von Hannah Abbott 13
Harry war nicht mehr da. Dieser Satz verfolgte mich, den ganzen Tag, die ganze Nacht. In meinen Träumen. Ich sah ihn. Als würde er direkt vor mir stehen, mich anlächeln, so, wie er es immer getan hatte. Und ich fühlte ihn. Ich fühlte seine Arme, die sich sanft um mich schlangen, seine Lippen auf meinen.
Aber dann wachte ich auf, so glücklich, so zufrieden, so froh. Bis mir klar wurde, dass es wieder nur ein Traum gewesen war. Wie immer. Harry war nicht mehr da. Aber er würde weitermachen. Er würde wiederkommen. Ganz bestimmt.
Den Glauben daran verlor ich nicht. Auch nicht nach dem Monat, den wir getrennt gewesen waren.
Every night in my dreams
I see you, I feel you,
that is how I know you go on
Ich konnte ihn fühlen. Die Entfernung zwischen mir und ihm schien keine Bedeutung zu haben. Egal, wie weit er weg sein würde, ich würde ihn lieben, ich würde ihn lieben, was immer geschah.
Heute war es so weit. Heute würde er kommen. Ich zählte die Minuten, die Sekunden, bis er endlich da war.
Ich wusste, dass ich völlig neben der Spur war. Aber ich durfte es nicht zeigen. Harry durfte nicht sehen, wie weh es mir tat.
Zu meiner Sehnsucht nach ihm kam im Moment noch die Angst um meine Familie dazu. Sie waren alle da draußen, holten Harry, durften ihn sehen, durften für ihn kämpfen… und konnten für ihn sterben. Und er selbst konnte auch sterben.
Mum und ich warteten auf die Portschlüssel. Wir waren beide kurz vorm durchdrehen. Alle, die wir liebten, waren in Gefahr. Und wir konnten nicht helfen. Wir durften nicht helfen.
Der erste Portschlüssel kam. Leer. Tonks und Ron. Was war mit ihnen passiert? Hatten sie sich verflogen? Waren sie durch irgendetwas Ungefährliches aufgehalten worden und hatten sich deshalb verspätet? Oder… Ich durfte nicht daran denken, es konnte nichts passiert sein, sie hatten einen Plan gehabt, es konnte ihnen einfach nichts passiert sein.
Ich zählte trotz allem die Sekunden. Dreißig… warum dauerte es noch so lange? Zwanzig… Was wenn ihm etwas passiert war? Wenn der Plan nicht funktioniert hatte? Fünfzehn… Immerhin war Voldemort persönlich hinter ihm her. Harry war wohl im Moment die Person mit der geringsten Lebenserwartung in der gesamten Zaubererwelt. Zehn… Nein, so durfte ich nicht denken. Harry würde es gut gehen. Allen würde es gut gehen. Niemand war in Gefahr. Das war alles nur ein Albtraum. Acht… Sieben… Sechs… Waren die Sekunden schon immer so endlos lang gewesen? Fünf… Gleich würde er da sein, gleich, in ein paar Sekunden… Vier… Wann? Wann endlich? Drei… Was, wenn er nicht kam? Zwei… Unsinn! Eins… Null...
Und er kam. Unscheinbar neben der großen Gestalt Hagrids, und doch kam es mir so vor, als leuchtete er heller als die Sonne, so wunderbar und schön wie nichts anderes auf der Welt. Mum stürzte auf ihn zu, umarmte ihn. Was hätte ich nur dafür gegeben, es genauso tun zu können. Meinen Gefühlen folgen.
Far across the distance
and spaces between us
You have come to show you go on
Auch wenn er so nah war, war er doch fern. Wir redeten nicht miteinander, wir berührten uns nicht, wir logen einander an. Aber ich war trotzdem in seiner Nähe. Mein Herz würde nicht aufhören, für ihn zu schlagen. Egal wie nah oder fern er auch war. Es war egal. Wir waren eng verbunden, ohne miteinander zu reden, ohne, dass er davon wusste.
Ich glaubte - wusste schon fast -, dass es nie anders sein würde. Es würde immer so weitergehen, egal wie weh es tat.
Near, far, wherever you are
I believe that the heart does go on
Es war der Tag vor Harrys Geburtstag, als mir die Idee kam. Ich hielt den Schmerz nicht mehr aus, ich wollte es auch gar nicht mehr.
Ich musste ihm zeigen, was die Wahrheit war. Was ich fühlte. Was er fühlte. Ich sah es in seinen Augen. Er liebte mich, aber er wollte es nicht. Dabei er musste es doch. Es ging nicht anders.
Also rief ich ihn in mein Zimmer. Ob er etwas ahnte? Wahrscheinlich nicht. Er bekam in letzter Zeit nur sehr wenig von dem mit, was wirklich in mir vorging. Er kam durch die Tür. Er sah unsicher aus, neugierig oder auch froh. Und ich setzte meinen Plan in die Tat um.
Ich spürte, dass es richtig war, was wir taten. Er war bei mir, wie er auch in meinem Herzen war. Und ich wusste, dass es ihm genauso ging. Aber er wollte die Wahrheit nicht kennen. Er wollte es nicht hören, nicht glauben, er wollte weder auf mich noch auf seine Gefühle hören.
Und dabei würde es für immer so sein. Die Liebe würde nicht aufhören. Es würde weiter und weiter gehen.
Once more you open the door
and you’re here in my heart
and my heart will go on and on
Ich sah meinem Bruder beim Heiraten zu. In diesem Moment beneidete ich ihn so. Er hatte seine Große Liebe gefunden (auch wenn ich sie nicht mochte), er konnte mit ihr zusammen sein, er konnte sie sogar heiraten, sein ganzes Leben mit ihr verbringen.
Die Liebe konnte einem einmal begegnen, so wie es bei mir gewesen war. Aber es konnte auch das letzte Mal sein. Das Leben konnte schnell zu Ende sein, so schnell, dass man es vielleicht gar nicht bemerkte. Aber mein Herz schlug weiter. Immer weiter. Für Harry.
Ich würde die Liebe nicht gehen lassen, diese Liebe würde erst sterben, wenn wir beide tot waren. Egal was mit Harry war, ich würde ihn lieben.
Und dann geschah das, was passieren musste. Sie kamen. Die Todesser. An der Hochzeit meines Bruders. Ich sah, dass Harry fliehen konnte. Mit Ron und Hermine. Wenigstens diese drei waren gerettet. Und mit Harry auch unsere Liebe.
Love can touch us one time
and last for a lifetime
and never let go till we’re gone
Die Zeit verging und manchmal zweifelte ich daran, ob die Liebe wirklich gut war, für die ich litt. Doch dann erinnerte ich mich an die richtige Liebe. Als ich ihn geliebte hatte, richtig geliebt, als wir zusammen gewesen waren. Es war die einzig wahre Zeit war unsere gemeinsame gewesen. Der Rest war etwas anderes. Es zählte nur, dass wir beieinander gewesen waren. Und so würde es in meinem ganzen Leben weiter gehen. Ich würde für ihn leben, für die Erinnerung, nichts weiter. Für die Liebe, die nur noch ein kleiner Lichtpunkt am fernen Horizont war, und doch so auffällig wie ein einziger heller Stern am dunklen Nachthimmel.
Love was when I loved you
One true time I hold to
In my life we’ll always go on
Es war ein Dreivierteljahr her, seit ich Harry das letzte Mal gesehen hatte. Doch an meinen Gefühlen hatte sich nicht viel verändert. Der Schmerz war etwas erträglicher geworden, die Liebe großer, aber es war auch etwas Neues dazugekommen: Wut. Warum hatte er mich zurückgelassen, mich verlassen, mir diese Schmerzen angetan?
Aber ich konnte nichts ändern. Ich sprach mit keinem über Harry, niemand wusste, dass ich ihn liebte. Wäre es nicht so traurig gewesen, dann hätte ich es als gut empfunden. Ich war nicht noch mehr in Gefahr als durch Ron. Die Todesser hatten offenbar keine Ahnung von unserer Beziehung.
An einem gewissen Tag, der so begann wie jeder andere und so endete wie keiner zuvor, bekamen wir die Nachricht, dass Harry in Hogwarts war. Es würde einen Kampf geben. Und diesmal würde ich nicht sicher, weit ab vom Geschehen in der Ecke sitzen und mir Sorgen machen. Ich würde helfen.
Ich würde bei Harry sein. Ganz nah, wie schon an seinem Geburtstag. Ich hoffte, dass sich die Kluft zwischen uns nicht noch vergrößert hatte, die Kluft, die nichts mit Kilometern zu tun hatte.
Egal, wo er war, wie weit weg oder wie nah, ich wusste, dass mein Herz ihn weiter lieben würde. Ohne meine Vernunft zu fragen, ohne auf sie zu hören, ohne Rücksicht auf alles andere, selbst auch mein eigenes Leben.
Near, far, wherever you are
I believe that the heart does go on
Ich kroch hinter Fred und George durch den Geheimgang, der zum Raum der Wünsche führte. Ich hoffte, er würde da sein, aber ich hatte auch Angst davor. Warum, wusste ich nicht. Vielleicht, weil die winzige Möglichkeit bestand, dass er mich nicht mehr mögen könnte. Aber ich wusste, dass das Blödsinn war. Er war immer bei mir, in meinem Herzen.
Und dann schwang das Gemälde zur Seite und gab den Blick auf ihn frei. Er sah mich an. Und ich sah seine Gefühle in seinem Blick, obwohl er sie mit aller Kraft zu verbergen suchte. Ich sah, dass er mich liebte, dass er mich umarmen wollte, dass es ihm so ging wie mir. Aber ich wusste, dass er noch immer nicht auf seine Gefühle hören wollte, genauso wenig wie mein Herz auf meinen Kopf hörte. Und mein Herz würde damit immer und immer weitermachen.
Once more you open the door
and you’re here in my heart
and my heart will go on and on
Der Kampf stand bevor, dass wusste ich.
Aber ich hatte keine Angst. Nicht ein bisschen. Vor was auch? Meine größte Angst war, wieder von ihm getrennt zu sein. Und wir waren nah beieinander. Ich hätte jede Folter ertragen können, alles, was die Todesser mir hätten antun können, wenn ich wusste, dass es für ihn war. Dass er in meiner Nähe war. Dass wir uns liebten.
You’re here, there’s nothing I fear,
Und dann geschah das, was nicht hätte passieren dürfen. Einige Stunden voller Kampf und Grausamkeit später. Er lag in Hagrids Armen, so leblos, so schrecklich, so wehrlos. Ich wusste, dass genau dieses Bild mein Irrwicht gewesen wäre. Das konnte doch nicht die Wirklichkeit sein. Was hatte ich getan, dass ich das verdiente?
Mein Herz wollte wieder nichts auf meinen Verstand hören, auf alle meine Sinne, die mir sagten, dass er nicht mehr da war. Es wollte einfach nicht. Es liebte ihn weiter, den Harry, der jetzt nichts mehr war als eine Erinnerung, ohne den kleinsten Hoffnungsschimmer am Himmel.
Es tat weh. Es tat mir so weh, ihn dort zu sehen, in Hagrids Armen. Er bewegte sich nicht, er wehrte sich nicht. Es war nicht der Harry, den ich liebte. Aber es tat so unendlich weh.
„NEIN!“, schrie ich. Ich hörte noch einige andere Stimmen, die mit mir riefen, doch ich beachtete sich nicht. „HARRY! HARRY!“
Es konnte nicht sein. Er konnte nicht tot sein. Er durfte nicht tot sein. Das ging nicht. Das war unmöglich.
Einige Tränen rannen mir aus den Augen. Halb bestanden sie aus Trauer, halb aus ohnmächtiger Wut. Es konnte nicht sein. Ich wollte zu ihm laufen. Ihn rütteln. Ihm sagen, er soll aufstehen. Ich wollte ihn anschreien, weil er mir erneut diese Schmerzen zufügte. Zum zweiten Mal.
Aber diesmal war es nicht seine Schuld. Der Verantwortliche stand uns gegenüber, ein böses Lächeln auf dem schlangengleichen Gesicht. Eine neue Welle des Zorns überrollte mich. Diesmal ließ er keinen Platz für Trauer und Tränen. Ich wollte ihn angreifen, ihm Schmerzen zufügen, ihn töten. Aus Rache, weil er mir das genommen hatte, was mein Herz liebte. Und immer lieben würde.
And I know that my heart will go on
Die nächsten Momente zogen an mir vorbei, unscharf, wie im Nebel. Ich weiß, dass ich mich an jedem Todesser rächen wollte. Bellatrix stand mir am nächsten. Doch ich konnte sie nicht besiegen. Immer großer wurde mein Zorn, immer größer meine Kraft, mein Wille. Ich entging knapp einem Todesfluch. Ich war zu sehr in Trance, um geschockt zu sein.
Und dann kam Mum. Sie rächte Fred. Sie gewann. Ich hatte Mum nie eine solche Macht zugetraut, doch ich hatte gerade erfahren, was es wirklich heißt zu hassen, zu rächen, bis zum Tod zu kämpfen.
Und dann, als alle noch geschockt waren, kam er. Wie ein Engel, ein Retter in der Not. Und mein Herz blieb erneut stehen. Mein Herz spielte verrückt. Die Liebe nahm wieder von mir Besitzt, die richtige Liebe. Ich fühlte mich, als ob ich schwebte.
Er kämpfte. Ich hätte nichts lieber getan, als ihn zu unterstützen. Doch er musste einen Plan haben. Ich vertraute ihm. Er wollte nicht, dass ihm jemand half. So schwer es mir auch fiel.
Und er schaffte es. Er besiegte Voldemort. Er hatte es geschafft.
Der Jubel brach los, aber ich stimmte nicht mit ein. Ich lief auf ihn zu, so schnell ich konnte. Doch Ron und Hermine waren vor mir da. Er bemerkte mich nicht. Er sah so geschockte aus. Ich wollte ihn umarmen, ihn trösten. Und ich wollte, dass er mich umarmte, mich festhielt, mir half, das alles so schnell wie möglich zu vergessen.
Es dauerte einige Stunden, bis wir miteinander redeten. Mein Herz besiegte meinen Verstand endgültig, und auch bei Harry schien sein Herz endlich die Führung übernommen zu haben.
Wir sprachen. Wir redeten lange, wir erklärten uns alles, das ganze letzte Jahr und alles andere, was noch geheim gewesen war. Ich war so glücklich, so zufrieden, so froh. Und diesmal wusste ich, dass ich nicht aufwachen würde. Das war ein Traum, der niemals enden würde. Nie.
Unsere Liebe wird für immer so bleiben, wie sie jetzt ist. Perfekt.
Und niemand würde ihn aus meinem Herzen vertreiben, genauso wenig wie mich aus seinem. Denn mein Herz wird immer und immer weitermachen, ihn lieben und nur für ihn schlagen.
We’ll stay forever this way
You are safe in my heart
and my heart will go on and on…
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