Schicksal - Schicksal
von Godess_Artemis
Schicksal
Schicksal.
Ein bedeutungsschweres Wort.
Ein Leben, das schon von Geburt an festgelegt war. In jeder einzelnen Zelle des Körpers eingraviert. Keine Möglichkeit es zu ändern oder abzuwandeln. Aber das stimmte nicht, ein Leben war nicht von vorne herein festgelegt. Es wurde durch die Tausenden und abertausenden Entscheidungen, die ein Mensch in seinem Leben traf und die daraus resultierenden Ergebnissen geformt und geprägt.
Auch sein Leben war so gewesen, denn jeder Mensch konnte sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das Unglück der Potters war der beste Beweis dafür.
James und Lily waren tot. Tot weil sie einen Verräter unter ihren besten Freunden hatten, der sie direkt an Lord Voldemort verkauft hatte. Er wollte immer noch nicht glauben, dass Sirius, der vorlaute Casanova, seinem allerbesten Freund und Bruder so etwas hätte antun können, doch es gab keine andere logische Erklärung.
Wenn er doch bloß nachdrücklicher in seinen Forderungen gewesen wäre, vielleicht wäre der kleinen Familie dieses Unheil erspart geblieben. Er hätte in vielem nachdrücklicher sein müssen, er hätte den Tarnumhang nicht von James wegnehmen dürfen...er hätte so vieles richtig machen können, aber für Vorwürfe war es nun zu spät. Er konnte es nicht mehr rückgängig machen, er konnte nur dafür Sorge tragen, dass es dem Sohn der Potters, Harry, gut ging. Auch er hatte ein schweres Schicksal vor sich. Vermutlich war Lord Voldemort nur für kurze Zeit außer Gefecht gesetzt und würde alles, wirklich alles, daran setzen seine Macht wieder an sich zu reissen und seinen Widersacher zu erledigen. Keine leichte Aufgabe für einen kleinen Jungen, das Schicksal der gesamten Zauberer- und Muggelwelt auf seinen schmalen Schultern zu tragen.
Doch er musste dies nicht alleine tun, noch nicht. Vorerst musste dafür gesorgt werden der Rückkehr des Dunklen Lords vorzubeugen und bei einem eventuellen Wiederaufstieg die Fäden in der Hand zu haben. Solange ging auch das Wohl des Jungen vor.
Mit hartem Gesichtsausdruck wandte sich Albus Dumbledore an die zusammengekrümmte Gestalt, die sich auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch befand und aussah als hätte sie alles Leid dieser Welt auszuhalten. Die rechten Worte zur rechten Zeit konnten überaus hilfreich sein, auch wenn er sich im Moment unwohl dabei fühlte einen seiner ehemaligen Schüler auszunutzen. Doch für Harry war es so am besten.
„Was geschehen ist können wir nicht mehr richten, Severus. Lily ist tot.“
Der junge Mann vor ihm sties ein gequältes Wimmern aus und hob langsam den Kopf, den er bisher gesenkt hatte. Tränen zwangen sich für seine für immer verlorene Liebe aus seinen traurigen obsidianfarbenen Augen und strömten ihm über das bleiche Gesicht.
„Sie haben...sie haben es... ver-versprochen. Sie haben mir versichert, dass Lily in Sicherheit wäre. Dass ihr nichts geschehen könnte. Dafür habe ich ihnen doch alles gesagt!“, krächzte der ehemalige Slytherin mit schwacher tränenerstickter Stimme, weit entfernt von seinem sonst so kalten gelassenen Selbst.
Der Direktor wandte den Blick ab. Er ertrug den Anblick nicht. Die Anklage. Die Trauer. Die Wut. Die SCHULD. Genau wie damals bei Ariana. Dieses Gesicht. Aberforth hatte ihn genauso anklagend angesehen bevor er ihm mitten während der Beerdigung die Nase mit einem gutgezielten Schlag zertrümmert hatte. ER selbst hatte so ausgesehen. Im Spiegel. Als Gellert ihn verlassen hatte. Hatte einen Schuldigen gesucht für seine eigenen Verbrechen.
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Er sah die geballte Faust schon lange auf sich zukommen bevor sie ihr Ziel fand. Doch er wich dem geradliniegen Angriff nicht aus. Er hätte sich natürlich auch verteidigen können - mit seinem Zauberstab, der in seiner Tasche steckte, oder auch mit den bloßen Fäusten - aber dazu fehlte ihm der Wille. Er hatte die Schmerzen verdient. Er hatte das alles verdient. Die Wut seines Bruders, die Schläge die er auf sich niederprasseln fühlte wie faustgroße Hagelkörner genauso wie die Leere in seinem Kopf die nur Platz für einen einzigen Gedanken lies: Ich bin schuld. Ich bin schuld, dass sie TOT ist.
„Du feiger Hund!“, brüllte ihn sein kleiner Bruder wutentbrannt an. „Wegen dir Verräter ist sie gestorben, du hast sie einfach sterben lassen, Mörder!!!!“, schrie Aberforth seinem Bruder solange entgegen bis ihn einige Gäste der Beerdigungszeremonie von Albus wegzerrten.
Albus keuchte schwer, ob aufgrund der Anschuldigungen oder der körperlichen Schmerzen vermochte er nicht genau zu unterscheiden. Die halbmond-förmige Brille baumelte von seiner seltsam verdrehten Nase, aus deren Atemlöchern Blut hervorquoll. Seine schwarze Trauerkleidung war teilweise zerrissen und dreckig, aber das störte den Älteren im Moment kaum. Sein Blick war starr auf den schwarzen Sarg aus Ebenholz gerichtet, der im ausgehobenen Grab, das parallel zu seinem gebrochenem Körper verlief, lag. Er bräuchte nur die Hand auszustrecken um den zweiten Sarg, der innerhalb eines Monates in dieser Grube bestattet wurde, zu berühren. Der erste, größere beinhaltete den leblosen Körper seiner noch jungen Mutter und befand sich unter dem anderen Sarg, dem seiner jüngeren Schwester. Ein heftiges Gefühl der Beklemmtheit ergriff von ihm Besitz und schnürrte ihm den Hals so fest zu, dass er schon befürchtete daran ersticken zu müssen. Nur mühsam gelang es ihm neuen Sauerstoff in seine Lungen zu zwängen, obwohl es ihm im Moment auch nichts ausmachte, wenn er auch bald bei seiner Mutter und seiner Schwester sein würde. Aber es würde nichts an seiner Tat ändern. Tränen stiegen ihm in die Augen und verschleierten ihm die Sicht auf die wiedergeöffnete Grube direkt zu seiner rechten Seite mit dem kostbarsten Inhalt den sein Leben je besessen hatte. Mutter und Tochter, im Tode vereint. Vorsichtig richtete sich Albus auf, versuchte den bohrenden Schmerz in seinem Gesicht zu ignorieren und betastete umsichtig seine vermutlich gebrochene Nase. Ein simpler Heilzauber später würde genügen. Später nach der Beerdigung, solange würde er die Schmerzen als willkommene Ablenkung von seiner inneren Leere und als Bestrafung ertragen. Kaum war er wieder auf den Beinen brüllte Aberforth auch schon wieder auf ihn ein, die Tränen strömten über sein vor Wut verzerrtes Gesicht und liesen ihn wie wahnsinnig wirken.
„Das verzeihe ich dir nicht, hast du verstanden!?! Ich habe unsere Schwester geliebt und du...du hast ihr Leben einfach so mit Füßen getreten und für was? Illusionen! Du bist doch wahnsinnig, Albus! Dieser Kerl hat dich komplett umgedreht! Und wenn du meinst du kannst jetzt so einfach wieder bei mir zu Kreuze gekrochen kommen, weil er wieder weg ist dann...“
„Aberforth!“, unterbrach ihn eine der Frauen unter lautem Schluchzen. „Sieh dir doch deinen Bruder an, glaubst du nicht auch ihr beide habt schon genug gelitten...es...eure Mutter wäre zu Tode betrübt wenn sie wüsste, dass ihr euch am offenen Grab streiten würdet.“
„Aber er hat doch Schuld.“, erwiderte Aberforth unbeirrbar. „Er hat sie doch umgebracht. Er hat diesen Teufel doch erst zu uns ins Haus geholt.“
Albus erhob kein einziges Mal Einspruch. Wie betäubt stand er einfach nur mitten auf dem Friedhof in dem die ganze Tragödie erst ihren Anfang genommen hatte.
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Es dauerte eine Weile dann hatte er sich soweit im Griff, dass er mit fester Stimme antworten konnte.
„Ich habe ...alles getan um sie zu beschützen. Wie es scheint gab es einen Verräter im Umfeld der Potters.“
Severus schluchzte laut auf und wischte sich mit dem Ärmel seiner schwarzen Robe über die geröteten Augen. Er hatte schon lange nicht mehr so sehr geweint, bis zur Erschöpfung. Nicht seit Lily ihm die Freundschaft gekündigt und sich für James entschieden hatte. Seit dem er die falsche Entscheidung getroffen hatte.
„Das...das...das ist doch jetzt egal. Alles ist egal. Sie ist fort. Für immer fort. Und ich bin schuld daran! Am liebsten würde ich sterben!“, brachte er zwischen mehreren Schluchzern heraus und weinte noch mehr.
„Dein Tod bringt sie auch nicht zurück!“, meinte Albus kalt und wandte die Augen wieder dem Häufchen Elend vor ihm zu. „Aber es gibt etwas das du für Lily tun kannst.“
„Was denn?“, fragte Severus desinteressiert und nahm den Ärmel vom Gesicht.
„Ihr Sohn. Er hat überlebt. Du kannst helfen ihn zu beschützen.“, antwortete Albus ruhig.
„J-james` Sohn? Beschützen? Ich?“, krächzte der Schwarzhaarige ungläubig. „Das ist doch nicht mehr nötig, der dunkle Lord ist fort. Für immer ...fort...“, murmelte er gedankenverloren.
„Meiner Annahme nach nicht! Ich weis nicht wie lange wir noch Zeit haben, aber er wird wieder kommen und Harry töten wollen.“, widersprach ihm der Weißhaarige.
„Aber ...wieso ausgerechnet ich? James` Sohn....“, meinte Severus fast schon entsetzt.
„Er ist auch Lily's Sohn! Er hat ihre Augen. Du erinnerst dich doch sicherlich noch an ihre unglaublich grünen Augen.“, antwortete ihm der ältere Zauberer.
„Nein, nicht.“, wimmerte Severus. „Lily's...Sie ...ihr Sohn...James` Sohn...ich kann nicht... Wenn das herauskommt wäre das die größte Schande für mich...“
„Du kannst die Schuld ihr gegenüber abtragen. Sie wäre darüber bestimmt glücklich wenn sie wüsste, dass du doch noch einen anderen Weg eingeschlagen hast. Du kannst es wieder gut machen, Severus.“, redete Albus auf ihn ein, die blauen Augen wie zwei Röntgenapparate auf ihn gerichtet.
Eine Weile schwieg der Jüngere, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst, bevor er eine gut überlegte Entscheidung traf.
„Dann müssen sie mir aber versprechen, dass niemand davon erfährt. James's Sohn...“, flehte Severus eindringlich.
Albus nickte überrascht und seine angespannten Gesichtszüge glätteten sich etwas.
„Gut kein Wort zu jemandem darüber, dass du doch ein Mensch bist, Severus.“, versprach der Direktor.
Severus atmete auf.
„Gut, kann ich dann gehen?“, wollte er wissen.
„Ein letztes noch.“, meinte Albus. „Harry wird, solange bis er nach Hogwarts kommt, bei seiner restlichen Familie, den Dursleys bleiben. Ab dem Moment wo er Hogwarts betritt bist du als sein Lehrer für seine Sicherheit zuständig, Severus.“
„Petunia?“, fragte Severus ungläubig nach.
„Ja, seine Tante. Du kennst sie ja bereits. Sie wird ihn sicherlich wie eine Mutter aufziehen, immerhin war Lily ihre kleinere Schwester.“, antwortete der Ältere.
„Petunia hasst alles magische und das wissen sie! Wieso...?“, Severus begriff nicht wie Albus Lily's Sohn diese Familie nur antun konnte, wenn die ganze Zaubererwelt den Jungen mit Freuden aufziehen würde.
„Das ist nicht deine Entscheidung, Severus.“, unterbrach ihn der Direktor barsch und blickte seinen ehemaligen Schüler wütend an.
„Aber Sir...“, versuchte Severus ein weiteres Mal einzuwenden.
„Nein, Severus. Es wurde so entschieden und außerdem ist er schon bei ihnen.“, schnitt ihm Albus das Wort ab. „Er wird es dort guthaben. Und jetzt muss ich dich leider bitten mein Büro zu verlassen, es ist schon reichlich spät geworden.“
„J-ja, Sir.“, antwortete Severus mechanisch und erhob sich von seinem Platz. Wie ein Schlafwandler verlies er mit einem knappen Abschiedsgruß das Büro.
Eine weitere Entscheidung. Wie würde sie die Zukunft wohl beeinflussen? Ob es für Harry wirklich das Beste war bei seiner Familie aufzuwachsen - fern der Zaubererwelt, fern seines Schicksals? Ob es klug war?
Albus wusste es nicht. Er konnte nur vermuten. Und hoffen.
Schicksal.
Ein bedeutungsschweres Wort.
Liebe.
Ein noch viel bedeutenderes Wort. Und sie verleitete einen zu so vielen Dummheiten.
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