
von MarauderGirl
Eine ganze Weile lang war ich nicht dazu fähig aufzustehen und zu den anderen zu gehen. Die Wut und ja, auch die Enttäuschung darüber, dass ich offenbar Recht gehabt hatte, was Sirius’ Absichten betraf, lähmten mich. Ich wusste nicht, warum ich wirklich so wütend war, denn immerhin hatte ich es ja schon geahnt. Vielleicht,war ich es, weil ich mich wegen ihm mit Jenny gestritten hatte oder vielleicht auch deswegen, weil wir eben mal ein ‚normales’ Gespräch geführt hatten und ich beinahe so was wie "Normalität" bei ihm bemerkt hatte. Ich hatte tatsächlich das Gefühl gehabt, dass ich irgendwann mal mit ihm einfach reden könnte. Aber nein, dann musste er ja wieder zu dem Sirius werden, den ich kannte. Den er leider viel zu oft raushängen ließ.
Seufzend fuhr ich mir durch mein Haar und gerade, als ich es schaffte aufzustehen, schwebte Stinke-Parfum-Kate auf mich zu. Mit einem ‚bezaubernden’ Lächeln (mir machte es eher Angst) zu Sirius und einem mehr als bösen Blick zu Jenny ging sie an den anderen vorbei und baute sich vor mir auf.
„Hi, Cassy“, meinte sie und schon ihr Ton sagte mir, dass da jetzt nichts Gutes kommen konnte. „Hast du Zeit, um mich nach Hogwarts zurückzubegleiten? Ich muss mal was mit dir besprechen.“
Resigniert sagte ich ihr zu. Als hätte ich jemals die Wahl gehabt. Ich nickte den anderen, die Kates Worte gar nicht überhören hatten können, zum Abschied knapp zu und folgte meiner "lieben" Mitschülerin.
„Also, um was geht’s?“, fragte ich, als wir einige Meter schweigend zurückgelegt hatten.
„Um deine Schwester“, antwortete mir Kate kühl. War ja klar. Um was sollte es denn sonst gehen? „Offensichtlich versucht sie noch immer an Sirius ranzukommen…“
„Offensichtlich hat sie das bereit geschafft“, erwiderte ich und versuchte den Missmut in meiner Stimme zu unterdrücken. Aber Kate war sowieso mit ihren Problemen beschäftigt.
„Ich dachte du wolltest was dagegen unternehmen, oder etwa nicht?“ Oh man, ihr Blick war voller Vorwürfe. Kam das nur mir so vor oder versuchte sie mir gerade die Schuld an den Hormonen von Jenny zu geben?
„Sag mal, Kate, hast du Geschwister?“
„Ähm… nein...“, meinte sie perplex.
„Merkt man“, nuschelte ich in mich hinein.
„Was?“
„Ach nichts…“, wehrte ich ab. Hätte sie welche gehabt, würde sie wohl kaum dieses bescheuerte Gespräch mit mir führen. Als würden sich 16-jährige irgendwas von ihren großen Geschwistern sagen lassen.
„Also, was machen wir jetzt?“, riss mich ihre schnippische Stimme aus den Gedanken.
„Mit was?“ Irgendwie war ich gerade ausgestiegen.
„Mit unserem Problem.“
„Unserem Problem? Unserem?!“, meinte ich. Sag mal, spinnte die Welt?! „Soweit ich weiß, ist das nur dein Problem, Kate.“
Verdattert blieb das Stinke-Parfum-Moster stehen. „Bitte was?!“
„Bitte“, murmelte ich über meine Schulter hinweg und stürmte auf das Schloss zu, das nur mehr wenige Meter von mir entfernt war. „Lös dein Problem alleine und hör auf damit, mich da reinzuziehen, okay? Ich habe meine eigenen Sorgen.“
Merlin, war ich froh, dass ich ihren Blick jetzt nicht sehen musste. Wäre wahrscheinlich wieder mal ein Todesblick der extraklasse gewesen. Irgendwie bekam ich solche Blicke öfters… Warum eigentlich?
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„Du nimmst dir den Stapel vor und ich nehme den hier. Einverstanden?“, fragte ich Sirius, der mir gegenüber im Stuhl lümmelte. Seit unserem Gespräch bei der Heulenden Hütte waren mittlerweile zwei Wochen vergangen und ich hatte mich einfach mit der Tatsache abgefunden, dass er so war wie er eben war. Nun wollte ich mich einfach auf das Projekt konzentrieren.
Deswegen saßen wir jetzt auch in der Bibliothek – beide mit circa zwanzig Büchern vor der Nase. Ich hatte diese bereits zusammengesucht und nun mussten wir sie nur noch durchsehen und schauen, ob irgendwo ein Zauber drinstand, den wir für unser Projekt gebrauchen konnten.
„Okay“, stimmte er minder begeistert zu und schnappte sich gähnend das erste Buch seines Stapels. Ich nahm mir ebenfalls eines von meinem und für etwa fünf Minuten lasen wir beide schweigend darin.
„Also, Cassy….“, begann er nach einer Weile. Dieser Ton gefiel mir gar nicht. Der klang schon so, als würde jetzt was Blödes kommen.
„Es tut mir Leid…“
„Bitte?!“ Überrascht sah ich Sirius an. Hatte er sich tatsächlich gerade bei mir entschuldigt?!
„Es tut mir Leid, dass du dich wegen mir mit Jenny gestritten hast.“
Ausweichend schüttelte ich den Kopf – blödes Thema. Ganz blödes Thema. „Wir waren nie die besten Freundinnen. Das mit dir war nur ein Grund für unseren Streit aber der Auslöser liegt wohl tiefer…“
„Wie meinst du das?“, fragte er nach. Klang er tatsächlich interessiert? Sirius Black und interessiert an meinem Leben? Irgendwas ging da falsch.
„Nun…“, gab ich ein wenige widerwillig zu. „Jenny hatte immer schon diese ‚Ich-hasse-meine-Schwester-Tage’. Und ich habe nie verstanden warum. Aber mittlerweile hab ich’s aufgegeben, es kapieren zu wollen.“
Für mich war damit das Gespräch beendet und ich wandte mich ein wenig abwesend meinem Buch zu. Doch anscheinend hatte Sirius heute seinen sozialstarken Tag, denn kurz darauf klappte er sein Exemplar zu und neigte sich gesprächsbereit ein wenig näher an mich heran.
„Du kennst ja sicher meinen kleinen Bruder, oder?“, fragte Sirius betont belanglos.
Verdutzt nickte ich. „Regulus, oder?“
„Jap. Bei uns ist das so ähnlich wie bei euch“, meinte er und warf mir einen seltsamen Blick zu. Womit hatte ich mir verdient, dass ich etwas von seiner Familie erfahren durfte? Er sprach sonst so gut wie nie über seine Verwandtschaft. Aber anscheinend hatte er gerade das Bedürfnis entdeckt, dass wir unser ‚Verhältnis’ dem Projekt zuliebe verbessern sollten. Offensichtlich versuchte er das mit Vertrauen zu schaffen.
„Nur ist bei uns die Abneigung auf beiden Seiten vorhanden. Was ich so mitbekommen hab’ magst du deine Schwester sehr, hab ich Recht?“
„Ja“, antwortete ich zögernd. „Aber das ist doch nicht wirklich Abneigung, was zwischen dir und deinem Bruder ist, oder?“
„Hast du uns schon mal miteinander reden sehen?“, entgegnete Sirius.
„Nein“, gab ich zu.
„Hast du jemals gesehen, dass wir uns angeschaut oder gegrüßt haben?“
„Ähm… nein…“
„Hast du mich jemals über ihn sprechen gehört?“
„Nein, aber ich hab’ ja auch nicht so viel mit dir zu tun.“
Sirius schĂĽttelte seinen Kopf und sah mich mit seltsam leeren Augen an. Wow, anscheinend war seine Familie echt verkorkst. FĂĽr eine Weile starrten wir uns schweigend an, bevor sich Sirius durch sein Haar fuhr und sich seinem Buch zuwandte.
Nach einer Viertelstunde, in der wir schweigend gelesen hatten, durchbrach er schließlich begeistert die Stille: „Ich glaub’, ich hab das was…“
„Ach ja?“ Gespannt sah ich ihm zu, wie er seinen Zauberstab hob und damit auf eine Zeichnung tippte, die zwischen uns am Tisch lag. Nach einem letzten prüfenden Blick ins Buch murmelte er: „Agito!“
Wie gebannt starrten wir beide auf das Blatt vor uns und für einige Sekunden erschien es so, als würde nichts passieren. Doch plötzlich ertönte ein lauter Knall und im nächsten Moment saß Sirius mit rußverschmiertem Gesicht und wild wegstehenden Haaren vor mir.
Zwei Atemzüge lang sahen wir uns mit offenen Mündern an, dann begann ich so heftig zu lachen, dass ich beinahe erstickt wäre. Er sah so verrückt aus und so… so wahnsinnig komisch. Man hätte ihn beinahe nicht erkannt.
Sirius, putzte sich lächelnd ab und sah mir dann fasziniert dabei zu, wie ich fast vom Stuhl gefallen wäre.
„Das…“, meinte ich nach Luft japsend. „Das wäre das perfekte Halloweenoutfit gewesen!“
Ich versuchte mich zu beruhigen, denn mein Bauch schmerzte bereits, als hätte jemand hineingeboxt, doch erst, als die Bibliothekarin mir einen mahnenden Blick zuwarf, schaffte ich es mich halbwegs unter Kontrolle zubringen.
„Bist du fertig?“, fragte Sirius gespielt beleidigt.
„Nein! Noch lange nicht, aber ich will keinen Streit mit der ollen Büchertante.“
Schmunzelnd schĂĽttelte er den Kopf.
„Du hast da noch etwas Ruß“, meinte ich und zeigte auf den Fleck neben seiner Lippe, den er offensichtlich bei seiner Reinigung vorhin übersehen hatte.
„Wo? Da?“, fragte er und wischte einige Zentimeter entfernt über sein Gesicht.
„Nein, warte“, meinte ich und stand auf. Ich stellte mich neben ihn und wischte vorsichtig über den Fleck.
Erst, als ich seinen Atem in meinem Gesicht spĂĽrte, bemerkte ich, wie nah ich ihm doch gekommen war. Beinahe panisch zog ich meine Hand zurĂĽck. Hatte ich gerade Sirius angefasst? Was war denn nur mit mir los?!
Sirius schien ebenso ĂĽberrascht wie ich zu sein, denn er sah mich bloĂź aus groĂźen Augen an. Irgendetwas hielt mich davon ab zu meinem Platz zurĂĽckzugehen. Vielleicht waren es seine Augen, die mich fesselnd anblickten, oder der Schock, dass ich ihm so nahe gekommen war, wie sonst nur selten einem Menschen.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so da standen (es sah sicher bescheuert aus), doch plötzlich kehrte mein Verstand zurück und ich ging ein paar Schritte zurück. Als wären wir gerade aus einer Trance erwacht, schüttelten wir beide unsere Köpfe.
Verlegen schnappte ich mir die Hälfte von meinem Bücherstapel und meine Tasche.
„Ich… Ich muss dann mal los…“, murmelte ich und stürmte so schnell es meine zittrigen Beine zuließen aus dem Bücherparadies. Ich hatte Sirius gar nicht die Chance gelassen etwas zu erwidern, was vermutlich besser war, denn was bitteschön könnte er schon zusagen haben, was mich beruhigte?
Immerhin war ich ihm viel zu nahe gekommen. Er war schließlich der Freund meiner Schwester. Und ein Frauenschwarm. Und er war die Person, der ich nie, auch nur annähernd, so nah sein wollte. Er war einfach er. Und ich…. Ich war entweder komplett durchgeknallt oder einfach total naiv und rufzerstörend. Zumindest meinen Ruf hatte ich bei Sirius gerade zerstört.
Oh man, vermutlich dachte er jetzt auch noch, dass ich was von ihn wollte. Schrecklich, schrecklich, schrecklich!!! Ahhhh! Wo war bitte das nächste Erdloch zum Verkriechen?!
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