Miss Weasley?“
Ginny verneinte und ging langsam auf die Tür zu, jedoch nicht, ohne zu versuchen, hinter den Papierschirm zu spähen.
Tatsächlich gelang es ihr schließlich, durch den Spalt zu schauen und was sie sah, ließ ihr das Blut in den Aden gefrieren.
In dem Bett lag nicht Malfoy und auch kein Lehrer. Der Patient, der Poppy so beschäftigte, war keine Geringere als Hermine.
Mit einem erschrockenen Keuchen stürzte Ginny zu ihrer Freundin. Madam Pomfrey fuhr wütend herum. „Miss Weasley, ich sagte, sie sollen verschwinden.“
Doch ihre Worte zeigten keine Wirkung.
Das Mädchen war viel zu schockiert, Hermine in solch einem Zustand zu sehen. Ihre Haut war fahl und unter ihren Liedern bewegten sich die Augen unruhig hin und her.
Sie lebte, aber ihre Atmung ging nur flach. Von ihrem Arm führte ein Schlauch zu einem Beutel mit Flüssigkeit.
“Was … was ist mit ihr passiert?“, stammelte Ginny undeutlich. Poppy vergaß ihre Strenge, schließlich war sie vor einigen Stunden selbst noch so geschockt gewesen.
Noch vor einigen Stunden hatte sie selbst so erschrocken nach Luft geschnappt, als sie in das Gesicht ihrer Patientin geblickt hatte.
„Sie ist inzwischen über den Berg“, erklärte sie daher mit ruhiger Stimme. „Heute Nacht sah das allerdings noch ganz anders aus.“
Ginny trat neben Hermines Bett und griff nach ihrer Hand. Sie hatte ihre Freundin insgeheim schon immer bewundert. Auch wenn sie ihre Schwächen hatte – sie konnte manchmal unheimlich dickkoepfig und nervtoetend sein -, war sie doch auch liebenswert und klug. Ginny hatte in Hermine immer ein Vorbild, die große Schwester, die sie nie hatte, gesehen.
Und nun lag sie vor ihr und sah so unglaublich verletzlich aus.
“Wer war das?“
Madam Pomfreys Antwort überraschte Ginny nicht, war es doch beinahe offensichtlich, dennoch jagte sie ihr kalte Schauer über den Rücken. „Todesserangriff.“
Hermine verbrachte die nächsten Tage vor allem schlafend. Nur ab und zu wachte sie mit glasigem Blick auf, bekam aber um sich herum nichts mit.
Ginny verbrachte jede freie Minute bei ihr und auch Ron und Harry besuchten sie sooft, wie sie konnten.
Als Hermine jedoch endlich wieder völlig zu Bewusstsein kam, war sie völlig allein. Ginny hatte gerade Unterricht und Ron und Harry mussten arbeiten.
Sie fühlte sich schwach und ihr Arm schmerzte. Als sie ihren Kopf zur Seite drehte, konnte sie sehen, dass ihn ihrer Armbeuge eine Infusionsnadel steckte.
Sie setzte sich vorsichtig etwas auf und versuchte zu sprechen, doch alles was sie heraus bekam, war ein heiseres Krächzen.
Sofort stand Madam Pomfrey an ihrem Bett, Hermine hatte keine Ahnung, wo diese plötzlich so schnell hergekommen war, und drückte sie zurück.
„Miss Granger, sie müssen ruhig liegen bleiben, bis ich noch einige Untersuchungen durchgeführt habe.“
Ginny lief gleich nach Unterrichtsende auf die Krankenstation. In den letzten Tagen war sie so um Hermine besorgt gewesen, dass der Schulalltag fast unbemerkt an ihr vorbei gegangen war.
Malfoy kam es seltsam vor, dass sie auf seine Beleidigungen nicht reagierte. Er hatte sie in den letzten Stunden, die sie durchweg gemeinsam gehabt hatten, beobachtet. Natürlich nur, um herauszufinden, ob sie etwas im Schilde führte, hatte er sich und auch Ruby, die äußerst eifersüchtig war, eingeredet.
Die Weasley starrte die ganze Zeit stumpf auf ihren Tisch und mitzuschreiben schien sie auch nicht, was Professor Binns natürlich nicht bemerkte. ‚Wahrscheinlich hat irgendein Kerl sie abserviert’, dachte Draco hämisch.
Er wollte ihr nach Ende der Stunde unauffällig folgen, vielleicht kam er so an wichtige Informationen für seinen Auftrag, doch sein Plan wurde durchkreuzt, denn das Mädchen sprang gleich, nachdem der Lehrer den Unterricht beendet hatte, auf und rannte davon.
Dieses mysteriöse Verhalten war selbst für eine Weasley seltsam und daher beschloss er, diese Göre, wie er sie in Gedanken gern nannte, in nächster Zeit im Auge zu behalten.
Ginny staunte nicht schlecht, als sie Hermine nicht nur wach, sondern auch einigermaßen gesprächig, vorfand.
Sie waren momentan allein, also erzählte sie ihrer Freundin, was nun eigentlich vorgefallen war, ließ dabei allerdings wohlüberlegt die Rolle Snapes aus. Er habe mit ihr nochmals über ihre Lehrausbildung bei ihm reden wollen, sagte sie stattdessen.
Obwohl diese Erklärung nicht wirklich logisch war, stellte Ginny diesbezüglich keine Fragen. Einerseits weil sie wegen dem, was Hermine passiert war, viel zu aufgeregt war, andererseits weil sie spürte, dass ihre Freundin nicht weiter drüber reden wollte.
„Was wird jetzt wohl aus diesem Rowle“, fragte Ginny stattdessen. „Wenn sie ihn nach Askaban stecken, wird Voldemort doch merken, dass irgendetwas nicht mit Snape stimmt.“
Ginny wusste von Severus’ Doppelleben. Vor etwa einem Jahr hatten Harry, Ron und Hermine einen Plan ausgeheckt, um endlich aufzudecken, dass Snape ein Todesser war, dem man nicht vertrauen konnte.
Sie waren zu diesem Zeitpunkt im Grimmauldplatz Nr. 12 gewesen und so war es eigentlich auch nicht weiter verwunderlich, dass Dumbledore sie schließlich bei Seite nahm und sie, mit Snapes Erlaubnis, in das Geheimnis seines Doppellebens einweihte.
Bei Ron und Hermine erreichte dies den gewünschten Effekt, Harry hingegen war noch heute nicht völlig von Snapes Loyalität überzeugt.
Jedenfalls hatte Ginny dieses Gespräch damals mittels Langziehohren belauscht, weshalb sie ebenfalls über Snapes Spionagetätigkeit im Bilde war.
„Ah Miss Granger, wie schön, sie bei Bewusstsein zu sehen. Poppys Stärkungstränke wirken wahre Wunder, nicht wahr?“ Ein fröhlicher Dumbledore betrat in diesem Moment die Krankenstation. Er grüßte lächelnd Ginny und Hermine und fuhr dann fort. „Ich nehme an, sie haben Miss Weasley in alles eingeweiht, oder?“ Die Antwort bestand lediglich aus einem Nicken. „Ja, das dachte ich mir schon. Wie geht es ihnen, Miss Granger?“
Noch bevor Hermine antworten konnte, meldete sich Ginny zu Wort. Sie verabschiedete sich hastig und ging dann in Richtung Gemeinschaftsraum. Irgendwie ahnte sie, dass Dumbledore lieber ein Gespräch unter vier Augen führen wollte.
Kaum war Ginny aus dem Raum, bestürmte Hermine den Schulleiter mit Fragen. „Professor, wie geht es Severus? Was ist mit dem Todesser geschehen? Wissen sie schon irgendetwas von Voldemort?“
Dumbledore machte eine beschwichtigende Geste und forderte seine ehemalige Schülerin auf, sich zu beruhigen. „Voldemort hat in den drei Tagen, in denen sie schon hier sind, keine neuen Treffen einberufen. Auch um den Todesser müssen sie sich nicht sorgen, wir haben dafür gesorgt, dass seine Erinnerungen an die Ereignisse etwas anders sind, als sie eigentlich sein müssten.“ Er lächelte viel sagend, wurde aber sofort ernst. „Was mir wirklich Sorgen bereitet, ist Severus. War er in den letzten Tagen bei ihnen?“
Hermine wurde bleich. „Ich … ich weiß nicht. Ist er etwa verschwunden?“
„Nun das ist es nicht, aber sein Verhalten in den letzten Tagen ist mehr als bedenklich.“
„Was … was heißt das?“
Dumbledore musterte sie besorgt. „Nun er hält seine Stunden ganz normal ab, aber er ist ungewöhnlich reserviert und kalt.“ Hermine wollte lächelnd zu einer Erwiderung ansetzen, doch mit einer Geste bedeutete er ihr, noch etwas zu warten.
„Severus ist kein fröhlicher und warmherziger Mann, dass ist allgemein bekannt. Aber in den letzten Tagen … ich kann es nicht richtig in Worte fassen. Sie sollten zu ihm, sobald es ihnen möglich ist.“
Madam Pomfrey, die den Zustand ihrer Patientin noch immer besorgt überwachte, trat nun etwas ungehalten in den Raum. „Ich habe Miss Weasley erlaubt, Miss Granger einen kurzen Besuch abzustatten. Abgesehen davon, dass die Zeit inzwischen um ist, sehen sie nicht wie Miss Weasley aus, Professor.“
Mit einem schelmischen Lächeln verabschiedete sich der Schulleiter von Hermine.
Diese blieb ratlos und beunruhigt zurück.
Schon nach zwei Tagen hielt Hermine es im Krankenbett nicht mehr aus. Unter Madam Pomfreys Protesten verließ sie ihr Bett und machte sich auf den Weg in den Kerker.
Aufgeregt klopfte sie an die Tür von Severus’ Privaträumen.
Erst nach dem dritten Klopfen erklang ein völlig ruhiges „Herein“. Das verwunderte Hermine etwas, schließlich bat er Besucher sonst nur ungern zu sich.
“Severus“, begrüßte sie ihn freudig. Sie wusste nicht, was Dumbledore hatte, Snape sah aus, wie immer - nein halt - sie hielt inne. Irgendetwas war anders an ihm. Was war das bloß?
„Miss Granger, was kann ich für sie tun?“, fragte er förmlich. Verwirrung überkam sie. Miss Granger? Und warum sagte er nichts dazu, dass sie wieder genesen war?
„Severus … ich bin aus dem Krankenflügen entlassen worden“, stotterte sie daher unbeholfen. Was war das? Warum sah er sie so emotionslos an?
„Das sehe ich auch.“
“Ja … aber freust du dich nicht?“ Hermine war beinahe den Tränen nahe. Was sollte dieses Spiel? Wollte er sie büßen lassen, weil sie daran schuld war, dass seine Tarnung aufgeflogen war?
„Was geht es mich an?“
Sprachlos stand sie vor ihm, unfähig sich zu bewegen oder auch nur irgendetwas zu tun. Sie musste träumen oder sie bildete sich das ein …
„Ist noch etwas?“, fragte Snape ruhig und als sich Hermine noch immer nicht bewegte, fügte er hinzu, „Sie sollten jetzt gehen.“
Mechanisch wandte sich Hermine um. Sie befand sich in einer Art Schockzustand. Snape interessierte es nicht, ob es ihr gut ging. Es war ihm egal, dass sie knapp dem Tod entronnen war. Er liebte sie nicht, er hasste sie nicht – nein - sie interessierte ihn nicht mehr.
Sie stolperte den Weg zu ihrem Zimmer mehr entlang, als dass sie ihn ging. Alles schien wie in Watte gepackt.
Unversehens wurde Ginny von Hermine angerempelt. Sie war eben auf der Krankenstation gewesen, doch mit säuerlicher Miene wurde ihr erklärt, dass Hermine sich selbst entlassen habe.
Verwundert rief Ginny ihrer Freundin nach, doch die reagierte gar nicht weiter.
‚Was hat sie nur, sie sieht aus, als hätte sie einen Geist gesehen.’
Snape saß unterdessen in seinem Zimmer, noch in derselben Position wie vor einigen Minuten.
Neben ihm stand eine Kaffeetasse, unberührt. Er konnte vage wahrnehmen, dass etwas in ihm nach Kaffee verlangte, doch er gab dieser Forderung nicht nach.
Mit ausdrucklosem Gesicht stand er auf und begab sich in seine Privaträume, genauer in das Badezimmer. Sein Körper hatte bestimmte Zwänge und Bedürfnisse, die erfüllt werden mussten, wenn er funktionstüchtig bleiben sollte.
Er trank, wenn der Körper das Signal dazu gab, er aß, wenn der Körper das Signal dazu gab, er schlief, wenn der Körper das Signal dazu gab.
Momentan sagte der Körper, dass es an der Zeit war, die Blase zu entleeren. Snape kam dieser Anweisung nach.
Sein Blick fiel auf einen Spiegel, der gegenüber hing. Wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, wäre er erschrocken aufgesprungen, als er des Spiegelbildes gewahr wurde.
Es zeigte nicht Snape, sondern eine dunkle, schemenhafte Gestalt, die ihre Hände gegen das Glas gepresst hatte, fast, als sei der Spiegel eigentlich ein Fenster.
Der Schatten wand’ sich und versuchte auszubrechen, doch eiserne Ketten, die um seine Gliedmaßen geschlungen waren, hielten ihn zurück.
Mit genauso viel Emotionslosigkeit, mit der Snape dieses erschreckende Schauspiel beobachtete, bemerkte er später, dass sein kleiner Finger steif war.
Er versuchte, ihn zu bewegen, doch mehr als ein leichtes Wackeln brachte er nicht zustande.
Snape war es egal, denn selbst die Fähigkeit, sich über etwas zu wundern, hatte er verloren.
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