
von MarauderGirl
Zu meinem größten Verblüffen schien der weitere Tag tatsächlich besser zu werden. James, Lily, Remus und ich hatten uns auf Decken auf die Wiese gesetzt und unterhielten uns über alles Mögliche. Das Erstaunliche daran war, dass ich ernsthaft feststellen musste, dass man mit James sogar halbwegs zivilisiert und normal sprechen konnte, wenn einmal der seltene Fall eintrat, dass er ohne Sirius unterwegs war.
Ich war mehr als erleichtert gewesen, als ich feststellte, dass Sirius und Co uns nicht gleich nachstürmten und mir so wenigstens eine kleine Möglichkeit boten, den Tag zu genießen. Und ja, ich genoss es, hier mit den Dreien zu sitzen und über Hogwarts, die Zaubererwelt und Muggel zu reden.
„Die lustigste aller Erfindungen der Muggel ist wohl das Telepon…“, meinte James und nickte wichtigtuerisch.
„James, das heißt Telefon“, verbesserte ihn Lily schmunzelnd. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen, als ich seinen Gesichtsausdruck sah. So nach dem Motto: Ehrlich?!-Du-hast-gerade-meine-Weltanschaung-zerstört!
Plötzliches, hysterisches Lachen, ließ uns alle herumfahren und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich es nicht geahnt hatte. Wieso sollte ich auch so dumm sein und glauben, dass Sirius und Jenny uns den ganzen Tag mit ihrer Abwesenheit belohnen würden?
Hand in Hand und zusätzlich noch irgendwie komisch verschlungen schlenderte die beiden auf uns zu. Beide hatten nur Augen für den anderen und scheinbar unterhielten sie sich gerade über Sirius’ achso tolle Heldentaten in der letzten Quidditchsaison. Tina, Wilma und Peter trotteten den beiden wie kleine Hündchen nach. Warum kam mir bloß gerade der Gedanke, dass die drei wie ihre Groupies aussahen? Hmm, komisch.
„… das war wirklich genial, Sirius“, hauchte Jenny gerade schleimerisch, als sie sich (natürlich in sicherer Entfernung von mir) zu uns setzten. „Das hätte wohl nicht jeder so gut hingekriegt!“
Sirius und Jenny begannen wild zu kichern, doch als ihre Blicke die von James, Lily und Remus trafen, verstummten sie augenblicklich.
„Was’n hier los? Da herrscht ja eine Stimmung wie auf einem Begräbnis“, erkannte Sirius scharfsinnig die schlechte Laune, die sich gerade über uns gelegt hatte.
„Bis vor wenigen Sekunden“, presste Lily abfällig hervor, „herrschte hier noch beste Stimmung, Sirius.“ Wow, so zuckersüß wie sie ‚Sirius’ aussprach konnte er ja gar nicht überhören, dass das ein unauffälliger Wink in seine und Jennys Richtung war.
Verwirrt sah Sirius zwischen seinen Freunden hin und her. Jenny dagegen sah mich so wütend, zornig und böse an, dass ich das Gefühl hatte, der größte Abschaum auf Erden zu sein. Na klar, war natürlich wieder alles auf meinem Mist gewachsen. Ich war ja soooo gut im Leute manipulieren.
Seltsamerweise schien Sirius zu begreifen, dass die Anwesenheit von seiner kleinen Klette und deren Freundinnen, die sich ebenfalls zu uns gesetzt hatten, nicht erwünscht war. Er warf James einen Blick zu, den wohl nur er verstehen sollte und blieb dann sitzen, als wäre nichts gewesen. Sein bester Freund atmete einmal tief durch, schloss kurz die Augen und fragte dann so freundlich wie nur möglich: „Redet ihr von Quidditch?“
Für einen kurzen Moment erweckte Jenny den Eindruck, seine Absichten, die für jeden außer für sie offensichtlich waren, zu durchschauen, doch dann nickte sie knapp. Dass James nur mit ihr sprach, weil sie etwas mit seinem Freund hatte, verdrängte sie entweder oder sie hatte es wirklich nicht bemerkt.
Auf einmal begannen alle von Quidditch zu reden, der wohl beliebteste Sport der Zaubererwelt und eines meiner absoluten Hassthemen. Ich hatte nichts dagegen, wenn man dem Sport zusah, doch musste man wirklich ständig und immerzu davon sprechen?
So unauffällig wie möglich stand ich auf und setzte mich ein wenig von den anderen entfernt unter einen Baum. Okay, zum Glück fragte keiner, warum ich weggegangen war. Interessierte wahrscheinlich auch niemanden. Sehr gut.
Sorgfältig holte ich meine Malsachen hervor und begann die Heulende Hütte zu skizzieren. Konzentriert biss ich mir auf die Unterlippe und malte jeden Strich mit Bedacht. Normalerweise waren meine Zeichnungen immer voll mies, wenn ich wütend war oder mich etwas belastete, aber nicht heute. Heute zeichnete ich sogar fast besser als sonst. Seltsame Ironie…
„Ich hab’ mir da was wegen unserem Projekt überlegt“, sagte plötzlich eine Stimme neben mir. Erschrocken fuhr ich zusammen und versuchte meinem Herzen einzureden, dass es wieder normal schlagen konnte. Lachend setzte sich Sirius neben mich. Haha, sehr witzig.
„Hübsche Zeichnung“, meinte er anerkennend. Augenblicklich drehte ich meinen Zeichenblock um.
„Danke“, murmelte ich verlegen. „Und was hast du dir überlegt?“
Sirius legte seine Stirn in Falten und starrte auf meinen Zeichenblock. Merlin, er dachte nach. Er dachte ernsthaft über irgendwas nach!
„Ähm.. Sirius?“, fragte ich vorsichtig.
Er zuckte kurz zusammen und schüttelte seinen Kopf. Eine Strähne seines schwarzen Haares fiel ihm uns Gesicht und seltsamerweise verspürte ich für ein paar Sekunden tatsächlich den Drang sie wegzutun. Okay? Was war jetzt mit mir los?! Drehte ich komplett durch?!
„Vergiss, was ich vorher gemeint habe“, sagte er plötzlich voll aufgebracht und strich sich die Strähne weg. „Mir ist gerade eine geniale Idee gekommen!“
Strahlend und absolut stolz auf seinen Geistesblitz sah er mich mit großen Augen an. „Was hältst du davon, wenn wir - besser gesagt – du alle Verteidigungsmöglichkeiten zeichnest und wir sie dann so verzaubern, dass sie sich bewegen? Dass man dann den direkten Vergleich von unseren Abwehrmöglichkeiten und die der Muggel hat! Was sagst du dazu, Cassy?“ Vollends begeistert sah er mich abwartend an. Ich sollte also für unser Projekt zeichnen? Keine gute Idee. Wirklich keine gute Idee.
„Weißt du, um ehrlich zu sein, bezweifle ich, dass ich das kann…“, antwortete ich ehrlich und sah auf meinen Zeichenblock.
„Was?!“ Mit diesem kleinen Dämpfer hatte er eindeutig nicht gerechnet. „Was meinst du damit?“
„Ich meine, dass ich zwar halbwegs passabel zeichnen kann…“
„Blödsinn!“, unterbrach er mich. „Du zeichnest echt wahnsinnig gut, Cassy!“
„… aber ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist, wenn wir die Präsentation darauf auslegen, dass ich das alles glaubwürdig darstelle, sodass man sich auch was vorstellen kann. Weißt du, was ich meine, Sirius?“
Zögernd sah ich ihn an. Oh man, da war es wieder. Dieses unverschämte Grinsen. Offensichtlich verstand er nicht, was ich meinte.
„Mach dir nicht so viele Sorgen, okay?“, meinte er lässig. „Wir versuchen’s einfach einmal und wenn es nicht funktioniert und du die Bilder dann schlecht findest überlegen wir uns was anderes, einverstanden?“
Gute Idee. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass wir wohl nicht so viel Zeit haben würden, um uns dann mittendrin was Neues zu überlegen. Ich war mir sicher, dass er sich dessen bewusst war. Verdammt, er ließ mir keine andere Wahl. Wenn ich ihm jetzt nicht zustimmen würde, würde er wahrscheinlich alle meine zukünftigen Ideen ablehnen, bis ich nachgeben würde und wir dann erst wieder bei dieser hier landen würden. Jeder Widerstand war also zwecklos. Toll.
Widerwillig stimmte ich ihm zu und erntete dafür gleich noch eine Probe seines Speziallächelns. Ich fühlte mich bei diesem Plan ganz und gar nicht wohl, aber wenn ich ihm das sagen würde, würde sich das auch nichts bringen.
Nachdenklich ließ ich meinen Blick zu den anderen gleiten und traf direkt auf Jennys Blick. Merlin, ihre Blicke durchbohrten mich quasi wie Sperre und wenn sie welche bei der Hand hätte, wäre ich wohl gerade von tausenden durchstoßen worden.
„Ich glaube, meinem lieben Schwesterchen gefällt es nicht, dass du hier sitzt“, murmelte ich und wandte mich meiner Zeichnung zu. „Vielleicht solltest du wieder zu deinen Groupies gehen.“
Sirius antwortete für ein paar Sekunden nicht. Er war in der Tat sogar so ruhig, dass ich aufschaute, um sicherzugehen, dass er nicht schon abgehauen war. Doch er saß noch immer neben mir und fixierte die Heulende Hütte mit seinem Blick.
„Willst du es nicht endlich loswerden?“, fragte er mich schließlich und sah mich wissend an. Was? Was hatte ich jetzt schon wieder verpasst?!
Verwirrt legte ich meine Stirn in Falten. „Wenn du mir sagst, was ich loswerden will, werde ich es vielleicht tun…“
Er lachte kurz auf und meinte dann: „Na, das typische große-Schwester-Ding.“
Was’n für ein großes-Schwetser-Ding? Entweder stand ich auf einer richtig großen Leitung, oder… Oder keine Ahnung.
„Willst du mir nicht endlich sagen, Cassy, dass ich die Finger von Jenny lassen sollte? Dass ich nicht gut genug für sie bin und dass ich sie gefälligst in Ruhe lassen sollte?“
Für ein paar Sekunden herrschte Stille, während mein etwas langsames Gehirn versuchte, diese Message zu verarbeiten. Doch sobald ich den Sinn seiner Worte so richtig begriff, brach ich in schallendes Gelächter aus. Oh man, das war ja auch zu komisch. Ausgerechnet er sagte so was zu mir! Ausgerechnet der Frauenheld Sirius Black!
Irritiert beobachtete Sirius mich, wie ich schweratmend versuchte, mich wieder zu beruhigen.
„Meinst du… ich…“, stieß ich unter neuen Lachanfällen aus, „…ich wäre... so naiv…“ Ich atmete tief durch und schaffte es tatsächlich mich halbwegs wieder unter Kontrolle zu haben. „Ich bin nicht so naiv, dass ich glauben würde, dass Jenny oder du auf mich hören würdet. Oder würdest du sie in Ruhe lassen, wenn ich dir sagen würde, dass ich dir sämtliche Knochen brechen werde, wenn du ihr das Herz brichst, so wie du es schon bei so vielen anderen getan hast? Würdest du es dann bleiben lassen?“
Nachdenklich sah er mich für eine Weile an, in der sich seine grauen Augen in die meine bohrten. Merlin, diese Blicke machten mich nervös. Oder waren es seine Augen? Nein… das konnte es wirklich nicht sein.
„Nein, ich glaube nicht“, antwortete er schließlich ehrlich und fuhr sich durch sein Haar. „Schätze mal, du hast Recht.“
„Und willst du mir jetzt nicht mal was sagen?“, stellte ich die Frage, die mir wie ein Blitz eingefallen war. „Willst du mir nicht endlich sagen, dass Jenny was ganz Besonderes für dich ist und dass ich mir keinen Sorgen machen muss? Dass du sie gut behandeln wirst und ihr auf keinen Fall das Herz brechen wirst? Dass das mit euch was anderes ist als mit den weiß der Geier wie vielen anderen? Willst du mir das nicht endlich sagen?“
Erneut bohrten sich seine Augen in meine und gerade, als ich mir sicher war, ich würde eine Antwort bekommen, stand er ruckartig auf.
„Ich geh dann mal zu den anderen“, nuschelte er, ohne mich anzusehen, und schlurfte zu den anderen zurück. Jenny begrüßte ihn mit einem herzlichen Lächeln und schloss ihn sogleich in ihre Arme.
Autsch! Dieser Abgang war Antwort genug. Enttäuscht schüttelte ich meinen Kopf. Jetzt hatte ich gerade angefangen zu glauben, dass er nicht dieser idiotische Ignorant war, für den ich ihn immer gehalten hatte und dann? Dann tat er so was? Er war also noch immer dieser verdammte Mistkerl! Sirius meinte es nicht ernst mit meiner Schwester! Und es brach mir das Herz mitansehen zu müssen, wie sie sich sekündlich mehr in ihn zu verlieben schien. Wie sie jede Sekunde mehr in ihr Unglück rannte. Er würde ihr wehtun. So wie er es bei zu vielen anderen schon getan hatte. Sirius würde wohl immer dieser ekelhaft grausame Macho bleiben. Immer.
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