von Roya
Huhu
danke für eure Kommis hab mich sehr gefreut ^^
An Claire Greene, Maeily Squizz und Die Evans :)))
Weiter gehts!
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Kapitel 4 - Hailie
"Charlie!"
Mein Herz hämmerte wie verrückt, als ich ihn erkannte. Er schaute mich erstaunt an und leicht irritiert. Seine roten Haare stachen in der heißen Sonne hervor. Seine Sonnenbrille hatte er abgenommen und hielt sie in der Hand. Zitterte seine Hand? Er hatte sich sehr verändert. Schon immer war er kräftig gewesen und damals hatten Bill und ich ihn wegen seiner kleinen Fettröllchen geärgert. Doch sein Anblick verschlug mir einfach den Atem. Jegliches Fett hatte sich in Muskeln verwandelt, die sich deutlich unter seinem engen Shirt abzeichneten. Sein Gesicht war immer noch herb und an seinen Armen konnte ich einige Narben erkennen. Er schien einen harten Job zu haben.
"Hailie."
Sein Atem schien stoßweise zu gehen, er blickte mich immer noch ungläubig an.
Dann ging es ganz schnell. Er sprintete nahezu die letzten fehlenden Meter zwischen uns auf mich zu und schon fand ich mich in einer langen Umarmung wieder. Mein Herz klopfte immer noch stark und ich erwiderte die Umarmung. Ich sog tief seinen Duft ein, der nach einer Mischung aus Baumrinde und seltsamerweise Ruß roch. Es benebelte mich geradezu und auch nachdem er mich losgelassen hatte, starrte ich ihn an. Binky unterbrach diesen Moment schließlich ziemlich ruppig.
"Tach, Charlie. Wie gehts? Ich dachte, du arbeitest weiter weg?"
Charlie schien aus einer Art Trance zu erwachen und blickte meine Freundin leicht verwirrt an.
"Ja, das mach ich auch. Aber ich habe Urlaub."
Binky nickte geschäftsmäßig und zupfte an meinem Shirt.
"Kommst du, Hailie? Mum hat gekocht."
Ich nickte mechanisch und blickte weiterhin in Charlies Augen. Sie waren so voller Fragen. Fragen, die ich ihm wahrscheinlich nie beantworten könnte. Ungeduldig zog Binky nun an mir und ich setzte mich rückwärts in Bewegung. Charlie wurde unruhig.
"Ich würde mich gerne mal mit dir treffen, Hail."
Ich nickte langsam. Wir entfernten uns immer schneller von dem Rothaarigen.
"Wie wäre es mit heute Abend? Hier am Brunnen? Um acht Uhr?"
Ich wollte antworten, doch ich hatte einen dicken Kloß im Hals. Also nickte ich wieder. Dann waren wir im Wald.
"Pfff, der ist doch eh wieder auf der Suche nach einer Neuen. Sein Bruder hat sich die Cousine von Clara geschnappt, die zu Besuch hier ist."
"Bill ist auch hier?"
"Ja, scheint auch Urlaub zu haben. Jetzt komm."
"Warum bist du so negativ den Zweien gegenüber? Das war doch früher nicht ganz so."
Binky wurde knallrot und ich wusste instinktiv Bescheid.
"Hattest du was mit ihnen?"
Sie nuschelte vor sich hin.
"Nur mit Bill. Aber auch nur ein paar Wochen, bis er letztendlich seinen Job außerhalb angenommen hat."
Ich konnte nicht sagen warum, aber es erleichterte mich zutiefst, dass Binky Bill genannt hatte und nicht Charlie.
"Ich weiß nicht, ob ich heute Abend zum Brunnen gehen soll."
"Das fragst du noch? Natürlich nicht!"
Damit war das Thema für meine Freundin beendet.
Das Abendessen verlief ruhig. Ich hatte absolut keine Lust, mich zu unterhalten, denn ich war in Gedanken versunken. Charlies Auftauchen hatte mich vollkommen aus der Fassung gebracht. Ich war damals verschwunden, ohne dass ich ihm oder seiner Familie Bescheid gesagt hatte. Laut Binky waren die zwei Jungen in den Weihnachtsferien zu mir nach Hause gekommen und hatten sich gewundert. Das Haus hatte leer gestanden. Mir war es sehr schwer gefallen, ohne ein Wort zu verschwinden, aber es hatte sein gemusst. Ich spürte eine große Trauer in mir hochkommen. Ein sehr bekanntes Gefühl. Es hatte mich die letzten vier Jahre lang verfolgt und mein Leben in seine Bahnen gelenkt. Der Kloß in meinem Hals, den ich seit der Begegnung mit Charlie sprte, wurde dicker und schnürte mir die Kehle zu. Ich hörte Binky erst, als sie mich anstupste.
"Hey, Träumerin. Ich bin jetzt weg."
Ich sah sie an und fragte mich, wo sie nur hin ging. Langsam dämmerte es mir. Stimmt, sie war ja mit Mike fürs Kino zu Zweit verabredet. Wirklich nett... aber ich gönnte es ihr ja. Außerdem ging ich diesem Mike aus dem Weg, weil ich Angst hatte, dass ich mich in ihn verlieben könnte. Obwohl er mir mittlerweile nicht mehr so toll vor kam, denn immer wieder stahl sich das Bild von einem mir sehr bekannten Rothaarigen vor mein inneres Auge.
"Viel Spaß."
"Werde ich haben. Und du mach dir einen ruhigen Abend und schau was Fernsehen oder so."
Ich nickte mechanisch und sah meiner Freundin nach, die strahlend aus dem Haus verschwand.
"Und, was hast du heute Abend vor?"
Mrs Kelvin schaute mich erwartungsvoll an.
"Keine Ahnung. Mal schauen."
Ich half ihr den Tisch abzuräumen und ging dann ins Zimmer hinauf. Aus dem Dachfenster konnte ich dunkle Wolken sehen und kurz darauf prasselte ein starker Sommerregen auf das Dach. Ich seufzte. Das Wetter schien sich meiner Laune anzupassen. Auf dem Bett liegend verschränkte ich die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke.
Natürlich wollte ich ihn wiedersehen. Er hatte mir damals so viel bedeutet. Aber er würde nach einer Antwort verlangen. Ich konnte es ihm einfach nicht erzählen, dafür war ich noch nicht bereit. Wie ich so da lag, spürte ich die alten, wohl bekannten Gefühle wieder in mir aufkommen. Hass gegen die Leute, die mir das alles angetan hatten. Aber auch Angst und Misstrauen gegen alles und jeden. Niemand außer meinen Eltern und Binkys Familie wusste Bescheid. Das hatte die Polizei uns damals versprochen. Ich spürte erneut Tränen meine Wangen herab laufen und fühlte mich einfach nur verlassen und allein. Mein Blick fiel auf die Uhr an der Wand. Es war zehn vor Acht. Mein Herz schlug auf einmal schneller und der Kloß bildete sich wieder. Ich gestand es mir endlich ein: Ich vermisste Charlie schrecklich. Als ich ihn nachmittags gesehen hatte, waren all die Gefühle wieder hochgekommen, die ich damals fr ihn empfunden hatte. Die tiefe Freundschaft, die uns beide verbunden hatte, sie konnte doch nicht einfach verschwunden sein. Mit einem Ruck setzte ich mich auf und wischte mir trotzig die Tränen aus dem Gesicht. Dann sprang ich auf meine Beine und lief dir Treppe hinunter.
"Ich bin noch im Dorf. Bis später."
Bevor Mrs Kelvin mich aufhalten konnte, war ich aus der Haustüre geschlüpft und zog mir meine Vans über die Füße. Schnell eilte ich die kleine Auffahrt hinunter und auf den Wald zu. Kurz stockte ich. Die Bäume lagen dunkel vor mir und der Weg schlängelte sich hindurch. Glücklicherweise gab es mittlerweile funktionierende Lampen, so dass es nicht vollkommen dunkel war. Trotzdem verspürte ich eine riesige Unbehaglichkeit im Wald und rannte schnell hindurch. Meine Uhr sagte mir, dass es schon Acht Uhr war und ich versuchte, noch schneller zu rennen.
Das beklemmende Gefühl der Ungewissheit und Angst verließ mich, als ich den Wald verlief und die Lichter von Ottery sah. Es war schon Zehn nach Acht und ich war vollkommen aus der Puste. Nach weiteren fünf Minuten war ich am Brunnen und blieb mit Seitenstichen stehen. Mein Atem ging schwer und meine Augen huschten über den Platz. Wellen der Enttäuschung überkamen mich. Er war nicht mehr da. Diese Gedanken vertrieben alles andere aus meinem Kopf. Vollkommen verloren setzte ich mich auf die Bank, pitschnass wie ich war, und fing an zu weinen. Ich spürte die Tränen in Bächen die Wangen herunter laufen. Warum hatte ich mich denn nicht auch schon früher dazu entschlossen, zu dem Treffen zu kommen?
"Scheiße!"
Ich fluchte vor mich hin und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Zum Glück war es warm, der Regen machte mir nichts aus.
"Hail?"
Voller Schreck ruckte ich hoch. Ein verdatterter und ziemlich trockener Charlie stand vor mir mit verwirrtem Gesichtsausdruck. Er hielt einen großen Regenschirm über sich. Sein Blick verwandelte sich in ein schiefes Grinsen, als er mich da sitzen sah.
"Du siehst aus wie ein begossener Pudel."
Ich musste auch grinsen und spürte mein wieder stark pochendes Herz.
„Tut mir Leid, ich musste Mal für kleine Jungs.“
Er bot mir seine Hand an und ich zog mich an ihr hoch. Glücklicherweise merkte er im Regen und Halbdunkeln nicht, dass ich geweint hatte. Langsam wurde mir doch kalt und ich spürte, wie ich zu zittern begann.
Charlie schien es ebenfalls zu bemerken, denn sein Grinsen wich einem besorgten Gesichtsausdruck.
„Komm, lass uns erst einmal ins Trockene gehen.“
Ich nickte und zusammen gingen wir Richtung eines kleinen Cafés, das auch zu dieser Stunde noch offen hatte. Mein Arm und mein Bein kamen wieder und wieder an Charlies Körper, weil wir so dicht aneinander gingen wegen des Regens und dem fr zwei Personen etwas zu kleinem Regenschirm. Ich genoss es und er schien auch nichts dagegen zu haben. In dem Café setzten wir uns in eine kleine, gemütliche Nische und Charlie ging zum Tresen. Ich starrte ihm nach. Was sollte ich ihm erzählen, wenn er mich ausfragen würde? Ich konnte es ihm nicht sagen, auf keinem Fall. Dafür war die Überwindung viel zu groß. Er kam wieder und stellte vor mich sowie vor ihn jeweils eine dampfende Tasse ab.
„Damit du dich wieder richtig aufwärmen kannst.“
Sein Strahlen und sein durchdringender Blick ließen Schauer über meinen Rücken fahren. Er sah verdammt gut aus. Seine braunen, leuchtenden Augen blickten mich an. Ich verlor mich in ihnen. Unwillkürlich musste auch ich lächelnd und als ich mich besann, murmelte ich schnell:
„Danke.“
Wir saßen uns gegenüber und schwiegen. Nachdem ich meinen Blick von seinem Gesicht loseisen konnte, wanderte er über seinen Oberkörper und allem, was ich von meinem Platz aus sehen konnte. Er war wirklich sehr muskulös im Gegensatz zu früher. An diesem Abend trug er ein T-Shirt in beige. Es lag eng an seinem Körper an. Ich bemerkte weitere Narben auf seinen Armen.
„Hab ich mich stark verändert?“
Ich schreckte hoch und merkte sofort die Röte in mein Gesicht aufsteigen. Er schmunzelte und ich bemerkte seine ebenfalls prüfenden Blicke, die über mein Gesicht und meinen Körper glitten. Ich wurde dunkelrot und nahm schnell die Tasse in die Hand. Verflucht, war das heiß! Um mir nichts anmerken zu lassen, trank ich trotzdem einen Schluck von dem heißen Kakao. Prompt verschluckte ich mich und hustete.
„Achtung, heiß. Geht’s denn?“
Ich nickte nur und schaute in sein besorgtes Gesicht. Dann begann das Verhör. Doch ich wrde es ihm nicht leicht machen.
„Wie geht’s dir denn so?“
„Ich kann mich nicht beklagen. Und dir?“
„Ebenfalls. Ich habe glücklicherweise gerade Urlaub.“
„Schön. Was arbeitest du denn?“
Er schien ausweichen zu wollen.
„Ach, so ein langweiliger Job auf einer Farm.“
„Eine Farm?“
„Ja.“
„Und was machst du da? Die Tiere versorgen?“
„Genau das.“
„Aha. Interessant.“
Er schien irgendwie erleichtert zu sein und sprang zum nächsten Thema.
„Wo wohnst du denn im Moment? Also wenn du nicht bei Binky bist.“
„In London.“
„Ah. Und, wie ist das Stadtleben?“
„Ganz okay. Viel lauter und hektischer, aber man gewöhnt sich daran.“
Wieder nickte er. Dann wurde er Ernst und ich spürte, dass es jetzt soweit war.
„Warum seid ihr damals so schnell fortgezogen? Wir waren ja nur zwei Monate weg.“
Mein Blick senkte sich zu Boden. Was sollte ich ihm Antworten? Also versuchte ich auszuweichen.
„Hat Binky euch denn nichts erzählt?“
Sein Blick verfinsterte sich.
„Sie sagte nur, dass deine Eltern wegen beruflichen Gründen weg mussten.“
Ich nickte.
„Aber ich dachte, deine Mutter wäre zufrieden mit ihrem Job als Journalistin fr die Dorfzeitschrift? Und dein Dad musste doch eh immer in die nächste Stadt fahren zum Arbeiten. Warum musstet ihr denn auf einmal weg?“
Er schien es sich genau überlegt zu haben. Natürlich hatte er das! Ich schalt mich selber einen Dummkopf. Er hatte schließlich Jahre lang Zeit gehabt, sich solche Fragen auszumalen. Ich sagte ihm das, was ich auch allen anderen damals gesagt hatte, die von unserem Umzug mitbekommen hatten.
„Na ja, die Firma von Dad hat seinen Standort verlegt und deshalb mussten wir nach London, damit er den Job nicht verliert.“
Charlie nickte. Überzeugt schien er nicht zu sein. Dann kam die Frage, vor der ich mich am meisten gefürchtet hatte.
„Warum hast du dich nie gemeldet?“
Sein Blick war flehend und seine Stimme drängend. Aber ich konnte einfach nicht. Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber da ich nicht musste was, schloss ich ihn wieder und blickte stumm auf den Tisch.
„Wenn du nichts mehr mit uns zu tun haben wolltest, kannst du mir dann sagen warum? Wir waren so geschockt gewesen, als du auf einmal weg warst. Ohne Nachricht, ohne alles. Wir... ich habe dich vermisst.“
Seine Stimme war immer leiser geworden und ich spürte mit jeder Sekunde mein Herz schneller schlagen. Dann kamen mir die Tränen. Ich konnte sie nicht zurückhalten, dieses Mal nicht. Seine Worte hatten mein Herz durchbohrt.
„Was ist denn los?“
Ich sah ihn an und stockte. Sein Gesicht spiegelte eine Unmenge an Emotionen wider. Überraschung wegen meiner Tränen, Unwissenheit, Trauer, Enttäuschung. Es brach mir das Herz, dass ich ihm nicht mehr sagen konnte. Langsam schüttelte ich den Kopf.
„Es tut mir Leid.“
Es brach aus mir heraus und ich stand ruckartig auf.
„Es geht einfach nicht.“
Und damit rannte ich hinaus. Ich hörte noch undeutlich jemanden meinen Namen rufen, aber ich wollte einfach nur noch hier weg.
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