von uni
Resignation, Wahnsinn, Menschlichkeit
Blut lief über ihre Schläfe, sie wischte es mit einer nachlässigen Bewegung ab. Einige verirrte Flüche schlugen in ihrer Nähe ein, Erde und Steine spritzten.
Sie hob ihre Arme schützend vor ihr Gesicht und sah sich gehetzt um. Schreie gelten, doch sie waren weit weg, SIE war zu weit weg. Ihre Freunde standen auf dem Schlachtfeld kämpften, starben und töteten, während sie hinter einem umgefallenen Baum kauerte, weitab vom Kampfgeschehen.
Eigentlich hätte sie jetzt an der Seite von Harry und Ron stehen und gegen die Armeen von Todessern kämpfen sollen. Doch als direkt vor ihr Professor Flitwick von einem Fluch getroffen und zerrissen worden war und Blut, Eingeweide und Knochensplitter umher geflogen waren, hatte sie die Flucht ergriffen. Dieser Krieg hatte schon lang nichts mehr mit Ehre und Kampf um die eigenen Rechte und Ideale zu tun. Es ging hier nur noch um das reine, nackte Überleben.
Keiner der Kontrahenten spürte noch Genugtuung, wenn er wieder einen Feind eliminiert hatte. Die alten Reihen der Todesser gab es schon lang nicht mehr. Voldemort stützte sich nur noch auf neue Rekruten, die hauptsächlich die Nachkommen der gefallenen Anhänger waren. Sie bezweifelte das Leute wie Draco, Pansy und Crabbe Triumph dabei verspürten, wenn die einen Avada auf ehemalige Freunde schickten oder einen Secumsempra auf einen ehemaligen Mitschüler. Hatten sie es vielleicht vor wenigen Monaten noch anders gesehen, dann hatten sich ihre Ansichten spätestens mit ihrem ersten Opfer geändert.
So jedenfalls war es bei ihr gewesen. Stan Shunpike, sie hatte ihn töten müssen, sonst hätte der Zauberer, der unter dem Imperius gestanden hatte, sie getötet. Sie verbot sich Schuldgefühle zu haben, keiner konnte sich so etwas leisten. Die einzigen Gefühle, die man auf dem Schlachtfeld dieses Krieges verspürte waren kaltes Grauen und Resignation.
Es knackte in ihrer Nähe und sie schreckte unvermittelt aus ihren Gedanken auf. Erst jetzt bemerkte sie den fehlenden Schlachtenlärm. Angst überfiel sie und quetschte ihr Herz, wie eine kalte Klaue.
Sie drückte sich an den Baumstamm und schloss die Augen. Für einen Moment gab sie sich der aberwitzigen kindlichen Idee hin, dass der andere sie nicht sehen konnte, wenn sie ihn nicht sah.
Die Schritte nährten sich, die Person musste nun unmittelbar vor ihr stehen.
Sie hielt die Luft an und begann unkontrolliert zu zittern.
So sollte es also enden. Sie saß hinter einem Baum zusammen gekauert, wie ein verschrecktes Kaninchen. Würde der andere sich nun ein Stück runter beugen und die Zweige zur Seite schieben, würde er sie sehen und brauchte nur seinen Zauberstab auf sie richten und einen Fluch sprechen.
Tatsächlich knackte es in diesem Moment erneut und dann vernahm sie das Rascheln von Zweigen. Ein erschrockenes Keuchen. Vor ihr stand also ein Mann. Er brauchte nur seinen Zauberstab auf sie richten, seine Stimme erheben und…
„Miss Granger.“, vernahm sie eine vertraute Stimme.
Hermine riss erschrocken die Augen auf und sah sich ihrem Zaubertranklehrer gegenüber. „Snape.“, stieß sie ebenso überrascht, jedoch etwas zu laut aus, aus.
Der ältere Mann stürzte sich auf sie und hielt ihr grob den Mund zu. „Wollen sie etwa entdeckt werden, sie dummes Kind?“, zischte er. Hermine sah ihn mit großen Augen an und schüttelte langsam den Kopf. Snape ließ Hermine augenblicklich und so abrupt los, als hätte er sich verbrannt. Er rutschte, so weit es der geringe Raum zuließ, von der jungen Frau weg, als wäre ihm die unbedachte Berührung unangenehm.
„Entschuldigen sie, Professor, ich war nur so überrascht.“, flüsterte sie nun etwas leiser. Snape sah sie nur kalt an und erwiderte nichts.
Schritte näherten sich. Hermine und Severus erstarten abrupt, beide hielten die Luft an, bis die Schritte verklungen waren. Dann wandte sich der Lehrer wieder an die verängstigte Frau. „Warum sind sie hier? Ich habe Albus klare Order gegeben, niemanden, außer die Mitglieder des Ordens, hierher kommen zu lassen.“ Hermine sah ihn wortlos an.
Snape stöhnte. „Soll dass ein Witz sein? Sind wir schon so verzweifelt, dass wir auf Kinde zurück greifen müssen?“ Hermine reckte zur Antwort trotzig das Kinn empor. „Professor, ich darf sie darauf hinweisen, dass ich schon lange den Kinderschuhen entwachsen bin?“
Er knurrte und rieb sich die Schläfe. Eingetrocknetes Blut klebte an seinen Fingern. Hermine graute bei der Frage, ob es sein eigenes oder das eines anderen war.
“Aus den Kinderschuhen ja, aber sie sind noch zu jung um für die Ideale anderer ihr Leben zu lassen.“
„Die Ideale anderer? Diese Leute, bei denen sie jahrelang ein und aus gingen, haben ohne zu Zögern meine Eltern gefoltert und getötet. Ich kämpfe für diese Ideale, weil es auch die meinen sind, ich würde und ich weiß ich werde bei diesem Kampf sterben!“
Unbeabsichtigt war sie wieder lauter geworden. Sie kniff erschrocken die Lippen zusammen, doch wieder blieb alles ruhig.
Traurig sah er sie an. Sie wusste nicht was sie redete, sie würde wahrscheinlich tatsächlich sterben, wenn nicht heute, dann nächste Woche oder nächsten Monat, aber er war sich sicher, dass sie diesen Kampf nicht überleben würde. Ob sie wohl schon wusste, dass ihr Freund Weasley vorhin bei einer Explosion zerfetzt worden war? Wohl eher nicht, sonst würde sie nicht so leicht fertig über ihren Tod sprechen…oder tat sie es vielleicht gerade deswegen? Der Zaubertrankprofessor interessierte sich nicht für das private Leben seiner Schüler, doch selbst er hatte die zart aufkeimende Liebe zwischen den Beiden bemerkt.
Er beschloss Hermine mit Rons Ableben zu konfrontieren und so sagte er in die Stille hinein: „Miss Granger, ihr Freund Wea…Ron ist tot.“ Sie sah ihn entsetzt und ungläubig mit aufgerissenen Augen an. Es war vielleicht keine seiner besten Ideen gewesen, dies dem Mädchen hier mitzuteilen, wo jedes unbedachte Geräusch sie um Kopf und Kragen bringen konnte. Doch auch seine Nerven waren überspannt, er wankte schon seit langem zwischen krankhafter Gleichgültigkeit und purem Wahnsinn. Er hatte in all den Jahren als Doppelspion schon so viele sterben sehen, doch dieser Ausdruck in den Augen des Mädchens und ihr leises Wimmern und Schluchzen war zu viel.
Seine Hände begannen zu zittern, entweder er würde sie nun erwürgen und mit ihrem kalten, toten Körper hier sitzen oder er würde sie irgendwie beruhigen.
Er entschied sich für eine Variante, die selbst ihn überraschte. Professor Severus Snape nahm das Mädchen Hermine Granger in den Arm. Augenblicklich stoppte das Wimmern und Hermine versteifte sich in seiner Umarmung. Er drückte sie noch fester an sich und strich ihr sanft über den Rücken.
Er fragte sich wirklich, wer von beiden diese Geste mehr brauchte.
In Gedanken ermahnte Severus sich, seine Contenance zurück zu erlangen und so wollte er sie sanft, aber bestimmt von sich schieben. Hermine krallte sich an seinem Arm fest und klammerte sich an ihn, wie eine Ertrinkende. Eigentlich war Snape froh darüber, denn dieses Mädchen, nein diese junge Frau, schien das einzige zu sein, was eine Alternative zwischen Wahnsinn und Gleichgültigkeit bot, den schmalen, beinahe unsichtbaren Pfad der Menschlichkeit. Wie in Trance beugte er sich vor und roch an ihrem Haar. Er glaubte zwischen dem Geruch von Tod, Blut und Qualm das leichte Aroma von Eberesche, Veilchen und altem Pergament wahrzunehmen. Er sog den Geruch in sich auf, der ihn an Frieden erinnerte. Das war es auch, was Severus in diesem Moment fühlte, tiefen inneren Frieden und Ruhe. Beide waren von der äußeren Welt abgeschnitten, die Höhle unter dem Baum zu einer Oase geworden.
Lange Zeit saßen die beiden Zauberer so da. Dann wurde die Gegend wieder von mehreren Explosionen erschüttert, Schreie gelten. Doch diesmal erschreckend nahe. Die Todesser waren nicht mehr weit, sicher würde einer die beiden durch Zufall entdecken. Severus schluckte.
Sie war zu jung, kein Kind und keine Frau, weder Fisch noch Fleisch. Sie strahlte selbst jetzt, so völlig zerschunden, verbrannt und mit Blut besudelt völlige Unschuld und doch einen Hauch von Erotik aus.
Er bemerkte dies, ebenso wie den plötzlichen Willen sie zu retten. Sie in der Oase zu behalten und sie vor allem Über zu beschützen.
Er schloss die Augen und öffnete sie sogleich wieder. Er drückte Hermine, die sich vor Schreck von ihm gelöst hatte, wieder fest an sich und flüsterte mit leiser, hektischer Stimme seinen Plan ins Ohr.
Sie sah ihn verängstigt an und schüttelte dann bedächtig den Kopf. „Sie werden dabei sterben. Ich will nicht dass sie meint wegen sterben.“ Snape lächelte und strich ihre beruhigend über das Haar. „Keine Sorge, ich werde es schaffe.“ Doch sein Lächeln war falsch und strafte seiner Worte Lüge. Beide wussten, dass er sterben würde. Kein Todesser würde Severus am Leben lassen, schließlich hatte er schon am Anfang der Schlacht seine Loyalität bewiesen, indem er gleich drei Todesser mit einem Streich getötet hatte.
Hermine sah ihn traurig an und er nickte ihr stumm zu. Er zückte den Zauberstab. Die Stimmen der Todesser kamen ihm schon viel lauter vor. Er würde ihr also nun ein Zeichen geben und sie würde los rennen, sobald Severus das Feuer eröffnet hatte. Dann konnte sie sich hinter einigen Felsen verstecken und von da an versuchen zu einem Apparierpunkt zu kommen.
Einen kurzen Moment wurde Hermine von ihrer Angst und Aufregung überwältigt. Sie beuge sich vor und drückte dem Professor ihre Lippen af die seinen. Einen kurzen zarten Kuss lang, war die Oase noch einmal da. Er flüstere ihr noch zu, sie solle sich nicht umdrehen. Dann schob er sie von sich, strich ihr ein letztes Mal übers Haar. Dann startete das Inferno.
Severus eröffnete das Feuer und Hermine stürmte los. Sie hörte den erstickten Todesschrei von Severus und dann dumpf einen Körper aufschlagen. Doch obwohl ihr Tränen in den Augen brannten, rannte sie weiter.
Da nicht einmal 100Meter entfernt erspähte sie die Stelle von der sie sich wegzaubern konnte. Nur noch wenige Schritte…
Dann traf sie eich Fluch im Rücken. Die Welt kippte, Hermine spürte den Schmerz des Aufschlags schon nicht mehr. Ihr letzter Gedanke galt Severus Snape, ihrem Lehrer mit dem sie ihren ersten und letzten Kuss geteilt hatte…und dann nicht mehr.
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