von iome
3. Kapitel
In dem Moment, da Hermine entschied, jetzt möglichst schnell zum Schloss zurückzukehren, da schien sich die Welt gegen sie zu verschwören. Sie hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende geführt, als es plötzlich wie aus Eimern zu gießen begann. In Windeseile nahm sie all ihre Sachen an sich und versuchte sich mit dem Mantel so gut es ging vor dem plötzlichen kalten Regen zu schützen. Ihr fiel der Zauber ein, der eine imprägnierende Wirkung hatte und sie sprach ihn aus, doch sie musste ihn falsch in Erinnerung haben, denn es geschah nichts.
Sie versuchte es noch einmal erfolglos, gab aber dann auf, da sie ohnehin schon bis auf die Haut durchnässt war und rannte über den Hügel zurück Richtung Hogwarts. Als sie endlich im Schutz der alten Bäume ankam, war der Regen zwar erträglicher, aber der Weg vollkommen unsichtbar.
Sie schüttelte sich das Wasser aus den Haaren, griff nach ihrem Zauberstab und sprach „Lumos“. Seltsamerweise passierte schon wieder nichts.
Nicht ein Lichtfunke.
Nicht einmal ein Zucken!
Es war seltsam. Wann immer sie sonst ihren Stab in der Hand gehalten hatte, war ein warmes Gefühl der Sicherheit durch sie hindurch gelaufen und hatte ihr Zuversicht vermittelt. Diese kam ihr jedoch gerade vollkommen abhanden und ihr drängte sich der Gedanke auf, dass ihr Zauberstab bei diesem völlig sinnlosen Ritual Schaden genommen haben musste.
Sie verfluchte lauthals ihre eigene Dummheit, probierte noch ein paar Mal den Spruch, der ihr Licht bringen sollte und auch einige anderen, aber dann gab sie endgültig auf, setzte ängstlich einen Fuß vor den anderen und ging in die Richtung, aus der sie glaubte, gekommen zu sein.
Der Marsch durch den inzwischen stockdunklen Wald dauerte eine Ewigkeit. Die Dunkelheit allein hätte ihr keine allzu große Angst gemacht, doch die Geräusche um sie herum machten sie beinahe wahnsinnig. Klackern und Schnauben war zu hören, ebenso, wie knackende Äste und leise Schreie irgendeiner Vogelart. Die perfekte Mischung für ein Gruselkabinett. Dazu kam, dass sie während des gesamten Weges das Gefühl nicht loswurde, verfolgt zu werden. Ihre Angst vor dem Wald und seinen Bewohnern wuchs mit jedem Schritt und schon deshalb war Hermine noch niemals im Leben so froh gewesen, wie in jenem Moment, da sie merkte, dass sie an Hagrids Hütte herauskam.
Von ihrem eigentlichen Rückweg war sie meilenweit entfernt, doch die Hütte dort mit leuchtenden Fenstern zu sehen, war wie das Erwachen aus einem verdammt schlechten Albtraum. Hermine atmete hörbar auf und beschloss bei ihrem großen Freund zu klopfen und ihn zu bitten, sie zum Schloss zu bringen. Zum einen war inzwischen sicherlich schon Sperrstunde und zum anderen schlotterten ihr einfach noch zu sehr die Knie. Sie wollte heute ohne Begleitung nirgendwo mehr hin.
Hagrid reagierte auf ihr Anklopfen sofort und machte eine erfreute Miene, als er sah, wer vor seiner TĂĽr stand. Diese verfinsterte sich allerdings etwas, als er erkannte, dass sie schon bessere Zeiten gesehen hatte.
Schnell und ohne ĂĽberflĂĽssige Fragen zu stellen, zog er sie in den Wohnraum hinein und schob sie erst einmal vor das prasselnde Feuer. Dann scheuchte er Fang von seinem Platz, griff die Decke, auf der der SaurĂĽde bisher gesessen hatte und legte sie Hermine um die Schultern. Der Stoff stank entsetzlich, doch das war Hermine in diesem Moment egal. Die Decke war warm und nur darauf kam es an.
Hagrid hatte noch kein Wort zu ihr gesagt und wartete damit auch, bis die Zähne seines unerwarteten Gastes nicht mehr klappernd aufeinander schlugen. Erst dann packte er eine seiner großen Hände auf ihre Schultern und drehte sie zu sich. „Nun mal raus mit der Sprache, Mine: Was machst’e denn hier und warum läufst Du allein um diese Zeit draußen rum, wo Du doch längst schon in Deinem Bett liegen müsstest?“
Schuldbewusst senkte Hermine den Kopf. Hagrid war ein sehr gutmütiger Mensch und so leicht konnte ihn nichts aus der Bahn werfen, doch wenn er sich Sorgen um jemanden machte, dann führte das dazu, dass er streng wurde, wie jeder andere Lehrer auch. Dies war so ein Moment und Hermine war sich im Klaren darüber, dass er damit durchaus Recht hatte. Für eine Sekunde wollte sie ihm die ganze Wahrheit sagen, ihm von dem dummen Zauber auf der Lichtung erzählen und dem furchtbaren Weg aus dem Wald heraus, doch dann sah sie ein, dass es Unsinn war, sich noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen.
Sie tat, was ihre Freunde vermutlich in derselben Situation auch getan hätten: Sie ließ ein paar Dinge weg. „Weißt Du, Hagrid, ich war traurig, weil Harry und Ron sich heute überhaupt nicht um mich gekümmert haben und bin den ganzen Abend über das Schlossgelände gelaufen. Dann hat mich der Regen erwischt und Du warst viel näher, als das Schloss. Das ist alles.“
„Glaubst Du, nur weil ich ein Halbriese bin, krieg ich nicht mit, wenn Du mich anlügst?“ Sein Tonfall war noch strenger, als bisher, seine Wortwahl und Aussprache geschliffener, als sonst. „Harry, Ron, Ginny und überhaupt Dein halber Jahrgang waren schon vor Stunden auf der Suche nach Dir. Sie haben Dumbledore und den anderen Lehrern nicht gesagt, dass Du verschwunden bist, aber mir hat Ron es erzählt. Und von wegen sie kümmern sich nicht um Dich. Die haben eine Party für Dich geschmissen und Du warst die Einzige, die nicht da war.“ Er legt eine kleine Pause ein und Hermine schaute ihn sprachlos an. „Weißt Du, Hermine, so kenne ich Dich gar nich’.“
Hermine wusste nicht, was sie zuerst tun sollte: Vor Scham im Boden versinken, weil Hagrid sie durchschaut hatte, oder sich selbst ohrfeigen, weil sie wirklich geglaubt hatte, ihre Freunde hätten sie vergessen. Sie schloss die Augen und biss sich auf die Unterlippe. Als keine Gefahr mehr bestand, dass sie losheulen würde, sagte sie ganz leise. „Es tut mir leid. Ich war heute ganz schön dumm. Ich war sicher, dass sie mich vergessen haben und habe mich in den Wald geschlichen, um ein bisschen allein zu sein.“
Hagrid atmete hektisch ein. „Du warst im Wald? Ja bist Du denn verrückt, Mädchen? Wie kannst Du allein da reinmarschieren? Das ist nicht nur gefährlich, das ist verantwortungslos!“
„Ich weiß! Ich sag doch, ich war dumm. Es tut mir wirklich, wirklich leid. Hagrid, ich wollte doch nicht, dass sich jemand wegen mir Sorgen macht.“ Nun waren die Tränen doch nicht mehr zurückzuhalten und Hagrid zog das heulende und frierende Mädchen an sich und tröstet sie, bis sie sich beruhigt hatte. „Is’ schon gut Hermine. Ich weiß ja, dass Du uns nich’ mit Absicht so’n Schrecken eingejagt hast. Komm, ich bring Dich jetzt hoch und dann kannst Du erstma’ schlafen. Morgen sprichst Du Dich dann mit Deinen Freunden aus und dann is’ alles wieder in Ordnung.“
Hermine nickte und war dem WildhĂĽter unendlich dankbar. Er war wirklich ein guter Kerl und immer da, wenn man einen Freund brauchte.
Die nächsten Minuten liefen sie schweigend nebeneinander her, bis sie das große Portal erreichten. Hagrid strich Hermine noch einmal über den Kopf, sagte ihr, sie solle selbigen nicht hängen lassen und war schon ein paar Schritte weg, als ihm noch etwas einfiel. Er kam zurück, beugte sich zu ihr hinab und hielt ihr plötzlich ein in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen hin. „Hier, is’ für Dich. Hast doch heute Geburtstag. Alles Gute und nu’ verschwind schon, damit Deine Freunde nicht noch zum Direktor gehen und eine Suchaktion starten. Los, los!“
Hermine saß das Geschenk an und dann zu Hagrid hinauf, ging auf ihn zu und umarmte ihn einfach nur. Das erste Lächeln des Tages schlich sich in ihr Gesicht, als sie leise „Danke!“ flüsterte.
Hagrid lieĂź sie nicht aus den Augen, bis sie im Schloss verschwunden war und nahm dann den RĂĽckweg in Angriff. Hier ging es schon manchmal verrĂĽckt zu. Jetzt fing sogar schon Hermine an, Dummheiten zu machen.
Kaum hatte Hermine die Eingangshalle betreten, stand Ron plötzlich vor ihr und auch Harry tauchte wie aus dem Nichts auf. Die beiden hatten sich unter dem Tarnmantel von Harry verborgen und waren gerade auf dem Weg gewesen, sie noch einmal zu suchen. Nun standen sie ihr gegenüber und konnten beide gar nicht fassen, dass ihre Freundin auf einmal wieder da war.
Ron wollte etwas sagen, wurde jedoch sofort von Harry angeraunzt, er solle still sein. Dann zog er Hermine zu ihnen und streifte in Windeseile den Tarnumhang über sie alle drei. Das geschah keinen Augenblick zu früh, denn nur wenige Sekunden später kam Filch durch die Halle geschlurft und sah sich misstrauisch um, bevor er eine Treppe nach oben nahm und dort weiter nach Unruhestiftern suchte.
Erst als seine Schritte nicht mehr zu hören waren, atmeten die drei Freunde auf und Harry fragte Hermine endlich, wo sie jetzt hergekommen sei. Die wahrheitsgemäße Antwort, sie komme von Hagrid, entlockte den Jungen nur ein müdes Lachen. „Da waren wir vorhin und da warst Du nicht. Warum lügst Du uns an Hermine?“
„Hör zu, Harry, ich war eben bei Hagrid und ich lüge nicht. Den Rest erzähle ich euch später. Los lasst uns jetzt nach oben gehen, bevor wir hier doch noch erwischt werden.“ Die Jungen bewegten sich nicht und gaben auch keine Antwort.
„Bitte Jungs! Ich schwöre euch, ich werde euch alles erzählen!“
Ron murrte irgendwas, dass er das erst sehen wollte, aber letztlich setzten sie sich dann doch in Bewegung. Es war extrem eng unter dem Umhang, doch irgendwie schafften sie es nach oben und in den Gemeinschaftsraum hinein.
Dort waren sie allein, denn mittlerweile war es fast ein Uhr Nachts und morgen war Unterricht.
Harry zog den Tarnumhang herunter und steckte ihn weg. Niemand sprach ein Wort und obwohl den Jungs Fragen auf den Lippe brannten, schwiegen sie und musterten Hermine nur mit skeptischem Blick. Sie hatte sich den noch immer nassen Umhang ausgezogen und stand nun vom Feuer des großen Kamins, um endlich warme Hände zu bekommen. Die Blicke ihrer Freunde bemerkte sie durchaus, wusste jedoch nicht, ob sie schon bereit war, sich den Fragen zu stellen, die hinter diesen Blicken lauerten.
Irgendwann wurde das Schweigen jedoch unerträglich und lag schwer wie Blei auf ihnen allen. Gerade als Hermine beschloss zu reden, sprach Ron sie an. „Ich kann mich erinnern, dass Du uns vorhin versprochen hast, zu erzählen, wo Du warst.“ Seine Aussage war gleichzeitig die Frage, ob sie dazu bereit war, wie auch die Aufforderung, endlich damit herauszurücken, warum sie an ihrem Geburtstag einfach verschwand.
Hermine drehte sich zu Ron und Harry um, sah die zwei noch einen Moment an, in dem sie sich sammelte und schüttelte dann erst einmal den Kopf. „Jungs, es tut mir so leid! Ich hab doch gedacht, ihr hättet mich vergessen.“
Harry zog irritiert eine Augenbraue nach oben und imitierte damit unbewusst die Mimik eines gewissen Zaubertränkelehrers. „Willst Du uns veralbern? Wie kannst Du nur so was von uns denken? Wir haben Dich noch nie vergessen und über Deinen Geburtstag haben wir doch so oft gesprochen. Du musst doch gewusst haben, dass wir nur verschwunden waren, weil wir noch was vorzubereiten hatten.“
Noch einmal schüttelte Hermine den Kopf. „Nein. Wisst ihr, ich denke ich hab gar nicht darüber nachgedacht. Ich war nur so wütend und dann bin ich in die Bibliothek gegangen und ...“ Sie geriet ins Stocken. Harry sah sie noch immer skeptisch an.
„Mensch, schau doch nicht so, Harry! Denkst Du denn, wenn ich damit gerechnet hätte, dass ihr eine Party für mich schmeißt, wär’ ich in den Verbotenen Wald gegangen?“
Sowohl Ron, als auch Harry atmeten scharf ein und fragten beinahe gleichzeitig und nicht gerade leise. „Du bist was?“
TBC
@Deadwolf: Also dieser Zauber hatte definitiv eine Wirkung. Allerdings keine sofort offensichtliche. Doch spätestens im nächsten Kapitel wird es klar, was sich Hermine damit angetan hat. Und auch Harry & Co. Haben nichts zu lachen. Statt mit Hermine zu feiern, sind sie seit Stunden auf der Suche nach ihr. So hatte sich das sicher niemand vorgestellt.
@Issi: Schön, dass Du wieder mit von der Partie bist und Dir der Anfang gefällt. Welche Auswirkung Hermines Ritual hat, wird heute noch nicht wirklich verraten, aber erahnen kann man es schon. Zumindest ist sie schon mal nicht in der Zukunft gelandet.
@Electra: Du willst eine lange FF? Na aber gern doch. Ich habe zwar noch keinen genauen Plan, wie lang die Story wirklich wird, aber sie wird nicht in 10 oder 20 Kapiteln erzählt sein. Übrigends hat Hermine sich nicht in die Zukunft gezaubert. Ich denke, damit habe ich einige Leser in die Irre geführt.
@Sabrina Bastet Tonks: Na ja, so ganz kann ich Deine Annahme leider nicht bestätigen. Hermine widerfährt erstmal wirklich nichts Gutes. Sie wird sich noch wünschen, das Ritual nicht durchgeführt zu habe und das fängt heute schon an.
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