von redangeleve
Fatale Desire
XLIII. Stay
In the silence of your room
In the darkness of your dreams
You must only think of me
There can be no in-betweens
When your pride is on the floor
I`ll make you beg for more
Stay with me
(Shakespeare`s Sister, Stay)
Nein, nein, nein! Mit wenigen Schritten hatte Hermine ihn erreicht und ging neben dem blonden Zauberer in die Knie. Lucius saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt, der Kopf war in den Nacken gesunken, der Zauberstab lag in seiner schlaffen Hand. Sein Gesicht schien noch blasser als sonst, die Augen waren geschlossen. Nur das leichte Heben und Senken seiner Brust deutete darauf hin, dass er noch am Leben war.
Ein großer Riss klaffte in der Vorderseite seiner Robe und gab den Blick auf eine tiefe Wunde frei. Die Verletzung sah aus, als habe jemand versucht seinen Körper mit einem Schwert in zwei Hälften zu spalten. Die Wunde begann auf der linken Seite, dicht neben der Halsschlagader und führte schräg über den Brust- und Bauchraum, bis hinab zum Beckenkamm.
Der Fluch war so stark gewesen, dass er nicht nur Fleisch und Muskeln, sondern auch die Knochen durchtrennt zu haben schien. Hermine musste hart schlucken. Sie brauchte keinen Abschluss in Medizin um zu wissen, dass diese Wunde allein tödlich war, doch war sie nicht die einzige sichtbare Verletzung. Auch an Lucius ausgestrecktem Bein klaffte ein tiefer Schnitt, um den die Hose blutverkrustet war.
„Lucius“, flüsterte sie entsetzt, jedoch ohne eine Reaktion seinerseits zu erreichen. Sie musste ihn aufwecken, ihn dazu bekommen, gegen das langsame Hinübergleiten in den Tod anzukämpfen, sonst würde alles verloren sein.
Mit angespannter Stimme sprach sie den Erweckungszauber: „Enervate.“
Ein Ruck ging durch seinen Körper, als er so plötzlich aus der Bewusstlosigkeit gerissen wurde. Lucius Augenlider flogen auf, doch sein Blick ging ins Leere, bevor sie sich erneut schlossen. Sein Gesicht verzog sich unter den starken Schmerzen und ein Stöhnen entwich seinen Lippen. Zischend sog er die Luft in seine Lungen, dann öffnete er erneut die Augen. Das Grau seiner Iris wirkte trüb, wie von einem Nebel verhangen. Es dauerte einen Augenblick bevor sein Blick klar wurde und er sie erkannte.
Ein schwaches Lächeln erschien auf seinen harten Zügen. „Du bist eindeutig die schönste Halluzination, die ich heute hatte“, flüsterte er rau.
„Ich bin keine Halluzination“, erwiderte Hermine und sie hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken, die in ihr aufstiegen. Sie wollte ihn nicht wissen lassen, wie groß ihre Angst in diesem Moment war.
„Ich hätte es wissen müssen“, erwiderte er schwach. „Wenn dich die Mauern Askabans nicht aufhalten können...“ Der Rest des Satzes wurde von einem schlimmen Husten verschluckt, der seinen Körper unkontrolliert erzittern ließ. Feine Blutbläschen bildeten sich in seinem Mundwinkel und Hermine wurde klar, dass seine Lunge sich mit Flüssigkeit füllte. Wenn er nicht bald von einem Heiler behandelt wurde, würde er an seinem eigenen Blut ersticken.
Sie fühlte sich so hilflos, als sie einfach daneben hockte und ihm dabei zusehen musste, wie er nach Atem rang, doch Merlin sei Dank ebbte der Husten nach wenigen Sekunden ab. Erschöpft schloss er erneut die Augen, doch sofort griff Hermine nach seiner Hand. Sie zuckte kurz zusammen, als sie die kühle Haut berührte, doch sie erlaubte es sich nicht, länger darüber nachzugrübeln.
„Du musst wach bleiben“, beschwor sie ihn eindringlich. „Ich habe Harry eine Eule schicken lassen. Er wird bestimmt gleich hier sein und dich ins Mungos bringen.“ Sie sagte es mit so viel Überzeugung wie möglich. Sie wollte es glauben. Es musste klappen, denn es war ihre einzige Hoffnung. Tatsächlich öffnete Lucius darauf erneut die Augen.
„Es ist zu spät“, murmelte er undeutlich. „... ist vorbei.“
„Nein“, gab sie bestimmt zurück. „Du wirst nicht sterben. Hörst du: Ich lasse es nicht zu.“
Es war mehr als ein Versprechen. Es war ein Schwur. Egal, ob die Apparationsgrenzen immer noch intakt waren oder das Flohnetzwerk weiter ausgefallen war, wenn Harry nicht bald hier auftauchte, würde sie ihn selbst ins Krankenhaus bringen. Sie wusste nicht wie, aber sie würde nicht hier sitzen und dabei zusehen, wie er starb. Niemals. Sie hatte nicht so hart gekämpft, um jetzt einfach aufzugeben.
Flüchtig drückte er ihre Hand. „Du bist eine bemerkenswerte Frau, Hermine Granger“, erwiderte er angestrengt gegen einen weiteren Hustenanfall kämpfend.
„Und deshalb tätest du gut daran auf mich zu hören und nicht aufzugeben.“ Sie gab sich alle Mühe seinen arroganten Tonfall zu imitieren, doch sie scheiterte kläglich. Noch nie hatte sie ihn so schwach, so menschlich gesehen und noch nie hatte sie so sehr befürchtet wie jetzt, dass dieser gemeinsame Augenblick ihr letzter sein würde.
Merlin, wo blieb Harry nur? Sie musste etwas tun, jetzt sofort, aber sie hatte keine Ahnung wie oder was. Der einzige Heilzauber den sie kannte, war ein einfacher Episkey, doch der würde bei dem Ausmaß der Verletzungen nichts bewirken. Zum ersten Mal seit ihrem Abschluss in Hogwarts verfluchte sie den dortigen Lehrplan. Nichts was sie dort gelernt hatte, hatte sie auf eine solche Situation vorbereitet. Die einzige Informationsquelle, aus der sie nun schöpfen konnte, waren einige Muggelfilme, die sie sich mit Ron abends im Fernsehen angesehen hatte und ihr eigener, gesunder Menschenverstand. Und dieser sagte ihr, dass sie als erstes die Blutungen stoppen musste.
Hermine warf einen schnellen Blick durch den Raum, auf der Suche nach etwas, womit sie das Bein abbinden konnte. Hinter einem Sessel sah sie schließlich die Leiche eines weiteren Todessers. Ohne lange zu überlegen sprang sie auf und zog dem Toten den Umhang aus, den sie mittels eines Zaubers in Streifen schnitt. Ihre Finger zitterten leicht, als sie eine der Stoffbahnen um Lucius Oberschenkel schlang und fest zog. Er stöhnte gequält auf. Seine blutigen Finger krallten sich in den Stoff seiner Hose, doch er zwang sich still zu halten.
Tatsächlich schien der Blutstrom, der aus der Wunde sickerte, zu versiegen. Doch Hermine blieb keine Zeit, um Erleichterung zu empfinden. Die Wunde am Rumpf war ungleich schwerer als die am Bein und auch hier rann die kostbare, rote Flüssigkeit fortwährend in den Stoff von Lucius Robe. Auf einen Schwenk ihres Zauberstabs transformierte sie die Sofakissen in sterile Kompressen und eine Decke in Mullbinden, die sich dann von selbst unter der zerrissenen Robe um seinen Brustkorb wickelten. Aber Hermine wusste, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein war.
Ein Röcheln drang aus seiner Kehle und noch mehr hellrotes Blut tropfte von seinem Mund auf seine Kleidung. Verzweifelt rang der blonde Mann nach Luft. Seine Lippen öffneten und schlossen sich immer wieder, unfähig den lebenswichtigen Sauerstoff in seine Lunge zu pumpen.
„Oh Merlin, oh Gott!“ jammerte Hermine in heller Panik. Sie richtete den Zauberstab auf seine Kehle, verzweifelt nach dem Zauber fahndend, den er damals benutzt hatte, um ihr das Atmen zu ermöglichen.
„Respire!“ rief sie, sich endlich erinnernd. Es gab ein zischendes Geräusch, als Lucius schließlich einen zitternden Atemzug nahm. Die Spannung wich aus seinen Muskeln, seine Augen schlossen sich und sein Körper kippte zur Seite. Er war erneut in die Bewusstlosigkeit geglitten.
Verzweifelt schloss auch Hermine kurz die Augen um sich zu sammeln. Sie konnte nicht mehr länger warten. Sie musste jetzt handeln oder es würde zu spät sein. Dieses Mal hatte der Zauber gewirkt, aber wenn Lucius Lunge erst voll Blut gelaufen war... Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Es würde nicht so weit kommen. Sie würde ihn retten. Aber wie? Erneut machte Hermine einen Versuch zu apparieren, doch wieder fühlte es sich so an, als würde sie von Tonnen schweren Gewichten am Boden festgehalten. Die Apparationsgrenzen waren also noch aktiv. Demnach würde auch das Flohnetzwerk nicht funktionieren, abgesehen davon, dass das Muggel-Haus gar keinen Kamin hatte. Auf dem Besen konnte sie Lucius auch nicht mitnehmen. Selbst wenn sie sein Gewicht per Zauber halbierte, traute sie ihren Flugkünsten nicht so weit über den Weg, als dass sie ihre beiden Körper auf dem wackeligen Stiel halten konnte. Außerdem würden die starken Bewegungen des Besens ihn vermutlich nur noch schneller verbluten lassen.
Nein, es musste einen anderen Weg geben...
Panisch verließ ihr Blick seinen schlaffen Körper und zuckte durch den verwüsteten Raum, über zerstörte Möbel und die Überreste des Fernsehers hinweg, bis er ein Telefon streifte, das auf dem Boden lag. Hermine stutzte. Dunkel glaubte sie sich zu erinnern, in dem Vorort über ein Muggel-Krankenhaus geflogen zu sein. Es wäre der pure Wahnsinn, einen Krankenwagen zu rufen. Die Sanitäter würden Fragen stellen und die Polizei einschalten, schließlich war das ganze Haus voller Leichen. Alles in ihr sträubte sich, überhaupt an diese Möglichkeit zu denken – und doch war es vielleicht ihre einzige Chance. Die Ärzte dort könnten die Erstversorgung übernehmen, ihn am Leben halten, bis es ihr gelang, Kontakt mit dem St. Mungos aufzunehmen.
Natürlich würde das Ministerium ausrasten, vielleicht würden sie sie sogar vor das Zaubergamot bringen, da sie mit dieser Aktion die ganze magische Welt in Gefahr brachte, aber sie brauchte nur einen Blick auf Lucius zusammengesunkene Gestalt zu werfen, aus der das Leben mehr und mehr wich und sie wusste, dass ihr die Konsequenzen egal waren.
Mit einem entschlossenen Ausdruck im Gesicht stand Hermine auf und ging hinüber zum Telefon. Sie hob es auf und drückte auf den Rufknopf, erleichtert feststellend, dass ein Freizeichen ertönte. Noch aus Kindertagen kannte sie die Nummer des Muggel-Notrufs. Schon vor ihrer eigenen Telefonnummer hatten ihre Eltern ihr diese Eine eingebläut. Direkt nachdem auf der anderen Seite der Hörer abgenommen wurde, platzte es aus Hermine heraus:
„Hallo! Ich brauche dringend einen Krankenwagen.....“
XXXXXX
Etwas abseits vom Trubel der anderen Angehörigen saß Hermine auf einem der unbequemen Plastikstühle der Wartezone des St. Mungos und starrte auf einen abgenutzten Fleck im sonst auf Hochglanz gezauberten Linoleum. Nicht weit von sich entfernt hörte sie, wie Draco leise auf seine Mutter einsprach. Er war allein mit ihr nach England gekommen. Die fortgeschrittene Schwangerschaft seiner Frau Astoria erlaubte es ihr nicht, weite Reisen zu unternehmen. Hermine konnte die bohrenden Blicke spüren, die Narzissa ihr durch die Luft zuwarf und sie wusste, wenn diese Blicke hätten töten können, wäre sie schon seit Stunden nicht mehr unter den Lebenden.
Hermine hatte es als ihre Pflicht empfunden, Lucius Frau benachrichtigen zu lassen, sobald das Flohnetzwerk wieder funktionstüchtig war. Sie selbst hatte noch völlig unter dem Schock der Ereignisse gestanden, um sich über die Reaktion der blonden Hexe Gedanken zu machen. Immer wenn sie die Augen schloss, sah sie die Sanitäter, wie sie Lucius auf einer Trage in den Krankenwagen schoben. Er hatte mehr tot als lebendig gewirkt und an den Minen der Männer hatte Hermine ablesen können, dass er das ihrer Meinung zu Folge auch bald sein würde.
Dann waren die Polizisten erschienen. Es waren Dutzende gewesen. Wie ein Schwarm Hornissen hatten sie sich auf das Haus gestürzt und die Leichen in Augenschein genommen, während Hermine ihnen gleichzeitig Rede und Antwort stehen musste. In aller Eile hatte sie sich eine wirre Geschichte über einen Bandenkrieg zurecht gelegt und innerlich dafür gebetet, dass die Auroren endlich kommen würden, damit sie diesem Schauspiel ein Ende bereiten konnten.
Tatsächlich hatte es auch nicht lange gedauert, bis Harry gemeinsam mit sechs seiner Kollegen auf das Grundstück apparierte. Plötzlich ging alles sehr schnell. Ein paar gemurmelte Zauber später standen die Polizisten mit glasigem Blick mitten in der Bewegung erstarrt, während die Auroren den Tatort veränderten. Merlin sei Dank war das Grundstück durch die hohen Bäume so gut abgeschirmt, dass die umliegenden Nachbarn von dem ganzen Trubel nichts mitbekamen. Mit Hilfe einiger Vergissmichs, die ebenfalls kurz darauf erschienen, wurden die Gedächtnisse der Männer so verändert, dass sie nun glaubten, zu einem Einbruch gerufen worden zu sein.
Im Haus blieben nur die Leichen der Muggel-Familie zurück, der mit Hilfe der Magie Schusswunden zugefügt worden waren. Die Leichen der Todesser einschließlich des toten Macnair wurden zu weiteren Untersuchungen ins Ministerium gebracht.
Entgegen ihrer Befürchtungen blieb Hermine bis auf weiteres unbehelligt. Die Auroren nahmen lediglich ihre Version der Ereignisse zu Protokoll. Offenbar hatten die meisten Männer die Nacht damit verbracht, gemeinsam mit dem magischen Unfallumkehr-Kommando und den Vergissmichs, die Folgen von ähnlichen Übertretungen des Zaubereigesetzes wieder in Ordnung zu bringen.
„Geht es dir gut?“ fragte Harry eine sichtlich blasse Hermine, als das Chaos um sie herum endlich beseitigt war.
Die junge Frau nickte schwach.
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, entschuldigte sich der Schwarzhaarige unbehaglich. „Als es sich heraus stellte, dass die Todesser einen Kontakt im Ministerium hatten, der das Flohnetzwerk manipuliert hat, mussten wir alles daran setzten, den Mann so schnell es geht festzunehmen. Und die Apparationsgrenzen wieder runter zu fahren, ging dann auch nicht so schnell wie gedacht. Das war schon ein ziemlich mächtiger Zauber.“
Hermine winkte müde ab. „Ich mache dir keine Vorwürfe. Aber es war furchtbar hier zu stehen und nicht helfen zu können. Hoffentlich habe ich das Richtige getan.“
„Die Heiler sind schon auf dem Weg“, beruhigte Harry die Freundin. „Ich bin sicher, es wird alles gut.“
Später hatte Hermine erfahren, dass die Heiler Lucius quasi vom Operationstisch der Muggel mitgenommen hatten. Das halbe Krankenhaus hatte eine Gedächtnismodifizierung verpasst bekommen. Trotzdem hegte Hermine echte Zweifel, dass niemand mehr übrig war, der sich an den auffälligen Patienten erinnerte. Doch all das war zweitrangig. Ihr gesamtes Denken kreiste nur um den einen Wunsch: Dass Lucius überleben möge.
Unwillkürlich wurde sie an die Stunden erinnert, in denen sie schon einmal um das Leben eines Menschen gebangt hatte, der ihr am Herzen lag. Damals, als Ron von dem vergifteten Met getrunken hatte. Warum nur bedurfte es immer erst einer Katastrophe bevor ihr klar wurde, wie viel sie für einen Mann empfand? Ja, jetzt, hier auf diesem Krankenhausflur wusste sie, dass sie Lucius liebte. Im Grunde ihres Herzens hatte sie es schon eine ganze Weile gewusst, doch bis zu diesem Moment hatte sie nicht den Mut gehabt, es sich einzugestehen. Doch der Schmerz in ihrem Inneren zeigte ihr ganz deutlich, wie groß ihre Angst war, ihn zu verlieren. Wenn er nun starb, dann würde sie nie mehr die Chance bekommen, ihm zu sagen wie viel er ihr bedeutete.
Schwarze Hosenbeine schoben sich in ihr Blickfeld und rissen sie aus ihren Gedanken. Verwirrt starrte sie auf die teuren Designerschuhe vor sich, für einen Moment die absurde Hoffnung hegend, dass es seine Beine waren, doch als sie den Blick hob, sah sie in Dracos kaltes, blasses Gesicht.
„Ich hoffe, du genießt deine letzten Stunden in Freiheit“, schnarrte der Blonde böse. „Denn wenn mein Vater aufgrund der Unfähigkeit dieser Muggelärzte stirbt, dann schwöre ich dir Granger, werden meine Anwälte dafür sorgen, dass du die nächsten Jahre in Askaban verbringst.“
Tbc....
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