von kÀfer
Am Vortag war ein heftiger Sturm ĂŒber das Land gezogen, hatte BĂ€ume geknickt, Dachziegel und MĂŒll durch die Gegend gewirbelt. Seit Mitternacht goss es wie aus Eimern. Argus wĂ€re gern im Trockenen geblieben, in der Werkstatt gab es genug zu tun. Aber der Chef jagte alle zum AufrĂ€umen nach drauĂen. âDer will doch bloĂ mit der SekretĂ€rin alleine seinâ, sagte Johnny beim Hinausgehen und machte eine anzĂŒgliche Geste, die Argus mit einem Grinsen quittierte. Er hatte sich gerade gefragt, ob die Hexe mit dem SchĂ€ferhund auch bei diesem Wetter im Park unterwegs sein wĂŒrde.
Sie war es, als einzige Hundebesitzerin marschierte sie ihre Runde. Ihr Gesicht und den geschmeidigen Gang hatte sie unter einem knöchellangen Regenumhang verborgen. Argus erkannte sie nur an dem Hund, der mit gesenktem Kopf und eingeklemmten Schwanz widerwillig neben ihr hertrottete und sich von Zeit zu Zeit heftig schĂŒttelte.
Genau dies tat er auch unmittelbar neben dem sich nach einer PlastiktĂŒte bĂŒckenden stĂ€dtischen GĂ€rtner. Argus Filch bekam die ganze Ladung ins Gesicht und prustete.
âSitz! Du Mistköter!â, schimpfte die Frau. Dann wandte sie sich an Argus: âEs ist meine Schuld. Ich hĂ€tte wissen mĂŒssen, dass dieser Köter so etwas tut.â Sie reichte Argus ein blĂŒtenweiĂes Taschentuch, damit er sein Gesicht abwischen konnte. Das Tuch duftete herrlich nach Lavendelseife. Argus wĂŒrde sich bis an sein Lebensende an diesen Duft erinnernâŠ
âDa-da-dankeâ, stotterte er. âDas ist aber auch ein Mistwetter! Da jagt man keinen Hund vor die TĂŒr - â Erschrocken hielt Argus inne, so etwas sagte man nicht zu reichen Hundebesitzerinnen!
Aber die Frau war nicht böse. âHunde nicht, nur stĂ€dtische GĂ€rtner und michâ, sagte sie lachend. Mit einem Seitenblick auf den Hund fĂŒgte sie leise hinzu: âMein Mann besteht darauf, dass das Vieh jeden Tag mindestens eine Stunde ausgefĂŒhrt werden muss. Hoffentlich holt sich der Köter bei dem Wetter den Rest.â Verlegen hielt sie inne.
Argus fragte: âSie mögen den Hund nicht, oder?â, und er kam sich ziemlich dĂ€mlich vor dabei. Aber er wollte diesen Augenblick ausdehnen, sich noch ewig mit der Frau unterhalten.
âIch hasse Hunde! Ich hĂ€tte am liebsten eine Katze, aber das duldet mein Mann nicht.â Sie zerrte den Hund zurĂŒck, der aufgestanden war und auf die Wiese laufen wollte.
Argus murmelte: âIch hĂ€tte auch gern eine Katze, aber meine Wirtin hat es verboten.â
Die Hexe seufzte lĂ€chelnd, dann sah sie auf die Uhr. âEndlich!â, rief sie erleichtert, âMeine Pflichtstunde ist um. Auf Wiedersehen.â Und schon marschierte sie mit eiligen Schritten davon.
Argus stand da und starrte ihr nach. Unfassbar! Sie hatte mit ihm gesprochen! Sie hatte ihn angelÀchelt! Sie hatte ihm sogar ihr Taschentuch gegeben! In dem Moment bemerkte Argus, dass er dieses noch in der Hand hielt. Er presste das Tuch an die Nase, sog den Lavendelduft ein.
Erst das eiskalte Rinnen eines BĂ€chleins auf seinem RĂŒcken weckte Argus aus seiner Trance. Beschwingt arbeitete er weiter, bis der Park von allen herumliegenden Ăsten, Laub und MĂŒll befreit war. Der Regen machte ihm nichts aus.
Die Kollegen kehrten schimpfend und zĂ€hneklappernd zum StĂŒtzpunkt zurĂŒck, nur Argus Filch pfiff und strahlte vor sich hin. âWasÂŽn mit dir los?â, fragte Johnny. âBist du einer Fee begegnet?â
âSo ungefĂ€hrâ, gab Argus zurĂŒck und fĂŒhlte sich plötzlich, als hĂ€tte er eine Faust in die Magengrube bekommen. Sein Blick war auf Johnnys Hand gefallen, wo seit ein paar Wochen ein Ehering glĂ€nzte, und er hatte sich an etwas erinnert⊠âMein Mann besteht daraufâŠâ Die Fee mit dem Hund war verheiratet. Aus der Traum!
Aber TrĂ€ume lassen sich nicht einfach abschalten. In der Nacht trĂ€umte Argus von nichts anderem als von der Begegnung mit der Fremden, immer und immer wieder. Am Morgen wachte er traurig auf, weil er wusste, dass es sich nie wiederholen wĂŒrde.
Drei Wochen lang sah Argus seine Fee tatsÀchlich nicht mehr und er glaubte schon, dass der Hund bei dem Regen wirklich krank geworden und gestorben war und die Frau nun nicht mehr jeden Tag mit ihm Gassi gehen musste. Schon holte Argus nicht mehr jeden Tag das Taschentuch hervor, schon begann die Erinnerung an die kurze Begegnung zu verblassen.
Da stand sie eines Tages vor ihm, den riesigen Hund an ihrer Seite, und lĂ€chelte ihm zu. âHallo, fleiĂiger GĂ€rtnerâ, sagte sie, âich habe schon befĂŒrchtet, Sie hĂ€tten sich neulich bei dem Mistwetter eine Grippe eingefangen.â
Argus schĂŒttelte den Kopf. âMusste anderswo aushelfen, SturmschĂ€den beseitigen und so. Und Ihr Hund â hat der den Spaziergang unbeschadet ĂŒberstanden?â
âLeider ja. Das Mistvieh ist unglaublich widerstandsfĂ€higâ, seufzte sie.
ArgusÂŽ Blick fiel auf den linken Arm der Frau. Aus dem Ărmel schaute etwas heraus, was sie eigentlich nicht im Park zeigen durfte.
âIhr Zauberstab guckt rausâ, raunte er.
Mit einer flinken Bewegung schob sie den Griff zurĂŒck in den Ărmel. âSie sind einer von uns?â
Argus nickte, die Augen der Frau leuchteten auf.
âNa ja, ich hab zwar einen Stab, aber viel anfangen kann ich damit nicht. Ist nicht so mit meinen KrĂ€ften, sonst wĂŒrde ich hier nicht den GĂ€rtner machen.â Argus wurde rot und senkte den Kopf.
Noch wĂ€hrend Argus sprach sagte sie: âIch muss weiterâ, und marschierte mit dem Hund davon. Argus hockte sich ins Beet und senkte den Blick auf das Unkraut. So entging ihm, dass sich ein paar Meter weiter eine hagere Frau in der typischen Bedienstetenkleidung zu seiner Fee gesellte, eine Verbeugung andeutete und einige Worte zu ihr sagte. Den stechenden Blick, den die Dienerin vorher auf ihre Herrin und Argus gerichtet hatte, hatte keiner von beiden bemerkt.
ArgusÂŽ Gedanken drehten sich beinahe ununterbrochen um die Fee. Sie hatte schon zweimal mit ihm geredet, und zwar richtig nett und nicht wie die anderen SpaziergĂ€nger im Park so von oben herab. Sie musste so etwas wie eine gute Fee sein, sonst wĂŒrde sie nicht mit einem armseligen GĂ€rtner so lieb reden.
Es verging kein Tag, an dem Argus nicht nach ihr Ausschau hielt. Es war ziemlich leicht, es so einzurichten, dass sie sich begegneten, die SpaziergÀnge der Frau fanden nach einem leicht erkennbaren Muster statt.
Manchmal redeten sie ĂŒber das Wetter, das GĂ€rtnern oder ĂŒber Katzen. Es stellte sich heraus, dass sie die gleichen Rassen mochte und ebenso gut ĂŒber Katzenpflege Bescheid wusste wie Argus. Manchmal stand sie aber auch nur da, den Hund neben sich, und sah Argus zu.
Eines Tages fragte sie: âWie heiĂen Sie eigentlich?â
âArgus Filch, und Sie?â, fragte er, ohne nachzudenken.
Aber sie schimpfte nicht, sondern sagte nur: âSarah Murdoch.â
âMurdoch?â, fragte Argus verblĂŒfft. âIst Ihr Mann der, dem die Rennbesenmanufaktur gehört?â
âJaâ, antwortete Sarah und es klang wie ein Seufzen. Dann sah sie auf die Uhr. âMeine Köterstunde ist um, ich kann das Vieh endlich heimbringen. TschĂŒĂ bis zum nĂ€chsten Mal!â
ArgusÂŽ Zehen und Fingerspitzen kribbelten heftig. Sarah Murdoch! Er hatte ĂŒber ihren Mann schon so einiges gehört, mit Maximilian Murdoch sollte nicht gut Kirschen essen sein. Der Chef der Rennbesenmanufaktur war bekannt dafĂŒr, dass er sowohl seine Angestellten in der Firma als auch die Bediensteten in seiner Villa nur zu gerne schikanierte. Vor ein paar Jahren hatte die EheschlieĂung des Firmenbosses mit der SekretĂ€rin seines einzigen Konkurrenten fĂŒr fette Schlagzeilen im Tagespropheten und in der Hexenwoche gesorgt. Wenn auch nur die HĂ€lfte von dem stimmte, was man sich in den Kneipen der magischen Viertel erzĂ€hlte, konnte Sarah Murdoch einem Leid tun. Kein Wunder, dass sie jeden Tag mit dem Hund ihres Mannes spazieren ging, obwohl sie Hunde hasste. Max Murdoch machte sich bestimmt einen SpaĂ daraus, ihr seinen Willen aufzuzwingen.
Und das Ganze erklĂ€rte auch, warum Sarah sich mit Argus unterhielt. Sie hatte sonst keinen Kontakt zu anderen Zauberern, der geizige Maximilian Murdoch gab keine Gesellschaften, empfing auĂer GeschĂ€ftspartnern keine Besuche und Kinder hatten sie auch nicht. Es hieĂ, dass Sarah Murdoch schlechter behandelt wurde als die Dienstboten im Haus.
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