von redangeleve
Fatale Desire
XXXV. Privacy
I need my privacy, I need my privacy
So paparazzi, get away from me
(Michael Jackson, Privacy)
So schnell sie ihre Pumps trugen, lief Hermine den Flur zu ihrem Büro hinunter. Merlin, sie hatte tatsächlich verschlafen... Der Abend gestern war auch wirklich lang gewesen. Bis spät in die Nacht hatten sie noch am Kaminfeuer gesessen und geredet, bevor sie ihr Date schließlich zusammen im Bett ausklingen ließen. Erschöpft und zufrieden, wie sie danach gewesen war, hatte sie glatt vergessen einen Weckzauber durchzuführen. Sie konnte nur hoffen, dass McMahon ihre Abwesenheit noch nicht bemerkt hatte...
Mit Schwung öffnete Hermine die Tür zu ihrem Büro. Ihr Herz setzte für einen Moment aus, als sie ihren Chef unmittelbar vor sich stehen sah, dann riss sie sich zusammen und schloss die Tür hinter sich. Erst jetzt nahm sie wahr, dass auf ihrem Schreibtisch ein großer Pappkarton stand.
„Guten Morgen, Sir“, begann Hermine höflich. „Es tut mir leid, dass ich zu spät bin. Meine Eule hat sich gestern den Flügel geklemmt...“
„Ihre Ausreden interessieren mich nicht, Miss Granger“, fiel ihr der alte Mann ins Wort. „Ihr zu spät kommen passt allerdings zu der Arbeitsmoral, die Sie in letzter Zeit an den Tag legen.“
Er warf einen missbilligenden Blick auf Hermies zerknitterten Rock und die zerknautschte Bluse. Sie war so knapp in der Zeit gewesen, dass sie nur schnell in ihre Wohnung appariert war und die Sachen von gestern übergeworfen hatte. Sie konnte ja schließlich nicht in dem Chiffon-Kleid zur Arbeit gehen. Merlin, es wurde wirklich Zeit, dass sie etwas Wechselwäsche bei Lucius deponierte. Nicht einmal eine Dusche hatte sie sich gegönnt, sondern nur einen schnellen Frischezauber durchgeführt.
„Ich verstehe nicht, Sir“, stotterte die junge Frau verwirrt. „Ich habe meine Arbeit immer gewissenhaft erledigt.“
„Auf meinem Schreibtisch liegen ein gutes Dutzend Pergamente, die das Gegenteil belegen“, gab McMahon eisig zurück. „Dieser Umstand hat mich bezüglich der Nachfolgeregelung nachdenklich gestimmt. Wir können uns in der Abteilung für Magische Zusammenarbeit keine Misstöne erlauben, Miss Granger. Ganz egal, welche Turbolenzen Ihr Privatleben im Moment durchmacht, die Arbeit für das Ministerium muss immer an erster Stelle kommen. Doch das tut sie schon eine ganze Weile nicht mehr.“
Hermiens Herz begann wie wild zu schlagen. „Ich versichere Ihnen, ich...“, versuchte sie sich zu rechtfertigen.
„Ich denke, ich habe mich bei unserer letzten Unterredung deutlich ausgedrückt, Miss Granger. Ich kann und will nicht erleben, dass sich meine letzte Entscheidung als Leiter dieser Abteilung als Fehler herausstellt. Unglücklicher Weise musste ich erfahren, dass Sie in letzter Zeit Umgang mit höchst zweifelhaften Zauberern hatten.“
Ihre Wangen nahmen ein tiefes Magentarot an. „Mein Privatleben hat nicht das Geringste mit meinen beruflichen Entscheidungen zu tun.“
„Ich bitte Sie“, stieß McMahon verächtlich hervor. „Wenn Sie - als Ministeriumsmitarbeiterin - sich heimlich mit Lucius Malfoy treffen, so ist das wohl kaum eine Sache, die nur Sie allein angeht.“
Langsam aber sicher wurde es Hermine zu bunt. „Lucius Malfoy ist ein freier Bürger so wie Sie und ich.“
Der alte Zauberer gab einen verächtlichen Laut von sich. „Seit wann sind Sie so blind, Miss Granger?“
„Und seit wann sind Sie so verbohrt, Mr. McMahon?“ Die Worte waren ausgesprochen, noch bevor Hermine sich überhaupt daran erinnern konnte, sie gedacht zu haben.
Die Gesichtsfarbe des Leiters der Abteilung für magische Zusammenarbeit wechselte von carmesinrot zu alabasterweiß, bevor sie schließlich wieder ihre normale Färbung einnahm. „Ich bin eigentlich nur gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Alastor Billingham meine Nachfolge antreten wird. Ein Memo dazu befindet sich bereits im Umlauf. Ihr Büro wird übermorgen an ihn übergehen. Sie sollten zu Ihrer Kollegin Mrs Misiopoulos wechseln. Doch nach unserem jetzigen Gespräch bin ich andere Ansicht.“
Er machte eine theatralische Pause und fixierte sie ernst. Aber wenn er erwartet hatte, dass Hermine vor Angst zittern würde, so wurde er enttäuscht. Die junge Frau wartete mit verschränkten Armen auf das, was nun kommen würde.
„Eine illoyale Mitarbeiterin ist für das Ministerium nicht tragbar. Und da Sie überhaupt keine Einsicht zeigen, werde ich den Minister um Ihre Entlassung ersuchen.“ Der alte Mann deutete auf den Pappkarton. „Ich verlange, dass Sie Ihre persönlichen Sachen bis heute Abend aus dem Büro entfernt haben. Die Personalabteilung wird Ihnen Ihre noch fälligen Galleonen auszahlen.“
Jetzt zitterte Hermine tatsächlich, aber nicht vor Angst sondern vor Zorn. „Wissen Sie was, Mr. McMahon?“ stieß sie zwischen den zusammen gepressten Zähnen hervor. „Ich gehe und zwar jetzt. Denn wenn ich es nicht tue, werde ich mit Sicherheit gleich Dinge sagen, die mir irgendwann noch furchtbar leid tun würden.“
Mit einem Schwenk ihres Zauberstabs flogen ein Stapel Bücher, das Tintenfass, diverse Federkiele und die kümmerliche Topfpflanze vom Fensterbrett in den Pappkarton, der sich darauf vom Schreibtisch erhob und in ihren Arm schwebte. „Nur noch eins“, fügte sie mit einem letzten Blick auf ihren jetzt ehemaligen Chef hinzu. „Die ganze Abteilung wird aufatmen, wenn Sie endlich in Rente gehen. Sie haben mir die vier Jahre wirklich zur Hölle gemacht.“
Noch bevor McMahon etwas sagen konnte, riss Hermine die Bürotür auf und stapfte lautstark hinaus.
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„Es tut mir so leid.“ Freundschaftlich tätschelte Athene über den Schreibtisch hinweg den Arm der jungen Frau. Hermine hatte es nicht über sich gebracht zu gehen, ohne sich vorher von der Kollegin zu verabschieden. „Ich wollte es gar nicht glauben, als das Memo heute durch die Tür geflattert kam. Ausgerechnet Billingham.“ Sie verdrehte die Augen zur Decke. „Der Mann ist so ein Widerling. Wahrscheinlich schleimt er McMahon schon seit dem Ball voll.“
Hermine schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht, dass es allein das ist. Klar, er hat wahrscheinlich nach einem Vorwand gesucht, um mich loszuwerden, aber da war mehr. McMahon hat irgendwie von der Sache mit Lucius Wind bekommen.“
„Sag bloß, du hast ihn nicht gelesen?“ fragte Athen mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Wen gelesen?“ gab Hermine verwirrt zurück.
„Den Artikel im heutigen Tagespropheten natürlich!“ Die schwarzhaarige Frau begann in den Pergamenten auf ihrem Schreibtisch zu wühlen.
„Nein.“ Hermine beschlich ein ganz flaues Gefühl, wenn sie an das Gesicht von Rita Kimmkorn nach Lucius Verhandlung dachte. „Ich hatte heute morgen verschlafen, da blieb keine Zeit um die Zeitung zu lesen. Wieso, stand etwas interessantes drin?“
„Das könnte man so sagen.“ Athene gab ein zufriedenes Geräusch von sich, als sie den Tagespropheten schließlich unter einem Stapel Memos hervor zog und ihn an Hermine weiter reichte. „Lies selbst.“
Schon auf den ersten Blick konnte die junge Frau das Titelbild der Zeitung erkennen. Es zeigt sie selbst auf dem Flur des Gerichtsraumes, ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, während Lucius nur von hinten zu sehen war.
„Die Heldin und der Todesser“ lautete die Überschrift. Hermine schluckte schwer, dann begann sie den Text darunter zu lesen. „Wer kennt sie nicht? Hermine Granger, muggelgeborene Hexe, Kriegsheldin und Jahrgangsbeste in Hogwarts und Lucius Malfoy, schwerreicher Herrscher über Malfoy Manor, reinblütiger Zauberer und verurteiler Todesser. Zwei Menschen, wie sie nicht unterschiedlicher sein könnten und doch spürt jeder, der die Beiden - wie ich - gemeinsam gesehen hat, die intensive Spannung, die zwischen ihnen herrscht. Doch wie ist das möglich? Miss Granger, die sich aktiv für die Rechte der Muggel und der magischen Kreaturen, wie z.B. der Hauselfen einsetzt, im Bunde mit einem der gefährlichsten Zauberer unserer Zeit? Wir erinnern uns: Miss Granger wurde sogar in den Mauern von Malfoy Manor beinah zu Tode gefoltert.
Kann es sein, dass diese Erfahrung die Psyche von Miss Granger soweit geschädigt hat, dass sie nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden kann, so dass sie sich tatsächlich in den Mann, der für ihre Leiden verantwortlich war, verliebt hat? Und besteht nicht die dringende Sorge, dass Lucius Malfoy die geistige Umnachtung seiner jungen Geliebten ausnutzt, um sich Zugang zu streng vertraulichen Ministeriumsvorgängen zu erschleichen? Wir können nur hoffen, dass Miss Grangers gute Freunde Mr. Harry Potter und Mr. Ronald Weasley die junge, verwirrte Frau wieder zur Vernunft bringen können, bevor es möglicher Weise zu spät ist. Wir werden jedenfalls weiter ein Auge auf die Beiden haben.“
Mit einem entgeisterten Gesichtsausdruck ließ Hermine die Zeitung schließlich sinken. „Geistig umnachtet?“ flüsterte sie leise. „Sie denken tatsächlich, ich sei verrückt?“
„Keine Sorge“, erwiderte Athene beruhigend. „Ich denke das nicht. Es ist nur schwierig, deine Wandlung nachzuvollziehen.“
„Merlin, jeden Tag verlieben sich dutzende Menschen! Warum wird da bei mir so eine große Sache daraus gemacht?“ Frustriert sprang Hermine von ihrem Stuhl auf und tigerte ruhelos in Athenes Büro herum.
„Weil nicht jeder so im Blickpunkt des öffentlichen Interesses steht wie du oder Mr. Malfoy“, erklärte die schwarzhaarige Frau. „Eure Namen verheißen Schlagzeilen.“
„Jetzt verstehe ich McMahons Äußerungen.“ Hermine stoppte erneut vor dem Schreibtisch. „Rita stellte es ja beinah so da, als wäre ich entweder verrückt oder würde unter dem Imperius stehen.“
„Naja, du kennst ja die Kimmkorn.“ Athene zuckte hilflos mit den Achseln.
„Danke, jetzt weiß ich wenigstens woran ich bin.“ Sie nahm den Karton mit ihren Sachen von einem Stuhl. Die andere Frau stand ebenfalls auf.
„Wenn du einen Rat brauchst oder einfach reden willst, weißt du ja wo du mich findest.“ Athene umarmte Hermine herzlich. „Ich bin für dich da.“
„Danke. Das ist wirklich lieb. Ich glaube, ich muss erst mal in Ruhe nachdenken. Ich habe noch gar nicht realisiert, dass ich arbeitslos bin.“
„Kopf hoch, Hermine. Die Leute werden sich alle zehn Finger danach ablecken, jemanden wie dich einzustellen.“
Die junge Frau seufzte vernehmlich. „Zu irgendwas müssen die ganzen Auszeichnungen ja gut sein.“
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„Entlassen?“ fragte Lucius, als sie abends wieder zum Dinner auf der Dachterrasse saßen.
„Ja“, gab Hermine simpel zurück. Sie hatte fast den ganzen Tag und Ginnys und Harrys Zuspruch gebraucht, um dieses Wort zu akzeptieren.
In Malfoy-Manier zog er eine geschwungene Augenbraue hoch. „Und was wirst du jetzt tun?“
„Ich weiß es nicht“, gestand sie ehrlich.
„Wenn es dir ernst damit ist, deinen Job zurück zu bekommen, könntest du gegen das Ministerium klagen“, eröffnete Lucius die Überlegungen. „Natürlich könntest du auf meine Anwälte zurück greifen. Aber ich muss dir zu Bedenken geben, dass das Ministerium sich mit Sicherheit eine Ausrede einfallen lassen wird, weshalb sie dir gekündigt haben. Sie sind gerissene Verhandlungspartner, mit noch mehr Anwälten als ich sie habe. Schon diverse Male habe ich selbst gegen das Zaubereiministerium geklagt und so gut wie immer verloren.“
Hermine seufzte. „Ich weiß nicht ob ich das will. So ein Prozess würde sich vermutlich über Monate hinziehen. Um ehrlich zu sein, war ich schon eine ganze Weile nicht mehr glücklich dort. Der ganze ungeliebte Papierkram. Immer höflich sein und den Botschaftern und Gesandten die Füße küssen.. Vielleicht ist das die Chance, etwas ganz Neues anzufangen.“
„Mein Angebot steht noch.“
Verwirrt suchte sie seinen Blick. „Ich habe in meinen Firmen immer Bedarf an einer fähigen Hexe so wie du es bist“, erklärte er sich.
Hermine stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ich will aber keinen Mitleidsjob.“
„Ich habe auch keinen „Mitleidsjob“ zu vergeben. In meinen Firmen arbeiten nur die Besten ihres Fachs. Leistung ist das oberstes Gebot. Ich stelle strenge Anforderungen an meine Mitarbeiter.“
„Ich weiß nicht“, wiederholte sie zum x-ten Mal an diesem Abend.
„Ich mache dir einen Vorschlag“, eröffnete er ihr. „Lass uns ein Wochenende weg fahren und die Sache in Ruhe erörtern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich so etwas leichter an schönen Plätzen verhandeln lässt. Danach kannst du mir immer noch absagen.“
Seine eisgrauen Augen fanden die ihren und Hermine fühlte sich zu der Diskussion über ihren Einzug in seine Wohnung zurück versetzt. Schon jetzt hatte sie das starke Gefühl, dass er keine Gelegenheit auslassen würde sie zu beeinflussen. Dennoch war sie neugierig darauf, was er sich einfallen lassen würde.
„Nur dass Sie es wissen, Mr. Malfoy“, gab sie schelmisch zurück. „Ich bin nicht käuflich.“
„Das wäre mir nie eingefallen, Miss Granger“, gab er charmant zurück. „Aber versuchen darf ich es doch wenigstens, oder?“
Tbc...
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