
von MarauderGirl
Mein lieber bester Freund zeigte sich mal wieder von seiner zuckersüßen und vor allem sensiblen Seite, als ich ihm von meinem unfreiwilligen Plan für den heutigen Tag erzählte.
„Na, da hast du dir aber was eingebrockt“, stieß er zwischen einem Lachkrampf hervor.
„Aber du kommst sicher mit, oder?“ Jeder normale Mensch wäre bei der Schärfe meiner Worte ganz klein geworden und hätte nachgegeben. Aber Oliver leider nicht.
„Sicher nicht! Nichts auf dieser Welt könnte mich dazu bringen!“, meinte er und schüttelte sich erneut vor Lachen. Man, war er heute mal wieder fies. Ich hätte bitte gerne wieder meinen süßen, netten und vor allem stillen besten Freund zurück!
„Bitte, Oliver!“ Verzweifelt versuchte ich es mit meinem Schmollmund. „Bitte, komm mit!“
Doch dieser ließ sich nicht im Geringsten erweichen. Als er sich wieder halbwegs gefasst hatte, stand er langsam und träge, wie immer, vom Boden auf und schlurfte Richtung Schloss davon.
„Viel Spaß“, meinte er noch und hob, ohne sich umzudrehen, die Hand. „Und sei nicht allzu fies!“
Eingeschnappt durchbohrten meine bösen Blicke seinen Rücken. Obwohl ich nicht gerade viel Hoffnung darin gesetzt hatte, dass Oliver mitkam, hätte ich doch so etwas wie Mitgefühl von ihm erwartet. Aber das war wohl auch zuviel verlangt gewesen.
Am liebsten wäre ich ja jetzt hier, unter dem Baum, sitzen geblieben und hätte die schöne Landschaft gezeichnet. Aber auch, wenn es mir egal war, was die Marauder dann über mich denken würden, wollte ich nicht in dieselbe Schublade wie Sirius gesteckt werden und jemanden versetzen. Weshalb ich mich, nach mehreren schwereren Gewissenskonflikten, dazu aufraffte, zum vereinbarten Treffpunkt zu gehen.
Ich hatte beschlossen, diesen Tag halbwegs ohne Wutausbrüche, Beschimpfungen oder sonstige gemeine Dingen zu überstehen, aber der Vorsatz wäre schon beinahe gestorben, bevor er überhaupt richtig existierte, denn als ich mich zu Lily und den Jungs gesellte, meinte Sirius: „Wir müssen ein bisschen warten. Es fehlen noch ein paar Leute.“
Mein erster Gedanke war: ‚Is’ ja mal wieder super nett, dass ihr mir das auch mal sagt! Kann ich dann jetzt bitte hier bleiben?!’ Aber dann, kurz bevor ich meine Wut wirklich rausgelassen hätte, sah ich ein, dass das pures Glück war. Denn jetzt musste ich nicht ganz alleine mit diesen Angebern herumrennen. Wäre auch zu peinlich gewesen, wenn wir uns entweder angekeift oder, noch viel besser, angeschwiegen hätten. Wäre sicher ein super lustiger Ausflug geworden.
Aber fünf Minuten später hätte ich beinahe tatsächlich meine guten Vorsätze vergessen können und dann hätte das für alle Umstehenden im Umkreis von einem Kilometer nichts Gutes bedeutet. Denn ausgerechnet Jenny und zwei ihrer zickigen Freundinnen schritten in perfekter V-Formation die Treppe hinab und gesellten sich zu unserer Gruppe.
Was, bei der gestreiften Unterhose von Merlin, hatte Jenny von unserem Gespräch nicht verstanden?! Hatte ich ihr nicht empfohlen, nein, besser gesagt, geraten die Finger von Sirius zu lassen?! Hatte ich doch, oder? Und nun kam sie daher, mit ihrer hautengen Jeans, ihrem hübschen Top, der perfekten Frisur und einem zuckersüßen Lächeln, welches das Wort ‚Naivität’ schon fast überstrapazierte.
Innerlich kochte ich vor Wut und am liebsten hätte ich mal so richtig die große Schwester raushängen lassen. Aber nein, Oliver hatte Recht. Ich sollte nicht so fies sein, denn immerhin hielt Verwandtschaft ein Leben lang und leider änderte auch das berühmt berüchtigte ‚zum Mond schießen’ nichts daran, auch wenn ich das jetzt nur allzu gerne getan hätte.
„Hi“, grüßte Jenny die Runde mit einem strahlenden Lächeln, das jedoch innerhalb von einer Millisekunde verschwand, als sie mich sah. „Cassy? Was machst du denn hier?“
„Das was alle machen… Ich geh nach Hogsmeade“, murmelte ich mit soviel Begeisterung, wie es mir in diesem Moment möglich war.
Perplex kam Jenny auf mich zu und überließ damit Tina und Wilma für einen Moment die Poleposition bei den Maraudern. Schon beinahe grob zog sie mich zur Seite und zischte: „Was machst du hier?!“
„Das hab’ ich dir ja schon gesagt“, fauchte ich zurück. Die Art wie sie mich ansah, ließ mich einerseits noch wütender werden, doch andererseits tat es mir weh, diesen Ausdruck in ihren Augen zu sehen. Es war traurig. Mehr als bloß traurig. Wir waren Geschwister, blutsverwandt und trotzdem schaffte es so ein Idiot wie Sirius, dass wir uns ansahen, als wären wir die größten Feinde. Dabei mochte ich ihn nicht mal! Im Gegenteil! „Ich mach…“
„Ach, hör’ doch auf damit“, unterbrach sie mich schroff. Na, was war denn mit ihr heute los? Hatte sie wieder mal den Ich-hasse-Cassy-Tag? „Ich weiß doch genau, warum du wirklich hier bist!“
Mit hochgezogenen Augenbrauen wartete ich darauf, dass sie mir ihre Hirngespinste mitteilte, doch sie funkelte mich bloß bösartig an.
„Und das wäre?“, fragte ich nach einer Weile schwach. Die anderen wurden schon etwas ungeduldig, doch das schien Jenny nicht im Geringsten zu stören. Noch immer verletzte mich ihr Blick bis in die Knochen.
„Sirius!“, fauchte Jenny und klang einer Katze zum Verwechseln ähnlich.
„Wegen Sirius?!“ Ungläubig sah ich sie an. Und ich dachte, sie würde mich kennen. „Jenny, das ist absoluter Blödsinn und wenn du mal ganz tief durchatmen und kurz darüber nachdenken würdest, wüsstest du, dass du so was von falsch liegst.“
„Nein, Cassy. Jetzt atmest du mal tief durch, hältst die Klappe und hörst mir zu!“ Was zum Henker…?! Was fiel ihr ein so mit mir zu Reden? Und wieso klaute sie mir meine Sprüche? Hallo?! Immerhin war ich ja doch noch ihre große Schwester. Doch ihre Aussage verstörte mich so, dass ich – wahrscheinlich zum ersten Mal in meinem Leben – nichts zu antworten wusste.
„Ich mag Sirius, okay? Und er mag mich und es kann dir egal sein, wann und wo ich mich mit ihm treffe!“
„Jenny…“, startete ich einen schwachen Versuch sie zu beruhigen. Aber sie brachte mich mit einer groben Handbewegung zum Schweigen, während ihr Gesicht immer roter und ihre Stimme leider immer lauter und fieser wurde.
„Warum verkriechst du dich nicht einfach wieder bei Oliver?! Sonst ist dir auch niemand gut genug, außer ihm! Und glaub mir eines: Nur, weil du Lily auf deiner Seite hast, hast du noch lange nicht gewonnen, verstanden?!“
Okay? Von was bitteschön sprach sie da gerade? Ich hatte Lily auf meiner Seite? Hmm, hatte ich gar nicht gewusst…vor allem, weil ich nicht wusste, dass es Seiten gab!
„Jenny…“, startete ich einen neuen, allerdings genauso vergeblichen, Versuch ihr alles zu erklären. Wieder brachte sie mich schroff zum Schweigen. Also langsam fing mich das richtig an zu nerven.
„Du kennst mich, Cassy. Du kennst mich wahrscheinlich besser, als alle anderen hier und genau deshalb hätte ich niemals von dir gedacht, dass du mir das antust und ebenfalls hinter Sirius her sein würdest!“
Achso! Das dachte sie also. Jenny hatte mal wieder voreilig gehandelt. Nur weil ich einmal einen Ausflug mit ihnen unternahm, hieĂź das doch nicht gleich, dass ich etwas von Sirius wollte!
Geduldig wartete ich darauf, dass sie mir noch eine Beleidigung an den Kopf warf, denn wie sie schon sagte, ich kannte sie. Besser als ich wollte. Aber sie schien alles losgeworden zu sein, was unbedingt hatte gesagt werden mĂĽssen.
„Erstens: Ich habe niemanden auf meiner Seite“, begann ich mit einer mehr als betont ruhigen Stimme. „Zweitens: Ich bin nur hier, damit die Zusammenarbeit mit Sirius halbwegs klappen kann. Drittens: Ich wollte das hier nicht und ich habe es auch ganz sicher nicht vorgehabt. Viertens: Ich habe nicht mal einen Funken Interesse an so ’nem Typen wie Sirius. Den kannst du geschenkt und mit einer rosa Schleife haben, wenn du willst. Denn ich will ihn sicher nicht! Und Viertens: Du müsstest mich auch kennen, Jenny und wenn du nicht gerade solche dummen Hormone hättest, die dir anscheinend den Verstand rauben, würdest du niemals so etwas von mir denken! Immerhin bin ich deine Schwester und im Gegensatz zu dir, kenne ich auch noch andere Dinge außer Jungs und Klamotten!“
Für einen Moment war es so leise in der großen Halle, dass ich das Gefühl hatte, die Wut in Jennys Bauch zu hören. Wir standen beide da und starrten uns voller Zorn an. Was war bloß aus meiner Schwester geworden?! Und wegen was, bitteschön mussten wir uns so streiten?! Wegen eines kindischen Angebers! Tränen stiegen mir in die Augen, doch ich blinzelte sie krampfhaft weg. Noch nie in unserem Leben hatte wir uns gegenseitig so verletzt. Und dieser Hass, dieser verdammte Hass, der in die Augen meiner frühreifen Schwester trat, brach mir das Herz.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass sich der Rest unserer Gruppe näherte und erst jetzt fiel mir auf, dass meine Hände, die ich unwillkürlich zu Fäusten geballt haben zu schien, zitterten.
„Hey…Alles okay?“, fragte Remus vorsichtig, doch weder Jenny noch ich antworteten.
Plötzlich wandte sich Jenny von mir ab, schnappte sich die Hand des verdutzten Sirius und zog ihn mit sich aus dem Schloss hinaus, dicht gefolgt von ihren Freundinnen. Sobald sie über die Schwelle getreten waren, entspannten sich meine Hände und ich atmete tief ein. Mein Blick wanderte zu Boden, als würde ich dort eine Antwort auf meine Frage finden. Was war hier gerade geschehen?
„Geht’s dir gut?“ James zögerliche Stimme ließ mich aufschauen.
„Ja… ja, ich glaube schon“, murmelte ich. Doch das war gelogen. Ich hatte kein Problem damit, wenn mich die anderen nicht verstanden, komisch ansahen, nicht mochten oder sogar hassten. Aber Jenny war keine von ‚den anderen’. Sie war meine Schwester und ich hatte immer gehofft, all das nie in ihrem Gesicht sehen zu müssen.
„Kommt“, nuschelte ich, während ich die erneut aufsteigenden Tränen unterdrückte, „lasst uns endlich nach Hogsmeade gehen…“
„Was?!“, entfuhr es Lily, James, Remus und Peter wie aus einem Munde.
„Bist du dir sicher, Cassy, dass du da noch hin willst?“, fragte James verwundert. Ich nickte leicht und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Ja, ich musste dorthin, denn wenn sie es schon nicht selbst konnte, musste ich eben auf Jenny aufpassen. Auch wenn sie mich hasste, so blieb sie doch meine Schwester und ich hatte eindeutig kein gutes Gefühl bei der Sache. Nichts gegen Sirius, aber wenn Jenny mal so richtig wütend war, dann konnte sie schon mal Dinge tun, die sie vielleicht bereuen würde. Und wie ich Sirius kannte, würde er am allerwenigsten etwas dagegen haben.
Jenny und Sirius waren uns ein ganzes Stückchen voraus, als wir aus dem Schloss traten und schweigend den Weg zum Dorf folgten. James, Remus und Peter gingen einige Meter vor Lily und mir und tuschelten, ganz unauffällig, über das, was gerade eben geschehen war.
„Geht’s dir wirklich gut?“, fragte Lily sanft und aus den Augenwinkeln bemerkte ich ihren besorgten Blick.
Es wäre mehr als vernünftig gewesen, jetzt mit ja zu antworten, doch aus irgendeinem Grund wollte dieses Wort nicht über meine Lippen kommen. Es fühlte sich falsch an.
„Nein, eigentlich nicht…“
„Meine Schwester und ich sind auch so verschieden wie ihr zwei“, erzählte mir Lily und ich glaubte einen leichten traurigen Unterton herauszuhören. „Sie versteht mich nicht und ich verstehe sie ehrlich gesagt auch nicht…“
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, aber vor allem war mir gerade nicht nach reden zumute. Eher nach heulen. Doch sie schien auch keine Antwort zu erwarten und so hingen wir beide unseren Gedanken nach.
Nach einer Weile kamen wir dann, noch immer schweigend, in Hogsmeade an, wo Sirius mit meiner Schwester, die mich gekonnt ignorierte, und deren Freundinnen auf uns wartete.
Ich wollte nur mehr zurĂĽck zum Schloss und mich mit Oliver unter den Baum legen. Aber nein, das ging nicht. Ich war ihre Schwester. Und egal wie sehr Jenny mich auch hasste, ich musste einfach auf sie aufpassen.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel