
von MarauderGirl
Heute war Samstag – mein allerliebster Tag der Woche. Erstens konnte ich mich an diesem Tag einmal so richtig ausschlafen, was vor allem gut für die Beseitigung der nervigen Augenringe war, die sich leider im Laufe der Woche unter meinen Augen niedergelassen hatten und die sich auf keinen Fall und trotz des Einsetzens von drastischen Mitteln nicht vertrieben ließen. Und zweitens war dieser Tag perfekt um einfach mal einen auf Oliver zu machen – die Perfektion von Nichtstun vermischt mit einer Brise extra Nichtstun. Herrlich! Einfach der schönste Tag der Woche.
Denkste, liebe Cassy. Natürlich sollte dieser Samstag anders für mich werden, denn als ich mich dazu aufraffen konnte, bereits um halb zehn (normalerweise war ich da noch im Tiefschlaf, aber es war seit Tagen Vollmond und da schlief ich ziemlich unruhig) die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinunter zu schweben, erwarteten mich dort vier breit grinsende und erschöpft wirkende Marauder und eine noch viel breiter und freundlicher lächelnde Lily.
„Morgen, Cassy“, begrüßte mich James und vor lauter Verblüffung, dass er mit mir sprach, wäre ich beinahe die letzte Stufe hinuntergefallen. Na, das wäre doch mal ein toller Auftritt gewesen.
„Ähm… Ja, morgen“, murmelte ich, während ich versuchte mein Gleichgewicht wieder unter Kontrolle zu bringen, bevor meine Nase tatsächlich den Boden küssen musste.
Als ich wieder halbwegs aufrecht stand und in die Gesichter der Marauder blickte, schoss mir meine verhasste Röte mal wieder ins Gesicht, denn sie alle blickten mich erwartungsvoll und schweigend an. Okay? Was wollten die von mir? Ach nein, hatte Sirius ihnen von dem Gespräch gestern erzählt? Wenn ja, hätte ihnen mein Kniefall sicher gefallen. Ich hasste es, wenn ich mich entschuldigen sollte oder musste und in diesem Moment hatte ich leider das allzu starke Gefühl, dass ich es wieder mal tun sollte.
„Also,… ähm“, begann ich etwas verunsichert. Mein Selbstbewusst sein war ja heute mal wieder so groß wie eine Erbse. Na toll… Doch zu meinem Glück schienen die Jungs gar keine Entschuldigung zu erwarten.
„Wir wollten dich fragen“, eröffnete mir Sirius nach einem kurzen Räuspern ihre Absichten, „ob du heute schon was vor hast.“
Verdattert glotze ich ihn an. „Ob ich… ob ich was vorhabe?“
Sirius nickte stürmisch.
„Nein, eigentlich hab’ ich nichts vor“, sagte ich zweifelnd und ließ keinen der Jungs aus den Augen. Irgendetwas war hier faul. Verdammt faul.
„Gut“, meinte James strahlend. „Dann kannst du ja mit uns mit nach Hogsmeade gehen, oder?“
Was? Okay… okay. Zurück spulen und dann bitte gaaaanz langsam von vorne abspielen. Hatte mich James Potter tatsächlich dazu eingeladen mit ihm und seinen Freunden nach Hogsmeade zugehen?
„Was sagst du dazu?“, fragte mich nun Remus und schenkte mir auch noch ein Lächeln. Mann, er sah aus, als hätte er die letzten Nächte durchgemacht. Was ich mir aber bei ihm nicht vorstellen konnte. Und außerdem, gab es heute gratis Lächeln oder Happy-Pillen zum Sonderpreis?
„I-Ich… Um ehrlich zu sein, habe ich schon mit Oliver ausgemacht, dass wir zusammen ins Dorf gehen. Tut mir leid.“ Puh, zum Glück war mir das noch schnell eingefallen. Jetzt musste ich nur mehr Oliver irgendwie dazu motivieren können, wirklich mit mir nach Hogsmeade zu gehen.
Aber warum zum Teufel kauften sie mir das eindeutig nicht ab? Glaubten die wirklich, dass ich lügen könnte? Nun, vielleicht kannten sie mich tatsächlich besser, als sie und ich gedacht hatten. Oder ich war einfach nur eine grottenschlechte Lügnerin. Keine Ahnung was blöder wäre.
„Er kann doch auch mit uns mitkommen, wenn er will“, schlug Remus achselzuckend vor. Ahh! Warum musste er auch immer eine Antwort haben?
„Sagt mal“ Misstrauen schwebte in meiner Stimme, als ich meine Augen über die Gesichter vor mir schweifen ließ, „seit wann wollt ihr, dass ich mit euch zusammen irgendwohin gehe? Ich bin ja sonst auch Luft für euch…“
„Das stimmt nicht!“, beeilte sich James zu sagen. Ich warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und er sank zusammen wie eine Blume, die man viel zu lange nicht mehr gegossen hatte. „Okay, okay. Vielleicht waren wir nicht immer die besten Freunde…“
Tja, das war noch sehr untertrieben, aber da ich nicht auf diesem Thema herumreiten wollte, zuckte ich bloß mit den Schultern. Plötzlich traf mein Blick Peter und ich wich angeekelt zurück. Biss dieser Kerl gerade wirklich wie ein Besessener auf seinen Nägeln herum? Igitt! Wie ekelhaft!
„Um ehrlich zu sein“ ,befreite mich Sirius’ Stimme aus diesem widerlichen Szenario, „will ich dir mit dieser Einladung nur beweisen, dass alles, was du gestern gesagt hast, falsch ist.“
Och ne. Konnte er das nicht einfach vergessen? Und mich auch gleich dazu? Warum bitteschön hatte er mir nicht einfach zuhören können? Dann hätte ich nie die Beherrschung verloren und wir würden jetzt nicht hier stehen. Dann hätte ich mich jetzt schon mit Oliver irgendwo verkrochen und müsste nicht dieses idiotische Gespräch führen. Warum waren Jungs so verdammt kompliziert? Man sollte wirklich ein Buch darüber schreiben. Wäre sicher ein Bestseller.
„Ich glaube nämlich“,riss mich Sirius’ Stimme erneut aus den verworrenen Gedanken, „dass du komplett anders über uns denken würdest, wenn du uns ein bisschen besser kennen würdest. Und dafür ist doch ein Ausflug nach Hogsmeade perfekt, oder?“
Ein mehr als klägliches Lächeln huschte über mein Gesicht. „Ähm… Wäre es für uns alle nicht einfacher, wenn wir das Gespräch von gestern vergessen würden?“
„Vielleicht einfacher, aber nicht gerade besser“, konterte Sirius. „Wenn wir es einfach vergessen würden, würdest du ja trotzdem noch immer so falsch über uns denken.“
Hallo? Schon mal was von Meinungsfreiheit gehört? Ich hatte nicht das geringste Problem damit, so zu denken, wie ich eben dachte. Schule war vollkommen umsonst, aber leider genauso wichtig, Oliver war stinkfaul und manchmal sogar so sehr, dass er nicht mal reden wollte, Jenny war eine mini Zicke, die gerne Model wäre und idiotische Freundinnen hatten, die alle nichts Besseres zu tun hatten, als Jungs, bevorzugt Sirius und Oliver, anzugraben, meine Mutter fand fast alles schrecklich was ich tat, die Erde war nur rund, damit kein Idiot runterfallen konnte, Professor Morton war einfach genauso eingestaubt wie seine Klamotten, Birnen waren bloß fehl entwickelte Äpfel und die Marauder waren lästig, überheblich und für mich mindestens genauso Luft, wie ich für sie – das war mein Weltbild. Und wenn ich mich nun sozusagen mit den Maraudern (ich konnte es nicht mal denken) anfreunden würde, dann wäre dieses wundervolle Weltbild zerstört und das konnte und wollte ich nicht zulassen.
Anscheinend war mein Gesicht ein Ebenbild meiner Gedanken, denn Sirius und James warfen sich zweifelnde Blicke zu. Innerlich flehte ich alle mir bekannten Helferlein an und tatsächlich schien einer von ihnen meinen Wunsch nach Erlösung erhört zu haben.
„Hey, Jungs“, durchbrach Lily die mehr als unangenehme Situation. „Könntet ihr Cassy und mich für einen Moment alleine lassen?“
Fünf verdutzte Gesichter wandten sich der Rothaarigen zu, die uns bloß mit ihrer schönsten Unschuldsmiene ansah.
„Bitte?“, fügte sie schließlich noch hinzu, als sich kein einziger Marauder vom Fleck rührte. Schulterzuckend und noch immer erstaunt über Lilys Einschreiten drehten sie sich dann doch um und (ja, sie taten es wirklich) stolzierten aus dem Gemeinschaftsraum.
Sprachlos starrte ich den Jungs nach. Hatten die tatsächlich mal auf jemanden gehört?
„Komm, wir setzten uns“, forderte Lily mich auf und ich stolperte ihr zum Sofa nach. Als wir uns gesetzt und schon fast peinlich lange angeschwiegen hatten, fragte ich mich wirklich, was ich verbrochen hatte, dass dieser Tag so beginnen hatte müssen. Außerdem fühlte ich mich ein bisschen so wie in einem Verhör, denn Lily sah mich ernst an.
„Als du gestern Abend zu Bett gegangen bist“, fing Lily dann doch zu sprechen an, „saßen die Jungs und ich noch ein wenig zusammen. Sirius hat uns erzählt, was du gesagt hast und nun ja, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass du dich damit beliebt gemacht hast.“
Sie warf mir einen nachdenklichen Blick zu und runzelte die Stirn. „Weißt du, auch wenn ich mit James zusammen bin, durchschaue ich ihn und den Rest der Marauder nicht immer. Und als sie dann gestern diesen Plan mit der Einladung gemacht hatten, stand ich echt auf der Leitung. Ich hatte nicht verstanden, warum sie das tun wollten und vor allem, warum es Sirius so wichtig war, dass du zusagst.“
Okay… seltsames Gespräch. Nein, eher so etwas wie ein bizarrer Monolog.
„Aber als ich euch vorhin zugehört habe, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Du hast Sirius, James, Remus und Peter mit deiner Aussage zwar nicht verletzt, aber ich weiß genau, dass das an ihrem Ego gekratzt hat. Es stört sie nicht, dass du so über sie denkst, sondern nur die Tatsache, dass es jemanden gibt, der eben anders über sie denkt als die breite Masse. Und genau deshalb wollen sie, dass du sie kennen lernst. Einfach nur, damit sie diesen kleinen Kratzer aus ihrem Ego wischen können. Sie sind’s einfach nicht gewöhnt, dass ihnen jemand mal die Meinung sagt.“
Total aus dem Konzept gebracht starrte ich sie an. Für einen Moment hatte es mir wirklich die Sprache verzogen, aber als ich mich wieder gefasst hatte, zog ich eine Schnute à la kleines beleidigtes Kind, das keinen Lolly bekam.
„Und warum muss ich darunter leiden, dass die so ein dummes Ego haben, das nicht kratzfest ist?“, fragte ich und sah Lily unsicher an. Eigentlich wollte ich so etwas nicht sagen, aber irgendwie musste ich ja mal loswerden, dass ich keine Lust hatte, mit den Maraudern was zu unternehmen.
„Weil es auch für dich einen gewissen Vorteil haben wird“, antwortete diese schmunzelnd.
„Ach ja?“, fragte ich nun doch interessierter. „Und welchen?“
„Ich bin mir sicher, dass die Zusammenarbeit von dir und Sirius besser laufen wird, wenn er nicht ständig versuchen müsste, dir dein Bild von ihm auszutreiben.“
Mist. Da hatte sie wohl Recht. Ich musste wohl in diesen sauren Apfel beißen, wenn ich das Projekt halbwegs normal über die Bühne bringen wollte. Resigniert lehnte ich mich an die Lehne und schloss meine Augen. „Gut, ich komm’ mit.“
„Super!“ Lily schien sich tatsächlich darüber zu freuen. „Wir treffen uns dann in einer Stunde vor der großen Halle, okay?“
Ich nickte gleichmütig, öffnete jedoch nicht meine Augen. Innerlich verfluchte ich mich gerade selbst mit allen mir möglichen und bekannten Flüchen. Als Lily schließlich aufstand und sich ihre Schritte entfernten, atmete ich tief durch und erhob mich ruckartig. Wieder einmal hatte ich mich in was verstrickt, das ich überhaupt nicht wollte. Irgendjemand schien mich in dieser Woche wirklich zu hassen.
Aber das Schlimmste an diesem zusammen-mit-den-Maraudern-nach-Hogsmeade-gehen waren die Blicke, die mir meine Schwester und deren Freundinnen zuwerfen würden und die mindestens genauso tödlich waren wie Gift und die Tatsache, dass mich Oliver auslachen und möglicherweise auch noch verspotten würde, wenn ich ihm das erzählt hatte.
Doch trotzdem fanden meine verdammten Beine schon fast von alleine ihren Weg zu dem Baum am See, unter dem ich Oliver zu hundert Prozent finden würde. Und tatsächlich, dort lag er: die Perfektion des Nichtstuns.
Kraftlos sank ich neben ihn in das Gras und während ich über die verschiedensten Möglichkeiten nachdachte, wie ich da wieder rauskommen könnte, beobachtete mein bester Freund die Wolken, als wären die so spannend wie ein Krimi. Ja, er war anders als die anderen. Sehr viel anders.
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