von Sunrise
„Ich wollte nicht, dass ihr sterbt!, sagte Harry. Die Worte kamen ihm unwillkürlich. „Keiner von euch. Es tut mir leid –“
Er sprach Lupin an, flehentlich, mehr als jeden anderen. „-so kurz nachdem dein Sohn geboren war… Remus, es tut mir leid –“
„Mir tut es auch leid“, sagte Lupin, „mir tut leid, dass ich ihn nie kennen lernen werde… Aber er wird wissen, warum ich gestorben bin, und ich hoffe, er wird es verstehen. Ich habe versucht, eine Welt zu schaffen, in der er ein glücklicheres Leben führen könnte.“ (Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Seite 707/708)
Natürlich wusste er, warum sein Vater gestorben war. Tausendmal war es ihm erzählt worden – von Verwandten, Freunden seines Vaters, selbst in einigen Geschichtsbüchern tauchte die traurige Geschichte von Remus Lupin auf.
Sein Vater war gestorben im Kampf gegen das Böse dieser Welt, er war gestorben, damit sein Sohn ein glücklicheres Leben führen konnte. Doch wie sollte er ein schönes Leben haben, wenn ihm ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Teil fehlte?
Jedes normale Kind hatte Eltern, die immer für es da waren, bei denen es geborgen war und sich wohl fühlte. Er, Teddy Lupin hatte sie nicht.
Ob er verstand, warum sie hatten sterben müssen, konnte er nicht genau sagen. Schließlich konnte er sich nicht daran erinnern – auch wenn er zu diesem Zeitpunkt schon auf der Welt gewesen war. Aus Erzählungen wusste er, dass sie nicht hatten kämpfen müssen. Viele hatten versucht, sie davon abzuhalten – seinetwegen.
Doch sie hatten gekämpft, obwohl sie einen Sohn hatten, um den sie sich hätten kümmern müssen, und sie hatten gewusst, dass sie ihren eigenen Tod riskierten. All das hatte sie nicht davon abhalten können.
Er vermisste seine Eltern. Tag für Tag haderte er mit seinem Schicksal, sie nie wirklich kennen gelernt zu haben, nicht zu wissen, was das für Menschen waren. Ihm reichten die Geschichten nicht. Er wollte sie spüren. Sich ein eigenes Bild machen können.
Irgendeinen Weg musste es doch geben! Remus Lupin und Nymphadora Tonks konnten nicht für immer verschwunden sein, unwiderrufbar.
Er hatte das Gefühl, ihnen nicht gerecht zu werden. „Wunderbare Menschen“ waren sie gewesen. Zumindest war es immer das erste, was Teddy Lupin hörte, wenn er nach seinen Eltern fragte. Und was war er? Ein nichts. Natürlich hatte auch er seine Bewunderer. Doch die bewunderten ihn nur, weil seine Eltern tapfer gewesen waren, gekämpft hatten. Er wurde bewundert für zwei Menschen, die er noch nicht einmal richtig gekannt hatte.
„Werwolfskind“, so nannten sie ihn. Ja, sein Vater war ein Werwolf gewesen – einer der wenigen, der auf der guten Seite gestanden hatte, und das war es, wofür ihn so viele schon vor seinem Tod bewundert hatten. Werwölfe wurden damals noch von den meisten Menschen verachtet. Auch heute riet das Zaubereiministerium, sich vor ihnen in Acht zu nehmen – doch verachtet wurden sie seit Remus Lupins Tod nicht mehr.
Viele von ihnen hatten auf die gute Seite gewechselt, die Zahl der anderen schrumpfte stetig zusammen.
Teddy Lupin wollte wissen, ob seine Eltern mit ihm zufrieden gewesen wären, würden sie noch leben. Er wollte wissen, ob er in ihren Augen den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Es war doch die Aufgabe der Eltern, auf ihr Kind zu achten, und er wünschte sich so sehr, dass auch er welche gehabt hätte, die auf ihn Acht gaben.
Und nun war er alt genug und, um sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Er war für sich selbst verantwortlich und musste nicht mehr die Erwachsenen fragen. Jetzt war er selbst erwachsen.
Es war seine Entscheidung, ob er seine Eltern kennen lernen wollte, oder nicht. Und er hatte sie schon längst getroffen.
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