von redangeleve
Fatale Desire
XXIX. They don`t care about us
Tell me what has become of my rights
Am I invisible because you ignore me?
Your proclamation promised me free liberty, now
I`m tired of bein` the victim of shame
They`re throwing me in a class with a bad name
I can`t believe this is the land from which I came
(Michael Jackson, They don`t care about us)
„Das können sie doch nicht machen, oder?“ Hoffnungsvoll sah Hermine zu dem Mann ihrer Kollegin, der sich müde die Augen rieb. Alexis Misiopoulos hatte erst zwei Stunden geschlafen, als eine aufgelöste Hermine vor seine Tür appariert war und dort Sturm geläutet hatte. Nur mit Bademänteln über der Nachtwäsche saß ihr das Ehepaar im Wohnzimmer gegenüber. Athene hatte in aller Eile für sie alle einen starken Kaffee gekocht, aber trotzdem wirkten sie und ihr Mann nicht wirklich munter. Es tat Hermine ja auch irgendwie leid, dass sie sie einfach so aus dem Bett geworfen hatte, aber nachdem sie aus dem Ministerium in ihre Wohnung zurück gekehrt war, war sie immer noch so aufgewühlt gewesen, dass sie unmöglich bis zum Morgen warten konnte, um auf Athenes Angebot bezüglich der Rechtsberatung zurück zu kommen.
„Doch sie können“, erwiderte der untersetzte Anwalt und unterdrückte ein Gähnen. „Angeklagte, die unter dem Verdacht stehen, Todesseraktivitäten begangen oder unterstützt zu haben, werden schon seit dem ersten Krieg nach dem Kriegsrecht verurteilt und das besagt eindeutig, dass der Verdächtige bis zu seiner Anhörung durch den Zaubergamott nach Askaban überstellt werden muss.“
„Voldemort ist tot und der Krieg ist schon seit vier Jahren vorbei!“ ereiferte sich Hermine lautstark und ignorierte den Umstand, dass die beiden Menschen vor ihr bei der Erwähnung des Namens deutlich zusammen zuckten.
„Der Kriegszustand ist aber nie offiziell aufgehoben worden“, erklärte Alexis geduldig. „Das Gesetzt dient dem Schutz der magischen Bevölkerung. Noch immer gibt es draußen Todesser, die damals untergetaucht sind. Sie könnten den Umstand, dass einer von ihnen verhaftet wurde, zu einem Angriff nutzen.“
„Er ist unschuldig!“entfuhr es Hermine genervt. „Lucius Malfoy mag ein Todesser gewesen sein, aber er hat Ginny Potter nicht angegriffen.“
„Gibt es denn Zeugen zu seiner Entlastung?“
„Es gibt weder Zeugen dafür noch dagegen. Die Einzige, die die Wahrheit kennt, ist Ginny, aber sie ist immer noch ohne Bewusstsein. Alles, was die Menschen gesehen haben ist, wie er sich kurz zuvor mit ihr gestritten hat. Und sein Zauberstab ist sauber.“
„Wenn es keine Beweise für seine Schuld gibt, dann wird der Zaubergamot vermutlich eine Befragung mit Veritas-Serum anordnen.“
Nein, nur das nicht! Dann wäre Lucius zwar wegen des Angriffs aus dem Schneider, aber die Auroren würden ihn bestimmt auch wegen der schwarzmagischen Zauber verhören und dann wäre Hermines Aufräumaktion in seiner Wohnung völlig umsonst gewesen. Ihre Finger schlangen sich enger um die Tasse, die sie umklammert hielt. Der Kaffee darin wärmte ihre vor Aufregung kalten Hände, doch ihr Magen war zu sehr in Aufruhr um auch nur einen Schluck davon zu trinken.
„Also können wir gar nichts tun?“ fragte sie bedrückt.
„Ich nehme an, Mr. Malfoys Anwälte haben schon die beste Behandlung für ihn ausgehandelt. Das ist im Moment alles, was getan werden kann. Der Zaubergamot tritt am Mittwoch wieder zusammen. Wenn Mr. Malfoy unschuldig ist, wird sich das spätestens dann zeigen.“
Die junge Frau wurde blass. Mittwoch! Das waren ja noch fast vier Tage!
Athene, die sich die ganze Zeit aus dem Gespräch heraus gehalten hatte, nickte zustimmend. „Du solltest jetzt schlafen gehen. Es hilft niemandem, wenn du hier zusammen brichst.“
Hermine atmete geräuschvoll ein, dann stand sie auf. „Du hast recht. Ich werde noch kurz im Mungos vorbei schauen, dann appariere ich heim. Danke, dass ihr mir eure Nacht geopfert habt.“
„Keine Ursache.“ Athene begleitete sie noch zur Tür ihres Hauses. Wie in den meisten Wohnungen war das Apparieren innerhalb des Hauses wegen der Schutzzauber nicht möglich. „Sei vorsichtig“, gab die Dunkelhaarige ihr zum Abschied mit auf den Weg.
„Wegen des Ministeriums?“ fragte Hermine skeptisch. „Du warst es doch, die mir geraten hat, für meine Liebe zu kämpfen.“
„Ich meine nicht das Ministerium“, erklärte die Frau. „Ich meine ihn. Lucius Malfoy ist ein gefährlicher Mann. Ich möchte nicht, dass er dich mit in den Abgrund zieht.“
„Keine Sorge, ich weiß recht gut, auf was ich mich da einlasse“, beruhigte Hermine die Kollegin. „Ich kann nur nicht mitansehen, wie Robards ihn einfach als Sündenbock benutzt.“
Athene nickte zustimmend. „Ich verstehe dich, aber du solltest trotzdem auf dich aufpassen.“
„Danke. Das werde ich tun.“
Sie umarmte die andere Frau, dann disapparierte sie von der Türschwelle.
XXXXXX
Im St. Mungo Hospital warf die Notbeleuchtung ein gedämpftes Licht auf die leeren Stühle der Eingangshalle. Die Empfangshexe gähnte herzhaft, als Hermine auf sie zu ging und sich nach Ginnys Befinden erkundigte. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass ihre Freundin auf ein Zimmer im oberen Bereich der Klinik verlegt worden war. Das war gut, denn es bedeutete vermutlich, dass die Heiler den Fluch identifizieren konnten.
Das Krankenzimmer war dunkel, nur über dem Kopfende des Bettes verbreitete eine magische Lampe ein wenig Helligkeit. Die Diagnosezauber summten, als Hermine leise eintrat und die Tür vorsichtig hinter sich schloss. Bläuliche Zahlen schwebten in der Luft und verkündeten die Vitalzeichen der Patientin, bevor sie einen Moment später wieder erloschen. Ginny lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Ihr Gesicht wirkte immer noch sehr blass, aber das konnte auch an dem gedämpften Licht liegen. Das rosafarbene Krankenhausnachthemd biss sich unangenehm mit der Farbe ihrer Haare, doch das war in dieser Situation vermutlich egal. Ihre Hand war fest mit der ihres Mannes verwoben, der mit dem Oberkörper halb auf dem Bett lag. Harrys Kopf ruhte neben der Hand seiner Frau, die andere Hand hatte er Besitz ergreifend über ihre Mitte gelegt. Auch bevor Hermine sein Gesicht sah, erkannte sie an seinen regelmäßigen Atemzügen, dass er schlief. Die Aufregungen der Nacht hatten ihren Tribut gefordert und ihn letztendlich im Sitzen einnicken lassen. Ansonsten war das Zimmer leer, von Ginnys Eltern fehlte jede Spur. Doch die leichte Decke, die über Harrys Schultern lag, zeugte eindeutig von Mollys Fürsorglichkeit.
Hermine trat näher an das Bett heran und nahm vorsichtig die Hand ihrer Freundin in die ihre. Die Finger fühlten sich kühl und schlaff an und Hermines Herz wurde schwer. Sie dachte an die vielen Gefahren, die sie miteinander durchgestanden hatten und an die schönen Zeiten, die sie mit Ginny und ihren Brüdern im Fuchsbau erlebt hatte. Sie wollte sich nicht ausmalen, wie ein Leben ohne die quirlige, rothaarige Frau aussehen würde. Ginny war die Schwester, die Hermine nie gehabt hatte und auch wenn ihre Liebe zu Ron in die Brüche gegangen war, so hatte sie doch immer gehofft, dass sich an ihre Beziehung zu seiner Schwester niemals etwas ändern würde.
Ein Lichtschein holte sie aus ihren Gedanken, als die Zimmertür erneut geöffnet wurde und Mr. Weasley den Raum betrat. Ihre Blicke trafen sich und er bedeutete der jungen Frau, ihm nach draußen zu folgen.
„Gibt es etwas Neues im Ministerium?“ fragte der Mann, als er mit Hermine auf dem Flur stand.
Einen Moment lang huschten die Bilder von Ron, wie er seinen Zauberstab auf Lucius Kehle gerichtet hatte, durch ihre Gedanken. Die Bilder verschwammen und verwandelten sich in die dunklen Mauern von Askaban hoch auf den Felsen über dem Meer... Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nichts Neues.“
Arthur schien einen Augenblick lang enttäuscht, dann nickte er ruhig. „Die Heiler haben den Fluch neutralisieren können, der Ginny getroffen hat. Es war ein sehr seltener Bewusstseinszauber. Alte, dunkle Magie.“
„Aber sie wird doch wieder ganz gesund, oder?“ fragte Hermine hoffnungsvoll.
„Wie gesagt, der Zauber ist selten. Die Heiler haben versucht, die gesamte schwarze Magie aus ihr sozusagen `abzusaugen`, doch es ließ sich nicht verhindern, dass Ginny dabei auch etwas von ihrer eigener Magie entzogen wurde. Der Schock, der dadurch ausgelöst wurde, hat sie noch tiefer in die Bewusstlosigkeit gleiten lassen. Wir können nur warten und hoffen, dass ihr Körper sich von selbst erholt.“
Mr. Weasley wirkte noch älter als sonst, als er diese Worte sprach. Eine Welle des Mitleids überkam die junge Frau ihm gegenüber. Die Weasleys hatten in den letzten Jahren so viel Leid erfahren müssen. Zuerst Ginnys „Unfall“ im zweiten Jahr in Hogwarts, dann der Angriff von Fenrir Greyback auf Bill und letztendlich Freds Tod im finalen Kampf. Es war so ungerecht, dass so eine herzensgute Familie wie diese so viel leiden musste. Auf keinen Fall durften sie noch ein Kind verlieren müssen.
„Ginny ist jung und stark“, tröstete sie den gebeugten Mann. „Und die Heiler im Mungos sind die besten Europas. Sie wird es schaffen, ganz bestimmt.“
Er lächelte schwach über ihren Versuch, ihn aufzubauen. „Danke, Hermine. Es tut gut zu wissen, dass Ginny so eine Freundin hat, wie dich.“
Erneut zuckte ein Stich durch ihr Herz.
„Du solltest nach Hause gehen, Hermine“, fuhr Arthur fort. „Die Nacht ist schon fast vorbei und du siehst aus, als ob du auch jeden Moment zusammen klappst. Molly ist auch in den Fuchsbau appariert. Ich eule dir, wenn sich ihr Zustand verändert, okay?“
Hermine nickte zögerlich. Wenn sie ehrlich war, fühlte sie sich auch gar nicht mehr gut. In ihrem Kopf drehte sich alles und seit dem letzten Apparieren wollte das Schwindelgefühl überhaupt nicht mehr verschwinden. Außerdem konnte sie in der jetzigen Situation ohnehin nicht mehr tun, als zu warten. „Ich gehe heim“, verkündete sie daher. „Aber gleich morgen früh komme ich wieder.“
„Du meinst wohl heute früh“, verbesserte sie der Mann mit einem schwachen Lächeln.
„Genau. Heute. Aber was ist mit Ihnen?“
„Ich werde mir einen Stuhl in Ginnys Zimmer zu einer Liege transformieren“, erklärte Mr. Weasley achselzuckend. „Und dann werde ich auch schlafen.“
„Dann sehen wir uns in ein paar Stunden“, verabschiedete sich Hermine.
„Bis dann, Kind“, sagte der Zauberer und drückte zum Abschied kurz ihren Arm.
XXXXXX
Die Sonne ging rot über den Dächern von London auf, als Hermine endlich in ihr weiches Bett sank. Ihre Glieder waren schwer wie Blei und ihre Augen fühlten sich an, als wollten sie aus den Höhlen quellen. Ein dumpfer Schmerz überzog ihren Körper und ihr Gehirn und machten es ihr schwer, auch nur noch einen klaren Gedanken zu fassen.
Doch trotz ihrer totalen Erschöpfung, ließen ihr die Bilder in ihrem Kopf keine Ruhe:
Ron, die Hände geballt vor Zorn.
Lucius Augen, als er erfuhr, dass er bis zur Anhörung nach Askaban geschickt werden würde.
Ginnys blasse, leblose Gestalt auf dem Boden des Atriums.
Harrys Gesicht, gezeichnet vom Schmerz.
Mrs. Weasley, zornig und kampfbereit.
Mr. Weasley, gebeugt vor Angst und Gram....
In einer einzigen Nacht, war das Leben so vieler Menschen aus der Bahn geworfen worden. Menschen, die Hermine am Herzen lagen. Gute Menschen. Freunde. Geliebte...
Es konnte einfach nicht sein, dass sie so gar nichts tun konnte. Für niemanden von ihnen. Noch nie im Leben hatte sie sich so unendlich hilflos gefühlt. Im Krieg, da hatte es oftmals alles aussichtslos gewirkt, doch sie hatten gekämpft, niemals aufgegeben und am Ende hatten sie gewonnen. Doch jetzt konnte sie nicht mehr tun, als den Dingen ihren Lauf zu lassen. Das fiel ihr so unglaublich schwer.
Seit sie damals den Brief von Hogwarts bekommen und die Welt der Muggel verlassen hatte, hatte Hermine nur noch sehr selten den Drang verspürt zu beten. In der magischen Welt gab es keine Götter. Man glaubte an die Zauberei. Die Wissenschaft. Die Kraft in sich selbst. Für Gottes Wunder blieb da wenig Raum. Doch jetzt schien es ihr an der Zeit zu sein, ein Stoßgebet an ihren Schöpfer zu richten. Wenn es jemanden gab, der Ginny jetzt noch helfen konnte, dann ganz sicher Gott. Lautlos formten ihre Lippen die bekannten Gebete, während sie ihre Hände auf der Decke faltete und als sie geendet hatte, fand Hermine endlich den inneren Frieden, den sie brauchte, um sich dem Schlaf hingeben zu können.
Tbc...
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